L 2 BA 1487/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 18 R 4795/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 BA 1487/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Verwaltungsrat einer monistisch organisierten europäischen Aktiengesellschaft ist entsprechend den Regelungen für Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft nicht versicherungspflichtig (§ 1 Satz 3 SGB VI) bzw. versicherungsfrei (§ 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III).
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. Februar 2018 wird zurückgewiesen. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1 und der Klägerin zu 2 hat die Beklagte auch für das Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger begehren die Feststellung, dass die Klägerin zu 2 in ihrer Tätigkeit als Verwaltungsrätin bei der Klägerin zu 1 in der Zeit ab 18. August 2015 selbstständig tätig ist und nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig ist.

Gegenstand des Unternehmens der Klägerin zu 1 ist die Beratung und Erbringung von Leistungen im Bereich des Ingenieurwesens und der Informationstechnologie, die Entwicklung, die Herstellung und der Vertrieb von Software sowie Beratungs- und Implementierungsleistungen, Training und Ausbildung und alle damit in Zusammenhang stehenden Leistungen. Weiter ist Gegenstand des Unternehmens die Beratung und Erbringung von Leistungen im Bereich der Innovationsförderung und -entwicklung einschließlich damit in Zusammenhang stehender digitaler Dienste und Geschäftsmodelle und Organisation und Durchführung von Veranstaltungen. Das Grund- und Stammkapital beträgt 26.325.946 EUR.

Die Klägerin zu 2 war bis einschließlich 22.6.2015 abhängig Beschäftigte der GT AG. Sie leitete als Director Group Purchase den Einkauf der gesamten Firmengruppe der GFT. Mit Aufhebungsvereinbarung vom 22.6.2015 wurde das Arbeitsverhältnis arbeitsrechtlich am selben Tag beendet.

Am 23.6.2015 wurde von der Hauptversammlung die Umwandlung der GT AG in die GFT T beschlossen und die Klägerin zu 2 in den Verwaltungsrat gewählt. Am 18.8.2015 wurde an Stelle der GT AG die GFT T im Handelsregister eingetragen.

Nach § 5 der Satzung der Klägerin zu 1 verfügt die Klägerin zu 1 über eine monistische Unternehmungsführungs- und Kontrollstruktur. Die Organe der Gesellschaft sind der Verwaltungsrat und die Hauptversammlung. Die geschäftsführenden Direktoren führen die Geschäfte der Gesellschaft, indem sie die Grundlinien und Vorgaben umsetzen, die der Verwaltungsrat aufstellt. Nach § 6 besteht der Verwaltungsrat aus mindestens drei Mitgliedern, die von der Hauptversammlung gewählt werden. Die Verwaltungsratsmitglieder werden bis zur Beendigung der ordentlichen Hauptversammlung bestellt, die über die Entlastung für das fünfte Geschäftsjahr nach dem Beginn der Amtszeit beschließt. Das Geschäftsjahr, in dem die Amtszeit beginnt, wird nicht mitgerechnet. Die Amtsdauer endet spätestens sechs Jahre nach der Bestellung des Verwaltungsratsmitglieds. Mitglieder des Verwaltungsrats können ihr Amt ohne Grund unter Einhaltung einer Frist von einem Monat niederlegen. Verwaltungsratsmitglieder, die von der Hauptversammlung ohne Bindung an einen Wahlvorschlag bestellt wurden, können aufgrund eines Beschlusses der Hauptversammlung mit einfacher Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen abberufen werden. Nach § 10 leitet der Verwaltungsrat die Gesellschaft, bestimmt die Grundlinien ihrer Tätigkeit und überwacht deren Umsetzung. Der Verwaltungsrat überwacht die geschäftsführenden Direktoren und erlässt eine Geschäftsordnung für diese. Nach § 11 tritt der Verwaltungsrat mindestens alle drei Monate zusammen, um über den Gang der Geschäfte und deren voraussichtliche Entwicklung zu beraten. Nach § 12 Abs. 2 können Verwaltungsratsmitglieder auf Anordnung des Vorsitzenden an Sitzungen per Videokonferenz oder mittels elektronischer Medien, die es den Verwaltungsratsmitgliedern ermöglichen, sich gegenseitig zu sehen und zu hören, teilnehmen. Nach § 12 Abs. 3 ist der Verwaltungsrat beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte der Mitglieder aus denen er insgesamt zu bestehen hat, an der Beschlussfassung teilnimmt. Nach § 12 Abs. 6 werden Beschlüsse des Verwaltungsrats mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst, soweit das Gesetz oder diese Satzung insbesondere in § 16 Abs. 2 und § 19 Abs. 4 nichts Anderes bestimmt. Beschlüsse des Verwaltungsrats die Erteilung von Weisungen an die geschäftsführenden Direktoren betreffend die Ausführung von oder die Mitwirkung an Maßnahmen oder Geschäften im Sinne von § 19 Abs. 1 oder § 19 Abs. 2 dieser Satzung bedürfen der in § 19 Abs. 4 beschriebenen qualifizierten Mehrheit. Im Einzelnen heißt es hierzu in § 19:

1) Die geschäftsführenden Direktoren dürfen die folgenden Maßnahmen und Geschäfte nur mit vorheriger Zustimmung des Verwaltungsrats ausführen:

a) die Aufstellung der Unternehmensplanung der Gesellschaft und des Konzerns (Jahresbudget);

b) die Aufnahme von zusätzlichen Finanzverbindlichkeiten oder die Gewährung von zusätzlichen Sicherheiten durch die Gesellschaft, wenn und soweit die zusätzlichen Finanzverbindlichkeiten bzw. die zusätzlichen Sicherheiten im Einzelfall, innerhalb eines Geschäftsjahres oder bei in Zusammenhang stehenden Fällen den Wert von 2,5% der im letzten Jahresabschluss der Gesellschaft ausgewiesenen Bilanzsumme übersteigen;

c) der Erwerb oder die Veräußerung einer Gesellschaft oder eines Unternehmens, von Wirtschaftsgütern oder Grundstücken durch die Gesellschaft oder die Verein¬barung einer Verpflichtung zu einem solchen Erwerb oder einer solchen Veräuße¬rung, wenn und soweit sie im Einzelfall, innerhalb eines Geschäftsjahres oder bei einer Reihe von verbundenen Geschäften einen Wert von 2,5% der im letzten Jah¬resabschluss der Gesellschaft ausgewiesenen Bilanzsumme übersteigen und

d) das Eingehen von Investitionen durch die Gesellschaft, wenn und soweit sie einen Wert von 2,5% der im letzten Jahresabschluss der Gesellschaft ausgewiesenen Bi-lanzsumme übersteigen.

2) Die geschäftsführenden Direktoren haben außerdem die vorherige Zustimmung des Ver¬waltungsrats einzuholen, falls sie bei verbundenen Unternehmen im Sinne von §§ 15 f. AktG

a) an Geschäften der in Abs. 1 bestimmten Art,

b) einem Abschluss, der Änderung oder der Beendigung von Unternehmensverträgen durch Weisung, Zustimmung, Stimmabgabe als geschäftsführender Direktor oder auf andere Weise mitwirken oder in maßgeblicher Weise mitwirken können.

3) Diese Zustimmungen sind auch erforderlich, wenn die betreffenden Geschäfte im jeweili¬gen Jahresbudget enthalten sind, es sei denn, der Verwaltungsrat beschließt im Rahmen der Beschlussfassung über die Zustimmung zum Jahresbudget mit der in Abs. 4 genann¬ten Mehrheit etwas anderes.

4) Die Zustimmung gemäß Abs. 1 und Abs. 2 bedarf jeweils einer Mehrheit von zwei Drittel der abgegebenen Stimmen des Verwaltungsrats. § 12 Abs. 6 Satz 3 gilt entsprechend.

5) Der Verwaltungsrat kann darüber hinaus jederzeit in der Geschäftsordnung für die ge-schäftsführenden Direktoren oder durch Beschluss weitere Arten von Geschäften von sei¬ner Zustimmung abhängig machen.

