L 8 SB 4489/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SB 3011/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 4489/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 17.09.2015 aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist noch streitig, ob bei der Klägerin die gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches (Merkzeichen) "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) festzustellen sind.

Bei der 1941 geborenen Klägerin stellte das Landratsamt S. (LRA) den GdB mit 60 seit 02.11.2011 neu fest. Die Feststellung des Merkzeichens "G" wurde abgelehnt (Bescheid vom 22.03.2012 und Widerspruchsbescheid vom 21.06.2012).

Mit Neufeststellungsantrag vom 05.09.2012 beantragte die Klägerin beim LRA die Erhöhung des GdB sowie die Feststellung des Merkzeichens "G". Sie machte zur Begründung insbesondere eine pulmonal arterielle Hypertonie, eine postoperative Lungenembolie (11/2009), eine obstruktive Lungenerkrankung, eine Herzinsuffizienz und Mitralklappeninsuffizienz, eine Dyspnoe, eine Sklerosierung am Genozid der rechten Schulter mit Bewegungseinschränkung, ein chronisches Lymphödem links, einen Zustand nach Mama-Karzinom (Operation 9/87), eine chronische Reflux Ösophagitis, eine Depression, eine Spondylosisthesis und Osteochondrose L5/S1, einen Morbus Baastrup L3-5, eine Hüfttotalendoprothese links mit periartikulärer heterotoper Ossifilation, eine Coxarthrose rechts und Hüftgelenkspaltverschmälerung, einen Herzschrittmacher (seit 11/2008) sowie eine Adipositas geltend. Die Klägerin legte die Berichte des U.-Herzzentrum F. vom 27.04.2012 und des Dr. E. vom 15.02.2012 sowie die fachärztliche Stellungnahme des PD Dr. L. (B. N. ) vom 14.08.2012 vor. Das LRA zog weitere medizinische Unterlagen bei (Berichte der Gemeinschaftspraxis für Radiologie V. vom 01.08.2012 und 07.08.2012, Bericht Dr. H. vom 22.08.2012, Befundschein Dr. S. vom 01.10.2012). In der gutachtlichen Stellungnahme des ärztlichen Dienstes vom 29.01.2013 schlug Dr. Z. wegen eines psychovegetativen Erschöpfungssyndroms, funktionellen Organbeschwerden und Depression (GdB 30), degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Wirbelgleiten und Nervenwurzelreizerscheinungen (GdB 30), einer Lymphstauung des linken Armes nach Erkrankung der linken Brust (GdB 20), einer Polyarthrose (GdB 20), Bluthochdruck und Herzschrittmacher (GdB 20), einem chronischen Ekzem und Allergie (GdB 10) sowie einer Hüftgelenkendoprothese links (GdB 10) den GdB weiterhin mit 60 vor; eine ausgeheilte Lungenembolie bewirke keine Funktionseinschränkungen (GdB unter 10).

Mit Bescheid vom 31.01.2013 entsprach das LRA dem Antrag auf Neufeststellung eines höheren GdB sowie auf Zuerkennung des Merkzeichens "G" nicht.

Gegen den Bescheid vom 31.01.2013 erhob die Klägerin am 18.02.2013 Widerspruch, mit dem sie einen GdB von wenigstens 70 und die Feststellung des Merkzeichens "G" geltend machte. Ihr Gehvermögen liege wegen erheblicher Funktionsbeeinträchtigungen der Lendenwirbelsäule, dem schlechten Zustand der Hüfte, kardiologischer und pulmonaler Probleme sowie einer Hypotonie unter 100 Meter. Eine Erhöhung des GdB sei aufgrund einer Verschlechterung der orthopädischen Problematik und Hüftgelenksproblematik zu begründen.

Das LRA holte den Befundschein des Dr. S. vom 16.05.2013 ein und nahm weitere medizinische Unterlagen zu den Akten (Berichte Dr. B. und Kollegen vom 09.04.2013, Dr. L. vom 17.04.2012, Dr. E. vom 15.05.2013, U. Herzzentrum Bad K. vom 14.05.2013, Dr. B. vom 11.05.2013). In der hierzu eingeholten gutachtlichen Stellungnahme vom 28.08.2013 hielt Dr. D. an den bisherigen Bewertungen fest.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.10.2013 wies das Regierungspräsidium Stuttgart - Landesversorgungsamt - den Widerspruch der Klägerin zurück. Eine Verschlimmerung, die eine Erhöhung des GdB rechtfertige, sei nicht festzustellen. Die Zuerkennung des Merkzeichens "G" lasse sich nicht begründen.

Hiergegen erhob die Klägerin am 11.11.2013 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) mit dem Ziel, einen GdB von wenigstens 70 und das Merkzeichen "G" festzustellen. Sie machte zur Begründung im Verlauf des Klageverfahrens geltend, bei einem auf 100 Meter begrenzten Gehvermögen sei das Merkzeichen "G" zu gewähren. Aus den Ausführungen der gehörten Ärzte ergebe sich, dass die Klage von ärztlicher Seite gestützt werde.

Das SG hörte von der Klägerin benannte behandelnde Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen an. Der Facharzt für Orthopädie Dr. E. empfahl in seiner Aussage vom 26.03.2014 das Merkzeichen "G" zuzuerkennen und stimmte im Übrigen der Beurteilung des versorgungsärztlichen Dienstes zu. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. S. schätzte in seiner Aussage vom 07.04.2014 den GdB auf 80 ein und verneinte eine Gehstrecke der Klägerin von 2 km in einer Gehdauer von etwa einer halben Stunde. Der Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Pneumologie und Sportmedizin Dr. B. äußerte sich durch Vorlage eines Befundberichtes vom 31.01.2014.

Der Beklagte trat der Klage unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. B. vom 04.07.2014 entgegen.

Das SG holte das orthopädische Gutachten von Dr. K. vom 16.10.2014 ein. Zusammenfassend stellte Dr. K. auf orthopädischem Fachgebiet bei der Klägerin eine degenerative Veränderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Wirbelgleiten und Nervenwurzelreizerscheinungen (GdB 30) sowie eine Hüftgelenksendoprothese links (GdB 10) fest. Unter Mitberücksichtigung der nicht orthopädischen Funktionsbeeinträchtigungen schätzte Dr. K. den Gesamt-GdB auf 60 ein. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" seien nicht erfüllt. Der orthopädische Anteil der Funktionsbeeinträchtigungen reiche für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" nicht aus. Bei der subjektiv als belastend empfundenen Einschränkung der Gehfähigkeit handele es sich offenbar um eine Kombination von Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule, im rechten Bein, mit Luftnot und möglicherweise auch psychischen Störungen, welche die Klägerin im Kontakt nach außen beeinträchtigten. Beeinträchtigungen durch die Herzkrankheit oder auch psychische Beeinträchtigungen blieben im Rahmen dieses Gutachtens unberücksichtigt.

