L 4 KR 2701/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 6 KR 1433/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 2701/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Bei Statusentscheidungen im Versicherungsrecht (hier: Feststellung des Bestehens einer Familienversicherung) ist grundsätzlich eine vo-rausschauende Betrachtungsweise angezeigt. 2. Ein für einen abgelaufenen Veranlagungszeitraum erstellter Steuerbescheid kann zwar nicht als Beleg für die aktuellen Verhältnisse, aber als Grundlage für eine zukunftsgerichtete Prognose dienen. Dementsprechend sind Steuerbescheide nicht nach ihrem jeweiligen Veranlagungszeitraum, sondern jeweils ab dem Zeitpunkt ihres Erlasses für die Zukunft zu berücksichtigen, bis ein neuerer Steuerbescheid vorliegt. 3. Soweit die Familienversicherung bei Bestehen einer Stammversicherung kraft Gesetzes entsteht und endet, kann die Krankenkasse zwar auch rückwirkend durch Bescheid feststellen, dass eine Familienversicherung in der Vergangenheit nicht bestanden hat, ohne die aus den §§ 45, 48 Abs. 1 SGB X folgenden Einschränkungen beachten zu müssen. Dies gilt aber nicht, wenn (wie vorliegend) bestandskräftige Verwaltungsakte über den Versicherungsstatus der Versicherten ergangen sind.
für Recht erkannt: Tenor: Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 4. Mai 2017 abgeändert und der Tenor wie folgt neu gefasst: "Der Bescheid der Beklagten vom 10. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Mai 2016 wird insoweit aufgehoben, als die Beklagten festgestellt haben, dass die Versicherte ab dem 7. März 2014 nicht familienversichert ist. Der Bescheid der Beklagten vom 8. Juli 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Mai 2016 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen." Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagten tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf 2.665,44 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die verstorbene Ehefrau des Klägers vom 7. März 2014 bis 31. Juli 2015 beitragsfrei familienversichert oder freiwilliges Mitglied der Beklagten zu 1 war und daher der Beitragspflicht unterlag.

Der am 1. September 1962 geborene Kläger ist pflichtversichertes Mitglied der Beklagten zu 1. Seine 1954 geborene und 2015 verstorbene Ehefrau (Versicherte) war als selbstständig Tätige (Betreiberin eines Schulkiosks) seit Mai 2012 freiwilliges Mitglied der Beklagten zu 1 und Pflichtmitglied der Beklagten zu 2.

Im April 2014 beantragte der Kläger die Durchführung einer Familienversicherung für seine Ehefrau ab 7. März 2014. In dem ihm übersandten Formular gab er unter dem 26. April 2014 an, seine Ehefrau sei seit 1. Januar 2001 selbstständig tätig. Die wöchentliche Arbeitszeit betrage weniger als 18 Stunden; aus dieser Tätigkeit erziele sie durchschnittliche Bruttoeinnahmen von monatlich 247,33 EUR. Weitere Einkünfte seiner Ehefrau gab er nicht an. Er legte den Einkommensteuerbescheid für 2012 vom 3. März 2014 vor, der Einkünfte der Versicherten aus Gewerbebetrieb in Höhe von 2.968,00 EUR ausweist. Mit Schreiben vom 15. Mai 2014 kündigte die Versicherte ihre freiwillige Mitgliedschaft bei der Beklagten zu 1.

Mit Schreiben vom 20. Mai 2014 bestätigte die Beklagte zu 1 gegenüber der Versicherten die Beendigung ihrer am 15. Mai 2012 begonnenen Mitgliedschaft zum 6. März 2014, da sie seit dem 7. März 2014 familienversichert sei. Gleichzeitig ende mit diesem Datum auch die Pflegeversicherung. Das Beitragsguthaben in Höhe von 126,47 EUR werde erstattet. Mit Schreiben vom 21. Mai 2014 führte die Beklagte zu 1 gegenüber dem Kläger u.a. folgendes aus: "Ein umfassender Kranken- und Pflegeversicherungsschutz im Rahmen der TK-Familienversicherung besteht für (Versicherte), (geb. 08.10.1954) seit 7. März 2014. Wegen der TK-Gesundheitskarte schreiben wir Sie in den nächsten Tagen separat an. Bitte teilen Sie uns alle Änderungen mit, die Auswirkungen auf die Familienversicherung haben können. Dazu gehören unter anderem der Beginn einer eigenen Mitgliedschaft, jede Änderung des Familienstandes sowie Änderungen in den Einkommensverhältnissen Ihres versicherten Angehörigen."