Nach § 15 erhalten Verwaltungsratsmitglieder eine von der Hauptversammlung zu bewilligende Vergütung. Die Verwaltungsratsmitglieder erhalten außerdem Ersatz aller Auslagen. Nach § 16 bestellt der Verwaltungsrat einen oder mehrere geschäftsführende Direktoren. Die Bestellung und Abberufung der geschäftsführenden Direktoren bedarf jeweils einer Mehrheit von zwei Drittel der abgegebenen Stimmen des Verwaltungsrats.

Mit Beschluss vom 23.6.2015 wählte die Hauptversammlung sieben Personen in den Verwaltungsrat.

Das Verhältnis zwischen der Klägerin zu 1 und der Klägerin zu 2 wird durch die gesetzlichen Regelungen, die Satzung und die Beschlüsse der Hauptversammlung geregelt. Ein gesonderter Dienstvertrag oder Ähnliches besteht nicht. Die Tätigkeit der Klägerin zu 2 als Verwaltungsratsmitglieds wird ausweislich des Beschlusses der Hauptversammlung vom 23.6.2015 jährlich mit 13.000 EUR vergütet.

Die Klägerin zu 2 hält ca. 10 % der Aktien der Klägerin zu 1.

Mit Schreiben vom 5.11.2015, bei der Beklagten eingegangen am 6.11.2015, beantragte die Klägerin zu 1 die Statusfeststellung für die Klägerin zu 2.

Mit Schreiben vom 11.2.2016 wurden die Klägerinnen zur beabsichtigten Feststellung einer Versicherungspflicht der Klägerin zu 2 in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung angehört. Merkmale für eine selbständige Tätigkeit seien nicht erkennbar. Für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spreche, dass die Klägerin zu 2 ca. 10 % der Aktien der Klägerin zu 1 halte. Die Klägerin zu 2 sei als Mitglied des Verwaltungsrats der Unternehmensstruktur der monistisch strukturierten SE unterworfen und sei durch den Verwaltungsrat bzw. die insgesamt drei geschäftsführenden Direktoren an die Hauptversammlung gebunden. Als Mitglied des Verwaltungsrats leite sie zwar die Gesellschaft, bestimme die Grundlinien der Tätigkeit und überwache deren Einhaltung (§ 22 Abs. 1 S. 1 SEAG), nehme jedoch nicht die Geschäftsführung wahr. Die Hauptversammlung könne die Mitglieder des Verwaltungsrats auch vor Ablauf der Amtszeit jederzeit abberufen, ohne dass es hierfür eines wichtigen Grundes bedürfe (§ 29 SEAG). Die Kontrollfunktion des Verwaltungsrats begründe im Übrigen keine Unabhängigkeit der Mitglieder des Verwaltungsrates. Die Mitglieder des Verwaltungsrates überwachten die Durchführung von Entscheidungen, an denen sie aufgrund ihrer Organstellung auch dann mitwirken müssten, wenn sie nicht gleichzeitig geschäftsführende Direktoren seien. Damit unterscheide sich die Kontrollfunktion des Verwaltungsrates grundlegend von der eines Aufsichtsrates einer deutschen Aktiengesellschaft oder einer dualistischen SE. Dort sei der Aufsichtsrat kraft Gesetzes von der Geschäftsführung ausgeschlossen und überwache demnach Entscheidungen, deren Entstehung er nicht zu verantworten habe. Die im monistischen System vorgesehene Aufgabenverteilung entspreche nicht der im Aktiengesetz vorgesehenen. Die Klägerin zu 2 erhalte eine jährliche Vergütung von 13.000 EUR und trage damit auch kein unternehmerisches Risiko.

Hierzu äußerte sich die Klägerin zu 2 mit Schreiben vom 1.3.2016. Die Annahme, dass ihre Tätigkeit für die Klägerin zu 1 im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung erfolge, sei aus ihrer Sicht unrichtig. Sie sei bei ihrer Tätigkeit keinen Weisungen anderer Personen unterworfen. Die Hauptversammlung verfüge gegenüber den Mitgliedern des Verwaltungsrats nicht über ein Weisungsrecht. Für sie sei daher vollkommen unverständlich, wie die Beklagte zu der Einschätzung komme, dass ihre Tätigkeit für das Unternehmen sich als weisungsgebundene funktionsgerecht dienende Teilhabe am Arbeitsprozess darstelle. Die Ausführungen zur Kontrollfunktion der monistisch organisierten SE seien ebenfalls nicht nachvollziehbar. Wenn ein Organ sowohl eine Kontrollfunktion habe als auch an Entscheidungen mitwirke, sehe sie darin keine Weisungsabhängigkeit. Unverständlich sei für sie angesichts eines Aktienbesitzes von knapp 10 % auch die Behauptung, sie würde kein unternehmerisches Risiko tragen. Jedenfalls bestehe keine Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung. Für Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft gebe es ausdrückliche Ausnahmevorschriften in § 1 S. 3 SGB VI und § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III. Bei der Klägerin zu 1 handele es sich um eine europäische Aktiengesellschaft. Verwaltungsratsmitglieder seien den Vorstandsmitgliedern einer klassischen deutschen Aktiengesellschaft vergleichbar. Die Ausnahmevorschriften würden daher auch für die SE greifen und zwar unabhängig davon, ob die SE dualistisch oder monistisch organisiert sei. Das europäische Recht erlaube eine Diskriminierung der monistisch organisierten europäischen Aktiengesellschaft nicht.

Mit Bescheiden vom 18.3.2016 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht der Klägerin zu 2 in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung fest. Die Versicherungspflicht beginne am 18.8.2015. Zu den im Anhörungsverfahren vorgetragenen Argumenten der Klägerin zu 2 führte die Beklagte aus, dass nicht maßgebend sei, ob das Weisungs- und Direktionsrecht laufend ausgeübt werde. Entscheidend sei vielmehr, dass der Auftraggeber die Rechtsmacht habe, die Durchführung der Beschäftigung entscheidend zu bestimmen. Angesichts der Zahlung fester Bezüge trage die Klägerin zu 2 kein eine selbstständige Tätigkeit kennzeichnendes Unternehmerrisiko, das nur dann gegeben sei, wenn der Einsatz von Kapital oder eigener Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes verbunden sei. Die zusätzlich gewährte Gewinnbeteiligung in Form von Bonuszahlungen führe zu keiner anderen Beurteilung, da diese einem Wagniskapital nicht gleichzusetzen sei. Zwar sei die SE nach der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8.10.2001 über das Statut der europäischen Gesellschaft von ihrer Rechtsform her eine AG. Allein entscheidend für die Frage der Vergleichbarkeit einer SE mit einer Aktiengesellschaft deutschen Rechts sei jedoch, ob die Regelung der SE dem Aktiengesetz im Wesentlichen entsprechende Regelungen enthalte. Dies sei bei einer monistisch strukturierten SE nicht der Fall. Es werde die Auffassung vertreten, dass beschäftigte Organmitglieder einer monistisch strukturierten SE, die dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegen, wegen der strukturellen Besonderheiten nicht den Vorstandsmitgliedern eine Aktiengesellschaft deutschen Rechts vergleichbar seien und daher in einer ausgeübten Beschäftigung weder nach § 1 S. 3 SGB VI von der Rentenversicherungspflicht ausgenommen noch nach § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III in der Arbeitslosenversicherung versicherungsfrei seien.