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG holte das SG außerdem das orthopädische Gutachten des Dr. S. vom 20.02.2015 ein. Dr. S. gelangte in seinem Gutachten zusammenfassend zu dem Ergebnis, bei der Klägerin bestünden auf orthopädischem Fachgebiet eine Lumboischialgie rechts bei Spinalstenose, Spondylolisthese L5/S1 und ausgeprägte Foraminalstenose L5/S1 rechts mehr als links sowie ein HWS/BWS-Syndrom bei Osteochondrose und Skoliose (GdB 40), eine Hüftgelenktotalendoprothese links (GdB 10) sowie eine Gonarthrose rechts mehr als links (GdB 20). Unter Mitberücksichtigung der nicht orthopädischen Funktionsbeeinträchtigungen schätzte Dr. S. den Gesamt-GdB auf 60 ein. Eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit der Klägerin liege vor. Die Voraussetzung eines GdB von 50 für die sich auf die Gehfähigkeit auswirkende Funktionsstörung der unteren Gliedmaßen und/oder der Wirbelsäule sei erfüllt.

Der Beklagte trat der Klage unter Vorlage der Stellungnahme des Versorgungsarztes D. vom 15.07.2015 weiter entgegen.

Die Klägerin trug vor (Schriftsatz vom 04.08.2015) sie könne nicht nachvollziehen, warum die Feststellungen von Dr. S. vom Beklagten in Abrede gestellt würden.

In der öffentlichen Sitzung des SG am 17.09.2015 verfolgte die Klägerin mit ihrem Klageantrag lediglich die Zuerkennung des Merkzeichens "G" weiter. Auf die Niederschrift des SG vom 17.09.2015 wird Bezug genommen.

Mit Urteil vom 17.09.2015 verurteilte das SG den Beklagten, ab 16.10.2014 die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" festzustellen. Das SG führte zur Begründung seiner Entscheidung aus, für die schwere Funktionsbeeinträchtigung der Lendenwirbelsäule sei der GdB auf 30 zu schätzen. Die Beurteilung von Dr. S. hinsichtlich der Wirbelsäule sowie der Kniegelenke sei zu wohlwollend. Für die Hüftgelenkendoprothese betrage der GdB 10. Bei der Klägerin liege zwar keines der Regelbeispiele vor, bei denen die Voraussetzungen für die Gewährung des Merkzeichens "G" als erfüllt angesehen werden könnten. Gleichwohl sei die Kammer der Überzeugung, dass die Klägerin nicht mehr in der Lage sei, ortsübliche Gehstrecken zurückzulegen. Es erscheine angesichts eines deutlichen Wirbelgleitens mit Operationsindikation plausibel, dass die bestehende Gehbehinderung wesentlich durch die Behinderungen im Bereich der LWS verursacht werde und daher das Merkzeichen "G" anerkannt werden könne. Eine Gehstrecke von 2 km in einer halben Stunde sei behinderungsbedingt nicht mehr möglich.

Gegen das dem Beklagten am 08.10.2015 zugestellte Urteil richtet sich die vom Beklagten am 27.10.2015 eingelegte Berufung. Der Beklagte hat zur Begründung unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 21.10.2015 vorgetragen, die angefochtene Entscheidung bestätige den bisherigen Teil-GdB von 30 für das Wirbelsäulenleiden und den GdB für das Kniegelenksleiden. Bei diesen Bewertungen könne jedoch unter Zugrundelegung der Versorgungsmedizinischen Grundsätze eine erhebliche Gehbehinderung nicht abgeleitet werden. Die objektive Befundlage lasse nicht auf eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr schließen.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 17.09.2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin hat unter Bezug auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils im Verlauf des Berufungsverfahrens zur Begründung vorgetragen, die mit der Berufungsbegründung erhobenen Einwände überzeugten nicht. Darüber hinaus werde darauf hingewiesen, dass sie an einer ganz erheblichen ("fürchterlich unter") Kurzatmigkeit leide, die sich erheblich verschlechtert habe. Sie könne sich im Grunde genommen nur noch mit dem Auto fortbewegen und könne nicht einmal mehr ein paar Schritte laufen. Es lägen nicht nur geringradige kardiologische Veränderungen vor, die die Beeinträchtigung der Gehfähigkeit und die bestehende ausgeprägte Atemnot erklären lasse. Die Klägerin hat medizinische Unterlagen vorgelegt.

Der Senat hat von der Klägerin benannte behandelnde Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugin angehört. Die Internistin Dr. S. hat in ihrer Aussage vom 09.03.2016 - unter Vorlage von Befundberichten - den Behandlungsverlauf sowie die Befunde mitgeteilt. Der Facharzt Dr. B. hat sich durch Vorlage der Befundberichte vom 11.05.2015 und 14.01.2016 geäußert. Dr. K. , S. Klinikum V. , hat in seiner Aussage vom 08.09.2016 unter Vorlage medizinischer Unterlagen den Behandlungsverlauf, die Befunde und Diagnosen mitgeteilt. Zu einer Aussage, ob eine Leistungsbeeinträchtigung des Herzens besteht, hat sich Dr. K. mangels aktueller Untersuchungsbefunde nicht in der Lage gesehen.

Der Beklagte trat unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. R. vom 12.05.2016 und Dr. G. vom 11.11.2016 der Berufung weiter entgegen.

Anschließend hat der Senat das lungenfachärztliche Gutachten von Dr. B. vom 16.03.2017 eingeholt. Dr. B. gelangte in seinem Gutachten aufgrund einer ambulanten Untersuchung der Klägerin am 06.03.2017 zusammenfassend zu der Beurteilung, aus lungenfachärztlicher Sicht habe bei der Klägerin keine die Bewegungsfähigkeit bzw. Gehfähigkeit wesentlich beeinträchtigende Behinderungen und Funktionseinbußen festgestellt werden können. Die Ergebnisse der Lungenfunktionsprüfungen seien sowohl in Ruhe als unter Belastungsbedingungen nicht wesentlich eingeschränkt. Auch die aktenkundigen Ergebnisse der kardiologischen Untersuchungen zeigten keine Hinweise auf eine wesentlich die körperliche Leistungsfähigkeit einschränkende Funktionsbehinderung. Einschränkungen, die dazu führen würden, dass die Klägerin nicht mehr in der Lage wäre, ohne Gefahren für sich oder andere übliche Wegstrecken im Ortsverkehr zu Fuß zurückzulegen, hätten nicht festgestellt werden können.

Bereits mit Schriftsatz vom 15.03.2017 hat die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten Dr. B. wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Den Antrag hat die Klägerin mit Schreiben vom 12.03.2017 begründet. Nach Einholung der Stellungnahme von Dr. B. vom 27.03.2017 zum Befangenheitsantrag hat die Klägerin mit weiterem Schreiben vom 09.04.2017 weiter vorgetragen. Außerdem hat die Klägerin mit Schreiben vom 04.04.2017 Einwendungen gegen das Gutachten des Dr. B. erhoben. Mit Beschluss vom 22.05.2017 hat der Senat das Ablehnungsgesuch der Klägerin gegen Dr. B. abgelehnt.