Anlässlich der nachfolgenden Überprüfung der Familienversicherung gab der Kläger in dem ihm übersandten Formular unter dem 30. Mai 2015 an, die Versicherte verfüge seit 1. März 2014 über Einkünfte aus geringfügiger Beschäftigung in Höhe von monatlich 335,00 EUR und erziele aus selbstständiger Tätigkeit einen monatlichen Gewinn in Höhe von 134,33 EUR. Hierzu legte er den Einkommensteuerbescheid für 2013 vom 4. Februar 2015 vor.

Mit Bescheid vom 10. Juni 2015 teilte die Beklagte zu 1 - zugleich für die Beklagte zu 2 - der Versicherten mit, dass die Familienversicherung ab 7. März 2014 storniert worden sei, da ihre Einkünfte die Einkommensgrenze für die Familienversicherung überstiegen. Sie wies gleichzeitig auf die Möglichkeit hin, ab 7. März 2014 weiterhin selbst Mitglied zu sein, worauf die Versicherte den ihr übersandten "Mitgliedschaftsantrag" ab 7. März 2014 unter dem 6. Juli 2015 unterzeichnete und wieder vorlegte. Mit Bescheid vom 8. Juli 2015 führte die Beklagte zu 1 - zugleich für die Beklagte zu 2 – gegenüber der Versicherten sodann aus, sie sei ab 7. März 2014 weiterhin freiwillig krankenversichert und in der Pflegeversicherung pflichtversichert. Gleichzeitig setzten die Beklagten den monatlichen Beitrag ausgehend von der Mindestbemessungsgrundlage (2014: 921,67 EUR; 2015: 945,00 EUR) ab 7. März 2014 mit monatlich 156,22 EUR (Krankenversicherung 137,33 EUR, Pflegeversicherung 18,89 EUR) und ab 1. Januar 2015 mit monatlich 162,07 EUR (Krankenversicherung 132,30 EUR, individueller Zusatzbeitrag 7,56 EUR, Pflegeversicherung 22,21 EUR) fest.

Mit Schreiben vom 21. Juli 2015 erhob die Versicherte "Widerspruch zum Beitragsbescheid vom 08.07.2015" und bat um eine Neuberechnung der Beiträge auf der Grundlage der Einkünfte aus 2014. In diesem Jahr hätten monatliche Mietzahlungen für einen Heißgetränkeautomaten den Jahresgewinn zusätzlich geschmälert. Sie teilte darüber hinaus mit, dass sie ihre selbständige Tätigkeit zum 31. Juli 2015 aufgebe. Am 29. Juli 2014 beantragte der Kläger die Durchführung der Familienversicherung für die Versicherte ab dem 1. August 2015 und legte das Kündigungsschreiben der Versicherten vom 24. Juli 2015 vor. Nach Vorlage der Gewerbeabmeldung vom 22. Juli 2015 zum 31. Juli 2015 führte die Beklagte zu 1 die Versicherte ab 1. August 2015 als familienversichertes Mitglied. Die Versicherte entrichtete dementsprechend (vorläufig) Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung vom 7. März 2014 bis 31. Juli 2015 in Höhe von insgesamt 2.696,69 EUR. Am 29. Juli 2014 beantragte der Kläger die Durchführung der Familienversicherung für die Versicherte ab dem 1. August 2015 und legte das Kündigungsschreiben der Versicherten vom 24. Juli 2015 sowie die Gewerbeabmeldung vom 22. Juli 2015 zum 31. Juli 2015 vor.