Gegen die Entscheidung der Beklagten legten die Klägerinnen mit Schreiben vom 15.4.2016 Widerspruch ein. Dieser wurde mit Schreiben vom 7.6.2016 wie folgt begründet: Die Klägerin zu 2 sei nicht in das laufende operative Geschäft eingebunden. Der Verwaltungsrat trete circa sechs Mal im Jahr zur Sitzung zusammen. Hinzu komme eine Telefonkonferenz. Bei der Tätigkeit handele es sich nicht um eine Vollzeit- oder auch nur Teilzeittätigkeit im üblichen Umfang. Vielmehr handele es sich um eine Tätigkeit, die ihrem Umfang und ihrer Art nach in etwa der Tätigkeit eines Aufsichtsratsmitglieds in einer Aktiengesellschaft deutschen Rechts oder einer dualistischen organisierten SE entspreche. Für die Tätigkeit sei kein Dienstvertrag abgeschlossen worden. Regelungen zur Arbeitszeit, zum Urlaub, zur Entgeltfortzahlung oder andere Regelungen, wie sie in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen typisch seien, fehlten im Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin zu 2 und der Klägerin zu 1. Die Klägerin zu 2 sei privat krankenversichert und verfüge über eine private Altersvorsorge. Die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung im Sinne von § 7 SGB IV seien nicht erfüllt. Die Tatsache, dass die Klägerin zu 2 10 % der Aktien halte, sei kein Merkmal einer abhängigen Beschäftigung. Die Ausführung, dass die Klägerin zu 2 der Unternehmensstruktur der monistisch strukturierten SE unterworfen sei und jeweils durch den Verwaltungsrat bzw. die insgesamt drei geschäftsführenden Direktoren und die Hauptversammlung gebunden sei, sei unrichtig und missachte grundlegend die gesetzlich geregelte Organisationsstruktur der monistisch organisierten SE. Die Klägerin zu 2 sei nicht durch den Verwaltungsrat gebunden. Sie sei Mitglied dieses siebenköpfigen Organs. Das Organ sei ihr nicht übergeordnet, sondern sie sei Teil desselben. Keinesfalls unterliege sie Weisungen des Organs. Sie nehme an Abstimmungen teil und selbstverständlich könne es vorkommen, dass sie sich in einzelnen Abstimmungen mit ihrer Meinung nicht durchsetzen könne und überstimmt werde. Dies begründe aber keine Weisungsgebundenheit des betreffenden Organmitglieds. Die Klägerin zu 2 sei auch nicht durch die geschäftsführenden Direktoren gebunden. Weder der Verwaltungsrat als Organ noch seine Mitglieder seien an Weisungen der geschäftsführenden Direktoren gebunden. § 44 Abs. 2 SEAG bestimme gerade im Gegenteil, dass die geschäftsführenden Direktoren den Weisungen des Verwaltungsrats unterliegen würden. Die Klägerin zu 2 sei schließlich auch nicht durch die Hauptversammlung gebunden. Die Weisungsfreiheit des Verwaltungsrats sei allgemein anerkannt. Anders als die Geschäftsführung einer GmbH, die nach § 37 GmbH-Gesetz den Weisungen der Gesellschafterversammlung unterworfen sei, sei der Verwaltungsrat einer monistisch organisierten SE nicht den Weisungen der Hauptversammlung unterworfen. Es sei einhellige Meinung, dass der Verwaltungsrat weisungsfrei agiere. Im Unterschied zu § 76 AktG bestimme das SEAG zwar nicht ausdrücklich, dass der Verwaltungsrat die Gesellschaft "in eigener Verantwortung" führe. Die Weisungsunabhängigkeit ergebe sich aber zwingend daraus, dass das deutsche Aktienrecht kein Weisungsrecht der Hauptversammlung kenne und auch für die monistisch organisierte SE keine Ausnahme gemacht werde. Nicht nachvollziehbar sei, warum die Tatsache, dass die Klägerin zu 2 keine Aufgaben der laufenden Geschäftsführung wahrnehme, für eine abhängige Beschäftigung sprechen solle. Üblicherweise werde doch gerade die organisatorische Einbindung in die laufenden Geschäfte als Indiz für eine Eingliederung und damit eine abhängige Beschäftigung angesehen. Völlig unstreitig sei, dass Mitglieder des Aufsichtsrats einer deutschen Aktiengesellschaft in dieser Eigenschaft nicht abhängig beschäftigt seien, auch wenn sie für die Aufsichtsratstätigkeit eine Vergütung erhalten würden. Der Aufsichtsrat sei nicht weisungsgebunden und auch nicht in die betriebliche Organisation des Unternehmens eingebunden. Dass die Hauptversammlung Verwaltungsratsmitglieder abberufen könne, sei irrelevant. Hierdurch werde keine Weisungsbindung begründet. Auch Aufsichtsratsmitglieder einer deutschen Aktiengesellschaft könnten gemäß § 103 AktG jederzeit durch die Hauptversammlung abberufen werden, ohne dass dies irgendeine Relevanz für die Qualifizierung als abhängige Beschäftigung habe. Auch die Ausführungen zum Unterschied zwischen dem Aufsichtsrat einer deutschen Aktiengesellschaft und dem Verwaltungsrat einer monistischen SE seien nicht nachvollziehbar. Es möge sein, dass sich die Kontrollfunktionen unterscheiden würden. Ein Argument für die Weisungsgebundenheit des Verwaltungsrats ergebe sich daraus aber nicht. Der Verwaltungsrat einer monistische organisierten SE vereinige die Funktion von Vorstand und Aufsichtsrat in sich. Wenn aber weder die Vorstandsmitglieder einer AG noch die Aufsichtsratsmitglieder einer AG weisungsgebundene Arbeit leisteten, könne es nicht richtig sein, dass die Tätigkeit der Mitglieder eines Organs, dass beide Funktionen in sich vereine, als weisungsgebunden qualifiziert werde. Dass die Klägerin zu 2 eine Vergütung erhalte, sei kein Indiz für eine abhängige Beschäftigung. Auch Selbständige erhielten für ihre Tätigkeit eine Vergütung. Der Hinweis auf das fehlende unternehmerische Risiko sei zum einen irrelevant, zum anderen nicht nachvollziehbar. Das Fehlen eines unternehmerischen Risikos begründe für sich genommen keine abhängige Beschäftigung. Zudem bestehe gerade weil die Klägerin zu 2 als Mitglied des Verwaltungsrats jederzeit abberufen werden könne und dann auch den Vergütungsanspruch verlieren würde, ein unternehmerisches Risiko. Selbst wenn von einer abhängigen Beschäftigung ausgegangen würde, läge jedoch keine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung vor, da die Sonderregelungen in den §§ 1 S. 3 SGB VI und 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III anzuwenden seien. Die Ausnahmevorschriften nur auf die Vorstandsmitglieder einer deutschen Aktiengesellschaft, nicht aber auf Verwaltungsratsmitglieder einer monistisch organisierten SE anzuwenden, begründe eine Ungleichbehandlung, die unionsrechtlich einer Rechtfertigung bedürfe. Das Verbot einer Ungleichbehandlung ergebe sich sowohl aus dem Sekundärrecht (Art. 9 und 10 SE-VO) als auch aus primärrechtlichen Grundsätzen (Niederlassungsfreiheit, Art. 49 AEUV; EuGH vom 10.7.1986 - Rs. 79/85 "Segers" und Folgerechtsprechung des BSG, insb. BSG vom 27.2.2008, Az. B 12 KR 23/06 R). Bei der SE handele es sich um eine Aktiengesellschaft. Bei der Klägerin zu 2 als Verwaltungsratsmitglied handele es sich außerdem um ein Mitglied des Vorstandes im Sinne des § 1 S. 3 SGB VI bzw. § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III. Die monistische SE verfüge zwar terminologisch über keinen Vorstand. Ihre Organe seien die Hauptversammlung und der Verwaltungsrat. Damit sei die Anwendung der Ausnahmevorschriften jedoch nicht ausgeschlossen. Mit Art. 9 Abs. 1 Buchst. c ii) und Art. 10 SE-VO und § 22 Abs. 6 SEAG lägen gesetzliche Äquivalenzvorschriften vor, die nach der Rechtsprechung des BSG eine Anwendung der Ausnahmeschriften auch auf Verwaltungsratsmitglieder einer SE erforderlich machten. Eine Ungleichbehandlung von monistisch und dualistisch organisierter SE könne sachlich nicht gerechtfertigt werden. Eine Weisungsfreiheit bestehe sowohl in monistischer als auch dualistischer Organisation. Eine Differenzierung widerspräche auch dem Sinn und Zweck der §§ 1 S. 3 SGB VI und 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III. Die Herausnahme von Mitgliedern des Vorstandes einer Aktiengesellschaft aus der Rentenversicherungspflicht gehe auf § 3 Abs. 1 Buchst. a AVG zurück. Der Vorschrift habe die Erwägung zugrunde gelegen, dass bei Mitgliedern des Vorstands einer Aktiengesellschaft wegen ihrer herausragenden und starken wirtschaftlichen Stellung Schutz und Sicherheit durch die Rentenversicherung entbehrlich erscheine. Die Herausnahme von Mitgliedern des Vorstandes einer Aktiengesellschaft aus der Arbeitslosenversicherung habe darüber hinaus den Hintergrund, dass der Gesetzgeber sie als arbeitsmarktfern angesehen habe. Ausgehend von den Aufgaben der Arbeitsförderung, die auf den Arbeitsmarkt bezogen seien, habe der Gesetzgeber die fehlende Verfügbarkeit von Arbeitsplätzen für Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und die mangelnde Verbindung der Tätigkeit hierzu als maßgeblich angesehen. Diese Gesichtspunkte würden ohne Unterschied für die monistische wie die dualistische organisierte SE gelten. Nach dem BSG seien vergleichbare Rechtsformen diejenigen, die in Anhang I der SE-VO als Aktiengesellschaften bezeichnet würden. Dazu gehörten z.B. auch die britische "public company limited by shares", die monistisch organisiert sei. Nun eine Differenzierung bei der europäischen Aktiengesellschaft vorzunehmen, sei offensichtlich widersprüchlich.