Anschließend hat der Senat die Stellungnahme des Dr. B. vom 31.07.2017 eingeholt. Dr. B. hat ergänzend zu seinem Gutachten ausgeführt, eine krankhafte Limitierung der Gehfähigkeit der Klägerin könne nicht nachgewiesen werden und hat keine Veranlassung gesehen, die bisherige Bewertung zu ändern.

Auf weiteres Vorbringen der Klägerin hat der Senat weitere schriftliche sachverständige Zeugenaussagen behandelnder Ärzte der Klägerin eingeholt. Der Orthopäde Dr. E. hat in seiner Aussage vom 08.11.2017 unter Vorlage von Befundberichten und einer Karteikarte mitgeteilt, der Gesundheitszustand der Klägerin habe sich deutlich verschlechtert. Die Kardiologin Dr. R. , S. Klinikum V. , hat in ihrer Aussage vom 22.11.2017 mitgeteilt, soweit aus der Aktenlage erkennbar zeige sich keine wesentliche Funktionseinschränkung der Herzleistung.

Der Beklagte ist unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 04.12.2017 der Berufung weiter entgegengetreten.

Anschließend hat der Senat das orthopädische Gutachten von Dr. B. vom 12.06.2018 eingeholt. Dr. B. diagnostizierte in seinem Gutachten auf seinem Fachgebiet ein chronisches, teils ortsständiges, teils pseudoradikuläres degenerativ bedingtes lumbales Wirbelsäulensyndrom mit gradueller Funktionsbehinderung der Lendenwirbelsäule ohne radikuläre Reiz- oder Ausfallerscheinungen der unteren Extremitäten bei Spondylolisthesis Vera L5/S1 (Meyerding I-II) und bilateraler Spondylolyse L5, ein chronisches ortsständiges degenerativ bedingtes cervikales Wirbelsäulensyndrom mit geringer Funktionsbehinderung der Halswirbelsäule, eine Wirbelsäulenfehlstatik mit muskulärer Dysbalance, eine marginale Funktionsbehinderung des rechten Handgelenks ohne Funktionsbeeinträchtigung der rechten Hand, ein Z.n. Implantation einer zementfreien Kurzschaft-Hüft-TEP links ohne Blockierungszeichen mit guter Funktionalität, eine initiale Coxarthrose rechts ohne wesentliche Funktionsbehinderung, eine aktenkundige initiale bilaterale Gonarthrose ohne chronisch synoviale Reizerscheinungen und ohne Funktionsbehinderung beider Kniegelenke sowie eine Metatarsalgie beidseits bei Senk-Spreizfuß-Deformität ohne relevante Funktionsbehinderung der Füße. Dr. B. schätzte wegen der Funktionsbehinderung der Wirbelsäule den GdB auf 30, der Hüftgelenkendoprothese links den GdB auf 10, einer Polyarthrose den GdB auf fraglich 10, und unter Einbeziehung eines psychovegetativen Erschöpfungssyndroms, funktionelle Organbeschwerden, Depression, einer Lymphstauung des linken Armes nach Erkrankung der linken Brust, Bluthochdruck und Herzschrittmacher sowie einem chronischen Ekzem und Allergie den Gesamt-GdB auf 60 ein. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" bzw. Beeinträchtigungen, die es der Klägerin nicht mehr ermöglichten, ohne erhebliche Schwierigkeiten bzw. ohne Gefahren für sich oder andere ortsübliche Wegstrecken (2 km in 30 Minuten) zurückzulegen, wurden von Dr. B. verneint.

Die Klägerin hat gegen das Gutachten des Dr. B. Einwendungen erhoben (Schriftsatz vom 17.08.2018).

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Beklagte Schriftsatz vom 30.10.2018, Klägerin Schriftsatz vom 07.11.2018).

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die angefallenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf einen Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Streitgegenstand des Rechtsstreites ist nur noch, ob bei der Klägerin die gesundheitlichen Merkmale für das Merkzeichen "G" vorliegen. Soweit die Klägerin ursprünglich mit ihrer Klage auch die Neufeststellung eines höheren GdB begehrt hat, hat sie dieses Begehren ausweislich der Niederschrift des SG vom 17.09.2015 in der öffentlichen Sitzung des SG am 17.09.2015 nicht mehr weiterverfolgt und lediglich beantragt, die Voraussetzungen des Merkzeichens "G" festzustellen, worüber das SG im angefochtenen Urteil alleinig entschieden hat. Durch den auf das Merkzeichen "G" eingeschränkten Klageantrag hat die Klägerin konkludent ihre Klage auf Neufeststellung eines höheren GdB zurückgenommen, womit der streitgegenständliche Bescheid vom 31.01.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.10.2013 insoweit Bestandskraft erlangt hat. Dies gilt auch, soweit das SG im angefochtenen Urteil für die Zeit ab 05.09.2012 (Antragstellung) bis 15.10.2014 dem Klageantrag der Klägerin nicht entsprochen hat, auch wenn insoweit eine Klageabweisung durch das SG nicht erfolgt ist. Denn mangels Berufung der Klägerin ist das Urteil des SG für den genannten Zeitraum rechtskräftig geworden, weshalb für die Zeit vom 05.09.2012 bis 15.10.2014 über das Vorliegen der Voraussetzungen des Merkzeichens "G" durch den Senat im Berufungsverfahren keine Entscheidung zu treffen ist.

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig und begründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 31.01.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2013 ist (hinsichtlich der Ablehnung des Merkzeichens "G") rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat nicht nur, wie rechtskräftig festgestellt vom 05.09.2012 bis zum 15.10.2014 keinen Anspruch auf Feststellung des Merkzeichens "G", sondern auch ab dem 16.10.2014 nicht. Dem davon abweichenden Urteil des SG vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

Rechtsgrundlage sind die Vorschriften des SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung des Bundesteilhabegesetzes vom 23.12.2016 (BGBl. I 2016, 3234), da maßgeblicher Zeitpunkt bei Verpflichtungs- und Leistungsklagen der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz ist, wobei es für laufende Leistungen auf die Sach- und Rechtslage in dem jeweiligen Zeitraum ankommt, für den die Leistungen begehrt werden; das anzuwendende Recht richtete sich nach der materiellen Rechtslage (Keller in: Meyer Ladewig, SGG, 12. Auflage, § 54 Rdn. 34). Nachdem § 241 Absatz 2 SGB IX lediglich eine (Übergangs-) Vorschrift im Hinblick auf Feststellungen nach dem Schwerbehindertengesetz enthält, ist materiell-rechtlich das SGB IX in seiner derzeitigen Fassung anzuwenden.

Gemäß § 229 Abs. 1 SGB IX in der seit 01.01.2018 geltenden Fassung (n.F.), (§ 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX alte Fassung - a.F. -), werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 152 Abs. 5 SGB IX n.F. (§ 69 Abs. 5 SGB IX a.F.), im Nahverkehr im Sinne des § 230 Abs. 1 SGB IX n.F., (§ 147 Abs. 1 SGB IX a.F.), unentgeltlich befördert. In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ist erheblich beeinträchtigt nach § 229 Abs. 1 SGB IX n.F., (§ 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX a.F.), wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.

Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2008 (AHP) die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt.

Allerdings konnte sich der Beklagte hinsichtlich der Voraussetzungen für die Feststellung des Nachteilsausgleichs "G" bis 14.01.2015 nicht auf die VG berufen. Eine gesetzliche Ermächtigung für den Verordnungsgeber, die Grundsätze für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleiche durch Verordnung regeln zu können, enthielten weder § 30 Abs. 17 BVG, der nicht auf die im Schwerbehindertenrecht im SGB IX geregelten Nachteilsausgleiche verweist (vgl. Dau, jurisPR-SozR 4/2009), noch andere Regelungen des BVG. Eine Rechtsgrundlage zum Erlass einer Verordnung über Nachteilsausgleiche war auch nicht in den einschlägigen Vorschriften des SGB IX vorhanden. Die Regelungen der VG zum Nachteilsausgleich G waren damit mangels entsprechender Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil des Senats vom 23.07.2010 - L 8 SB 3119/08, veröff. in juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de). Rechtsgrundlage waren bis 14.01.2015 allein die genannten gesetzlichen Bestimmungen.

Das Tatbestandsmerkmal der im Ortsverkehr üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegten Wegstrecke des § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nach ständiger Rechtsprechung der Sozialgerichte (grundlegend BSG Urt. vom 10.12.1987 - 9a RVs 11/87 -, SozR 3870 § 60 Nr. 2; BSG Urteil vom 13.08.1997 - 9 RVS 1/96 -, SozR 3 - 3870 § 60 Nr. 2) die Bewältigung von Wegstrecken von zwei km in einer halben Stunde ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall. Sowohl die Gesetzesmaterialien zur gleichlautenden Vorgängervorschrift des § 58 Abs. 1 Satz 1 SchwbG 1979 als auch die AHP 1983 (Seite 123, 127f) enthielten keine Festlegung zur Konkretisierung des Begriffs der im Ortsverkehr üblichen Wegstrecke. Diese Festlegung geht auf eine in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis gegriffene Größe von 2 km zurück, die als allgemeine Tatsache, welche zur allgemeingültigen Auslegung der genannten Gesetzesvorschrift herangezogen wurde, durch verschiedene Studien (vgl. die Nachweise in BSG Urt. vom 10.12.1987 a.a.O.) bestätigt worden ist. Der außerdem hinzukommende Zeitfaktor enthält den in ständiger Rechtsprechung bestätigten Ansatz einer geringeren Durchschnittsgeschwindigkeit als die von fünf bis sechs km pro Stunde zu erwartende Gehgeschwindigkeit rüstiger Wanderer, da im Ortsverkehr in der Vergleichsgruppe auch langsam Gehende, die noch nicht so erheblich behindert sind wie die Schwerbehinderten, denen das Recht auf unentgeltliche Beförderung zukommt, zu berücksichtigen sind (vgl. BSG, Urteil vom 10.12.1987, a.a.O.). Anhaltspunkte dafür, dass infolge des Zeitablaufs sich die Tatsachengrundlage geändert haben könnte, hat der Senat nicht. Der Senat legt daher in ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt Urteil des Senats vom 02.10.2012 - L 8 SB 1914/10 -, juris, sozialgerichtsbarkeit.de) diese Erkenntnisse weiter der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der ortsüblichen Wegstrecken i.S.v. § 146 Abs. 1 SGB IX (§ 229 Abs. 1 SGB IX in der seit 01.01.2018 geltenden Fassung) zugrunde, auch wenn die entsprechenden Regelungen der VG zu dem Nachteilsausgleich "G" unwirksam sind, wie oben ausgeführt (ebenso der 3. und 6. Senat des LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 17.07.2012 a.a.O. und vom 04.11.2010 a.a.O.).

Nach Auffassung des Senats hat der Gesetzgeber mit der Übergangsregelung des § 159 Abs. 7 SGB IX n.F. jedoch ab dem 15.01.2015 wirksam und mit hinreichend bestimmtem Gesetzeswortlaut eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Feststellung des Merkzeichens "G" geschaffen. Die so geschaffene Rechtsgrundlage für die Feststellung des Merkzeichens "G" entfaltet nach der Rechtsprechung des Senats jedoch keine Rückwirkung, sondern ist erst ab dem Datum des Inkrafttretens am 15.01.2015 wirksam (vgl. Senatsurteil vom 22.05.2015 - L 8 SB 70/13 - zum Merkzeichen "aG", juris und sozialgerichtsbarkeit.de). Folglich stellt der Senat für die Zeit ab dem 15.01.2015 auf die in den VG geregelten Kriterien ab (vgl. zur Rechtslage bis 14.01.2015 auch Urteil des Senats vom 22.05.2015 - L 8 SB 70/13 -. juris und Internet sozialgerichtsbarkeit.de, zum Merkzeichen "aG"). Diese Grundsätze zur Anwendung des VG gelten auch über den 31.12.2017 hinaus.

Gemäß den Grundsätzen der VG Teil D 1b) Satz 1 für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für Nachteilsausgleiche ist ein schwerbehinderter Mensch in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, der infolge einer Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden, oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit, nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Für die Bewegungseinschränkung ist nicht die Dauerhaftigkeit entscheidend (BSG, Urteil vom 11.8.2015 - B 9 SB 2/14 R -, juris). Bei der Prüfung der Frage, ob die weiteren Voraussetzungen vorliegen, kommt es zudem nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalles an, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein - d.h. altersunabhängig von nicht behinderten Menschen - noch zu Fuß zurückgelegt werden (VG Teil D 1b) Satz 2). Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gilt eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird (VG Teil D 1b) Sätze 3, 4). Nähere Umschreibungen für einzelne Krankheitsbilder und Behinderungen enthalten die VG Teil D 1 d), e) und f). Die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens sind nach den VG Teil D 1 d) als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z.B. bei Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40. Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades anzunehmen. Auch bei anderen inneren Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, z.B. chronische Niereninsuffizienz mit ausgeprägter Anämie, sind die Voraussetzungen als erfüllt anzusehen. Besonderheiten gelten für hirnorganische Anfälle - VG Teil D 1e) - und Orientierungsstörungen infolge von Sehstörungen, Hörstörungen oder geistiger Behinderung - VG Teil D 1f) -. Bei hirnorganischen Anfällen ist die Beurteilung von der Art und Häufigkeit der Anfälle sowie von der Tageszeit des Auftretens abhängig. Im Allgemeinen ist auf eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit erst ab einer mittleren Anfallshäufigkeit mit einem GdB von wenigstens 70 zu schließen, wenn die Anfälle überwiegend am Tage auftreten. Analoges gilt beim Diabetes mellitus mit häufigen hypoglykämischen Schocks.

