Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 18 R 5266/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 5140/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 12. November 2015 teilweise aufgehoben sowie der Bescheid der Beklagten vom 27. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Oktober 2013 abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab 1. August 2017 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer zu gewähren.
Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ab 1. März 2013.
Die am 1972 geborene Klägerin ist Diplom-Betriebswirtin und war zuletzt bis 26. November 2010 als Firmenkundenberaterin einer Sparkasse beschäftigt. Anschließend bezog sie bis 21. März 2013 Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) oder Krankengeld (letztmals vom 10. Oktober 2012 bis 21. März 2013). Zuletzt war sie ab 22. März 2013 arbeitslos ohne Leistungsbezug. Mit Bescheid vom 18. Oktober 2016 wurde ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 seit 12. Oktober 2015 festgestellt.
Die Klägerin befand sich vom 20. Dezember 2010 bis 11. April 2011 anlässlich einer Sucht-Entwöhnung stationär in der S. Klinik F ... In seinem Entlassungsbericht vom 12. April 2011 legte Leitender Arzt Dr. K. dar, die Klägerin leide an einem Alkoholabhängigkeitssyndrom, einer benignen essenziellen Hypertonie, Großzehengrundgelenksarthrose rechts sowie einer alkoholischen Fettleber. Kontakt mit Suchtmitteln und langes Gehen sollte vermieden werden. Sowohl ihren zuletzt ausgeübten Beruf als auch mittelschwere Tätigkeiten mit ständigem Stehen, überwiegendem Gehen und ständigem Sitzen seien der Klägerin noch sechs Stunden und mehr täglich möglich. Die Beklagte bewilligte eine ambulante Rehabilitationsnachsorge (Bescheid vom 28. April 2011), an der die Klägerin vom 28. April bis 28. Juli 2011 an elf Terminen teilnahm und in deren Verlauf sowie nach deren Abschluss es zu Rückfällen kam (Berichte der Diplom-Sozialarbeiterin P. vom 5. September und 27. Oktober 2011).
In der Zeit vom 14. Dezember 2011 bis 22. Februar 2012 hielt sich die Klägerin zu einer weiteren Entwöhnungsbehandlung stationär in der b. Fachklinik S. auf. Im Reha-Entlassungsbericht vom 10. April 2012 führte Facharzt für Neurologie/Psychiatrie G. aus, die Klägerin leide an einem Alkoholabhängigkeitssyndrom, einer rezidivierenden depressiven Störung bei gegenwärtig leichter Episode, einer ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen Anteilen, einer arteriellen Hypertonie sowie einer Großzehengrundgelenksarthrose. Wegen einer Periarthropathia humero scapularis links solle sie nicht schwer Heben und Tragen sowie keine Überkopfarbeiten ausführen, bei ausgeprägter Großzehengrundgelenksarthrose nicht lange gehen. Im Ergebnis sei sie in der Lage, sowohl ihren zuletzt ausgeübten Beruf als auch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden und mehr täglich auszuüben. Zur weiteren Stabilisierung und Rückfallprophylaxe sei die ambulante suchtspezifische Weiterbehandlung angezeigt.
Vom 21. Januar 2013 bis 16. April 2013 befand sich die Klägerin stationär in der M. Klinik an der L ... PD Dr. F., Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, legte in seinem Arztbrief vom 16. April 2013 dar, die Klägerin leide an einer rezidivierenden depressiven Störung bei gegenwärtig mittelschwerer Episode, Alkoholabhängigkeit (gegenwärtig abstinent) sowie einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung. Zum Ende der geplanten regulären Behandlungsdauer sei sie in gebessertem Zustand arbeitsunfähig zur weiteren Stabilisierung entlassen worden und empfahl dazu eine tagesklinische Behandlung.
Am 15. März 2013 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung legte sie dar, seit August 2010 wegen psychischer Probleme, Depressionen, Anpassung- und Persönlichkeitsstörungen, Traumafolgestörungen, Alkoholabhängigkeit, Arthrose und Blutrothochdruck nicht mehr erwerbsfähig zu sein.
Die Beklagte veranlasste anschließend eine Untersuchung und Begutachtung der Klägerin durch Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Dr. St ... Dieser führte unter dem 30. April 2013 aus, die Klägerin leide an Störungen durch Alkohol, Alkoholabhängigkeitssyndrom, derzeit abstinent, einer rezidivierenden depressiven Störung, leichte Episode, einer kombinierten Persönlichkeitsstörung, einer Hypertonie sowie eine Arthrose am Großzehengrundgelenk. Von Seiten der Alkoholabhängigkeit gebe es keine Depravation. Unter Annahme einer andauernden, konsistenten, psychiatrischen, psychophysiologischen und verhaltenstherapeutischen Behandlung ergäben sich trotz subjektiv belastender Symptome keine negativen Auswirkungen auf das quantitative Leistungsvermögen. Qualitativ entfielen wegen der psychischen Leiden Tätigkeiten mit Ansprüchen an die geistig-psychische Belastbarkeit sowie Tätigkeiten mit Kontakt zu Alkohol. Die Klägerin sei weiterhin in der Lage, in ihrem zuletzt ausgeübten Beruf sechs Stunden und mehr täglich tätig zu werden.
Mit Bescheid vom 27. Juni 2013 lehnte die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin nach Einholung einer ärztlichen Stellungnahme der Beratungsärztin Dr. P. der Beklagten vom 15. Mai 2013 (erfolgreich behandelte Alkoholerkrankung ohne Nachweis eines leistungsmindernden neurologisch-psychiatrischen Krankheitsbildes; erhaltene Belastbarkeit für leichte bis mittelschwere Arbeiten im Wechselrhythmus) ab. Die Klägerin sei in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein.
Die Klägerin erhob hiergegen mit der Begründung Widerspruch, entgegen der Annahme der Beklagten sei die Alkoholerkrankung nicht erfolgreich behandelt worden. Insoweit verweise sie auf die zahlreichen Entgiftungen, Therapien und Rückfälle. Sie sei weiterhin auf unbestimmte Zeit krankgeschrieben. Nach wie vor sei sie in schlechter psychischer Verfassung. Dies schlage sich in Form von Verspannungen im Nackenbereich nieder, woraus andauernder Kopfschmerz und Magenbeschwerden resultierten. Zudem leide sie an Schlafstörungen. Sie verwies auf einen Arztbrief des PD Dr. F. vom 14. Mai 2013, in dem letzterer über einen teilstationären Aufenthalt der Klägerin vom 6. bis 8. Mai 2013 in der M. Klinik an der L. berichtet. Nach dem 8. Mai 2013 sei die Klägerin nicht mehr in der Tagesklinik erschienen und habe telefonisch bekanntgegeben, an einer Magen-Darmerkrankung zu leiden. Nachdem auch am 14. Mai 2013 noch keine ausreichende Besserung erreicht worden sei, die es der Klägerin erlaubt hätte, in die Tagesklinik zu kommen, habe die Klinik die Klägerin rückwirkend zum 8. Mai 2013 entlassen. Die Beklagte holte einen ärztlichen Befundbericht der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie Dr. Gr.-S. ein. Unter dem 7. Oktober 2013 führte diese aus, die Klägerin leide an einer rezidivierenden depressiven Störung, derzeit schwere Episode, einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung, einer Alkoholabhängigkeit sowie einer arteriellen Hypertonie. Die Klägerin sei nicht alkoholabstinent. Es bestehe eine schwere Antriebsstörung mit Unfähigkeit, den Tagesablauf zu strukturieren. Die Belastbarkeit sei aufgehoben. Es bestünden depressive kognitive Einschränkungen. Seit Mitte 2013 sei eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes bei der Klägerin eingetreten. Zu den bereits bekannten Arztbriefen der M. Klinik an der L. legte sie einen weiteren kurzen Arztbrief des PD Dr. F. vom 22. November 2012 vor, in dem dieser über eine stationäre Entzugsbehandlung der Klägerin vom 2. bis 22. November 2012 berichtet.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 2013 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch der Klägerin zurück. Nach der im Rentenverfahren getroffenen sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung könne die Klägerin mit dem vorhandenen Leistungsvermögen leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ohne Alkoholexposition und ohne überdurchschnittlichen Zeit- und Leistungsdruck im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich ausüben. Aus dem im Widerspruchsverfahren zusätzlich eingeholten Befundbericht der Dr. Gr.-S. ergäben sich keine weiteren Befunde, die zu einer Änderung der im Rentenverfahren getroffenen Beurteilung führten. Ein arbeitsunfähiger Versicherter müsse nicht auch erwerbsgemindert sein.
Die Klägerin erhob am 21. November 2013 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG). Unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens trug sie vor, ihre Alkoholerkrankung sei nicht erfolgreich behandelt worden. Das ganze Jahr 2013 sei sie arbeitsunfähig krankgeschrieben gewesen. Ihr Zustand habe sich weiter verschlechtert. Sie legte einen Ambulanzbrief der Notaufnahme des O. Klinikums O.-G. vom 26. Oktober 2014 vor. Darin führte Assistenzärztin S. aus, die Klägerin sei wegen eines erstmaligen generalisierten tonisch-klonischen Krampfanfalls bei Alkoholentzug eingeliefert worden.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Die vorgelegten Unterlagen seien nicht geeignet, vom bisherigen sozialmedizinischen Standpunkt abzuweichen. Die Durchführung einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme werde vorgeschlagen.
Das SG zog zunächst einen Befundbericht des die Klägerin behandelnden Arztes für Allgemeinmedizin und Homöopathie Dr. N. vom 18. November 2013 aus dem vor dem SG unter dem Aktenzeichen S 16 SB 4790/13 geführten Rechtsstreit bei. Dr. N. führte darin aus, die Klägerin sei seit 2010 als Patienten bekannt. Es erfolge durch ihn lediglich die Mitbehandlung wegen der arteriellen Hypertonie, die unter der aktuellen Medikation recht zufriedenstellend eingestellt sei. Im Vordergrund stünden Behandlungen aus dem neurologisch/psychiatrischen Krankheitsgebiet, die bei Dr. Gr.-S. bzw. in der M. Klinik an der L. erfolgten.
Anschließend erhob das SG Beweis durch Einholung sachverständiger Zeugenauskünfte der die Klägerin behandelnden Ärzte Dr. Gr.-S. und Dr. M., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie in der M. Klinik an der L ... Dr. M. führte aus (Auskunft vom 16. Juni 2014), die Klägerin aus eigener Behandlung seit September 2010 zu kennen. Auf Frage nach dem Schwerpunkt der Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit der Klägerin gab Dr. M. an, die Klägerin leide vorrangig unter einer komplexen Traumafolgestörungen vom Phänotyp der Borderline-Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F43.1) sowie einer rezidivierenden depressiven Störung (ICD-10: F33.1). Die Alkoholabhängigkeit sei als sekundäre komorbide Erkrankung zu werten. Eine Aussage über die Fähigkeit der Klägerin, einer regelmäßigen leichten körperlichen Tätigkeit im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich nachzugehen, könne sie nicht treffen. Grundsätzlich sei zu sagen, dass sowohl die Diagnose einer komplexen Traumafolgestörung als auch die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung oder eine Alkoholabhängigkeit einer Erwerbstätigkeit nur insofern entgegenstünden, als sie akut exazerbiert sei. In stabilen Phasen sei eine Arbeitstätigkeit durchaus möglich. Ihrer sachverständigen Zeugenauskunft fügte sie zudem u.a. Arztbriefe vom 22. Dezember 2012 über den stationären Aufenthalt der Klägerin vom 7. bis 28. November 2011 und den teilstationären Aufenthalt vom 28. November bis 9. Dezember 2011 sowie vom 17. November 2010 über den stationären Aufenthalt der Klägerin vom 7. September bis 5. Oktober 2010 bei. Dr. Gr.-S. führte unter dem 26. November 2014 aus, der letzte Kontakt zur Klägerin habe am 26. November 2013 stattgefunden. Über den derzeitigen Gesundheitszustand könne sie keine Angaben machen. Sie verwies jedoch auf ihre beigefügte sachverständige Zeugenauskunft vom 21. November 2013 im Verfahren S 16 SB 4790/13. Bei dem Kontakt im Oktober 2013 habe eine ausgeprägte depressive Verstimmung mit Antriebslosigkeit, innerer Anspannung, Reizbarkeit und weitgehendem sozialem Rückzug vorgelegen. Weitere Diagnosen seien in der M. Klinik L. gestellt worden.