Die Widersprüche wurden mit Widerspruchsbescheiden vom 3.8.2016 zurückgewiesen. Die Klägerin zu 2 übe ihre Tätigkeit als Verwaltungsratsmitglied nicht selbständig und weisungsungebunden aus. Sie sei der Unternehmensstruktur unterworfen und durch den Verwaltungsrat bzw. die geschäftsführenden Direktoren und die Hauptversammlung gebunden. Die Kontrollfunktion des Verwaltungsrates begründe keine Unabhängigkeit der Mitglieder des Verwaltungsrates. Auch der Umstand, dass dem Verwaltungsrat die Aufgabe und das Recht zukomme, die Gesellschaft zu leiten, ohne dass er hierbei durch einen Aufsichtsrat kontrolliert werde, führe nicht zu einer Beurteilung der Tätigkeit als selbständig im Sinne des Sozialversicherungsrechts. Das Fehlen eines entsprechenden Kontrollorgans führe zwar dazu, dass dem Verwaltungsrat weitaus stärkere Leitungsbefugnisse zukämen, allerdings stärkten diese nicht seine eigene rechtliche Stellung gegenüber der Hauptversammlung. Auch die mit der Verwaltungsratstätigkeit verbundene Überwachungsfunktion ändere nichts an der Bewertung der Tätigkeit als abhängige Beschäftigung. Bei der Überwachung durch den Verwaltungsrat handle es sich lediglich um eine Vollzugskontrolle hinsichtlich der vom Verwaltungsrat festgelegten Grundlinien der Unternehmensstrategie. Die Mitglieder des Verwaltungsrats überwachten die Durchführung von Entscheidungen, an denen sie aufgrund ihrer Organstellung auch dann mitwirken müssten, wenn sie nicht gleichzeitig geschäftsführende Direktoren seien. Damit unterscheide sich die Kontrollfunktion des Verwaltungsrats grundlegend von der eines Aufsichtsrates einer deutschen Aktiengesellschaft oder einer dualistischen SE. Auch die Ausnahmevorschriften fänden auf Organmitglieder einer monistisch organisierten SE keine Anwendung. Zwar sei die SE ihrer Rechtsform nach eine Aktiengesellschaft. Entscheidend für die Vergleichbarkeit sei jedoch, ob die Regelungen der SE dem Aktiengesetz im Wesentlichen entsprächen. Dies sei bei einer monistisch organisierten SE nicht der Fall. Die im monistischen System vorgesehene Aufgabenverteilung sei im Aktiengesetz nicht vorgesehen. Während für das Leitungs- und Aufsichtsorgan einer dualistischen SE im Wesentlichen die Vorschriften des Aktiengesetzes gelten würden, gelte beim monistischen System anstelle der §§ 76 bis 116 Aktiengesetz die besonderen Regelungen des SEAG. Die Organe der SEAG seien beim monistischen Aufbau der Verwaltungsrat und die geschäftsführenden Direktoren. Keines dieser Organe entspreche von seiner Funktion und seinen Kompetenzen her dem Vorstand einer Aktiengesellschaft deutschen Rechts. Der Vorstand einer Aktiengesellschaft deutschen Rechts führe die Geschäfte der Gesellschaft ausdrücklich in eigener Verantwortung, leite die Gesellschaft und könne nur aus wichtigem Grund abberufen werden. Seine Rechtsstellung sei mithin bereits deutlich stärker als die der geschäftsführenden Direktoren eine SE. Die Verwaltungsratsmitglieder einer monistischen SE seien Mitgliedern des Vorstandes einer Aktiengesellschaft deutschen Rechts zwar hinsichtlich der Leitungsfunktion vergleichbar, nicht aber in Bezug auf die Geschäftsführung. Das SEAG gehe davon aus, dass diese Aufgabe von den geschäftsführenden Direktoren parallel zum Vorstand der Aktiengesellschaft deutschen Rechts wahrgenommen werde. Gleichzeitig übernehme der Verwaltungsrat mit seiner Überwachungsfunktion Aufgaben, für die in der Aktiengesellschaft deutschen Rechts der Aufsichtsrat zuständig sei. § 40 Abs. 1 SEAG räume zwar die Möglichkeit ein, Mitglieder des Verwaltungsrats zu geschäftsführenden Direktoren zu bestellen. Dies bedeute aber nicht, dass geschäftsführende Direktoren des Verwaltungsrats rechtlich die Funktion beider Organe in sich vereinten. Nach § 40 Abs. 2 S. 2 SEAG könne die gesetzlich dem Verwaltungsrat zugewiesene Aufgabe nicht auf die geschäftsführenden Direktoren übertragen werden. Schließlich sei die Rechtsstellung von Verwaltungsratsmitgliedern auch aufgrund der möglichen Abberufungsgründe von Verwaltungsratsmitgliedern nicht derjenigen von Mitgliedern des Vorstandes einer Aktiengesellschaft deutschen Rechts vergleichbar.

Hiergegen haben die Klägerinnen unter dem 31.8.2016 Klage zum Sozialgericht Stuttgart erhoben.

Die Klägerinnen wiederholen und vertiefen ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat sich auf die Begründung der Widerspruchsbescheide bezogen.

Am 12. Juli 2017 hat das SG den Rechtsstreit mit den Beteiligten erörtert. Die Klägerin zu 2 hat dabei angegeben, dass es im Jahr ca. sechs feste physische Treffen und zusätzliche Telefonkonferenzen ca. alle sechs bis acht Wochen gäbe. Außerdem nähme sie an der Hauptversammlung teil. Die Sitzungen seien vorher zeitlich festgelegt und fänden überwiegend am Sitz der Gesellschaft statt.

Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts hat die Bevollmächtigte der Beklagten ein Teilanerkenntnis dahingehend abgegeben, dass der Bescheid vom 18. März 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. August 2016 insoweit aufgehoben wird, als dort die Kranken- und Pflegeversicherungspflicht festgestellt worden ist. Der Bevollmächtigte der Klägerinnen hat das Teilanerkenntnis angenommen.