Die VG beschreiben in Teil D 1 d) bis f) Regelfälle, bei denen nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" als erfüllt anzusehen sind und die bei der Beurteilung einer dort nicht erwähnten Behinderung als Vergleichsmaßstab dienen können. Die VG geben an, welche Funktionsstörungen in welcher Ausprägung vorliegen müssen, bevor angenommen werden kann, dass ein Behinderter infolge einer Einschränkung des Gehvermögens "in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist". Damit tragen die VG dem Umstand Rechnung, dass das menschliche Gehvermögen keine statische Messgröße ist, sondern von verschiedenen Faktoren geprägt und variiert wird. Darunter sind neben den anatomischen Gegebenheiten des Körpers, also Körperbau und etwaige Behinderungen, vor allem der Trainingszustand, die Tagesform, Witterungseinflüsse, die Art des Gehens (ökonomische Beanspruchung der Muskulatur, Gehtempo und Rhythmus) sowie Persönlichkeitsmerkmale, vor allem die Motivation, zu nennen. Von diesen Faktoren filtern die VG all jene heraus, die nach dem Gesetz außer Betracht zu bleiben haben, weil sie die Bewegungsfähigkeit des schwerbehinderten Menschen im Straßenverkehr nicht infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung seines Gehvermögens, sondern möglicherweise aus anderen Gründen erheblich beeinträchtigen (BSG, Urteil vom 24.04.2008 - B 9/9a SB 7/06 R -, juris, zu den mit den VG vergleichbaren AHP; BSG, Beschluss vom 17.08.2010 - B 9 SB 32/10 B -, juris, zu den VG und AHP).

Hiervon ausgehend liegen sowohl nach den bis 31.12.2017 als auch nach den ab 01.01.2018 anzuwendenden geltenden Vorschriften die Voraussetzungen des Merkzeichens "G" bei der Klägerin nicht vor. Dass bei der Klägerin die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" nach den VG Teil D als erfüllt anzusehen sind bzw. dass die Klägerin nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden, kann nicht festgestellt werden.

Auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen oder Behinderungen, die sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z.B. bei Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40 (VG Teil D 1 d) sind bei der Klägerin nicht festzustellen.

Nach den im Gutachten von Dr. K. vom 16.10.2014, den im Gutachten von Dr. S. vom 20.02.2015 und den im Gutachten von Dr. B. vom 12.06.2018 im Wesentlichen übereinstimmend beschriebenen Befunden der Lendenwirbelsäule bestehen bei der Klägerin schwere funktionelle Auswirkungen von Wirbelsäulenschäden, die mit einem GdB von (höchstens) 30 zu bewerten sind. Hiervon gehen Dr. K. und Dr. B. in ihren Gutachten übereinstimmend aus, anzweifelnd Dr. B. , der anhand der reinen Bewegungsmaße einen GdB von 30 als überhöht ansieht, letztendlich jedoch für die Funktionsbehinderung der Lendenwirbelsäule den GdB mit 30 bestätigt. Lendenwirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen sind bei der Klägerin nicht festzustellen. Soweit Dr. S. in seinem Gutachten hinsichtlich der Wirbelsäule einen GdB von 40 annimmt, ist diese Bewertung nicht überzeugend. Dr. S. hat seine Bewertung nicht adäquat begründet, wie Dr. B. in seinem Gutachten überzeugend ausführt. Der Bewertung von Dr. S. lässt sich zudem ein GdB von 30 für die Lendenwirbelsäule nicht entnehmen. Dr. S. stützt seine Bewertung des GdB auf eine erhebliche Belastungsinsuffizienz i.V.m. weiteren degenerativen Veränderungen im Bereich der Hals- und Brustwirbelsäule, die für die Feststellung des Vorliegens des Merkzeichens "G" nicht zu berücksichtigen sind. Eine Abgrenzung des auf die Lendenwirbelsäule entfallenden GdB nimmt Dr. S. nicht vor und lässt sich auch seinem Gutachten nicht nachvollziehbar entnehmen. Unabhängig davon ist seine GdB-Bewertung mit 40 für die Wirbelsäule auch nicht überzeugend. Nach den VG Teil B 18.9 ist bei Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ein Teil-GdB von 30 bis 40 gerechtfertigt. Maßgebend ist dabei, dass die Bewertungsstufe GdB 30 bis 40 erst erreicht wird, wenn mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen. Die Obergrenze des GdB 40 ist danach erreicht bei schweren Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten (Urteil des erkennenden Senats vom 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11 -, veröffentlicht in juris und sozialgerichtsbarkeit.de). Erst bei Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen (z. B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst (z. B. Milwaukee-Korsett); schwere Skoliose (ab ca. 70° nach Cobb) ist eine GdB von 50 bis 70 und bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB von 80 bis 100 gerechtfertigt, die jedoch bei der Klägerin nicht vorliegen und auch nicht geltend gemacht werden. Schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten beschreibt Dr. S. in seinem Gutachten nicht. Nach den Beschreibungen von Dr. S. weichen die Funktionsdaten der Wirbelsäule nicht wesentlich von den von Dr. K. und Dr. B. in ihren Gutachten beschriebenen Befunden ab. Motorische neurologische Ausfälle (radikuläre Reiz- oder Ausfallerscheinungen) hat auch Dr. S. nicht objektivieren können. Dr. S. legt seiner Betrachtung Ergebnisse der bildgebenden Diagnostik zu Grunde, die allein noch nicht die Annahme eines GdB rechtfertigen (vgl. VG Teil B 18.1 und 18.9). Zudem lässt Dr. S. in seinem Gutachten offen, weshalb eine von ihm angenommene Belastungsinsuffizienz der Lendenwirbelsäule und eine damit verbundene Einschränkung der Gehfähigkeit der Klägerin besteht, worauf Dr. B. in seinem Gutachten überzeugend hinweist. Nach dem Gutachten von Dr. B. besteht keine höhergradige segmentale Instabilität der Wirbelsäule. Lendenwirbelsäulenbefunde, die abweichend von der Bewertung von Dr. K. und Dr. B. in ihren Gutachten hinsichtlich der Lendenwirbelsäule einen GdB von über 30 rechtfertigen, legt Dr. S. in seinem Gutachten nicht dar. Bei der Klägerin sind damit hinsichtlich der Lendenwirbelsäule keine Funktionsbeeinträchtigungen festzustellen, die einen GdB von über 30 rechtfertigen. Hiervon geht auch das SG im angefochtenen Urteil zutreffend aus.