Das SG beauftragte in der Folge Facharzt für Allgemeinmedizin, Psychotherapie, Suchtmedizin, Dr. Ge., mit der Erstattung eines sozialmedizinischen Sachverständigengutachtens. Dieser führte nach persönlicher Untersuchung der Klägerin, bei der auch deren Mutter anwesend war, unter dem 17. Januar 2015 aus, die Klägerin leide an einer "narzisstisch akzentuierten Persönlichkeit mit der Folge einer zunächst Entlastungstrinkerin, dann Spiegeltrinkerin mit der Folge körperlicher Folgeerkrankungen wie periphere Polyneuropathie." Die Klägerin leide ferner an Alkoholabhängigkeit (ICD-10: F10) und einer Persönlichkeitsstörung, narzisstische Persönlichkeit (ICD-10: F60.9). Die Klägerin sei aufgrund ihres Gesundheitszustandes derzeit nicht in der Lage, regelmäßig einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Sie sei arbeitsunfähig. Allerdings sei sie als leistungsfähig zu betrachten, weil bei optimaler Behandlung binnen Halbjahresfrist ein Zustand erreicht werden könne, in dem ihre Arbeitsfähigkeit wieder hergestellt sei. Sie sei erwerbsfähig. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien ihr mittelschwere körperliche Arbeiten weiterhin möglich. Tätigkeiten, die an das Gleichgewichtsorgan bzw. an die Fähigkeit des Ausbalancierens erhöhte Anforderungen stellten, wie die Arbeit auf Leitern oder Gerüsten, seien ihr nicht möglich. Auch Arbeiten mit ständiger Veränderung der Körperposition und an schnelllaufenden Maschinen seien ihr nach Ausheilung der akuten Alkoholphase durchaus möglich. Schicht- oder Nachtarbeit, also Arbeiten, die in die biologische Tagesrhythmik eingreifen, sollten wegen der depressiven Verstimmung der Klägerin vermieden werden, da sie die Gefahr eines Alkoholrückfalls förderten. Akkord- und Fließbandarbeiten seien ihr möglich. Bei Arbeiten mit hochtemperierten Flüssigkeiten sei zu beachten, dass momentan das Temperaturempfinden durch die Polyneuropathie für den Zeitraum eines halben Jahres herabgesetzt sei. Schwierige Tätigkeiten geistiger Art, also mit hoher Konzentration, mit Publikumsverkehr, mit Multitasking und hoher nervlicher Beanspruchung seien ihr zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich, da krankheitsbedingt das Konzentrationsvermögen herabgesetzt sei. "Bis mindestens sechs Stunden Höchstdauer am Arbeitstag" sei sie in der Lage, die genannten Tätigkeiten ohne Gefährdung der Gesundheit durchzuführen. Da die Polyneuropathie im nervenfachärztlichen Gutachten des Dr. St. vom 30. April 2013 noch nicht beschrieben sei, sei der Krankheitsbeginn etwa mit Eintritt des Jahres 2014 festzustellen. Bei entsprechenden Behandlungen, also fachgerechter Entgiftung, Psychotherapie unter besonderer Berücksichtigung der narzisstischen Persönlichkeitsstörung (nicht suchtbezogen), möglichst ressourcenorientiert, und weiterer medikamentöser Behandlung des Bluthochdrucks sowie der Folgeerkrankung Polyneuropathie könne binnen eines Halbjahreszeitraums davon ausgegangen werden, dass die Einschränkungen ganz oder teilweise entfielen.
Anschließend erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 11. Februar 2015, Dr. Ge. habe in seinem Gutachten eine dringende Behandlungspflichtigkeit der vordergründigen stoffgebundenen Suchtproblematik mit Rückfall Ende Oktober 2014 festgestellt und die Indikation einer weiteren stationären Entwöhnungsmaßnahme mit nachfolgendem ambulanten Setting betont. Der gutachterlichen Empfehlung werde gefolgt.
Aufgrund eines Bandscheibenvorfalls L4/5 links befand sich die Klägerin vom 23. April bis 4. Mai 2015 stationär zur konservatien Therapie, die zu einer Beschwerdebesserung führte (Arztbrief des Chefarztes Dr. Sc. vom 29. April 2015). In der Zeit vom 11. Mai bis 13. Juni 2015 hielt sich die Klägerin anlässlich einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme in der S.-klinik B. K. auf. Chefarzt Dr. Pe. legte im Reha-Entlassungsbericht vom 13. Juni 2015 dar, die Klägerin leide an einem Bandscheibenvorfall L4/L5 links mit radikulärer Symptomatik der Wurzel L5/S1 links. Die Entlassung erfolge als arbeitsunfähig. Bei weiterem Rückgang der Beschwerdesymptomatik werde sich die Klägerin bei der Arbeitsagentur zwecks Vermittlung einer leidensgerechten Tätigkeit wieder melden. Das Wiedereintreten der Arbeitsfähigkeit sei derzeit noch nicht absehbar und hänge vom weiteren Verlauf unter Fortführung der konservativen Therapie ab.
In der Zeit vom 10. bis 11. September 2015 sowie vom 15. September bis 5. Oktober 2015 hielt sich die Klägerin zum wiederholten Mal in der M. Klinik an der L. wegen eines alkoholbedingten Rückfalls auf (Arztbrief der Assistenzärztin Dr. L. vom 5. Oktober 2015). Die Klägerin gab dort an, nach der stationären Behandlung im Mai 2013 bis November 2014 abstinent gewesen zu sein. Danach habe sie phasenweise konsumiert und sei zwischendurch auch trocken gewesen. Massiver weiterer Alkoholkonsum bestehe seit Juni 2015. Laborchemisch fiel ein akutes Nierenversagen auf, woraufhin die Klägerin in der Zeit vom 11. bis 15. September 2015 in der nephrologischen Abteilung des O. Klinikums O.-G. stationär behandelt wurde. Im vorläufigen Entlassbericht vom 15. September 2015 führte Dr. B. aus, die Kombination aus Voltaren, einem ACE-Hemmer sowie Hydrochlorotiazid sei für das akute Nierenversagen verantwortlich gewesen. Unter i.v.-Rehydration seien die Nierenretentionsparameter rasch rückläufig gewesen.
Mit Gerichtsbescheid vom 12. November 2015 wies das SG die Klage ab. Die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Erwerbsminderung seien nicht nachgewiesen. Nach dem medizinischen Beweisergebnis stehe nicht mit hinreichender Sicherheit fest, dass die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch weniger als sechs Stunden täglich arbeiten könne. Die Kammer stütze sich dabei insbesondere auf das Gutachten des Dr. Ge ... Aufgrund der von diesem gestellten Diagnosen sei die Klägerin nach Ausheilung ihrer Krankheit, bei optimaler Behandlung in sechs Monaten in der Lage, unter Berücksichtigung vielfältiger qualitativer Einschränkungen in einer gewissen Regelmäßigkeit Arbeiten von wirtschaftlichem Wert mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Derzeit sei sie nicht in der Lage, regelmäßig einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und arbeitsunfähig. Weder Dr. Ge. noch die die Klägerin behandelnden Ärzte seien in der Lage gewesen, eine zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu bestätigen. Zur Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung sei jedoch der Nachweis einer dauerhaften Minderung der Erwerbsfähigkeit erforderlich. Soweit die Klägerin, die die Beweislast für den Eintritt einer Erwerbsminderung trage, subjektiv der Auffassung sei, ihr sei die Aufnahme einer jedweden Arbeit nicht möglich, habe dieser Vortrag medizinisch nicht objektiviert werden können. Die Klägerin sei darauf hinzuweisen, dass der Begriff der Arbeitsunfähigkeit an den zuletzt ausgeübten Beruf anknüpfe, während der Begriff der Erwerbsminderung an die Leistungsfähigkeit bei allen Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes anknüpfe. Da es sich bei dem zuletzt ausgeübten Beruf der Klägerin als Kundenberaterin bei einer Bank um eine anspruchsvolle Tätigkeit handele, bedinge die Arbeitsunfähigkeit in diesem Beruf nicht automatisch eine Erwerbsminderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Die Kammer verkenne auch nicht, die von der Klägerin nach Erstellung des Gutachtens des Dr. Ge. vorgelegten medizinischen Unterlagen. Aus diesen ergebe sich, dass bei der Klägerin erhebliche neue Erkrankungen, wie ein Bandscheibenvorfall L4/5 und ein akutes Nierenversagen diagnostiziert worden seien. Nach den vorliegenden Unterlagen, insbesondere dem Entlassungsbericht des Dr. Pe. vom 13. Juni 2015, folgten hieraus jedoch zunächst Phasen der Arbeitsunfähigkeit. Der Klägerin stehe es offen, falls die genannten Beschwerden zu einer dauerhaften Einschränkung führen sollten, erneut einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung zu stellen. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit in ihrem letzten ausgeübten Beruf nach § 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), da sie am 11. Oktober 1972 und damit nicht vor dem maßgeblichen Stichtag, dem 2. Januar 1961 geboren sei.
Gegen den ihr am 18. November 2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 4. Dezember 2015 Berufung beim SG eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, ihr Gesundheitszustand habe sich wegen ihrer Alkoholerkrankung weiter verschlechtert. Sie leide unter Stimmungsschwankungen, Interessenlosigkeit sowie Überforderung, sei völlig kraftlos und alles falle ihr zunehmend schwer, selbst das Spazierengehen und Treppensteigen wegen hinzugekommener Hüft- und Knieprobleme. Auch die Polyneuropathie spiele hierbei eine Rolle. Zudem habe sie beim Gehen Gleichgewichtsstörungen. Sie befinde sich in einem Teufelskreis aus Schmerzen, die ihr eine Erwerbstätigkeit unmöglich mache. Insgesamt liege bei ihr eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Zudem verweist sie auf ein ärztliches Attest der Dr. Gr.-S. vom 12. Februar 2016. In diesem führt die Ärztin aus, im September 2015 sei die Klägerin an einer alkoholinduzierten paranoid-halluzinatorischen psychotischen Störung erkrankt, die sich weitgehend, aber nicht vollständig zurückgebildet habe. Neben zusätzlichen affektiven Symptomen lägen deutliche kognitive Beeinträchtigungen vor in Form von Auffassungsminderung, Konzentrationsstörungen, Gedächtnislücken, einem gestörten Zeitgitter und Verlangsamung beim Lösen von Testaufgaben. Angesichts der Schwere der gesundheitlichen Beeinträchtigungen halte sie die Klägerin derzeit und auf absehbare Zeit nicht für erwerbsfähig. Mit dem von der Beklagten unter dem 22. Juni 2018 unterbreiteten Vergleichsangebot könne sich die Klägerin hinsichtlich des Leistungsfalles am 29. Juli 2017 nicht einverstanden erklären. Vielmehr sei sie bereits seit Rentenantragstellung erwerbsgemindert. Denn im Schädel-CT vom 26. Oktober 2014 sei bereits eine betonte Hirnatrophie festgestellt worden.
In der Zeit vom 15. Mai bis 7. Juni 2016 hat sich die Klägerin stationär in der M. Klinik an der L. aufgehalten. Im Arztbrief vom 7. "01." (gemeint wohl Juni) 2016 hat PD Dr. F. ausgeführt, die Klägerin leide an Alkoholabhängigkeit, einer alkoholinduzierten psychotischen Störung, einem Alkoholentzugssyndrom mit Grand-Mal-Anfall 11/2014, einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig mittelgradige depressive Episode, einer bekannten komplexen posttraumatischen Belastungsstörung, einem Zustand nach akutem Nierenversagen 9/2015 im Rahmen einer akuten interstitiellen Nephritis, einer Hypokaliämie, einer arteriellen Hypertonie, einem Bandscheibenvorfall im Lendenwirbelsäulenbereich 4/2015 sowie einer Allergie auf Paracetamol und Wespengift. Die Klägerin habe bei Aufnahme angegeben, seit ihrem letzten Klinikaufenthalt im Oktober 2015 bis März 2016 abstinent gewesen zu sein. Es sei eine Entzugsbehandlung erfolgt. Die Klägerin sei in stabilisiertem Zustand aus der stationären Behandlung entlassen worden. Die Auffassung sei regelrecht, die Konzentration leicht vermindert gewesen. Merkfähigkeitsstörungen hätten nicht festgestellt werden können. Die Klägerin habe ein leichtes Beobachtungsgefühl geäußert. Die Stimmung sei leicht gedrückt, der Antrieb leicht vermindert und die Psychomotorik leicht unruhig gewesen. Die Entlassung sei als arbeitsunfähig erfolgt. Er hat eine ambulante psychiatrische sowie psychotherapeutische Behandlung, eine Anbindung an eine Suchtberatungsstelle zur Sicherung der Alkoholabstinenz und der suchtspezifischen Nachsorge sowie die Kontaktaufnahme zu einer Selbsthilfegruppe empfohlen.
Mit Bescheid im Eilverfahren vom 15. Februar 2016 hat die Beklagte der Klägerin stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation für die Dauer von 10 Wochen in der S. Klinik F. bewilligt. Dort hat die Klägerin in der Zeit vom 23. Juni bis 10. Oktober 2016 die bewilligte Maßnahme absolviert. Im Reha-Entlassungsbericht vom 18. Oktober 2016 hat der Leitende Arzt Dr. K. ausgeführt, die Klägerin leide an einem Alkoholabhängigkeitssyndrom, einer generalisierten Angststörung, einer mittelgradigen depressiven Episode (chronifiziert seit 2010), einer benignen essenziellen Hypertonie, einer Arthrose am Großzehengrundgelenk sowie einer alkoholischen Fettleber. Bei Entlassung sei die Klägerin noch arbeitsunfähig gewesen. Bezüglich ihrer zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Diplom-Betriebswirtin sei sie aufgrund der üblicherweise mit dieser Tätigkeit verbundenen erhöhten Anforderungen in Bezug auf Verantwortung und Konzentrationsfähigkeit mit einem zeitlichen Umfang von drei bis unter sechs Stunden leistungsfähig. Für die letzte Tätigkeit und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestünden folgende qualitative Leistungseinschränkungen: Kontakt mit Suchtmitteln, Tätigkeiten mit erhöhten Anforderungen an die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit und Tätigkeiten mit erhöhten Anforderungen an das Konzentrationsvermögen, die sich vorrangig durch die noch nicht ausreichend gebesserte generalisierte Angststörung begründeten. Bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt bestünden für einfache Tätigkeiten keine quantitativen Leistungsminderungen. Es könnten leichte Tätigkeiten, ständig im Stehen, ständig im Gehen, ständig im Sitzen, in Tagesschicht, und Früh-/Spätschicht sechs Stunden und mehr täglich verrichtet werden. Auf Einwendungen der Klägerin hat er seinen Entlassungsbericht angepasst, jedoch seine Leistungsbeurteilung aufrechterhalten (Schreiben vom 31. Januar 2017 an die Beklagte; korrigierter Entlassungsbericht vom 1. Februar "2016", richtig 2017.).