Mit Urteil vom 20. Februar 2018 hat das SG die Bescheide vom 18. März 2016 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 3. August 2016 aufgehoben und festgestellt, dass die von der Klägerin zu 2 für die Klägerin zu 1 seit 18. August 2015 ausgeübte Tätigkeit als Verwaltungsratsmitglied nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde und dass keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Bescheide vom 18. März 2016 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 3. August 2016 seien rechtswidrig und verletzten die Klägerinnen in ihren Rechten. Die Tätigkeit der Klägerin zu 2 als Mitglied des Verwaltungsrats sei keine abhängige Beschäftigung, die der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliege. Bei der monistisch organisierten europäischen Aktiengesellschaft trete neben die Hauptversammlung nur ein einheitliches Verwaltungs- und Kontrollorgan, nämlich der Verwaltungsrat. Neben dem Verwaltungsrat sei die Bestellung eines oder mehrerer geschäftsführender Direktoren vorgesehen, der oder die nicht notwendigerweise dem Verwaltungsrat angehören müssten. Der Verwaltungsrat leite die Gesellschaft, bestimme die Grundlinien ihrer Tätigkeit und überwache deren Umsetzung. Der Verwaltungsrat bestelle einen oder mehrere geschäftsführende Direktoren. Die geschäftsführenden Direktoren führten die Geschäfte der Gesellschaft. Die geschäftsführenden Direktoren verträten die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. Eigentum und Leitung an und des Unternehmens fielen bei Organmitgliedern auseinander; die Aktionäre hielten das Eigentum, die operativen Geschäfte würden jedoch durch die geschäftsführenden Direktoren geleitet, aber durch den Verwaltungsrat in den Grundlinien vorgegeben und überwacht. Die Frage, ob die Organmitglieder eine abhängige Beschäftigung ausübten, werde im Sozialversicherungsrecht nach den allgemeinen Kriterien bestimmt. Für die Frage, ob eine abhängige Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit vorliege, bleibe entscheidend, ob das Vorstandsmitglied nach dem Gesamtbild einer Tätigkeit einem Weisungsrecht unterliege oder in den Betrieb eingegliedert sei. Die Tätigkeit von Organmitgliedern werde durch die Organstellung und das Dienstvertragsverhältnis bestimmt. Im Dienstvertrag würden Regelungen im Hinblick auf die Rechte und Pflichten zwischen Unternehmen und Vorstandsmitglied getroffen, die sich nicht bereits aus der Organstellung ergäben. Dies könnten beispielsweise Regelungen hinsichtlich der Vergütung, des Urlaubsanspruchs, des Orts der Tätigkeit, der Vergütung im Krankheitsfall, des Aufwendungsersatzes, der Abfindung nach Beendigung der Tätigkeit etc. sein. Das Gesamtbild der Tätigkeit bestimme sich dann aus den Rechten und Pflichten, die aus der Organstellung sowie aus dem Dienstvertragsverhältnis folgten. Während die Organstellung durch gesetzliche Vorgaben und die Satzung der Gesellschaft bestimmt würden und nicht durch eine abweichende gelebte Praxis abbedungen werden könnten, sei hinsichtlich des Dienstverhältnisses das Vertragsverhältnis der Beteiligten maßgeblich, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergäbe oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lasse. Je mehr sich das Gesamtbild, das sich aus organschaftlichen und dienstvertraglichen Rechten und Pflichten ergäbe, typischen arbeitsvertraglichen Rechten und Pflichten annähere, umso eher sei von einer nicht selbstständigen Arbeit im Sinne des § 7 Abs.1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) auszugehen. Allerdings bestünde auch die Möglichkeit, dass neben der Organstellung kein Dienstvertragsverhältnis bestehe. Wenn sich die Tätigkeit allein in der Organstellung erschöpfe und die laufenden Geschäfte leitenden Angestellten übertragen seien, übten die Organmitglieder keine abhängige Arbeit aus. Demnach könnten zwei Typen unterschieden werden: Das reine Organmitglied und der leitende Angestellte mit gleichzeitiger Organstellung. Zwischen der Klägerin zu 1 und der Klägerin zu 2 sei kein schriftlicher Dienstvertrag geschlossen. Mangels vertraglicher Vereinbarung fehlten typische Rechte bzw. Absicherungen, wie ein Vergütungsanspruch im Krankheitsfall, ein Urlaubsanspruch und eine Absicherung für den Fall des Ausscheidens aus dem Vorstand. Es fehlten aber auch typische Pflichten, wie die Erfüllung einer Mindestarbeitszeit bzw. eines bestimmten Arbeitspensums. Insgesamt erschöpfe sich die Tätigkeit der Klägerin zu 2 damit in ihrer Funktion als Mitglied des Verwaltungsrats. Ihr sei darüber hinaus kein Arbeitsbereich zugewiesen, auf den die Entscheidungen der Organe der Klägerin zu 1 Einfluss haben könnten, indem sie also eine weisungsgebundene Tätigkeit ausüben könnte und in die betrieblichen Arbeitsabläufe eingebunden wäre. Typische Rechte und Pflichten, wie sie in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen bestünden, seien zwischen der Klägerin zu 2 und der Klägerin zu 1 nicht vereinbart. Eine nicht selbstständige Arbeit im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV übe die Klägerin zu 2 daher nicht aus. Deswegen bestehe auch keine Versicherungspflicht in der Renten- und der Arbeitslosenversicherung.

Gegen das der Beklagten gegen Empfangsbekenntnis am 4. April 2018 zugestellte Urteil hat sie am 24. April 2018 schriftlich beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt und vorgetragen, die Klägerin zu 2 sei Verwaltungsratsmitglied einer monistischen europäischen Aktiengesellschaft. Sie entspreche von ihrem Gesellschaftstyp einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht insoweit, als sie zu den eher "großen" und wirtschaftlich starken Gesellschaften zu zählen sei. Mit der versicherungsrechtlichen Beurteilung von beschäftigten Organmitgliedern einer SE, die deutschem Sozialversicherungsrecht unterläge, hätten sich der GKV-Spitzenverband, die Deutsche Rentenversicherung Bund und die BA in ihrer Besprechung über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs vom 13. und 14. Oktober 2009 befasst. Danach sei ein Rückgriff auf die vom Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 27. Februar 2008 (B 12 KR 23/06 R) entwickelten Grundsätze nur insoweit erforderlich, als es für eine tatbestandliche Gleichstellung auch im Hinblick auf beschäftigte Organmitglieder einer SE einer gesetzlichen Äquivalenzregel aus einschlägigem, unmittelbar zu beachtendem Recht bedürfe. Ob und inwieweit eine tatbestandliche Gleichstellung beschäftigter Organmitglieder einer SE gegeben sei, sei folglich direkt anhand der Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) i.V.m. dem Gesetz zur Ausführung der Verordnung über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE-Ausführungsgesetz – SEAG) vom 22. Dezember 2004 zu prüfen. Nach der Regelungssystematik der Verordnung (Art. 9) unterliege eine SE vorrangig den Bestimmungen der Verordnung, sodann – sofern die Verordnung es ausdrücklich zulasse – den Bestimmungen der Satzung der SE; in den nicht oder nur teilweise durch die Verordnung geregelten Bereichen bzw. Aspekten den nationalen SE-Gesetzen, ferner den jeweiligen Rechtsvorschriften, die für Aktiengesellschaften im Sitzstaat der SE Anwendung fänden und schließlich den Bestimmungen ihrer Satzung unter den gleichen Voraussetzungen wie Aktiengesellschaften im jeweiligen Sitzstaat der SE. Im Hinblick auf die Anwendbarkeit der Ausnahmevorschriften des § 1 Satz 3 SGB VI und § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III wäre eine SE schlechthin wie eine Aktiengesellschaft nach deutschem Recht zu behandeln, wenn die Regelungen der Verordnung mit dem Aktiengesetz (AktG) im Wesentlichen übereinstimmten. Dies sei jedoch nicht der Fall, weil nach der Verordnung unterschiedliche verwaltungsstrukturelle Ausgestaltungen einer SE zulässig seien, der sogenannte monistische und der dualistische Aufbau. Den monistischen Aufbau kenne das AktG jedoch nicht, sondern allein den dualistischen Aufbau mit je einem separaten Leitungs- und einem Aufsichtsorgan. Den Einklang der für eine SE zulässigen unterschiedlichen verwaltungsstrukturellen Ausgestaltungen mit dem AktG stelle § 20 SEAG dadurch her, dass beim monistischen System anstelle der den Vorstand und den Aufsichtsrat betreffenden Vorschriften der §§ 76 bis 116 AktG die besondere Regelung des SEAG gelten. Organe der SE seien demnach beim monistischen Aufbau der Verwaltungsrat und die geschäftsführenden Direktoren. Keines dieser Organe entspräche von seiner Funktion und seinen Kompetenzen her allerdings dem Vorstand einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht. Der Verwaltungsrat leite die Gesellschaft, bestimme die Grundlinien der Tätigkeit und überwache deren Einhaltung. Damit trage der Verwaltungsrat – anders als der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht – nicht nur die Überwachungsverantwortung, sondern habe ein Letztentscheidungsrecht und übernehme die Letztverantwortung für die Unternehmenspolitik. Mitglieder des Verwaltungsrats könnten von der Hauptversammlung mit einer Mehrheit von mindestens drei Viertel der abgegebenen Stimmen vor Ablauf der Amtszeit abberufen werden. Demgegenüber führe der Vorstand einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht die Geschäfte der Gesellschaft ausdrücklich in eigener Verantwortung, leite die Gesellschaft und könne nur aus wichtigem Grund abberufen werden. Seine Rechtsstellung sei mithin deutlich stärker als die der geschäftsführenden Direktoren einer SE. Die Verwaltungsratsmitglieder der monistischen SE seien den Mitgliedern des Vorstandes einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht zwar hinsichtlich der Leitungsfunktion vergleichbar, nicht aber in Bezug auf die Geschäftsführung. Das SEAG gehe davon aus, dass diese Aufgabe von den geschäftsführenden Direktoren wahrgenommen werde. Gleichzeitig übernehme der Verwaltungsrat mit seiner Überwachungsfunktion Aufgaben, für die in der Aktiengesellschaft nach deutschem Recht der Aufsichtsrat zuständig sei. Schließlich sei die Rechtsstellung von Verwaltungsratsmitgliedern auch aufgrund der möglichen Abberufungsgründe von Verwaltungsratsmitgliedern nicht derjenigen von Mitgliedern des Vorstands einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht vergleichbar. Beschäftigte Organmitglieder einer monistisch strukturierten SE, die dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterläge, seien wegen der strukturellen Besonderheiten nicht den Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht vergleichbar und daher in einer ausgeübten Beschäftigung nicht nach § 1 Satz 3 SGB IV von der Rentenversicherungspflicht ausgenommen und nicht nach § 27 Abs.1 Nr. 5 SGB III in der Arbeitslosenversicherung versicherungsfrei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. Februar 2018 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