Funktionsbehinderungen der unteren Gliedmaße der Klägerin, die den GdB mit 30 für die Funktionsbehinderung der Lendenwirbelsäule erhöhen bzw. die sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, sind nach den in den Gutachten von Dr. K. , Dr. S. und Dr. B. im Wesentlichen übereinstimmend beschriebenen Befunden nicht festzustellen. Danach bestehen hinsichtlich der Hüft-, der Knie- und der Sprunggelenke keine schmerzhaften Bewegungseinschränkungen, die nach den VG einen Teil-GdB rechtfertigen. Die Hüftgelenkendoprothese mit vergleichsweise guter Beweglichkeit des Hüftgelenks links (Gutachten Dr. B. ) rechtfertigt nach der übereinstimmenden Bewertung von Dr. K. , Dr. S. und Dr. B. einen GdB von 10. Die Meniskuszeichen der Kniegelenke sind nach dem Gutachten von Dr. B. negativ bei seitengleich stabilem Bandapparat der Knie- und auch der Sprunggelenke. Neurologische Ausfälle sind nach den genannten Gutachten nicht zu objektivieren. Soweit Dr. S. in seinem Gutachten davon ausgeht, eine Gonarthrose der Klägerin rechtfertige einen GdB von 20, ist auch diese Bewertung nicht überzeugend, worauf Dr. B. in seinem Gutachten hinweist, weshalb ihr nicht gefolgt werden kann. Dr. S. stützt seine Bewertung des GdB auf chondromalazische Veränderungen der Kniescheibenrückseite sowie besonders im inneren Gelenksanteil rechts mehr als links bei bestehender Kapselschwellung. Die von Dr. S. beschriebenen Funktionsdaten der Kniegelenke (Streckungen/Beugung 0-0-140° beidseits) sind normal und rechtfertigen nach den VG keinen GdB. Ausgeprägte Knorpelschäden der Kniegelenke (z.B. Chondromalacia patellae Stadium II - IV) sind nach den VG Teil B 18.14 (nur) bei anhaltenden Reizerscheinungen GdB-relevant. Nach den Ausführungen von Dr. B. in seinem Gutachten sind mindestens 2.-gradige Knorpelschäden nicht nachgewiesen. Dies gilt auch für anhaltende Reizerscheinungen. So haben weder Dr. K. noch Dr. B. bei der Begutachtung der Klägerin Reizerscheinungen der Kniegelenke feststellen können. Nach den Beschreibungen von Dr. K. im Gutachten waren die Kniegelenke der Klägerin seitengleich entzündungsfrei, ohne Kapselschwellung oder Ergussbildung. Auch Dr. B. hat nach seinen Beschreibungen im Gutachten keine Hinweise für eine Reizerscheinung bzw. eine Kapselverdickung der Kniegelenke finden können. Entgegen der Bewertung von Dr. S. ist deshalb für die lediglich radiologisch dokumentierte, jedoch nicht klinisch manifeste initiale Gonarthrose der Klägerin, die nach den Ausführungen von Dr. B. in seinem Gutachten bei der Klägerin keine relevanten Beschwerden bzw. funktionelle Einschränkungen hervorruft, ein GdB von wenigstens 10 nicht gerechtfertigt. Hiervon gehen Dr. K. und Dr. B. in ihren Gutachten übereinstimmend aus. Nach den Beschreibungen von Dr. B. in seinem Gutachten ist die Klägerin auch durchaus in der Lage, hinkfrei und sicher ohne Zuhilfenahme mitgebrachter Nordic-Walking-Stöcke zu gehen. Weiter lassen sich Schonungszeichen, insbesondere an den unteren Extremitäten, die bei einem erheblich eingeschränkten Gehvermögen regelhaft zu erwarten sind, wie Dr. B. in seinem Gutachten ausgeführt hat, nach den Gutachten von Dr. K. , Dr. S. und Dr. B. nicht feststellen. Insbesondere hat Dr. B. eine Muskelminderung an den unteren Extremitäten sowie eine Minderung des Kalksalzgehalts an beiden Füßen nicht erheben können, was gegen einen Mindergebrauch und eine hochgradige Einschränkung des Gehvermögens spricht, wie Dr. B. in seinem Gutachten dargelegt hat. Weiter wird in den genannten Gutachten kein relevant gestörtes Gangbild der Klägerin beschrieben.

Bei der Klägerin sind auch keine inneren Leiden festzustellen, die das Vorliegen einer erheblichen Gehbehinderung plausibel machen. Nach dem Gutachten von Dr. B. vom 16.03.2017 ergibt die physikalische Untersuchung von Herz und Lungen der Klägerin keinen auffälligen Befund. Der Blutdruck liegt sowohl unter Ruhe- als auch nach Belastungsbedingungen im Normbereich. Das Ruhe-EKG zeigt eine vorhofgesteuerte Kammerstimulation, sonst keine wesentlichen Auffälligkeiten. Es bestehen normale Atemwegswiderstände und keine Überblähungszeichen. In der Spirometrie waren weder relevante restriktive noch obstruktive Einschränkungen festzustellen. Die Diffusion für CO zeigte keine wesentlichen Einschränkungen. Bei der auf dem Laufband durchgeführten Spiroergometrie war die Klägerin in der Lage, bei einer Laufbahngeschwindigkeit von 3,0 km/h und 0 % Gefälle (entspricht 47 Watt Dauerbelastungen), ohne Probleme und ohne Anstieg der Herzfrequenz oder der Atemfrequenz 15 Minuten am Stück zu gehen. Ohne Unterbrechung wurde dann die Belastung erhöht durch eine Zunahme der Geschwindigkeit des Laufbandes auf 4 km/h mit zunehmender Neigung des Laufbandes. In dieser Phase erreichte die Klägerin die anaerobe Schwelle und überschritt auch die Solleistung. Die von der Klägerin in 20 Minuten zurückgelegte Wegstrecke betrug insgesamt 1070 Meter. Unter Belastung zeigte sich ein adäquater Anstieg des pO2 bei einer normalen pCO2. Hierzu hat Dr. B. in seiner vom Senat eingeholten ergänzenden Stellungnahme zu seinem Gutachten vom 31.07.2017 ergänzend ausgeführt, die Soll-Leistung beträgt für die Klägerin 77 Watt, die von der Klägerin deutlich überschritten wurde. Dr. B. wertete dies als Zeichen dafür, dass die Klägerin im Vergleich zu gleichaltrigen Personen eher überdurchschnittlich gut belastbar ist. Im Idealfall werde bei etwa 2/3 der maximalen Leistung eine so genannte anaerobe Schwelle erreicht. Bei der Klägerin wurde diese anaerobe Schwelle bei einer Belastungsstufe von 156 Watt erreicht, was nach der sachverständigen Bewertung von Dr. B. ein überdurchschnittliches Ergebnis ist. Durch das Erreichen der anaeroben Schwelle lässt sich nach den ergänzenden Ausführungen von Dr. B. eine Limitierung der Gehfähigkeit der Klägerin nicht nachweisen. Vielmehr hat die Klägerin die sogenannte anaerobe Schwelle erst bei einer Belastungsstufe, die nach der sachverständigen Bewertung von Dr. B. 200 % der Sollleistung der Klägerin beträgt, erreicht. Eine dauernde Einschränkung der Lungenfunktion hat Dr. B. bei der Untersuchung der Klägerin nicht nachweisen können. Dem entspricht auch die schriftliche sachverständige Zeugenaussage von Dr. S. vom 09.03.2016, die eine relevante Lungenerkrankung der Klägerin verneint hat. Aus lungenfachärztlicher Sicht kann nach der Bewertung von Dr. B. der Klägerin ein Teil-GdB nicht zuerkannt werden. Zwar war die Klägerin bei Dr. B. "nur" 1070 Meter gegangen in 20 Minuten. Daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass damit die maximale Belastbarkeit der Klägerin bei weniger als ca. 2 km in einer halben Stunde liegt. Vielmehr sagt diese Mitteilung nur, was die Klägerin zurückgelegt hat, nicht, was ihr möglich ist. Denn dass die Klägerin nach der Zurücklegung der 1070 Meter in 20 Minuten ihr körperliches Leistungslimit erreicht hätte, kann nach dem Gutachten von Dr. B. nicht festgestellt werden.