Im Rahmen eines stationären Aufenthalts vom 4. bis 10. November 2016 hat sich die Klägerin wiederum in der M. Klinik an der L. aufgehalten. Im Arztbrief vom 10. November 2016 hat PD Dr. F. ausgeführt, die Klägerin leide an einer psychotischen Störung durch Alkoholmissbrauch sowie an Alkoholabhängigkeit. Die stationäre Aufnahme sei wegen eines deliranten Zustandes nach Selbstentzug wenige Tage vor Aufnahme erfolgt. Sie habe angegeben, Stimmen gehört und optische Halluzinationen gehabt zu haben. Nach 15-wöchiger Langzeittherapie habe sie am Entlasstag wieder angefangen, Alkohol zu konsumieren. Dies habe sie selbständig unterbrochen und nachfolgend den Entzug alleine machen wollen. Es sei ein Alkoholentzug unter medikamentöser Unterstützung erfolgt. Am Entlasstag sei die Klägerin bewusstseinsklar und allseits orientiert gewesen. Konzentration, Aufmerksamkeit und Gedächtnis seien unauffällig gewesen. Sie sei in stabilisiertem psychischem Zustand entlassen worden. Es werde eine Anbindung an eine Suchtberatungsstelle, eine ambulante psychiatrische-psychotherapeutische Behandlung sowie bei ausreichender Therapiemotivation eine stationäre Motivations- und Entwöhnungstherapie empfohlen.
In der Zeit vom 22. Juni bis 20. Juli 2017 hat die Klägerin wegen orthopädischer Beeinträchtigungen eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme in der T.-klinik B. K. absolviert. Leitender Arzt Dr. H. führt im Reha-Entlassungsbericht vom 24. Juli 2017 aus, die Klägerin leide an Lumboischialgie links bei Bandscheibenvorfall L4/5 links caudal mit Irritation der L5-Wurzel, einer generalisierten Angststörung und Depression sowie posttraumatischer Belastungsstörung, einer Alkoholkrankheit, alkoholischer Polyneuropathie, einem Zustand nach mehrfachen Entzügen, zuletzt 2016, einem Hallux rigidus rechts sowie einer Gonalgie links mit rezidivierender Ergussbildung. Aus rein orthopädischer Sicht und einen positiven Heilungsverlauf voraussetzend halte er die Klägerin bei Erreichen der Arbeitsfähigkeit für in der Lage, die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Firmenkundenberaterin weiterhin in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden und mehr täglich auszuüben. Prinzipiell seien der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aus rein orthopädischer Sicht leichte bis mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Gehen und Sitzen, zeitweise unterbrochen von Stehen, vollzeitig zuzumuten. Zu vermeiden seien schweres Heben und Tragen, insbesondere aus biomechanisch ungünstiger Position sowie längeres Verharren in hockender oder gebückter Haltung. Gleiches gelte für überwiegend stehende Tätigkeiten auf harten Untergründen sowie Tätigkeiten mit vielen Rumpfbelastungen. Aufgrund der Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen auf neuropsychiatrischer Ebene in Kombination mit den orthopädischen Beschwerden, die eher muskulärer als neurologischer Genese seien, sei die Klägerin zum jetzigen Zeitpunkt und voraussichtlich auch bis auf weiteres nicht arbeitsfähig. Es bestehe der dringende Verdacht auf Entwicklung einer chronischen Schmerzkrankheit. Die Anbindung an einen Schmerztherapeuten sei dringend zu empfehlen. Darüber hinaus sei eine regelmäßige psychiatrische Begleitung und Therapie erforderlich. Aufgrund der generalisierten Angststörung, Depression sowie posttraumatischen Belastungsstörung (entsprechende Befunde haben Dr. H. nicht vorgelegen) solle dringend eine psychiatrische Begutachtung erfolgen. In Zusammenschau der Befunde erfolge die Entlassung der Klägerin als arbeitsunfähig.
Ein weiterer stationärer Aufenthalt der Klägerin wegen ihrer Alkoholerkrankung ist vom 29. Juli bis 3. August 2017 im O. Klinikum O.-G. erfolgt. Chefarzt Prof. Dr. O. führt im vorläufigen Entlassungsbericht vom 1. August 2017 aus, die Klägerin leide an Erbrechen mit Exsikkose und Hypokaliämie nach Alkoholexzess bei chronischer Alkoholkrankheit, einem Verdacht auf Alkoholentzug mit Unruhe und akustischen Halluzinationen, Status nach mehreren Entzugsbehandlungen. Die stationäre Aufnahme sei nach Alkoholexzess mit Übelkeit, Erbrechen, Präsynkope und optischen sowie akustischen Halluzinationen erfolgt. Eine Verlegung in die M. Klinik an der L. bei vorwiegend psychiatrischen Beschwerden sei von der Klägerin abgelehnt worden. Eine ambulante psychiatrische Anwendung werde dringend sowie bei teils hypertensiven Blutdruckwerten eine hausärztliche Anbindung empfohlen.
Auf Veranlassung von Dr. Gr.-S. hat die Klägerin am 27. (bis zum 28.) Oktober 2017 die zentrale Notaufnahme des O. Klinikums O.-G. aufgesucht. Dienstärztin Pe. hat im Arztbrief vom 28. Oktober 2017 eine Hypokaliämie und eine Exsikkose bei Erbrechen diagnostiziert. Die Vorstellung der Klägerin sei mit Erbrechen seit mehreren Tagen und Unvermögen, Flüssigkeit bei sich zu behalten, erfolgt. Eine Überwachung auf der Notaufnahmestation sei wegen der schweren Hypokaliämie erforderlich gewesen. Bei Entlassung sei die Klägerin gebeten worden, sich um eine hausärztliche Anbindung zu kümmern.
Am 30. November 2017 hat die Klägerin erneut die zentrale Notaufnahme des O. Klinikums O.-G. aufgesucht. Dienstärztin Dr. R. hat in ihrem Entlassungsbrief vom 30. November 2017 dargelegt, die Klägerin leide an einer Hypokaliämie, einer Exsikkose bei Erbrechen sowie einem Verdacht auf Alkoholentzugssyndrom. Nach längerer Phase der Abstinenz habe die Klägerin einen Alkoholrückfall erlitten und danach keinen Alkohol mehr getrunken. Im Verlauf der Behandlung sei eine Normalisierung der Vitalparameter eingetreten. Bei fehlendem Tremor und nach fehlendem Verlangen nach erneutem Alkoholkonsum habe eine Entlassung in die häusliche Umgebung erfolgen können.
Die Klägerin hat sich vom 23. bis 27. Dezember 2017 stationär im O. Klinikums O.-G. aufgehalten (vorläufiger Arztbrief der Stationsärztin Pr. vom 27. Dezember 2017). Die stationäre Aufnahme der Klägerin sei aufgrund eines epileptischen Anfalls bei Alkoholkonsum im Rahmen eines bekannten Alkoholabusus erfolgt. Der Klägerin sei eine stationäre Entgiftung empfohlen worden. Am 27. Dezember 2017 sei eine Entlassung in die ambulante Weiterbehandlung erfolgt.
In einer sozialmedizinischen Stellungnahme für die Bundesagentur für Arbeit (Dr. Sr.) vom 7. Dezember 2017 wurde der Klägerin auf längere Sicht eine aufgehobene Leistungsfähigkeit für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt attestiert. Sie sei wegen psychischer Minderbelastbarkeit, schädlichem Substanzgebrauch/Abhängigkeit sowie Minderbelastbarkeit der lumbalen Wirbelsäule täglich weniger als drei Stunden in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben.
Vom 12. bis 13. Januar 2018 (mit berichtetem Entzugskrampfanfall) sowie vom 9. bis 10. Februar 2018 (mit fraglichen optischen Halluzinationen) befand sich die Klägerin wegen weiterer stationärer Alkoholentzugsbehandlungen im O. Klinikum O.-G ...
Zuletzt hat sich die Klägerin seit 19. April 2018 in der M. Klinik an der L. anlässlich einer vollstationären Behandlung aufgehalten.
Die Klägerin beantragt (sachgerecht gefasst),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 12. November 2015 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 27. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Oktober 2013 zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, ab 1. März 2013 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Klägerin trotz der vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen für in der Lage, zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr täglich bis einschließlich 28. Juli 2017 auszuüben. Sie beruft sich insoweit auf die ärztlichen Stellungnahmen des beratenden Arztes Dr. Sch. vom 28. Januar und 1. März 2016, 8. Juni, 9. August und 4. September 2017. Insbesondere gehe aus dem Entlassungsbericht vom 10. November 2016 hervor, dass die Aufnahme und Behandlung wegen einer akuten psychotischen Störung bei Alkoholmissbrauch erfolgt sei. Nach Therapie und Abklingen der Akutsymptomatik habe ein unauffälliger psychopathologischer Befund erhoben werden können, der Einschränkungen des Leistungsvermögens auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht habe erkennen lassen. Dieser Befund finde seine Bestätigung auch in den klaren und strukturierten Schreiben der Klägerin an den Senat. Allein für das orthopädische Fachgebiet habe ein noch mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen unter Beachtung qualitativer Einschränkungen bestätigt werden können. Seit 29. Juli 2017 gehe sie (die Beklagte) davon aus, dass eine deutliche Verschlechterung der Symptomatik nach anhaltendem Alkoholabusus vorliege (Dr. Sch. vom 19. Juni und 9. August 2018). Diese Entwicklung sei unmittelbar nach der Entlassung aus dem Krankenhaus Anfang August 2017 noch nicht absehbar gewesen. Im Rahmen der bildgebenden Diagnostik seien atrophische Veränderungen in den Hirnarealen festgestellt worden, die eine umfangreiche Besserung der Symptomatik, gleich mit welcher Therapie, nicht erwarten ließen. Im Vergleichsweg werde der Klägerin daher angeboten, ihr auf der Grundlage eines Leistungsfalls am 29. Juli 2017 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. August 2017 zu gewähren. Der Wunsch der Klägerin nach einem deutlich früheren Leistungsfall könne aufgrund der objektiven Befunde nicht nachvollzogen werden. Funktionseinschränkungen ließen sich aufgrund der bildgebenden Diagnostik (Schädel-CT) nicht belegen. Diese seien nur im Rahmen einer klinischen Untersuchung durch den Neurologen festzustellen. Insofern werde auch dem Ergebnis der entsprechenden Begutachtung durch Dr. Bi. (siehe unten) gefolgt. Konsequent sei auch hier die Setzung des Leistungsfalles. Der Sachverständige verfüge über die Zusatzbezeichnung Sozialmedizin und habe zur Urteilsbildung vorliegend ältere medizinische Befunde mit herangezogen. So habe der Sachverständige auch den jetzt erneut vorgelegten Schädel-CT-Befund vom 26. Oktober 2014 ausgewertet.
Der Senat hat Dr. K. (S. Klinik) sowie PD Dr. F. und Oberärztin Dr. C. (M. Klinik an der L.) als sachverständige Zeugen befragt. Dr. K. (Auskunft vom 1. November 2016) hat über die Alkoholentzugsbehandlung vom 23. Juni bis 10. Oktober 2016, PD Dr. F. und Oberärztin Dr. C. (Auskunft vom 21. November 2016) über die drei stationären Behandlungen in den Jahren 2015 und 2016 berichtet. PD Dr. F. und Oberärztin Dr. C. haben zudem ausgeführt, auch wenn – wie im Fall der Klägerin – wegen der Alkoholabhängigkeit sämtliche therapeutischen und rehabilitativen Maßnahmen durchgeführt würden, sei die Prognose oft nicht günstig und man müsse mit einer Rezidivquote von 50 bis 80 % nach fünf Jahren rechnen.
Der Senat hat Facharzt für Neurologie und Suchtmedizin Dr. Bi., Chefarzt der Neurologischen Klinik S., mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 22. Mai 2018 führt der Sachverständige aus, die Klägerin leide auf nervenärztlichem Fachgebiet an einer Alkoholabhängigkeit mit gegenwärtigem Substanzgebrauch mit Alkoholfolgeerkrankungen (symptomatisches Anfallsleiden im Sinne von Entzugskrampfanfällen, frontotemporal und zerebelläre Hirnatrophie, alkoholinduzierter Polyneuropathie sowie Alkoholfettleber), einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit abhängigen, narzisstischen und ängstlich vermeidenden Anteilen sowie einer Dysthymia. Es sei nicht mehr anzunehmen, dass die Störungen bei aller zumutbarer Willensanspannung aus eigener Kraft und gegebenenfalls unter zusätzlicher ärztlicher Mithilfe innerhalb eines halben Jahres teilweise überwunden werden könnten. Bei der Klägerin werde es voraussichtlich auch wegen der psychischen Komorbiditäten im berufsfreien Alltag immer wieder zu Alkoholexzessen kommen. Hierzu reichten Alltagsbelastungen aus. Die kombinierte Persönlichkeitsstörung mit abhängigen, narzisstischen und ängstlich vermeidenden Anteilen sowie die Dysthymia beeinträchtigten für sich alleine schon die sozialen Kompetenzen, die Kommunikationsfähigkeit, den Antrieb, das planerische Denken und die Motivation. Die zusätzliche Alkoholkrankheit mit nahezu monatlichen Trinkexzessen trotz zahlreicher Langzeit- und anderer spezieller Therapien sowie die mittlerweile vorliegenden Organfolgeschäden (häufige Entzugskrampfanfälle bei nachgewiesener Hirnathrophie sowie alkoholinduzierter Polyneuropathie) hätten zur Folge, dass der Klägerin aufgrund der Unfallneigung in allen Lebenssituationen mit Selbst- und Fremdgefährdung, mit möglichen aggressiven Tendenzen, kurzfristigen Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen sowie beeinträchtigter Kritik- und Urteilsfähigkeit, qualitativ keine Tätigkeiten mehr zumutbar seien, die erhöhte Ansprüche an das Konzentrations-/Reaktionsvermögen stellten sowie Umstellungs- und Anpassungsvermögen, Verantwortung für Personen und Maschinen, Publikumsverkehr sowie Überwachung und Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge erforderten. Ebenso solle das Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten, Arbeiten, welche Gang- und Standsicherheit erforderten, Arbeiten an rotierenden Maschinen, Schicht- und Nachtschichtarbeiten sowie Tätigkeiten mit überhöhter Unfallgefahr, vermieden werden. Diese Einschränkungen würden sowohl für Phasen der Abstinenz und der mangelnden Abstinenz gelten. Zudem dürfe die Klägerin bis auf weiteres kein Kraftfahrzeug mehr führen. Es bestehe ein lediglich unter dreistündiges Restleistungsvermögen. Nach der letzten orthopädischen Rehabilitationsbehandlung in B. K. sei es am 29. Juli 2017 zu einem erneuten Alkoholentzug mit Entzugskrampfanfall gekommen. Seither habe die Klägerin nahezu monatlich Krankenhäuser wegen Trinkexzessen aufgesucht. Damit sei seit diesem Zeitpunkt ein nur noch unter dreistündiges Leistungsvermögen vorhanden. Eine wesentliche Besserung im nervenärztlichen Fachgebiet sei in Anbetracht der ausgeschöpften Vortherapien nicht mehr anzunehmen.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die nach § 151 Abs. 1 und 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist auch sonst zulässig. Insbesondere bedurfte sie nicht der Zulassung, da die Klägerin laufende Leistungen für mehr als ein Jahr begehrt (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
2. Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 27. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Oktober 2013, mit dem die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung ablehnte. Das Verfahren hat sich auch nicht durch den von der Beklagten unter dem 22. Juni 2018 unterbreiteten Vergleichsvorschlag erledigt. Die Klägerin hat dieses Angebot nicht unbedingt angenommen, sondern den Leistungsfall am 1. März 2013 gesehen. Einen Ihrem Vergleichsangebot entsprechenden Ausführungsbescheid hat die Beklagte bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht erlassen, so dass sich der Rechtsstreit für die Zeit ab 1. August 2017 nicht erledigt hat.