Mit Schreiben vom 27. August 2015 legte die Beklagte zu 1 dem von der Versicherten Mitte August 2015 hinzugezogenen Bevollmächtigten die Gründe für die erfolgte Stornierung der Familienversicherung dar und führte aus, nach den ursprünglichen Angaben, wonach die Versicherte lediglich Einkommen aus einer nebenberuflich selbständigen Tätigkeit von 247,33 EUR erziele, seien die Voraussetzungen für die Familienversicherung erfüllt gewesen. Im nachfolgenden Fragebogen seien jedoch Einkünfte von insgesamt 484,90 EUR angegeben worden, wobei die Einnahmen aus dem dabei berücksichtigten Minijob in Höhe von 350,57 EUR bereits seit 1. März 2014 erzielt worden seien. Damit hätten die Voraussetzungen für die Familienversicherung jedoch von Anfang an nicht vorgelegen. Da die Einkommensangaben unvollständig gewesen seien, sei eine Stornierung erforderlich gewesen. Die von der Versicherten ab 7. März 2014 deshalb benötigte freiwillige Versicherung habe diese entsprechend beantragt. Durch ihren Bevollmächtigten machte die Versicherte nunmehr geltend, im Jahr 2014 sei die Einkommensgrenze nicht überschritten worden. In diesem Jahr habe sie lediglich einen Jahresgewinn von 314,00 EUR erzielt, somit monatlich 26,17 EUR, so dass unter Berücksichtigung der Einkünfte aus dem Minijob in Höhe von monatlich 350,57 EUR die Voraussetzungen für eine beitragsfreie Familienversicherung erfüllt seien. Nicht maßgeblich sei der Einkommensteuerbescheid für 2013. Entscheidend sei vielmehr das tatsächlich im Jahr 2014 erzielte Einkommen. Hierzu legte sie die "Berechnung der Einkommensteuer, des Solidaritätszuschlags und der Kirchensteuer" für 2014 ihres Steuerberaters vor, wonach Einkünfte aus Gewerbebetrieb von 314,00 EUR erzielt worden seien. Mit Schreiben vom 11. September 2015 erläuterte die Beklagte zu 1 die Voraussetzungen der Familienversicherung und wies darauf hin, dass bei der Prüfung der Familienversicherung nur der jeweils vorliegende Einkommensteuerbescheid berücksichtigt werden könne. Die Versicherte bekräftigte ihre zuvor vertretene Auffassung und legte den Einkommensteuerbescheid für 2014 vom 10. September 2015 vor, der Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 499,00 EUR dokumentiert, sowie Verdienstnachweise für die Monate März bis Dezember 2014, die im März ein Entgelt aus geringfügiger Beschäftigung von 343,28 EUR und nachfolgend jeweils monatlich 350,57 EUR, zuzüglich eines Urlaubsgeldes von 145,73 EUR im Dezember 2014 ausweisen.

Mit Schreiben vom 14. Januar 2016 führte die Beklagte zu 1 gegenüber dem Prozessbevollmächtigten der Versicherten aus, sie habe die Versicherte ergänzend zu dem Bescheid vom 10. Juni 2015 über die Stornierung der Familienversicherung informiert, die erfolgt sei, weil ihr – der Beklagten zu 1 – das Einkommen aus dem Minijob nicht bekannt gewesen sei. Bei dem Bescheid vom 20. Mai 2014 habe es sich um einen rechtswidrig begünstigenden Verwaltungsakt gehandelt, auf den die Regelungen des § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) anzuwenden seien. Im Rahmen der Ermessensausübung habe sie zu berücksichtigen, dass ihre Mitglieder eine ordnungsgemäße Anwendung des geltenden Rechts erwarten dürften. Nach Abwägung des öffentlichen Interesses mit den Belangen der Versicherten könne sie zu keinem anderen Ergebnis kommen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 2016 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten zu 1 - zugleich für den Widerspruchsausschuss der Beklagten zu 2 - den Widerspruch gegen die Bescheide vom 10. Juni 2015 und 8. Juli 2015 zurück und führte aus, Ehegatten von Mitgliedern könnten gemäß § 10 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) nur dann familienversichert werden, wenn sie nicht über ein Gesamteinkommen verfügten, das regelmäßig im Monat 1/7 der monatlichen Bezugsgröße überschreite. Bei der Feststellung des Gesamteinkommens von selbstständig Tätigen im Bereich der Familienversicherung seien die Grundsätze heranzuziehen, wie sie im Bereich der Beitragseinstufung von freiwillig krankenversicherten hauptberuflich Selbstständigen praktiziert werde. Entsprechend sei auf den letzten aktuellen Einkommensteuerbescheid zurückzugreifen. Nachdem die Versicherte erstmals im Mai 2015 angegeben habe, neben den Einkünften aus Gewerbebetrieb über Einkünfte aus einer geringfügigen Beschäftigung zu verfügen, habe sie ausweislich des am 4. Februar 2015 erlassenen Einkommensteuerbescheids für 2013 zusammen mit den Einkünften aus der geringfügigen Beschäftigung bereits ab März 2014 die maßgebliche Einkommensgrenze für die Familienversicherung überschritten. Die Voraussetzungen für die Durchführung der Familienversicherung hätten damit ab 1. März 2014 nicht vorgelegen. Bei der Bestätigung der Familienversicherung habe es sich daher um einen rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt gehandelt, auf den die Regelungen des § 45 SGB X anzuwenden seien.