Nach den weiteren nachvollziehbaren Ausführungen von Dr. B. in seinem Gutachten zeigen auch die aktenkundigen Ergebnisse der kardiologischen Untersuchungen bei der Klägerin keine Hinweise auf eine wesentliche, die körperliche Leistungsfähigkeit einschränkende Funktionsbehinderung. Eine Herzrhythmusstörung ist nach der Aussage von Dr. K. durch die Herzschrittmachertherapie kompensiert. In den von der Klägerin vorgelegten Berichten der S. Klinik vom 29.06.2016 und 04.10.2017 wird eine korrekte Schrittmacherfunktion bestätigt, weshalb relevante hämodynamisch wirksame funktionelle Auswirkungen des von der Klägerin geltend gemachten Vorhofflimmerns nicht zu erwarten sind, worauf Dr. B. in seinem Gutachten hinweist. Nach dem Bericht der S. Klinik vom 01.12.2015 zeigte eine am 30.11.2015 durchgeführte Koronarangiographie unauffällige Koronararterien. Weiter hat Dr. R. in ihrer schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 22.11.2017 ausgesagt, dass eine wesentliche Funktionseinschränkung der Herzleistung nicht erkennbar ist. Dass bei der Klägerin eine Leistungsbeeinträchtigung des Herzens bei alltäglicher leichter Belastung (z.B. spazieren gehen 3-4 km /h) besteht, hat Dr. B. im Rahmen seiner schriftlichen Anhörung als Sachverständiger Zeuge gegenüber dem Senat nicht bestätigt. Vielmehr geht Dr. B. in seinen Befundberichten vom 11.05.2015 sowie 14.01.2016 davon aus, dass bei der Klägerin keine Zeichen einer kardiopulmonalen Insuffizienz vorliegen. Auch Dr. K. hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 08.09.2016 ausgesagt, dass eine Einschränkung der Herzleistung der Klägerin während einer ambulanten und stationären Untersuchung (26.11.2015 und 30.11. bis 01.12.2015) nicht festgestellt worden ist. Er hat eine Belastungsdyspnoe NYHA III diagnostiziert (Atemnot bei mittlerer körperlicher Belastung) die nach den VG Teil B 9.1.1 einer Leistungsbeeinträchtigung z.B. beim forschen Gehen (Ergometerbelastung mit 75 Watt, 5 bis 6 km/h) entspricht, und - entgegen den subjektiven Angaben der Klägerin - eine erhebliche Einschränkung des Gehvermögens (2 km in einer halben Stunde) nicht nachvollziehbar macht, worauf auch Dr. B. in seinem Gutachten hinweist. Auch Dr. B. hat nach seinen Beschreibungen im Gutachten bei der Klägerin eine Dyspnoe in Ruhe sowie unter den körperlichen Belastungen des Untersuchungsablaufs nicht feststellen können.

Sonstige Gesundheitsstörungen, die die Gehfähigkeit der Klägerin relevant einschränken, sind nach dem Ergebnis der im Verlauf des Rechtsstreites durchgeführten Ermittlungen sowie den zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen nicht festzustellen. Insbesondere finden sich keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin wegen psychischer Störungen in ihrer Gehfähigkeit erheblich beeinträchtigt ist, wie Dr. K. in ihrem Gutachten als möglich in Betracht zieht. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Klägerin durch Schmerzen in ihrer Gehfähigkeit erheblich eingeschränkt wird, wie Dr. K. in ihrem Gutachten weiter in Erwägung zieht. Dass die Gehstrecke i.S.d. Merkzeichens "G" nur mit Schmerzen bewältigt werden kann, ist nach der Rechtsprechung des Senats kein maßgebliches gesetzliches Beurteilungskriterium. Besondere Auswirkung auf die Gehfähigkeit verlangt vielmehr ein derart ausgeprägtes Schmerzbild, das nach medizinischer Erfahrung zwingend eine Limitierung der Wegstrecke beinhaltet. Die individuelle Schmerztoleranz ist dagegen kein geeigneter Beurteilungsmaßstab einer das Merkzeichen "G" rechtfertigenden Behinderung (Senatsurteil vom 24.03.2017 - L 8 SB 3879/16 -, juris und sozialgerichtsbarkeit.de). Hiervon geht auch Dr. B. in seinem Gutachten aus. Dass bei der Klägerin nach medizinischer Erfahrung zwingend eine Limitierung der Wegstrecke gegeben ist, ist nicht festzustellen. Nach der sachverständigen Bewertung von Dr. B. liegt bei der Klägerin ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom nicht vor. Nach den im Gutachten von Dr. B. beschriebenen Angaben der Klägerin hat die Klägerin zunächst angegeben, keine Schmerzmittel einzunehmen, diese Angabe dann dahingehend korrigiert, dass Novalgin (Metamizol) als Schmerzmittel verordnet worden sei, das sie bedarfsweise (nicht täglich) einnehme, ohne präzisere Angaben zur Einnahmefrequenz und zur Dosierung machen zu können. Dies lässt darauf schließen, dass die Klägerin durch Schmerzen nicht bedeutsam behindert ist. Dass die Klägerin auf die Einnahme von Schmerzmitteln wegen Unverträglichkeit verzichtet, wie sie eingewendet hat, erscheint nicht plausibel. In einem solchen Fall wäre zu erwarten, dass eine Umstellung auf eine verträgliche Schmerzmedikation versucht wird, was nicht ersichtlich ist.