3. Die Berufung ist zum Teil begründet. Das SG hat die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zu Recht abgewiesen, soweit die Klägerin bereits für die Zeit ab 1. März 2013 bis 31. Juli 2017 eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung begehrt (siehe hierzu c). Denn der Bescheid der Beklagten vom 27. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Oktober 2013 ist insoweit rechtmäßig. Die Klägerin hat jedoch Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer ab 1. August 2017 (siehe hierzu b).
a) Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
b) Hiervon ausgehend ist der Senat auf Grund der im Klage- und Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin seit 29. Juli 2017, dem Zeitpunkt eines erneuten Alkoholentzugs mit Entzugskrampfanfall, voll erwerbsgemindert ist, da sie seither lediglich unter drei Stunden täglich einer zumindest leichten Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachgehen kann. Zuvor war sie noch in der Lage, ohne Gefährdung ihrer Gesundheit, leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts mehr als sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten.
(1) Bei der Klägerin besteht auf nervenärztlichem Fachgebiet eine Alkoholabhängigkeit mit gegenwärtigem Substanzgebrauch mit Alkoholfolgeerkrankungen (symptomatisches Anfallsleiden im Sinne von Entzugskrampfanfällen, frontotemporal und zerebelläre Hirnatrophie, alkoholinduzierte Polyneuropathie sowie Alkoholfettleber), eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit abhängigen, narzisstischen und ängstlich vermeidenden Anteilen sowie eine Dysthymia. In unregelmäßigen Abständen von einigen Monaten (erstmals seit November 2014) leidet die Klägerin an Erbrechen mit Exsikose und Hypokalämie nach Alkoholexzess mit delivaten Zuständen (optische Halluzinationen und Stimmenhören). Dies entnimmt der Senat dem Sachverständigengutachten des Dr. Bi., den Arztbriefen der Ärzte des O. Klinikums O.-G. sowie der M. Klinik an der L. und der Dr.Gr.-S ...
Ferner leidet die Klägerin an einer benignen essenziellen Hypertonie und einer Arthrose am Großzehengrundgelenk. Dies entnimmt der Senat dem Reha-Entlassungsbericht des Dr. K. vom 18. Februar 2016.
Zudem besteht bei der Klägerin eine Lumboischialgie links bei Bandscheibenvorfall L4/5 links caudal mit Irritation der L5-Wurzel sowie eine Gonalgie links mit rezidivierender Ergussbildung. Dies ergibt sich für den Senat aus dem Reha-Entlassungsbericht des Dr. H. vom 24. Juli 2017.
Die von der Klägerin behaupteten Hüftprobleme hat sie nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen. Aus den aktenkundigen Befundunterlagen ergibt sich eine solche Krankheit nicht. Keiner der sie behandelnden Ärzte, Gutachter oder Sachverständigen hat einen Befund dieser Art erhoben.
(2) Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die festgestellten Gesundheitsstörungen das berufliche Leistungsvermögen der Klägerin seit 29. Juli 2017 nicht nur in qualitativer, sondern auch in zeitlicher Hinsicht mindern.
Bei der Klägerin wird es voraussichtlich auch wegen der psychischen Komorbiditäten im berufsfreien Alltag immer wieder zu Alkoholexzessen kommen. Hierzu reichen Alltagsbelastungen aus. Die kombinierte Persönlichkeitsstörung mit abhängigen, narzisstischen und ängstlich vermeidenden Anteilen sowie die Dysthymia beeinträchtigen für sich alleine schon die sozialen Kompetenzen, die Kommunikationsfähigkeit, den Antrieb, das planerische Denken und die Motivation. Die zusätzliche Alkoholkrankheit mit nahezu monatlichen Trinkexzessen – seit Juli 2017 - trotz zahlreicher Langzeit- und anderer spezieller Therapien sowie die mittlerweile vorliegenden Organfolgeschäden (häufige Entzugskrampfanfälle bei nachgewiesener Hirnathrophie sowie alkoholinduzierter Polyneuropathie) haben zur Folge, dass der Klägerin aufgrund der Unfallneigung in allen Lebenssituationen mit Selbst- und Fremdgefährdung, mit möglichen aggressiven Tendenzen, kurzfristigen Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen sowie beeinträchtigter Kritik- und Urteilsfähigkeit, seit 29. Juli 2017 qualitativ keine Tätigkeiten mehr zumutbar sind, die erhöhte Ansprüche an das Konzentrations-/Reaktionsvermögen stellen sowie Umstellungs- und Anpassungsvermögen, Verantwortung für Personen und Maschinen, Publikumsverkehr sowie Überwachung und Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge erfordern. Ebenso soll das Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten, Arbeiten, welche Gang- und Standsicherheit erfordern, Arbeiten an rotierenden Maschinen, Schicht- und Nachtschichtarbeiten sowie Tätigkeiten mit überhöhter Unfallgefahr, vermieden werden. Diese Einschränkungen gelten sowohl für Phasen der Abstinenz als auch der mangelnden Abstinenz. Es besteht ein lediglich unter dreistündiges Restleistungsvermögen. Dies entnimmt der Senat dem Sachverständigengutachten des Dr. Bi ...
Entgegen der Auffassung der Klägerin besteht das defizitäre Leistungsvermögen nicht bereits seit 1. März 2013, sondern – beruhend auf einer jahrelangen kontinuierlichen Entwicklung – erst ab 29. Juli 2017. Nach der letzten orthopädischen Rehabilitationsbehandlung in B. K. ist es am 29. Juli 2017 zu einem erneuten Alkoholentzug mit Entzugskrampfanfall gekommen. Seither hat die Klägerin nahezu monatlich Krankenhäuser wegen Trinkexzessen aufgesucht. Damit ist seit diesem Zeitpunkt ein nur noch unter dreistündiges Leistungsvermögen vorhanden. Dies steht für den Senat aufgrund der überzeugenden und nachvollziehbaren Darlegungen des Dr. Bi. und des Dr. Sch. fest.
Die Auffassung der Klägerin, wonach bereits am 1. März 2013 ein deutlich gemindertes Restleistungsvermögen vorlegen hat, kann aufgrund der objektiven Befunde und der überzeugenden Darlegungen des Dr. Bi. nicht festgestellt werden. Soweit die Klägerin sich dabei insbesondere auf die durch eine CT-Aufnahme des Schädels vom 26. Oktober 2014 erfolgte Feststellung einer betonten Hirnatrophie beruft, kann dies nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Zum einen lassen sich für die Feststellung eines geminderten Restleistungsvermögens erforderliche Funktionseinschränkungen nicht aufgrund der bildgebenden Diagnostik (Schädel-CT) belegen. Denn Funktionseinschränkungen sind vorliegend nur im Rahmen einer klinischen Untersuchung durch einen Neurologen festzustellen. Eine entsprechende Begutachtung wurde durch Dr. Bi. durchgeführt und das Eintreten eines Leistungsfalls unter Einbeziehung sämtlicher weiterer medizinischer Unterlagen konsequent auf den 29. Juli 2017 festgelegt. Zum anderen hat Dr. Bi. zur Urteilsbildung auch sämtliche in der Akte befindliche ältere medizinische Befunde mit herangezogen und somit auch den Schädel-CT-Befund vom 26. Oktober 2014. Trotz Einbeziehung dieses Befundes gelangte er zu einem Eintritt des Leistungsfalles mit überzeugender Begründung erst am 29. Juli 2017.
Zudem haben die vor der Begutachtung durch Dr. Bi. tätigen Gutachter und Sachverständigen der Klägerin ein über sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt attestiert. Diese Beurteilungen stellte dieser nicht in Frage, sondern erachtete sie selbst für zutreffend. So verwies er schlüssig auf eine seit der ersten Begutachtung durch Dr. St. eingetretene dramatische Verschlechterung des Zustandes, ohne dessen damaliger Leistungseinschätzung zu widersprechen. Gleiches gilt für die Beurteilung von Dr. Ge., dass zum Zeitpunkt dessen Begutachtung bei optimaler Behandlung innerhalb von sechs Monaten mit einer Wiederherstellung einer vollschichtigen Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu rechnen war. Daher ist von einer zunehmenden Verschlechterung und – nach zunächst noch möglicher – nunmehr letztlich gescheiterter Behandlung auszugehen. Ein früherer Eintritt der Erwerbsminderung kann daher auch unter Berücksichtigung des Attestes von Dr. Gr.-S. vom 12. Februar 2016 nicht festgestellt werden.
Auch lag entgegen der Annahme der Klägerin eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung nicht vor. In einem solchen Fall kann der Arbeitsmarkt selbst bei einem noch vorhandenen sechsstündigen Leistungsvermögen ausnahmsweise als verschlossen gelten (siehe – auch zum Folgenden – etwa Urteil des Senats vom 21. November 2014 – L 4 R 4797/13 – nicht veröffentlicht). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf noch vorhandenes Restleistungsvermögen nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten.
Dies ist war auch vor dem 29. Juli 2017 nicht der Fall. Zwar liegen bei der Klägerin die aufgezeigten qualitativen Leistungseinschränkungen vor, diese sind jedoch nicht als ungewöhnlich zu bezeichnen. Darin ist weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen zu sehen. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt nur vor, wenn bereits eine erhebliche (krankheitsbedingte) Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt. Hierzu können – unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände – beispielsweise Einäugigkeit, Einarmigkeit und Einschränkungen der Arm- und Handbeweglichkeit sowie besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz zählen (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 – B 5 R 68/11 R – juris, Rn. 28 m.w.N.). Keine dieser Fallkonstellationen ist bei der Klägerin vorhanden.
Auch war und ist die Wegefähigkeit der Klägerin nicht eingeschränkt. Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit eines Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle in zumutbarer Zeit aufsuchen zu können. Das BSG hat dieses Vermögen nur dann für gegeben erachtet, wenn es dem Versicherten möglich ist, Entfernungen von über 500 Metern zu Fuß zurückzulegen, weil davon auszugehen ist, dass derartige Wegstrecken üblicherweise erforderlich sind, um Arbeitsstellen oder Haltestellen eines öffentlichen Verkehrsmittels zu erreichen (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 – 13/5 RJ 73/90 – juris, Rn. 16 ff.; Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 21/10 R – juris, Rn. 21 f.; Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 79/11 R – juris, Rn. 19 f.). Die Klägerin ist in der Lage, eine Gehstrecke von 500 Metern viermal in weniger als 20 Minuten täglich zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Aus den ärztlichen Äußerungen ergeben sich keine Befunde, die für eine unter den genannten Maßstäben eingeschränkte Gehfähigkeit der Klägerin sprechen.
Nach alledem ist die Klägerin seit 29. Juli 2017 nur noch in der Lage, unter drei Stunden täglich mit den genannten qualitativen Einschränkungen erwerbstätig zu sein. Dies erfüllt die Voraussetzungen eines Leistungsfalles der vollen Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI.
(3) Ausgehend von dem 29. Juli 2017 als Leistungsfall sind vorliegend ausweislich des Versicherungsverlaufs der Beklagten vom 29. August 2018 neben der allgemeinen Wartezeit (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI, § 50 Abs.1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI) auch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI) erfüllt.
(4) Die Rente der Klägerin wegen voller Erwerbsminderung war nicht zu befristen. Nach § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI werden Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann. Hier kommt nur eine unbefristete Rente in Betracht, da die Rentengewährung nicht von der Arbeitsmarktlage abhängt und ausweislich des Sachverständigengutachtens des Dr. Bi. - im Übrigen in Übereinstimmung mit der Beklagten – überzeugend eine umfangreiche Besserung der bei der Klägerin vorliegenden Symptomatik, gleich mit welcher Therapie, nicht zu erwarten ist.
(5) Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Bei späterer Antragstellung wird eine Rente aus eigener Versicherung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird. Unter Berücksichtigung einer Rentenantragstellung 15. März 2013 und dem Eintritt des Leistungsfalles am 29. Juli 2017 ergibt sich damit ein Rentenbeginn am 1. August 2017.
c) Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich zugleich, dass der Klägerin für die Zeit vor dem 1. August 2017 kein Rentenanspruch zusteht, die Berufung war insoweit zurückzuweisen. Die Klägerin konnte ausgehend von dem nicht widerlegten Ermittlungsergebnis im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Zeitpunkt des Leistungsfalles vom 29. Juli 2017 zumindest noch leichte Arbeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich verrichten und musste sich zur Verwertung ihres Restleistungsvermögen auf sämtliche - ihr in gesundheitlicher Hinsicht objektiv zumutbaren - Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts der Bundesrepublik Deutschland verweisen lassen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ab 1. März 2013.