Die Klägerinnen beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart sei zutreffend. Die Voraussetzungen des § 7 SGB IV lägen nicht vor; hiermit setze sich die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung nicht auseinander. Die Klägerin zu 2 befinde sich nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit der Klägerin zu 1; sie sei lediglich Organmitglied. Sie leiste keine weisungsgebundene Arbeit. Lediglich hilfsweise hätten die Klägerinnen geltend gemacht, dass für die Klägerin zu 2 die Ausnahmevorschriften des § 1 Satz 3 SGB VI und § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III eingriffen. Zutreffend sei das SG davon ausgegangen, dass die Klägerin zu 2 lediglich Organmitglied der Klägerin zu 1 sei, ohne dass darüber hinaus eine dienstvertragliche Beziehung bestehe und daher erst recht keine weisungsgebundene Beziehung bestehe, wie sie für ein Beschäftigungsverhältnis nach § 7 SGB IV vorausgesetzt werde. Auf die §§ 1 Satz 3 SGB VI, 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III komme es daher überhaupt nicht an. Die Beklagte begründe ihre Berufung fast ausschließlich mit allgemeinen Beschreibungen der gesellschaftsrechtlichen Struktur der monistisch organisierten SE. Ansonsten verweise sie auf das Besprechungsergebnis der Spitzenverbände vom 13. und 14. Oktober 2009. Das Besprechungsergebnis befasse sich allein mit der Anwendung der Ausnahmevorschriften auf "beschäftigte Organmitglieder" einer SE. Voraussetzung sei also, dass das Organmitglied überhaupt beschäftigt sei. Genau hieran fehle es vorliegend. Denn das Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin zu 1 und der Klägerin zu 2 sei ausschließlich gesellschaftsrechtlicher Natur; es bestehe kein Dienstvertrag. Die Klägerin zu 2 übe keine weisungsgebundene Tätigkeit aus. Sie sei nicht an Weisungen des Verwaltungsrats gebunden, sondern sie sei Mitglied dieses Organs. Sie sei auch nicht an Weisungen der geschäftsführenden Direktoren gebunden, vielmehr sei das Gegenteil der Fall, denn die geschäftsführenden Direktoren unterlägen gerade den Weisungen des Verwaltungsrats. Auch sei sie nicht den Weisungen der Hauptversammlung unterworfen; ein solches Weisungsrecht gebe es gesellschaftsrechtlich unstreitig nicht. Schließlich sei die Klägerin zu 2 auch nicht in die laufende Geschäftsführung eingebunden und auch ansonsten nicht in die betriebliche Organisation des Unternehmens eingebunden. Ihre Tätigkeit beschränke sich im Wesentlichen auf die Teilnahme an ca. sechs Sitzungen und eine Telefonkonferenz pro Jahr. Es fehle an jeglicher auch nur ansatzweise arbeitnehmertypischen Eingliederung in die Arbeitsorganisation.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten und die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.

Streitgegenstand ist die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit der Klägerin zu 2 bei der Klägerin zu 1 als Mitglied des Verwaltungsrats bezüglich der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung ab 18. August 2015. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, denn sie ist nach den §§ 143, 144 Abs. 1, Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und Abs.3) eingelegt worden.

Die Berufung der Beklagten ist jedoch nicht begründet. Das SG hat mit seinem Urteil vom 20. Februar 2018 zu Recht die Bescheide der Beklagten vom 18. März 2016 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 3. August 2016 aufgehoben und festgestellt, dass bzgl. der Tätigkeit der Klägerin zu 2 als Mitglied des Verwaltungsrats bei der Klägerin zu 1 keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht.

Die angefochtenen Bescheide sind formell rechtmäßig. Die Beklagte war zu ihrem Erlass gemäß § 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV sachlich zuständig und die Bescheide sind auch hinreichend bestimmt und beschränken sich nicht auf eine unzulässige Feststellung von Elementen eines Rechtsverhältnisses.

Die angefochtenen Bescheide sind jedoch materiell rechtswidrig. Die Klägerin zu 2 übt als Mitglied des Verwaltungsrats der Klägerin zu 1 seit 18. August 2015 keine in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtige Beschäftigung aus.

Gemäß § 1 Satz1 Nr. 1 SGB VI und § 24 SGB III setzt die Versicherungspflicht zur gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung jeweils ein Beschäftigungsverhältnis voraus. Beschäftigung ist die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG erfordert das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsleistung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Vornehmlich bei Diensten höherer Art kann das Weisungsrecht auch eingeschränkt und zur "dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein (dazu BSG, Urt. v. 18. Dezember 2001, - B 12 KR 10/01 R -). Höhere Dienste werden im Rahmen abhängiger Beschäftigung geleistet, wenn sie fremdbestimmt bleiben, sie in einer von der anderen Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebs aufgehen (BSG, Urt. v. 19. Juni 2001, - B 12 KR 44/00 R -). Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit sowie das Unternehmerrisiko gekennzeichnet (vgl. BSG, Urt. v. 29. August 2012, -B 12 KR 25/10 R- ; BSG, Urteil vom 19. August 2015, B 12 KR 9/14 R, in juris, Rn. 19 m.w.N.). Letzteres besteht meist in der Gefahr, bei wirtschaftlichem Misserfolg des Unternehmens das eingesetzte Kapital zu verlieren oder nicht ausreichend nutzen zu können; ihm entspricht die Aussicht auf Gewinn, wenn das Unternehmen wirtschaftlichen Erfolg hat. Abhängig Beschäftigte tragen demgegenüber das Arbeitsplatzrisiko, das in der Gefahr besteht, bei wirtschaftlichem Misserfolg des Unternehmens die Arbeitsstelle einzubüßen.

Das SG Stuttgart hat in seinem Urteil vom 23. Juli 2018 (Az.: S 5 R 4999/16) – derzeit im Wege der Sprungrevision anhängig beim BSG (Az.: B 12 R 19/18 R) – zur Frage der Sozialversicherungspflichtigkeit der Tätigkeit eines Mitglieds des Verwaltungsrats der Klägerin zu 1 Folgendes ausgeführt:

Nach den genannten Grundsätzen gelangt das Gericht unter Abwägung aller Umstände zu der Überzeugung, dass der Kläger Ziff. 2 bei der Klägerin Ziff. 1 abhängig beschäftigt ist.