Danach sind nach den objektivierbaren medizinischen Befunden bei der Klägerin keine Beeinträchtigungen festzustellen, die zur Überzeugung des Senates - auch in der Zusammenschau - die Annahme einer erhebliche Beeinträchtigung ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr belegen und nach den VG Teil D die Zuerkennung des Merkzeichens "G" rechtfertigen. Hiervon gehen auch Dr. K. , Dr. B. und Dr. B. in ihren Gutachten übereinstimmend aus, denen der Senat folgt. Die abweichende Bewertung von Dr. S. in seinem Gutachten ist nicht überzeugend, wie Dr. B. in seinem Gutachten ausgeführt hat, weshalb sich der Senat dieser Bewertung nicht anschließt. Dr. S. legt seiner Bewertung zugrunde, dass bei der Klägerin wegen einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (GdB 40) sowie der Kniegelenke (GdB 20) ein GdB von 50 erreicht wird, der nach den VG die Zuerkennung des Merkzeichens "G" rechtfertige. Diese GdB-Ansätze sind jedoch, wie oben ausgeführt, überhöht und nicht überzeugend. Zudem geht Dr. S. , den Angaben der Klägerin folgend, davon aus, dass die Klägerin nach 50 bis 100 Meter Gehstrecke gezwungen sei, zu pausieren, was nach dem von Dr. B. bei der Untersuchung der Klägerin festgestellten Gehvermögen nicht zutrifft. Entsprechendes gilt für die schriftlichen sachverständigen Aussagen von Dr. E. und Dr. S. , die keine Befunde beschreiben, die ihre abweichende Bewertung nachvollziehbar macht.

Das im Verlauf des Rechtsstreites erfolgte Vorbringen der Klägerin rechtfertigt keine andere Bewertung. Die von der Klägerin geltend gemachte massive Einschränkung ihres Gehvermögens und die hierzu genannten Gesundheitsbeeinträchtigungen sind nach den festzustellenden medizinischen Befunden (insbesondere auf orthopädischem und internistischem Fachgebiet) nicht objektivierbar. Das Ablehnungsgesuch der Klägerin gegen Dr. B. wegen der Besorgnis der Befangenheit hat der Senat mit Beschluss vom 22.05.2017 abgelehnt, weshalb kein Anlass besteht, an der Verwertbarkeit des Gutachtens von Dr. B. zu zweifeln. Die Klägerin hat zur Begründung ihres Befangenheitsantrages keine Umstände vorgetragen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Sachverständigen zu zweifeln, wie der Senat in seinem Beschluss vom 22.05.2017 begründet hat, worauf er Bezug nimmt (Bl. 126 bis 133 der Senatsakte). Auch die von der Klägerin gegen die Bewertungen von Dr. B. im Gutachten erhobenen Einwendungen (Schreiben vom 04.04.2017) sind nicht geeignet, an der Überzeugungskraft des Gutachtens Zweifel zu wecken. Die Klägerin zeigt keine Gesichtspunkte auf, die geeignet sind, die auf objektiv medizinische Untersuchungsergebnisse gestützten Bewertungen des Dr. B. in Zweifel zu ziehen. Soweit die Klägerin einwendet, sie sei durch Dr. B. so motiviert worden, dass das maximale Resultat bei der Lungenfunktion erreicht werde, ist dies bei einer Untersuchungssituation, die die maximalen Leistungswerte austesten soll, erforderlich, ggf. sind dazu auch deutliche Aufforderungen und Anweisungen zu geben, damit ein verwertbares und zutreffendes Untersuchungsergebnis bei der Begutachtung erzielt wird, das erst Grundlage der gutachterlichen Bewertung und der richterlichen Überzeugungsbildung sein kann. Denn Maßstab der Leistungsfähigkeit ist nach den geltenden Regeln nicht das subjektiv definierte Maß der Belastbarkeit, sondern die objektiven Grenzen. Deshalb ist eine Ausbelastung bis zu dieser objektiven Grenze nicht nur zumutbar, sondern erforderlich. Die Klägerin irrt auch, wenn sie eine patientenorientierte Behandlung verlangt. Bei der Begutachtung im sozialgerichtlichen Verfahren geht es um die Objektivierung von Beeinträchtigungen bzw. Gesundheitsstörungen und funktionelle Teilhabebeeinträchtigungen. Insoweit ist nicht eine Begutachtung desjenigen Bereichs erforderlich, in dem sich der zu Begutachtende wohl fühlt, vielmehr sind die tatsächlichen Grenzen der Leistungsfähigkeit zu erforschen. Dass die Klägerin dabei an ihre Belastungsgrenze gelangt, ist damit zwangsläufig und gerade kein Zeichen einer nicht korrekten, nicht neutralen, nicht fachlich fundierten Begutachtung oder gar eine Missachtung der Würde, der gesellschaftlichen Stellung usw. der Klägerin, wie diese meint. Soweit die Klägerin hierzu das ärztliche Gelöbnis heranzieht, verkennt sie, dass der Gutachter gerade nicht behandelnder Arzt oder Therapeut, sondern Prüfer ist. Dass die Klägerin nach ihrem Vorbringen im Alltag regelmäßig nicht ihre bestehende Leistungsfähigkeit ausschöpft, steht der vorliegend erforderlichen Objektivierung dieser Grenze als Maßstab für die zur Entscheidung des Rechtsstreites vorzunehmende Beurteilung nicht entgegen. Denn die Voraussetzungen des Merkzeichens "G" beurteilen sich nicht anhand des im Alltag abgerufenen, sondern des tatsächlich möglichen Leistungsvermögens. Weiter zählt die Klägerin im Wesentlichen fehlende bzw. für den Laien unterlassene verständliche Erläuterungen sowie Erklärungen insbesondere zu Messwerten auf und nimmt eigene subjektive Bewertungen vor. Dass Dr. B. bei seinen Bewertungen im Gutachten von relevanten unzutreffenden Tatsachen ausgegangen ist oder er vom herrschenden Stand der medizinischen Wissenschaft abweicht, zeigt die Klägerin nicht auf und ist für den Senat auch sonst nicht ersichtlich. Entsprechendes gilt für die von der Klägerin gegen das Gutachten von Dr. B. erhobenen Einwendungen (vorgelegt mit Schriftsatz vom 17.08.2018), die im Wesentlichen ebenfalls auf abweichende subjektive Bewertungen der Klägerin gestützt sind. Soweit die Klägerin durch ihre Tochter ausführen lässt, sie habe dem Gutachter einerseits gesagt, es ziehe ihr infolge der Kreuzschmerzen den ganzen Fuß herab, andererseits neurologische Störungen negiert, so stelle sich die Frage, ob sie ausreichend verständlich befragt worden sei, verkennt die Klägerin, dass bei den vom Senat mit einem GdB von 30 bewerteten Funktionseinschränkungen der Lendenwirbelsäule solche Schmerzen in das Bein hinein erfasst und mit abgegolten sind. Soweit die Klägerin eine schmerzfreie Wegstrecke von maximal 50 Meter angibt, zeigt die bei Dr. B. durchgeführte Testung, dass die Klägerin objektiv in der Lage ist, eine deutlich längere Wegstrecke, wenn auch mit Schmerzen, die für sich allein die Feststellung der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" nicht rechtfertigen, zurücklegen zu können.

Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der Sachverhalt ist durch die vom SG sowie Senat durchgeführten Ermittlungen und die zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen vollständig aufgeklärt und vermitteln dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Gesichtspunkte, durch die sich der Senat zu weiteren Ermittlungen gedrängt fühlen müsste, hat die Klägerin im Berufungsverfahren nicht aufgezeigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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