Die am 1972 geborene Klägerin ist Diplom-Betriebswirtin und war zuletzt bis 26. November 2010 als Firmenkundenberaterin einer Sparkasse beschäftigt. Anschließend bezog sie bis 21. März 2013 Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) oder Krankengeld (letztmals vom 10. Oktober 2012 bis 21. März 2013). Zuletzt war sie ab 22. März 2013 arbeitslos ohne Leistungsbezug. Mit Bescheid vom 18. Oktober 2016 wurde ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 seit 12. Oktober 2015 festgestellt.
Die Klägerin befand sich vom 20. Dezember 2010 bis 11. April 2011 anlässlich einer Sucht-Entwöhnung stationär in der S. Klinik F ... In seinem Entlassungsbericht vom 12. April 2011 legte Leitender Arzt Dr. K. dar, die Klägerin leide an einem Alkoholabhängigkeitssyndrom, einer benignen essenziellen Hypertonie, Großzehengrundgelenksarthrose rechts sowie einer alkoholischen Fettleber. Kontakt mit Suchtmitteln und langes Gehen sollte vermieden werden. Sowohl ihren zuletzt ausgeübten Beruf als auch mittelschwere Tätigkeiten mit ständigem Stehen, überwiegendem Gehen und ständigem Sitzen seien der Klägerin noch sechs Stunden und mehr täglich möglich. Die Beklagte bewilligte eine ambulante Rehabilitationsnachsorge (Bescheid vom 28. April 2011), an der die Klägerin vom 28. April bis 28. Juli 2011 an elf Terminen teilnahm und in deren Verlauf sowie nach deren Abschluss es zu Rückfällen kam (Berichte der Diplom-Sozialarbeiterin P. vom 5. September und 27. Oktober 2011).
In der Zeit vom 14. Dezember 2011 bis 22. Februar 2012 hielt sich die Klägerin zu einer weiteren Entwöhnungsbehandlung stationär in der b. Fachklinik S. auf. Im Reha-Entlassungsbericht vom 10. April 2012 führte Facharzt für Neurologie/Psychiatrie G. aus, die Klägerin leide an einem Alkoholabhängigkeitssyndrom, einer rezidivierenden depressiven Störung bei gegenwärtig leichter Episode, einer ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen Anteilen, einer arteriellen Hypertonie sowie einer Großzehengrundgelenksarthrose. Wegen einer Periarthropathia humero scapularis links solle sie nicht schwer Heben und Tragen sowie keine Überkopfarbeiten ausführen, bei ausgeprägter Großzehengrundgelenksarthrose nicht lange gehen. Im Ergebnis sei sie in der Lage, sowohl ihren zuletzt ausgeübten Beruf als auch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden und mehr täglich auszuüben. Zur weiteren Stabilisierung und Rückfallprophylaxe sei die ambulante suchtspezifische Weiterbehandlung angezeigt.
Vom 21. Januar 2013 bis 16. April 2013 befand sich die Klägerin stationär in der M. Klinik an der L ... PD Dr. F., Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, legte in seinem Arztbrief vom 16. April 2013 dar, die Klägerin leide an einer rezidivierenden depressiven Störung bei gegenwärtig mittelschwerer Episode, Alkoholabhängigkeit (gegenwärtig abstinent) sowie einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung. Zum Ende der geplanten regulären Behandlungsdauer sei sie in gebessertem Zustand arbeitsunfähig zur weiteren Stabilisierung entlassen worden und empfahl dazu eine tagesklinische Behandlung.
Am 15. März 2013 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung legte sie dar, seit August 2010 wegen psychischer Probleme, Depressionen, Anpassung- und Persönlichkeitsstörungen, Traumafolgestörungen, Alkoholabhängigkeit, Arthrose und Blutrothochdruck nicht mehr erwerbsfähig zu sein.
Die Beklagte veranlasste anschließend eine Untersuchung und Begutachtung der Klägerin durch Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Dr. St ... Dieser führte unter dem 30. April 2013 aus, die Klägerin leide an Störungen durch Alkohol, Alkoholabhängigkeitssyndrom, derzeit abstinent, einer rezidivierenden depressiven Störung, leichte Episode, einer kombinierten Persönlichkeitsstörung, einer Hypertonie sowie eine Arthrose am Großzehengrundgelenk. Von Seiten der Alkoholabhängigkeit gebe es keine Depravation. Unter Annahme einer andauernden, konsistenten, psychiatrischen, psychophysiologischen und verhaltenstherapeutischen Behandlung ergäben sich trotz subjektiv belastender Symptome keine negativen Auswirkungen auf das quantitative Leistungsvermögen. Qualitativ entfielen wegen der psychischen Leiden Tätigkeiten mit Ansprüchen an die geistig-psychische Belastbarkeit sowie Tätigkeiten mit Kontakt zu Alkohol. Die Klägerin sei weiterhin in der Lage, in ihrem zuletzt ausgeübten Beruf sechs Stunden und mehr täglich tätig zu werden.
Mit Bescheid vom 27. Juni 2013 lehnte die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin nach Einholung einer ärztlichen Stellungnahme der Beratungsärztin Dr. P. der Beklagten vom 15. Mai 2013 (erfolgreich behandelte Alkoholerkrankung ohne Nachweis eines leistungsmindernden neurologisch-psychiatrischen Krankheitsbildes; erhaltene Belastbarkeit für leichte bis mittelschwere Arbeiten im Wechselrhythmus) ab. Die Klägerin sei in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein.
Die Klägerin erhob hiergegen mit der Begründung Widerspruch, entgegen der Annahme der Beklagten sei die Alkoholerkrankung nicht erfolgreich behandelt worden. Insoweit verweise sie auf die zahlreichen Entgiftungen, Therapien und Rückfälle. Sie sei weiterhin auf unbestimmte Zeit krankgeschrieben. Nach wie vor sei sie in schlechter psychischer Verfassung. Dies schlage sich in Form von Verspannungen im Nackenbereich nieder, woraus andauernder Kopfschmerz und Magenbeschwerden resultierten. Zudem leide sie an Schlafstörungen. Sie verwies auf einen Arztbrief des PD Dr. F. vom 14. Mai 2013, in dem letzterer über einen teilstationären Aufenthalt der Klägerin vom 6. bis 8. Mai 2013 in der M. Klinik an der L. berichtet. Nach dem 8. Mai 2013 sei die Klägerin nicht mehr in der Tagesklinik erschienen und habe telefonisch bekanntgegeben, an einer Magen-Darmerkrankung zu leiden. Nachdem auch am 14. Mai 2013 noch keine ausreichende Besserung erreicht worden sei, die es der Klägerin erlaubt hätte, in die Tagesklinik zu kommen, habe die Klinik die Klägerin rückwirkend zum 8. Mai 2013 entlassen. Die Beklagte holte einen ärztlichen Befundbericht der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie Dr. Gr.-S. ein. Unter dem 7. Oktober 2013 führte diese aus, die Klägerin leide an einer rezidivierenden depressiven Störung, derzeit schwere Episode, einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung, einer Alkoholabhängigkeit sowie einer arteriellen Hypertonie. Die Klägerin sei nicht alkoholabstinent. Es bestehe eine schwere Antriebsstörung mit Unfähigkeit, den Tagesablauf zu strukturieren. Die Belastbarkeit sei aufgehoben. Es bestünden depressive kognitive Einschränkungen. Seit Mitte 2013 sei eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes bei der Klägerin eingetreten. Zu den bereits bekannten Arztbriefen der M. Klinik an der L. legte sie einen weiteren kurzen Arztbrief des PD Dr. F. vom 22. November 2012 vor, in dem dieser über eine stationäre Entzugsbehandlung der Klägerin vom 2. bis 22. November 2012 berichtet.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 2013 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch der Klägerin zurück. Nach der im Rentenverfahren getroffenen sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung könne die Klägerin mit dem vorhandenen Leistungsvermögen leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ohne Alkoholexposition und ohne überdurchschnittlichen Zeit- und Leistungsdruck im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich ausüben. Aus dem im Widerspruchsverfahren zusätzlich eingeholten Befundbericht der Dr. Gr.-S. ergäben sich keine weiteren Befunde, die zu einer Änderung der im Rentenverfahren getroffenen Beurteilung führten. Ein arbeitsunfähiger Versicherter müsse nicht auch erwerbsgemindert sein.
Die Klägerin erhob am 21. November 2013 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG). Unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens trug sie vor, ihre Alkoholerkrankung sei nicht erfolgreich behandelt worden. Das ganze Jahr 2013 sei sie arbeitsunfähig krankgeschrieben gewesen. Ihr Zustand habe sich weiter verschlechtert. Sie legte einen Ambulanzbrief der Notaufnahme des O. Klinikums O.-G. vom 26. Oktober 2014 vor. Darin führte Assistenzärztin S. aus, die Klägerin sei wegen eines erstmaligen generalisierten tonisch-klonischen Krampfanfalls bei Alkoholentzug eingeliefert worden.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Die vorgelegten Unterlagen seien nicht geeignet, vom bisherigen sozialmedizinischen Standpunkt abzuweichen. Die Durchführung einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme werde vorgeschlagen.
Das SG zog zunächst einen Befundbericht des die Klägerin behandelnden Arztes für Allgemeinmedizin und Homöopathie Dr. N. vom 18. November 2013 aus dem vor dem SG unter dem Aktenzeichen S 16 SB 4790/13 geführten Rechtsstreit bei. Dr. N. führte darin aus, die Klägerin sei seit 2010 als Patienten bekannt. Es erfolge durch ihn lediglich die Mitbehandlung wegen der arteriellen Hypertonie, die unter der aktuellen Medikation recht zufriedenstellend eingestellt sei. Im Vordergrund stünden Behandlungen aus dem neurologisch/psychiatrischen Krankheitsgebiet, die bei Dr. Gr.-S. bzw. in der M. Klinik an der L. erfolgten.
Anschließend erhob das SG Beweis durch Einholung sachverständiger Zeugenauskünfte der die Klägerin behandelnden Ärzte Dr. Gr.-S. und Dr. M., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie in der M. Klinik an der L ... Dr. M. führte aus (Auskunft vom 16. Juni 2014), die Klägerin aus eigener Behandlung seit September 2010 zu kennen. Auf Frage nach dem Schwerpunkt der Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit der Klägerin gab Dr. M. an, die Klägerin leide vorrangig unter einer komplexen Traumafolgestörungen vom Phänotyp der Borderline-Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F43.1) sowie einer rezidivierenden depressiven Störung (ICD-10: F33.1). Die Alkoholabhängigkeit sei als sekundäre komorbide Erkrankung zu werten. Eine Aussage über die Fähigkeit der Klägerin, einer regelmäßigen leichten körperlichen Tätigkeit im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich nachzugehen, könne sie nicht treffen. Grundsätzlich sei zu sagen, dass sowohl die Diagnose einer komplexen Traumafolgestörung als auch die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung oder eine Alkoholabhängigkeit einer Erwerbstätigkeit nur insofern entgegenstünden, als sie akut exazerbiert sei. In stabilen Phasen sei eine Arbeitstätigkeit durchaus möglich. Ihrer sachverständigen Zeugenauskunft fügte sie zudem u.a. Arztbriefe vom 22. Dezember 2012 über den stationären Aufenthalt der Klägerin vom 7. bis 28. November 2011 und den teilstationären Aufenthalt vom 28. November bis 9. Dezember 2011 sowie vom 17. November 2010 über den stationären Aufenthalt der Klägerin vom 7. September bis 5. Oktober 2010 bei. Dr. Gr.-S. führte unter dem 26. November 2014 aus, der letzte Kontakt zur Klägerin habe am 26. November 2013 stattgefunden. Über den derzeitigen Gesundheitszustand könne sie keine Angaben machen. Sie verwies jedoch auf ihre beigefügte sachverständige Zeugenauskunft vom 21. November 2013 im Verfahren S 16 SB 4790/13. Bei dem Kontakt im Oktober 2013 habe eine ausgeprägte depressive Verstimmung mit Antriebslosigkeit, innerer Anspannung, Reizbarkeit und weitgehendem sozialem Rückzug vorgelegen. Weitere Diagnosen seien in der M. Klinik L. gestellt worden.