Eine abhängige Beschäftigung von Verwaltungsratsmitgliedern und geschäftsführenden Direktoren ist nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil nach § 5 Abs. 1 S. 3 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) Personen, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung einer juristischen Person berufen sind, nicht als Arbeitnehmer gelten. Diese Regelung beschränkt sich auf das ArbGG und hat keine Bedeutung für das Sozialversicherungsrecht (BSG, Urteil vom 14.03.2018 - B 12 KR 13/17 R = juris RdNr. 19). Der Zugehörigkeit zu den Beschäftigten der juristischen Person steht auch nicht entgegen, dass Verwaltungsratsmitglieder und geschäftsführende Direktoren im Verhältnis zu sonstigen Arbeitnehmern Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.).

Der Kläger Ziff. 2, der lediglich 0,38 % der Aktien der Klägerin Ziff. 1 hält, übt bereits die Tätigkeit als Mitglied des Verwaltungsrats in abhängiger Beschäftigung aus (vgl. BSG, Urteil vom 02.03.2010 - B 12 AL 1/09 R = SozR 4-4300 § 28a Nr. 1, wonach eine selbständige Tätigkeit als alleiniges Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft ausnahmsweise dann angenommen werden kann, wenn der Vorstand alle Aktien der Aktiengesellschaft hält). In diesem Zusammenhang ist klarstellend darauf hinzuweisen, dass die frühere sog "Kopf und Seele"-Rechtsprechung, wonach ein Fremdgeschäftsführer einer Familiengesellschaft und ausnahmsweise auch ein Angestellter unterhalb der Geschäftsführerebene, der mit den Gesellschaftern familiär verbunden ist, ausnahmsweise als selbstständig angesehen worden ist, wenn er faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen konnte und geführt hat, ohne dass ihn die Gesellschafter daran hinderten, vom BSG ausdrücklich aufgegeben worden ist und mithin auch hier keine Rolle spielen kann (BSG, Urteil vom 29.07.2015 - B 12 KR 23/13 R = SozR 4-2400 § 7 Nr. 24, RdNr. 29 f. m.w.N.; BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R = SozR 4-2400 § 7 Nr. 17, RdNr. 32). Bei einem Fremdgeschäftsführer scheidet danach eine selbstständige Tätigkeit generell aus (BSG, Urteil vom 14.03.2018 - B 12 KR 13/17 R = juris RdNr. 20). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG sind auch Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft nach deutschem Recht regelmäßig abhängig beschäftigt, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (vgl. nur BSG, Urteil vom 12.01.2011 - B 12 KR 17/09 R = SozR 4-2600 § 1 Nr. 6 RdNr. 14 m.w.N.; Urteil vom 27.02.2008 - B 12 KR 23/06 R = SozR 4-2600 § 2600 § 1 Nr. 1 RdNr. 16; Urteil vom 19.06.2001 - B 12 KR 44/00 R = SozR 3-2400 § 7 Nr. 18; zur Ausnahme: BSG, Urteil vom 02.03.2010 - B 12 AL 1/09 R = SozR 4-4300 § 28a Nr. 1). Im Übrigen folgt bereits aus der Regelung des § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III ("Versicherungsfrei sind Personen in einer Beschäftigung als "), dass bereits das Gesetz von einer regelmäßig abhängigen Beschäftigung von Vorstandsmitgliedern ausgeht (vgl. BSG, Urteil vom 02.03.2010 - B 12 AL 1/09 = SozR 4-4300 § 28a Nr. 1 RdNr. 11).

Nichts anderes gilt auch für Verwaltungsratsmitglieder einer SE. Dies ergibt sich aus Folgendem: Gemäß § 22 Abs. 1 SEAG leitet der Verwaltungsrat die Gesellschaft, bestimmt die Grundlagen ihrer Tätigkeit und überwacht deren Umsetzung. Der Verwaltungsrat vereinigt damit auf sich die Aufgaben von Vorstand und Aufsichtsrat einer deutschen Aktiengesellschaft (Middendorf/Fahrig, BB 2011, 54, 56). Hierbei ist die Leitungsverantwortung des Verwaltungsrats unveräußerlich und kann nicht auf die geschäftsführenden Direktoren delegiert werden, da diese die Geschäfte im Unterschied zum Verwaltungsrat gemäß § 40 Abs. 2 SEAG nicht in eigener Verantwortung führen. Die Mitglieder des Verwaltungsrats sind vergleichbar einem nichtselbstständigen Vorstand für die Leitung der Gesellschaft verantwortlich, und zwar unabhängig von ihrer ihnen zugleich zukommenden Kontrollfunktion und unabhängig davon, ob sie zu den geschäftsführenden oder zu den nicht geschäftsführenden Mitgliedern des Verwaltungsrats gehören. Sie sind danach - wie auch im vorliegenden Fall- regelmäßig abhängig beschäftigt (ebenso Middendorf/Fahrig, a.a.O.; Vor, in: Schlegel/Voelzke, juris-PK SGB VI, § 1 RdNr. 103; vgl. aber auch Forst, NZS 2012, 801, 807, wonach die Verwaltungsratsmitglieder eine stärkere Stellung als der Vorstand einer Aktiengesellschaft inne hätten und deshalb ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ausscheide). Für diese Auffassung spricht, dass die Verwaltungsratsmitglieder ebenso wie die - dem Grunde nach nichtselbstständig beschäftigten - Mitglieder des Vorstands einer Aktiengesellschaft gegen ein vertraglich gewährleistetes Entgelt beschäftigt werden und damit regelmäßig nicht das unternehmerische Risiko der Gesellschaft tragen. Des Weiteren spricht für die nichtselbstständige Beschäftigung des Verwaltungsrats, dass die Hauptversammlung die Mitglieder des Verwaltungsrats auch vor Ablauf der Amtszeit nach § 29 SEAG jederzeit abberufen kann, ohne dass es hierfür eines wichtigen Grundes bedarf. Ferner wird die Verwaltungsratskompetenz nicht nur durch geschriebene und ungeschriebene Zuständigkeiten der Hauptversammlung begrenzt, sondern kann auch durch konzernrechtliche Vorgaben begrenzt werden (Middendorf/Fahrig, a.a.O., 57). Schließlich ändert auch die mit der Verwaltungsratstätigkeit verbundene Überwachungsfunktion nichts an der Bewertung der Tätigkeit als nichtselbstständige Beschäftigung. Bei der Überwachung durch den Verwaltungsrat handelt es sich lediglich um eine Vollzugskontrolle hinsichtlich der vom Verwaltungsrat festgelegten Grundlinien der Unternehmensstrategie. Die Mitglieder des Verwaltungsrats überwachen also die Durchführung von Entscheidungen, an denen sie aufgrund ihrer Organstellung auch dann mitwirken müssen, wenn sie nicht gleichzeitig geschäftsführende Direktoren sind. Damit unterscheidet sich die Kontrollfunktion des Verwaltungsrats grundlegend von der eines Aufsichtsrats einer deutschen Aktiengesellschaft oder einer dualistischen SE, dort ist der Aufsichtsrat kraft Gesetzes von der Geschäftsführung ausgeschlossen und überwacht demnach Entscheidungen, deren Entstehung er nicht zu verantworten hat. Die Kontrollfunktion des Verwaltungsrats begründet also keine Unabhängigkeit der Mitglieder des Verwaltungsrats, die eine Bewertung der Tätigkeit als selbstständig im Sinne des Sozialversicherungsrechts rechtfertigen könnte (Middendorf/Fahrig, a.a.O.; a.A. Forst, NZS 2012, 801, 807, der seine gegenteilige Auffassung allein auf die von ihm angenommene fehlende Weisungsgebundenheit stützt).

Der Kläger Ziff. 2 unterliegt trotz seiner abhängigen Beschäftigungen bei der Klägerin Ziff. 1 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung. Denn die Ausnahmebestimmungen der §§ 1 S. 3 SGB VI, 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III sind auf geschäftsführende Direktoren, die zugleich Verwaltungsratsmitglieder sind (vgl. § 40 Abs. 1 S. 2 SEAG), entsprechend anwendbar.

Nach § 1 S. 3 SGB VI sind Mitglieder des Vorstandes einer Aktiengesellschaft in dem Unternehmen, dessen Vorstand sie angehören, nicht versicherungspflichtig beschäftigt, wobei Konzernunternehmen im Sinne des § 18 des AktG als ein Unternehmen gelten. § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III bestimmt (seit dem 01.01.1998), dass Mitglieder des Vorstandes einer Aktiengesellschaft für das Unternehmen, dessen Vorstand sie angehören, in dieser Beschäftigung versicherungsfrei sind. Konzernunternehmen im Sinne des § 18 des AktG gelten als ein Unternehmen.