Das SG beauftragte in der Folge Facharzt für Allgemeinmedizin, Psychotherapie, Suchtmedizin, Dr. Ge., mit der Erstattung eines sozialmedizinischen Sachverständigengutachtens. Dieser führte nach persönlicher Untersuchung der Klägerin, bei der auch deren Mutter anwesend war, unter dem 17. Januar 2015 aus, die Klägerin leide an einer "narzisstisch akzentuierten Persönlichkeit mit der Folge einer zunächst Entlastungstrinkerin, dann Spiegeltrinkerin mit der Folge körperlicher Folgeerkrankungen wie periphere Polyneuropathie." Die Klägerin leide ferner an Alkoholabhängigkeit (ICD-10: F10) und einer Persönlichkeitsstörung, narzisstische Persönlichkeit (ICD-10: F60.9). Die Klägerin sei aufgrund ihres Gesundheitszustandes derzeit nicht in der Lage, regelmäßig einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Sie sei arbeitsunfähig. Allerdings sei sie als leistungsfähig zu betrachten, weil bei optimaler Behandlung binnen Halbjahresfrist ein Zustand erreicht werden könne, in dem ihre Arbeitsfähigkeit wieder hergestellt sei. Sie sei erwerbsfähig. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien ihr mittelschwere körperliche Arbeiten weiterhin möglich. Tätigkeiten, die an das Gleichgewichtsorgan bzw. an die Fähigkeit des Ausbalancierens erhöhte Anforderungen stellten, wie die Arbeit auf Leitern oder Gerüsten, seien ihr nicht möglich. Auch Arbeiten mit ständiger Veränderung der Körperposition und an schnelllaufenden Maschinen seien ihr nach Ausheilung der akuten Alkoholphase durchaus möglich. Schicht- oder Nachtarbeit, also Arbeiten, die in die biologische Tagesrhythmik eingreifen, sollten wegen der depressiven Verstimmung der Klägerin vermieden werden, da sie die Gefahr eines Alkoholrückfalls förderten. Akkord- und Fließbandarbeiten seien ihr möglich. Bei Arbeiten mit hochtemperierten Flüssigkeiten sei zu beachten, dass momentan das Temperaturempfinden durch die Polyneuropathie für den Zeitraum eines halben Jahres herabgesetzt sei. Schwierige Tätigkeiten geistiger Art, also mit hoher Konzentration, mit Publikumsverkehr, mit Multitasking und hoher nervlicher Beanspruchung seien ihr zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich, da krankheitsbedingt das Konzentrationsvermögen herabgesetzt sei. "Bis mindestens sechs Stunden Höchstdauer am Arbeitstag" sei sie in der Lage, die genannten Tätigkeiten ohne Gefährdung der Gesundheit durchzuführen. Da die Polyneuropathie im nervenfachärztlichen Gutachten des Dr. St. vom 30. April 2013 noch nicht beschrieben sei, sei der Krankheitsbeginn etwa mit Eintritt des Jahres 2014 festzustellen. Bei entsprechenden Behandlungen, also fachgerechter Entgiftung, Psychotherapie unter besonderer Berücksichtigung der narzisstischen Persönlichkeitsstörung (nicht suchtbezogen), möglichst ressourcenorientiert, und weiterer medikamentöser Behandlung des Bluthochdrucks sowie der Folgeerkrankung Polyneuropathie könne binnen eines Halbjahreszeitraums davon ausgegangen werden, dass die Einschränkungen ganz oder teilweise entfielen.
Anschließend erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 11. Februar 2015, Dr. Ge. habe in seinem Gutachten eine dringende Behandlungspflichtigkeit der vordergründigen stoffgebundenen Suchtproblematik mit Rückfall Ende Oktober 2014 festgestellt und die Indikation einer weiteren stationären Entwöhnungsmaßnahme mit nachfolgendem ambulanten Setting betont. Der gutachterlichen Empfehlung werde gefolgt.
Aufgrund eines Bandscheibenvorfalls L4/5 links befand sich die Klägerin vom 23. April bis 4. Mai 2015 stationär zur konservatien Therapie, die zu einer Beschwerdebesserung führte (Arztbrief des Chefarztes Dr. Sc. vom 29. April 2015). In der Zeit vom 11. Mai bis 13. Juni 2015 hielt sich die Klägerin anlässlich einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme in der S.-klinik B. K. auf. Chefarzt Dr. Pe. legte im Reha-Entlassungsbericht vom 13. Juni 2015 dar, die Klägerin leide an einem Bandscheibenvorfall L4/L5 links mit radikulärer Symptomatik der Wurzel L5/S1 links. Die Entlassung erfolge als arbeitsunfähig. Bei weiterem Rückgang der Beschwerdesymptomatik werde sich die Klägerin bei der Arbeitsagentur zwecks Vermittlung einer leidensgerechten Tätigkeit wieder melden. Das Wiedereintreten der Arbeitsfähigkeit sei derzeit noch nicht absehbar und hänge vom weiteren Verlauf unter Fortführung der konservativen Therapie ab.
In der Zeit vom 10. bis 11. September 2015 sowie vom 15. September bis 5. Oktober 2015 hielt sich die Klägerin zum wiederholten Mal in der M. Klinik an der L. wegen eines alkoholbedingten Rückfalls auf (Arztbrief der Assistenzärztin Dr. L. vom 5. Oktober 2015). Die Klägerin gab dort an, nach der stationären Behandlung im Mai 2013 bis November 2014 abstinent gewesen zu sein. Danach habe sie phasenweise konsumiert und sei zwischendurch auch trocken gewesen. Massiver weiterer Alkoholkonsum bestehe seit Juni 2015. Laborchemisch fiel ein akutes Nierenversagen auf, woraufhin die Klägerin in der Zeit vom 11. bis 15. September 2015 in der nephrologischen Abteilung des O. Klinikums O.-G. stationär behandelt wurde. Im vorläufigen Entlassbericht vom 15. September 2015 führte Dr. B. aus, die Kombination aus Voltaren, einem ACE-Hemmer sowie Hydrochlorotiazid sei für das akute Nierenversagen verantwortlich gewesen. Unter i.v.-Rehydration seien die Nierenretentionsparameter rasch rückläufig gewesen.
Mit Gerichtsbescheid vom 12. November 2015 wies das SG die Klage ab. Die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Erwerbsminderung seien nicht nachgewiesen. Nach dem medizinischen Beweisergebnis stehe nicht mit hinreichender Sicherheit fest, dass die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch weniger als sechs Stunden täglich arbeiten könne. Die Kammer stütze sich dabei insbesondere auf das Gutachten des Dr. Ge ... Aufgrund der von diesem gestellten Diagnosen sei die Klägerin nach Ausheilung ihrer Krankheit, bei optimaler Behandlung in sechs Monaten in der Lage, unter Berücksichtigung vielfältiger qualitativer Einschränkungen in einer gewissen Regelmäßigkeit Arbeiten von wirtschaftlichem Wert mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Derzeit sei sie nicht in der Lage, regelmäßig einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und arbeitsunfähig. Weder Dr. Ge. noch die die Klägerin behandelnden Ärzte seien in der Lage gewesen, eine zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu bestätigen. Zur Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung sei jedoch der Nachweis einer dauerhaften Minderung der Erwerbsfähigkeit erforderlich. Soweit die Klägerin, die die Beweislast für den Eintritt einer Erwerbsminderung trage, subjektiv der Auffassung sei, ihr sei die Aufnahme einer jedweden Arbeit nicht möglich, habe dieser Vortrag medizinisch nicht objektiviert werden können. Die Klägerin sei darauf hinzuweisen, dass der Begriff der Arbeitsunfähigkeit an den zuletzt ausgeübten Beruf anknüpfe, während der Begriff der Erwerbsminderung an die Leistungsfähigkeit bei allen Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes anknüpfe. Da es sich bei dem zuletzt ausgeübten Beruf der Klägerin als Kundenberaterin bei einer Bank um eine anspruchsvolle Tätigkeit handele, bedinge die Arbeitsunfähigkeit in diesem Beruf nicht automatisch eine Erwerbsminderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Die Kammer verkenne auch nicht, die von der Klägerin nach Erstellung des Gutachtens des Dr. Ge. vorgelegten medizinischen Unterlagen. Aus diesen ergebe sich, dass bei der Klägerin erhebliche neue Erkrankungen, wie ein Bandscheibenvorfall L4/5 und ein akutes Nierenversagen diagnostiziert worden seien. Nach den vorliegenden Unterlagen, insbesondere dem Entlassungsbericht des Dr. Pe. vom 13. Juni 2015, folgten hieraus jedoch zunächst Phasen der Arbeitsunfähigkeit. Der Klägerin stehe es offen, falls die genannten Beschwerden zu einer dauerhaften Einschränkung führen sollten, erneut einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung zu stellen. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit in ihrem letzten ausgeübten Beruf nach § 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), da sie am 11. Oktober 1972 und damit nicht vor dem maßgeblichen Stichtag, dem 2. Januar 1961 geboren sei.
Gegen den ihr am 18. November 2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 4. Dezember 2015 Berufung beim SG eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, ihr Gesundheitszustand habe sich wegen ihrer Alkoholerkrankung weiter verschlechtert. Sie leide unter Stimmungsschwankungen, Interessenlosigkeit sowie Überforderung, sei völlig kraftlos und alles falle ihr zunehmend schwer, selbst das Spazierengehen und Treppensteigen wegen hinzugekommener Hüft- und Knieprobleme. Auch die Polyneuropathie spiele hierbei eine Rolle. Zudem habe sie beim Gehen Gleichgewichtsstörungen. Sie befinde sich in einem Teufelskreis aus Schmerzen, die ihr eine Erwerbstätigkeit unmöglich mache. Insgesamt liege bei ihr eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Zudem verweist sie auf ein ärztliches Attest der Dr. Gr.-S. vom 12. Februar 2016. In diesem führt die Ärztin aus, im September 2015 sei die Klägerin an einer alkoholinduzierten paranoid-halluzinatorischen psychotischen Störung erkrankt, die sich weitgehend, aber nicht vollständig zurückgebildet habe. Neben zusätzlichen affektiven Symptomen lägen deutliche kognitive Beeinträchtigungen vor in Form von Auffassungsminderung, Konzentrationsstörungen, Gedächtnislücken, einem gestörten Zeitgitter und Verlangsamung beim Lösen von Testaufgaben. Angesichts der Schwere der gesundheitlichen Beeinträchtigungen halte sie die Klägerin derzeit und auf absehbare Zeit nicht für erwerbsfähig. Mit dem von der Beklagten unter dem 22. Juni 2018 unterbreiteten Vergleichsangebot könne sich die Klägerin hinsichtlich des Leistungsfalles am 29. Juli 2017 nicht einverstanden erklären. Vielmehr sei sie bereits seit Rentenantragstellung erwerbsgemindert. Denn im Schädel-CT vom 26. Oktober 2014 sei bereits eine betonte Hirnatrophie festgestellt worden.
In der Zeit vom 15. Mai bis 7. Juni 2016 hat sich die Klägerin stationär in der M. Klinik an der L. aufgehalten. Im Arztbrief vom 7. "01." (gemeint wohl Juni) 2016 hat PD Dr. F. ausgeführt, die Klägerin leide an Alkoholabhängigkeit, einer alkoholinduzierten psychotischen Störung, einem Alkoholentzugssyndrom mit Grand-Mal-Anfall 11/2014, einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig mittelgradige depressive Episode, einer bekannten komplexen posttraumatischen Belastungsstörung, einem Zustand nach akutem Nierenversagen 9/2015 im Rahmen einer akuten interstitiellen Nephritis, einer Hypokaliämie, einer arteriellen Hypertonie, einem Bandscheibenvorfall im Lendenwirbelsäulenbereich 4/2015 sowie einer Allergie auf Paracetamol und Wespengift. Die Klägerin habe bei Aufnahme angegeben, seit ihrem letzten Klinikaufenthalt im Oktober 2015 bis März 2016 abstinent gewesen zu sein. Es sei eine Entzugsbehandlung erfolgt. Die Klägerin sei in stabilisiertem Zustand aus der stationären Behandlung entlassen worden. Die Auffassung sei regelrecht, die Konzentration leicht vermindert gewesen. Merkfähigkeitsstörungen hätten nicht festgestellt werden können. Die Klägerin habe ein leichtes Beobachtungsgefühl geäußert. Die Stimmung sei leicht gedrückt, der Antrieb leicht vermindert und die Psychomotorik leicht unruhig gewesen. Die Entlassung sei als arbeitsunfähig erfolgt. Er hat eine ambulante psychiatrische sowie psychotherapeutische Behandlung, eine Anbindung an eine Suchtberatungsstelle zur Sicherung der Alkoholabstinenz und der suchtspezifischen Nachsorge sowie die Kontaktaufnahme zu einer Selbsthilfegruppe empfohlen.
Mit Bescheid im Eilverfahren vom 15. Februar 2016 hat die Beklagte der Klägerin stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation für die Dauer von 10 Wochen in der S. Klinik F. bewilligt. Dort hat die Klägerin in der Zeit vom 23. Juni bis 10. Oktober 2016 die bewilligte Maßnahme absolviert. Im Reha-Entlassungsbericht vom 18. Oktober 2016 hat der Leitende Arzt Dr. K. ausgeführt, die Klägerin leide an einem Alkoholabhängigkeitssyndrom, einer generalisierten Angststörung, einer mittelgradigen depressiven Episode (chronifiziert seit 2010), einer benignen essenziellen Hypertonie, einer Arthrose am Großzehengrundgelenk sowie einer alkoholischen Fettleber. Bei Entlassung sei die Klägerin noch arbeitsunfähig gewesen. Bezüglich ihrer zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Diplom-Betriebswirtin sei sie aufgrund der üblicherweise mit dieser Tätigkeit verbundenen erhöhten Anforderungen in Bezug auf Verantwortung und Konzentrationsfähigkeit mit einem zeitlichen Umfang von drei bis unter sechs Stunden leistungsfähig. Für die letzte Tätigkeit und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestünden folgende qualitative Leistungseinschränkungen: Kontakt mit Suchtmitteln, Tätigkeiten mit erhöhten Anforderungen an die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit und Tätigkeiten mit erhöhten Anforderungen an das Konzentrationsvermögen, die sich vorrangig durch die noch nicht ausreichend gebesserte generalisierte Angststörung begründeten. Bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt bestünden für einfache Tätigkeiten keine quantitativen Leistungsminderungen. Es könnten leichte Tätigkeiten, ständig im Stehen, ständig im Gehen, ständig im Sitzen, in Tagesschicht, und Früh-/Spätschicht sechs Stunden und mehr täglich verrichtet werden. Auf Einwendungen der Klägerin hat er seinen Entlassungsbericht angepasst, jedoch seine Leistungsbeurteilung aufrechterhalten (Schreiben vom 31. Januar 2017 an die Beklagte; korrigierter Entlassungsbericht vom 1. Februar "2016", richtig 2017.).