Die Herausnahme von Mitgliedern des Vorstandes einer Aktiengesellschaft aus der Rentenversicherungspflicht geht auf § 3 Abs. 1a des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) zurück, der durch Art. 1 § 2 Nr. 2 des Dritten Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes (3. RVÄndG) vom 28.7.1969 (BGBl I 956) mit Wirkung vom 01.01.1968 als Reaktion auf die Aufhebung der für die Pflichtversicherung von Angestellten geltenden Jahresarbeitsverdienstgrenze eingefügt worden war und für Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft bestimmte, dass sie nicht zu den versicherungspflichtigen Angestellten gehören. Dieser mit dem 3. RVÄndG eingefügten Vorschrift lag die Erwägung zugrunde, dass bei Mitgliedern des Vorstandes einer AG wegen ihrer herausragenden und starken wirtschaftlichen Stellung Schutz und Sicherheit durch die Rentenversicherung entbehrlich erscheinen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 27.02.2008 - B 12 KR 23/06 R = SozR 4-2600 § 1 Nr. 3 RdNr. 19 m.w.N.).

Zwar spricht der Wortlaut der genannten Ausnahmeregelungen gegen eine unmittelbare Anwendung auf geschäftsführende Direktoren, die zugleich Verwaltungsratsmitglieder sind. Denn es handelt sich weder bei Verwaltungsratsmitgliedern noch bei geschäftsführenden Direktoren um "Mitglieder des Vorstands" einer Aktiengesellschaft. Die §§ 1 S. 3 SGB VI, 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III sind auf den Kläger Ziff. 2 aber entsprechend anzuwenden.

Zwar hält das BSG in ständiger Rechtsprechung eine Tatbestandsgleichstellung im Wege richterlicher Rechtsfortbildung und eine "Substitution" der Tatbestandserfüllung unter Berufung auf eine tatsächliche Vergleichbarkeit von Gesellschaftsformen nicht für zulässig, weil § 1 S. 3 SGB VI und § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III nach ihrem Regelungszweck und im Hinblick auf die dort gewählte Regelungsmethode der Typisierung eine Erstreckung auf andere Sachverhalte zur Schließung einer Regelungslücke regelmäßig nicht erfordern (BSG, Urteil vom 12.01.2011 - B 12 KR 17/09 R = SozR 4-2600 § 1 Nr. 6 RdNr. 17 m.w.N.). Eine Erstreckung dieser Ausnahmen von der Versicherungspflicht auf Vorstandsmitglieder oder Mitglieder vergleichbarer Organe anderer juristischer Personen hat das BSG in der Vergangenheit aber aufgrund einer gesetzlichen Tatbestandsgleichstellung in Form einer sog. Äquivalenzregelung für möglich erachtet (vgl. BSG, Urteil 27.02.2008 - B 12 KR 23/06 R = SozR 4-2600 § 1 Nr. 3, RdNr. 20 ff m.w.N.; Urteil 06.10.2010 - B 12 KR 20/09 R = juris RdNr. 20 ff.; Urteil vom 12.01.2011 - B 12 KR 17/09 R = SozR 4-2600 § 1 Nr. 6 RdNr. 17). Eine Möglichkeit zur entsprechenden Anwendung der typisierenden Regelung hat das BSG bei Vorstandsmitgliedern "großer" VVaG gesehen. Es hat § 3 Abs. 1a AVG (nunmehr § 1 S. 3 SGB VI) über den Wortlaut hinaus auf diese Personengruppe analog angewandt, weil Vorschriften des Aktiengesetzes über eine Verweisung im VAG für den Vorstand eines VVaG entsprechend gelten und dessen Mitglieder Vorstandsmitgliedern einer AG deshalb rechtlich gleichgestellt sind (BSG, Urteil vom 27.03.1980 - 12 RAr 1/79 = SozR 2400 § 3 Nr. 4).

So liegt der Fall hier. Eine entsprechende Anwendung von § 1 S. 3 SGB VI und § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III auf den Kläger Ziff. 2 ist geboten und nach der genannten Rechtsprechung des BSG zulässig, weil nicht nur die gleichen wirtschaftlichen Gesichtspunkte (herausragende und starke wirtschaftliche Stellung, die einen Schutz und Sicherheit in der gesetzlichen Sozialversicherung entbehrlich machen) für die entsprechende Anwendung sprechen, sondern auch gesetzliche Äquivalenzregelungen vorliegen. So bestimmt § 22 Abs. 6 SEAG allgemein, dass sämtliche Vorschriften, die für den Vorstand der Aktiengesellschaft gelten, auf den Verwaltungsrat anzuwenden sind, sofern das SEAG nichts anderes regelt. Weiterhin verweisen die §§ 38, 39 SEAG hinsichtlich der Rechtsverhältnisse des Verwaltungsrates und der zu beachtenden Sorgfaltspflichten auf die für den Vorstand einer herkömmlichen Aktiengesellschaft maßgeblichen Vorschriften, so dass über die genannten Verweisungsnormen die Mitglieder des Verwaltungsrates einer monistisch organisierten SE den Mitgliedern eines Vorstandes weitgehend gleichgestellt werden und damit nach § 1 S. 3 SGB VI und § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III nicht der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegen (ebenso Vor in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, § 1 RdNr. 103). Hinzu kommt, dass die qualifizierte Gründung einer SE nur Unternehmen in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft vorbehalten ist. Hat der europäische Gesetzgeber danach für die Standardisierung der Verhältnisse im Gesellschaftsrecht allein nach der Rechtsform von Kapitalgesellschaften unterschieden und ausländische Kapitalgesellschaften einerseits mit der deutschen Aktiengesellschaft und andererseits mit der deutschen GmbH gleichgesetzt, so darf an die darin zum Ausdruck kommenden rechtlichen Differenzierungen auch für den außergesellschaftsrechtlichen Bereich des Sozialrechts angeknüpft werden (BSG, Urteil vom 27.02.2008 - B 12 KR 23/06 R = SozR 4-2600 § 1 Nr. 3 RdNr. 33)

Dieser Begründung schließt sich der Senat nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage bzgl. der Tätigkeit der Klägerin zu 2 als Mitglied des Verwaltungsrats der Klägerin zu 1 an.

Zur im Ergebnis gleichen Beurteilung gelangt man im Übrigen, wenn die organbezogene Tätigkeit im Hinblick auf die Leitungsüberwachungsfunktion der Verwaltungsratsmitglieder einer SE, die nicht die operative Leitung der SE ausüben, unter Bezugnahme auf die in § 38 Abs.1 SEAG bestimmte Anwendung des § 113 AktG, der die Vergütung eines Aufsichtsratsmitglieds einer AG regelt, an die Tätigkeit des AG-Aufsichtsratsmitglieds angelehnt wird. Die AG-Aufsichtsratstätigkeit unterliegt schon aufgrund ihres selbstständigen Tätigkeitscharakters nicht der Sozialversicherungspflicht nach dem deutschen Sozialversicherungsrecht (vgl. nur Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht/Seewald, § 7 SGB IV Rdnr. 100).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG (vgl. BSG, Beschluss vom 29. Mai 2006 – B 2 U 391/05 B -). § 197a SGG stellt mit der Bezeichnung "Kläger" und "Beklagter" auf die Parteirollen in dem jeweiligen Rechtszug ab. Sind in einem Rechtszug mehrere Beteiligte vorhanden, von denen einer zum kostenrechtlich begünstigten Personenkreis des § 183 SGG gehört und ein anderer nicht, so richtet sich die Kostenentscheidung in dem Rechtszug für alle Beteiligten einheitlich nach § 193 SGG.

Die Revision wird zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG). Die Rechtsfrage, ob ein Verwaltungsrat einer Europäischen Aktiengesellschaft (SE) versicherungspflichtig ist, ist über den Einzelfall hinaus bedeutsam und höchstrichterlich noch nicht geklärt.
Rechtskraft
Aus
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