Im Rahmen eines stationären Aufenthalts vom 4. bis 10. November 2016 hat sich die Klägerin wiederum in der M. Klinik an der L. aufgehalten. Im Arztbrief vom 10. November 2016 hat PD Dr. F. ausgeführt, die Klägerin leide an einer psychotischen Störung durch Alkoholmissbrauch sowie an Alkoholabhängigkeit. Die stationäre Aufnahme sei wegen eines deliranten Zustandes nach Selbstentzug wenige Tage vor Aufnahme erfolgt. Sie habe angegeben, Stimmen gehört und optische Halluzinationen gehabt zu haben. Nach 15-wöchiger Langzeittherapie habe sie am Entlasstag wieder angefangen, Alkohol zu konsumieren. Dies habe sie selbständig unterbrochen und nachfolgend den Entzug alleine machen wollen. Es sei ein Alkoholentzug unter medikamentöser Unterstützung erfolgt. Am Entlasstag sei die Klägerin bewusstseinsklar und allseits orientiert gewesen. Konzentration, Aufmerksamkeit und Gedächtnis seien unauffällig gewesen. Sie sei in stabilisiertem psychischem Zustand entlassen worden. Es werde eine Anbindung an eine Suchtberatungsstelle, eine ambulante psychiatrische-psychotherapeutische Behandlung sowie bei ausreichender Therapiemotivation eine stationäre Motivations- und Entwöhnungstherapie empfohlen.
In der Zeit vom 22. Juni bis 20. Juli 2017 hat die Klägerin wegen orthopädischer Beeinträchtigungen eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme in der T.-klinik B. K. absolviert. Leitender Arzt Dr. H. führt im Reha-Entlassungsbericht vom 24. Juli 2017 aus, die Klägerin leide an Lumboischialgie links bei Bandscheibenvorfall L4/5 links caudal mit Irritation der L5-Wurzel, einer generalisierten Angststörung und Depression sowie posttraumatischer Belastungsstörung, einer Alkoholkrankheit, alkoholischer Polyneuropathie, einem Zustand nach mehrfachen Entzügen, zuletzt 2016, einem Hallux rigidus rechts sowie einer Gonalgie links mit rezidivierender Ergussbildung. Aus rein orthopädischer Sicht und einen positiven Heilungsverlauf voraussetzend halte er die Klägerin bei Erreichen der Arbeitsfähigkeit für in der Lage, die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Firmenkundenberaterin weiterhin in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden und mehr täglich auszuüben. Prinzipiell seien der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aus rein orthopädischer Sicht leichte bis mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Gehen und Sitzen, zeitweise unterbrochen von Stehen, vollzeitig zuzumuten. Zu vermeiden seien schweres Heben und Tragen, insbesondere aus biomechanisch ungünstiger Position sowie längeres Verharren in hockender oder gebückter Haltung. Gleiches gelte für überwiegend stehende Tätigkeiten auf harten Untergründen sowie Tätigkeiten mit vielen Rumpfbelastungen. Aufgrund der Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen auf neuropsychiatrischer Ebene in Kombination mit den orthopädischen Beschwerden, die eher muskulärer als neurologischer Genese seien, sei die Klägerin zum jetzigen Zeitpunkt und voraussichtlich auch bis auf weiteres nicht arbeitsfähig. Es bestehe der dringende Verdacht auf Entwicklung einer chronischen Schmerzkrankheit. Die Anbindung an einen Schmerztherapeuten sei dringend zu empfehlen. Darüber hinaus sei eine regelmäßige psychiatrische Begleitung und Therapie erforderlich. Aufgrund der generalisierten Angststörung, Depression sowie posttraumatischen Belastungsstörung (entsprechende Befunde haben Dr. H. nicht vorgelegen) solle dringend eine psychiatrische Begutachtung erfolgen. In Zusammenschau der Befunde erfolge die Entlassung der Klägerin als arbeitsunfähig.
Ein weiterer stationärer Aufenthalt der Klägerin wegen ihrer Alkoholerkrankung ist vom 29. Juli bis 3. August 2017 im O. Klinikum O.-G. erfolgt. Chefarzt Prof. Dr. O. führt im vorläufigen Entlassungsbericht vom 1. August 2017 aus, die Klägerin leide an Erbrechen mit Exsikkose und Hypokaliämie nach Alkoholexzess bei chronischer Alkoholkrankheit, einem Verdacht auf Alkoholentzug mit Unruhe und akustischen Halluzinationen, Status nach mehreren Entzugsbehandlungen. Die stationäre Aufnahme sei nach Alkoholexzess mit Übelkeit, Erbrechen, Präsynkope und optischen sowie akustischen Halluzinationen erfolgt. Eine Verlegung in die M. Klinik an der L. bei vorwiegend psychiatrischen Beschwerden sei von der Klägerin abgelehnt worden. Eine ambulante psychiatrische Anwendung werde dringend sowie bei teils hypertensiven Blutdruckwerten eine hausärztliche Anbindung empfohlen.
Auf Veranlassung von Dr. Gr.-S. hat die Klägerin am 27. (bis zum 28.) Oktober 2017 die zentrale Notaufnahme des O. Klinikums O.-G. aufgesucht. Dienstärztin Pe. hat im Arztbrief vom 28. Oktober 2017 eine Hypokaliämie und eine Exsikkose bei Erbrechen diagnostiziert. Die Vorstellung der Klägerin sei mit Erbrechen seit mehreren Tagen und Unvermögen, Flüssigkeit bei sich zu behalten, erfolgt. Eine Überwachung auf der Notaufnahmestation sei wegen der schweren Hypokaliämie erforderlich gewesen. Bei Entlassung sei die Klägerin gebeten worden, sich um eine hausärztliche Anbindung zu kümmern.
Am 30. November 2017 hat die Klägerin erneut die zentrale Notaufnahme des O. Klinikums O.-G. aufgesucht. Dienstärztin Dr. R. hat in ihrem Entlassungsbrief vom 30. November 2017 dargelegt, die Klägerin leide an einer Hypokaliämie, einer Exsikkose bei Erbrechen sowie einem Verdacht auf Alkoholentzugssyndrom. Nach längerer Phase der Abstinenz habe die Klägerin einen Alkoholrückfall erlitten und danach keinen Alkohol mehr getrunken. Im Verlauf der Behandlung sei eine Normalisierung der Vitalparameter eingetreten. Bei fehlendem Tremor und nach fehlendem Verlangen nach erneutem Alkoholkonsum habe eine Entlassung in die häusliche Umgebung erfolgen können.
Die Klägerin hat sich vom 23. bis 27. Dezember 2017 stationär im O. Klinikums O.-G. aufgehalten (vorläufiger Arztbrief der Stationsärztin Pr. vom 27. Dezember 2017). Die stationäre Aufnahme der Klägerin sei aufgrund eines epileptischen Anfalls bei Alkoholkonsum im Rahmen eines bekannten Alkoholabusus erfolgt. Der Klägerin sei eine stationäre Entgiftung empfohlen worden. Am 27. Dezember 2017 sei eine Entlassung in die ambulante Weiterbehandlung erfolgt.
In einer sozialmedizinischen Stellungnahme für die Bundesagentur für Arbeit (Dr. Sr.) vom 7. Dezember 2017 wurde der Klägerin auf längere Sicht eine aufgehobene Leistungsfähigkeit für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt attestiert. Sie sei wegen psychischer Minderbelastbarkeit, schädlichem Substanzgebrauch/Abhängigkeit sowie Minderbelastbarkeit der lumbalen Wirbelsäule täglich weniger als drei Stunden in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben.
Vom 12. bis 13. Januar 2018 (mit berichtetem Entzugskrampfanfall) sowie vom 9. bis 10. Februar 2018 (mit fraglichen optischen Halluzinationen) befand sich die Klägerin wegen weiterer stationärer Alkoholentzugsbehandlungen im O. Klinikum O.-G ...
Zuletzt hat sich die Klägerin seit 19. April 2018 in der M. Klinik an der L. anlässlich einer vollstationären Behandlung aufgehalten.
Die Klägerin beantragt (sachgerecht gefasst),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 12. November 2015 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 27. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Oktober 2013 zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, ab 1. März 2013 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Klägerin trotz der vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen für in der Lage, zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr täglich bis einschließlich 28. Juli 2017 auszuüben. Sie beruft sich insoweit auf die ärztlichen Stellungnahmen des beratenden Arztes Dr. Sch. vom 28. Januar und 1. März 2016, 8. Juni, 9. August und 4. September 2017. Insbesondere gehe aus dem Entlassungsbericht vom 10. November 2016 hervor, dass die Aufnahme und Behandlung wegen einer akuten psychotischen Störung bei Alkoholmissbrauch erfolgt sei. Nach Therapie und Abklingen der Akutsymptomatik habe ein unauffälliger psychopathologischer Befund erhoben werden können, der Einschränkungen des Leistungsvermögens auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht habe erkennen lassen. Dieser Befund finde seine Bestätigung auch in den klaren und strukturierten Schreiben der Klägerin an den Senat. Allein für das orthopädische Fachgebiet habe ein noch mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen unter Beachtung qualitativer Einschränkungen bestätigt werden können. Seit 29. Juli 2017 gehe sie (die Beklagte) davon aus, dass eine deutliche Verschlechterung der Symptomatik nach anhaltendem Alkoholabusus vorliege (Dr. Sch. vom 19. Juni und 9. August 2018). Diese Entwicklung sei unmittelbar nach der Entlassung aus dem Krankenhaus Anfang August 2017 noch nicht absehbar gewesen. Im Rahmen der bildgebenden Diagnostik seien atrophische Veränderungen in den Hirnarealen festgestellt worden, die eine umfangreiche Besserung der Symptomatik, gleich mit welcher Therapie, nicht erwarten ließen. Im Vergleichsweg werde der Klägerin daher angeboten, ihr auf der Grundlage eines Leistungsfalls am 29. Juli 2017 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. August 2017 zu gewähren. Der Wunsch der Klägerin nach einem deutlich früheren Leistungsfall könne aufgrund der objektiven Befunde nicht nachvollzogen werden. Funktionseinschränkungen ließen sich aufgrund der bildgebenden Diagnostik (Schädel-CT) nicht belegen. Diese seien nur im Rahmen einer klinischen Untersuchung durch den Neurologen festzustellen. Insofern werde auch dem Ergebnis der entsprechenden Begutachtung durch Dr. Bi. (siehe unten) gefolgt. Konsequent sei auch hier die Setzung des Leistungsfalles. Der Sachverständige verfüge über die Zusatzbezeichnung Sozialmedizin und habe zur Urteilsbildung vorliegend ältere medizinische Befunde mit herangezogen. So habe der Sachverständige auch den jetzt erneut vorgelegten Schädel-CT-Befund vom 26. Oktober 2014 ausgewertet.
Der Senat hat Dr. K. (S. Klinik) sowie PD Dr. F. und Oberärztin Dr. C. (M. Klinik an der L.) als sachverständige Zeugen befragt. Dr. K. (Auskunft vom 1. November 2016) hat über die Alkoholentzugsbehandlung vom 23. Juni bis 10. Oktober 2016, PD Dr. F. und Oberärztin Dr. C. (Auskunft vom 21. November 2016) über die drei stationären Behandlungen in den Jahren 2015 und 2016 berichtet. PD Dr. F. und Oberärztin Dr. C. haben zudem ausgeführt, auch wenn – wie im Fall der Klägerin – wegen der Alkoholabhängigkeit sämtliche therapeutischen und rehabilitativen Maßnahmen durchgeführt würden, sei die Prognose oft nicht günstig und man müsse mit einer Rezidivquote von 50 bis 80 % nach fünf Jahren rechnen.
Der Senat hat Facharzt für Neurologie und Suchtmedizin Dr. Bi., Chefarzt der Neurologischen Klinik S., mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 22. Mai 2018 führt der Sachverständige aus, die Klägerin leide auf nervenärztlichem Fachgebiet an einer Alkoholabhängigkeit mit gegenwärtigem Substanzgebrauch mit Alkoholfolgeerkrankungen (symptomatisches Anfallsleiden im Sinne von Entzugskrampfanfällen, frontotemporal und zerebelläre Hirnatrophie, alkoholinduzierter Polyneuropathie sowie Alkoholfettleber), einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit abhängigen, narzisstischen und ängstlich vermeidenden Anteilen sowie einer Dysthymia. Es sei nicht mehr anzunehmen, dass die Störungen bei aller zumutbarer Willensanspannung aus eigener Kraft und gegebenenfalls unter zusätzlicher ärztlicher Mithilfe innerhalb eines halben Jahres teilweise überwunden werden könnten. Bei der Klägerin werde es voraussichtlich auch wegen der psychischen Komorbiditäten im berufsfreien Alltag immer wieder zu Alkoholexzessen kommen. Hierzu reichten Alltagsbelastungen aus. Die kombinierte Persönlichkeitsstörung mit abhängigen, narzisstischen und ängstlich vermeidenden Anteilen sowie die Dysthymia beeinträchtigten für sich alleine schon die sozialen Kompetenzen, die Kommunikationsfähigkeit, den Antrieb, das planerische Denken und die Motivation. Die zusätzliche Alkoholkrankheit mit nahezu monatlichen Trinkexzessen trotz zahlreicher Langzeit- und anderer spezieller Therapien sowie die mittlerweile vorliegenden Organfolgeschäden (häufige Entzugskrampfanfälle bei nachgewiesener Hirnathrophie sowie alkoholinduzierter Polyneuropathie) hätten zur Folge, dass der Klägerin aufgrund der Unfallneigung in allen Lebenssituationen mit Selbst- und Fremdgefährdung, mit möglichen aggressiven Tendenzen, kurzfristigen Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen sowie beeinträchtigter Kritik- und Urteilsfähigkeit, qualitativ keine Tätigkeiten mehr zumutbar seien, die erhöhte Ansprüche an das Konzentrations-/Reaktionsvermögen stellten sowie Umstellungs- und Anpassungsvermögen, Verantwortung für Personen und Maschinen, Publikumsverkehr sowie Überwachung und Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge erforderten. Ebenso solle das Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten, Arbeiten, welche Gang- und Standsicherheit erforderten, Arbeiten an rotierenden Maschinen, Schicht- und Nachtschichtarbeiten sowie Tätigkeiten mit überhöhter Unfallgefahr, vermieden werden. Diese Einschränkungen würden sowohl für Phasen der Abstinenz und der mangelnden Abstinenz gelten. Zudem dürfe die Klägerin bis auf weiteres kein Kraftfahrzeug mehr führen. Es bestehe ein lediglich unter dreistündiges Restleistungsvermögen. Nach der letzten orthopädischen Rehabilitationsbehandlung in B. K. sei es am 29. Juli 2017 zu einem erneuten Alkoholentzug mit Entzugskrampfanfall gekommen. Seither habe die Klägerin nahezu monatlich Krankenhäuser wegen Trinkexzessen aufgesucht. Damit sei seit diesem Zeitpunkt ein nur noch unter dreistündiges Leistungsvermögen vorhanden. Eine wesentliche Besserung im nervenärztlichen Fachgebiet sei in Anbetracht der ausgeschöpften Vortherapien nicht mehr anzunehmen.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die nach § 151 Abs. 1 und 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist auch sonst zulässig. Insbesondere bedurfte sie nicht der Zulassung, da die Klägerin laufende Leistungen für mehr als ein Jahr begehrt (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
2. Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 27. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Oktober 2013, mit dem die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsminderung ablehnte. Das Verfahren hat sich auch nicht durch den von der Beklagten unter dem 22. Juni 2018 unterbreiteten Vergleichsvorschlag erledigt. Die Klägerin hat dieses Angebot nicht unbedingt angenommen, sondern den Leistungsfall am 1. März 2013 gesehen. Einen Ihrem Vergleichsangebot entsprechenden Ausführungsbescheid hat die Beklagte bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht erlassen, so dass sich der Rechtsstreit für die Zeit ab 1. August 2017 nicht erledigt hat.
3. Die Berufung ist zum Teil begründet. Das SG hat die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zu Recht abgewiesen, soweit die Klägerin bereits für die Zeit ab 1. März 2013 bis 31. Juli 2017 eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung begehrt (siehe hierzu c). Denn der Bescheid der Beklagten vom 27. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Oktober 2013 ist insoweit rechtmäßig. Die Klägerin hat jedoch Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer ab 1. August 2017 (siehe hierzu b).
a) Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
b) Hiervon ausgehend ist der Senat auf Grund der im Klage- und Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin seit 29. Juli 2017, dem Zeitpunkt eines erneuten Alkoholentzugs mit Entzugskrampfanfall, voll erwerbsgemindert ist, da sie seither lediglich unter drei Stunden täglich einer zumindest leichten Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachgehen kann. Zuvor war sie noch in der Lage, ohne Gefährdung ihrer Gesundheit, leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts mehr als sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten.
(1) Bei der Klägerin besteht auf nervenärztlichem Fachgebiet eine Alkoholabhängigkeit mit gegenwärtigem Substanzgebrauch mit Alkoholfolgeerkrankungen (symptomatisches Anfallsleiden im Sinne von Entzugskrampfanfällen, frontotemporal und zerebelläre Hirnatrophie, alkoholinduzierte Polyneuropathie sowie Alkoholfettleber), eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit abhängigen, narzisstischen und ängstlich vermeidenden Anteilen sowie eine Dysthymia. In unregelmäßigen Abständen von einigen Monaten (erstmals seit November 2014) leidet die Klägerin an Erbrechen mit Exsikose und Hypokalämie nach Alkoholexzess mit delivaten Zuständen (optische Halluzinationen und Stimmenhören). Dies entnimmt der Senat dem Sachverständigengutachten des Dr. Bi., den Arztbriefen der Ärzte des O. Klinikums O.-G. sowie der M. Klinik an der L. und der Dr.Gr.-S ...
Ferner leidet die Klägerin an einer benignen essenziellen Hypertonie und einer Arthrose am Großzehengrundgelenk. Dies entnimmt der Senat dem Reha-Entlassungsbericht des Dr. K. vom 18. Februar 2016.
Zudem besteht bei der Klägerin eine Lumboischialgie links bei Bandscheibenvorfall L4/5 links caudal mit Irritation der L5-Wurzel sowie eine Gonalgie links mit rezidivierender Ergussbildung. Dies ergibt sich für den Senat aus dem Reha-Entlassungsbericht des Dr. H. vom 24. Juli 2017.
Die von der Klägerin behaupteten Hüftprobleme hat sie nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen. Aus den aktenkundigen Befundunterlagen ergibt sich eine solche Krankheit nicht. Keiner der sie behandelnden Ärzte, Gutachter oder Sachverständigen hat einen Befund dieser Art erhoben.
(2) Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die festgestellten Gesundheitsstörungen das berufliche Leistungsvermögen der Klägerin seit 29. Juli 2017 nicht nur in qualitativer, sondern auch in zeitlicher Hinsicht mindern.
Bei der Klägerin wird es voraussichtlich auch wegen der psychischen Komorbiditäten im berufsfreien Alltag immer wieder zu Alkoholexzessen kommen. Hierzu reichen Alltagsbelastungen aus. Die kombinierte Persönlichkeitsstörung mit abhängigen, narzisstischen und ängstlich vermeidenden Anteilen sowie die Dysthymia beeinträchtigen für sich alleine schon die sozialen Kompetenzen, die Kommunikationsfähigkeit, den Antrieb, das planerische Denken und die Motivation. Die zusätzliche Alkoholkrankheit mit nahezu monatlichen Trinkexzessen – seit Juli 2017 - trotz zahlreicher Langzeit- und anderer spezieller Therapien sowie die mittlerweile vorliegenden Organfolgeschäden (häufige Entzugskrampfanfälle bei nachgewiesener Hirnathrophie sowie alkoholinduzierter Polyneuropathie) haben zur Folge, dass der Klägerin aufgrund der Unfallneigung in allen Lebenssituationen mit Selbst- und Fremdgefährdung, mit möglichen aggressiven Tendenzen, kurzfristigen Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen sowie beeinträchtigter Kritik- und Urteilsfähigkeit, seit 29. Juli 2017 qualitativ keine Tätigkeiten mehr zumutbar sind, die erhöhte Ansprüche an das Konzentrations-/Reaktionsvermögen stellen sowie Umstellungs- und Anpassungsvermögen, Verantwortung für Personen und Maschinen, Publikumsverkehr sowie Überwachung und Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge erfordern. Ebenso soll das Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten, Arbeiten, welche Gang- und Standsicherheit erfordern, Arbeiten an rotierenden Maschinen, Schicht- und Nachtschichtarbeiten sowie Tätigkeiten mit überhöhter Unfallgefahr, vermieden werden. Diese Einschränkungen gelten sowohl für Phasen der Abstinenz als auch der mangelnden Abstinenz. Es besteht ein lediglich unter dreistündiges Restleistungsvermögen. Dies entnimmt der Senat dem Sachverständigengutachten des Dr. Bi ...
Entgegen der Auffassung der Klägerin besteht das defizitäre Leistungsvermögen nicht bereits seit 1. März 2013, sondern – beruhend auf einer jahrelangen kontinuierlichen Entwicklung – erst ab 29. Juli 2017. Nach der letzten orthopädischen Rehabilitationsbehandlung in B. K. ist es am 29. Juli 2017 zu einem erneuten Alkoholentzug mit Entzugskrampfanfall gekommen. Seither hat die Klägerin nahezu monatlich Krankenhäuser wegen Trinkexzessen aufgesucht. Damit ist seit diesem Zeitpunkt ein nur noch unter dreistündiges Leistungsvermögen vorhanden. Dies steht für den Senat aufgrund der überzeugenden und nachvollziehbaren Darlegungen des Dr. Bi. und des Dr. Sch. fest.
Die Auffassung der Klägerin, wonach bereits am 1. März 2013 ein deutlich gemindertes Restleistungsvermögen vorlegen hat, kann aufgrund der objektiven Befunde und der überzeugenden Darlegungen des Dr. Bi. nicht festgestellt werden. Soweit die Klägerin sich dabei insbesondere auf die durch eine CT-Aufnahme des Schädels vom 26. Oktober 2014 erfolgte Feststellung einer betonten Hirnatrophie beruft, kann dies nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Zum einen lassen sich für die Feststellung eines geminderten Restleistungsvermögens erforderliche Funktionseinschränkungen nicht aufgrund der bildgebenden Diagnostik (Schädel-CT) belegen. Denn Funktionseinschränkungen sind vorliegend nur im Rahmen einer klinischen Untersuchung durch einen Neurologen festzustellen. Eine entsprechende Begutachtung wurde durch Dr. Bi. durchgeführt und das Eintreten eines Leistungsfalls unter Einbeziehung sämtlicher weiterer medizinischer Unterlagen konsequent auf den 29. Juli 2017 festgelegt. Zum anderen hat Dr. Bi. zur Urteilsbildung auch sämtliche in der Akte befindliche ältere medizinische Befunde mit herangezogen und somit auch den Schädel-CT-Befund vom 26. Oktober 2014. Trotz Einbeziehung dieses Befundes gelangte er zu einem Eintritt des Leistungsfalles mit überzeugender Begründung erst am 29. Juli 2017.
Zudem haben die vor der Begutachtung durch Dr. Bi. tätigen Gutachter und Sachverständigen der Klägerin ein über sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt attestiert. Diese Beurteilungen stellte dieser nicht in Frage, sondern erachtete sie selbst für zutreffend. So verwies er schlüssig auf eine seit der ersten Begutachtung durch Dr. St. eingetretene dramatische Verschlechterung des Zustandes, ohne dessen damaliger Leistungseinschätzung zu widersprechen. Gleiches gilt für die Beurteilung von Dr. Ge., dass zum Zeitpunkt dessen Begutachtung bei optimaler Behandlung innerhalb von sechs Monaten mit einer Wiederherstellung einer vollschichtigen Leistungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu rechnen war. Daher ist von einer zunehmenden Verschlechterung und – nach zunächst noch möglicher – nunmehr letztlich gescheiterter Behandlung auszugehen. Ein früherer Eintritt der Erwerbsminderung kann daher auch unter Berücksichtigung des Attestes von Dr. Gr.-S. vom 12. Februar 2016 nicht festgestellt werden.
Auch lag entgegen der Annahme der Klägerin eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung nicht vor. In einem solchen Fall kann der Arbeitsmarkt selbst bei einem noch vorhandenen sechsstündigen Leistungsvermögen ausnahmsweise als verschlossen gelten (siehe – auch zum Folgenden – etwa Urteil des Senats vom 21. November 2014 – L 4 R 4797/13 – nicht veröffentlicht). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf noch vorhandenes Restleistungsvermögen nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten.
Dies ist war auch vor dem 29. Juli 2017 nicht der Fall. Zwar liegen bei der Klägerin die aufgezeigten qualitativen Leistungseinschränkungen vor, diese sind jedoch nicht als ungewöhnlich zu bezeichnen. Darin ist weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen zu sehen. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt nur vor, wenn bereits eine erhebliche (krankheitsbedingte) Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt. Hierzu können – unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände – beispielsweise Einäugigkeit, Einarmigkeit und Einschränkungen der Arm- und Handbeweglichkeit sowie besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz zählen (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 – B 5 R 68/11 R – juris, Rn. 28 m.w.N.). Keine dieser Fallkonstellationen ist bei der Klägerin vorhanden.
Auch war und ist die Wegefähigkeit der Klägerin nicht eingeschränkt. Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit eines Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle in zumutbarer Zeit aufsuchen zu können. Das BSG hat dieses Vermögen nur dann für gegeben erachtet, wenn es dem Versicherten möglich ist, Entfernungen von über 500 Metern zu Fuß zurückzulegen, weil davon auszugehen ist, dass derartige Wegstrecken üblicherweise erforderlich sind, um Arbeitsstellen oder Haltestellen eines öffentlichen Verkehrsmittels zu erreichen (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 – 13/5 RJ 73/90 – juris, Rn. 16 ff.; Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 21/10 R – juris, Rn. 21 f.; Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 79/11 R – juris, Rn. 19 f.). Die Klägerin ist in der Lage, eine Gehstrecke von 500 Metern viermal in weniger als 20 Minuten täglich zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Aus den ärztlichen Äußerungen ergeben sich keine Befunde, die für eine unter den genannten Maßstäben eingeschränkte Gehfähigkeit der Klägerin sprechen.
Nach alledem ist die Klägerin seit 29. Juli 2017 nur noch in der Lage, unter drei Stunden täglich mit den genannten qualitativen Einschränkungen erwerbstätig zu sein. Dies erfüllt die Voraussetzungen eines Leistungsfalles der vollen Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI.
(3) Ausgehend von dem 29. Juli 2017 als Leistungsfall sind vorliegend ausweislich des Versicherungsverlaufs der Beklagten vom 29. August 2018 neben der allgemeinen Wartezeit (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI, § 50 Abs.1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI) auch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI) erfüllt.
(4) Die Rente der Klägerin wegen voller Erwerbsminderung war nicht zu befristen. Nach § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI werden Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann. Hier kommt nur eine unbefristete Rente in Betracht, da die Rentengewährung nicht von der Arbeitsmarktlage abhängt und ausweislich des Sachverständigengutachtens des Dr. Bi. - im Übrigen in Übereinstimmung mit der Beklagten – überzeugend eine umfangreiche Besserung der bei der Klägerin vorliegenden Symptomatik, gleich mit welcher Therapie, nicht zu erwarten ist.
(5) Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Bei späterer Antragstellung wird eine Rente aus eigener Versicherung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird. Unter Berücksichtigung einer Rentenantragstellung 15. März 2013 und dem Eintritt des Leistungsfalles am 29. Juli 2017 ergibt sich damit ein Rentenbeginn am 1. August 2017.
c) Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich zugleich, dass der Klägerin für die Zeit vor dem 1. August 2017 kein Rentenanspruch zusteht, die Berufung war insoweit zurückzuweisen. Die Klägerin konnte ausgehend von dem nicht widerlegten Ermittlungsergebnis im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Zeitpunkt des Leistungsfalles vom 29. Juli 2017 zumindest noch leichte Arbeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich verrichten und musste sich zur Verwertung ihres Restleistungsvermögen auf sämtliche - ihr in gesundheitlicher Hinsicht objektiv zumutbaren - Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts der Bundesrepublik Deutschland verweisen lassen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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