Am 6. Juni 2016 erhob der Kläger beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage und machte geltend, die Versicherte habe die maßgebliche Einkommensgrenze für die Durchführung der Familienversicherung ab 7. März 2014 nicht überschritten. Ausweislich des Einkommensteuerbescheids für 2014 habe sie ausgehend von dem aus der selbstständigen Tätigkeit erzielten Jahreseinkommen von 499,00 EUR monatliche Einkünfte in Höhe von 41,58 EUR erzielt, die zusammen mit den Einkünften aus dem Minijob von jährlich 3.644,14 EUR und damit monatlich 364,40 EUR mit insgesamt 405,98 EUR die maßgebliche Grenze von 450,00 EUR nicht überschritten hätten. Die Voraussetzungen für die beitragsfreie Familienversicherung der Versicherten seien daher erfüllt gewesen. Nicht von Bedeutung sei das Einkommen, dass die Versicherte in den Jahren 2012 oder 2013 erzielt habe.

Die Beklagten traten der Klage entgegen und machten geltend, der Umstand, dass das Gesamteinkommen laut Einkommensteuerbescheid für 2014 unter Berücksichtigung der Gehaltsnachweise von März bis Dezember 2014 unterhalb der maßgeblichen Einkommensgrenze gelegen habe, führe nicht dazu, dass die Familienversicherung durchzuführen sei. Dies hätte zur Folge, dass die Feststellung, ob eine Familienversicherung möglich sei, immer erst rückwirkend getroffen werden könne. Demgegenüber müsse bei Statusentscheidungen, wie der Familienversicherung, von vorneherein feststehen, ob die Voraussetzungen erfüllt seien. Es sei daher grundsätzlich eine vorausschauende Betrachtungsweise angezeigt. Steuerbescheide seien daher nicht nach ihrem jeweiligen Veranlagungszeitraum, sondern jeweils ab dem Zeitpunkt des Erlasses für die Zukunft zu berücksichtigen, bis ein neuer Steuerbescheid vorliege. Die zeitversetzte Heranziehung von Steuerbescheiden habe das Bundessozialgericht (BSG) bereits bei der Beitragsbemessung freiwillig Versicherter höchstrichterlich bestätigt.

Mit Urteil vom 4. Mai 2017 hob das SG die Bescheide vom 10. Juni 2015 und 8. Juli 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Mai 2016 auf und stellte fest, dass in der Zeit vom 7. März 2014 bis 31. Juli 2015 die Voraussetzungen für die Familienversicherung der Ehefrau des Klägers vorlagen. Zur Begründung führte das SG aus, die Versicherte habe ausweislich der vorgelegten Verdienstbescheinigungen in der Zeit vom 7. März 2014 bis "30. Juni 2015" ein durchschnittliches monatliches Einkommen aus der geringfügigen Beschäftigung in Höhe von 346,37 EUR gehabt. Unter Berücksichtigung ihrer Einkünfte aus der selbständigen Tätigkeit ausweislich des Einkommensteuerbescheids für 2014 von 499,00 EUR bzw. monatlich 41,58 EUR habe sie über ein Gesamteinkommen von 387,95 EUR verfügt und daher unter der Einkommensgrenze von 450,00 EUR gelegen, weshalb die Voraussetzungen für die Familienversicherung vorgelegen hätten. Die Beklagte sei daher nicht berechtigt gewesen, die Familienversicherung rückwirkend zu stornieren.

Gegen das den Beklagten am 15. Juni 2017 zugestellte Urteil haben diese am 11. Juli 2017 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt und geltend gemacht, die Auffassung des SG widerspreche der im Rahmen der Familienversicherung geforderten vorausschauenden Betrachtungsweise. Bei Einkommen aus einer selbständigen Tätigkeit seien die Grundsätze zur Heranziehung des Arbeitseinkommens bei Selbstständigen entsprechend auch für die Beurteilung der Familienversicherung zu übernehmen. Die Krankenkasse könne daher grundsätzlich nur auf den letzten aktuellen Einkommensteuerbescheid abstellen. Vorliegend gehe es um die Feststellung des Versicherungsstatus. Dieser müsse anerkanntermaßen klar und frei von der Möglichkeit der Einflussnahme durch zielgerichtetes Vorlegen von Einkommensunterlagen festgestellt werden können. Bei rechtzeitiger Mitteilung der zusätzlichen Einnahmen aus dem Minijob wäre die Familienversicherung zu beenden gewesen. Eine nun nachschauende Betrachtungsweise, da die weitere Einkommensentwicklung mittlerweile bekannt sei, könne dem Kläger nicht zum Vorteil gereichen. Im streitigen Zeitraum seien Beiträge in Höhe von 2.665,44 EUR gezahlt worden.

Die Beklagten beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 4. Mai 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für richtig.

Die frühere Berichterstatterin des Senats hat den Rechtsstreit mit den Beteiligten am 13. Dezember 2017 erörtert. Insoweit wird auf das Protokoll vom 13. Dezember 2017 Bezug genommen (Bl. 19/20 der LSG-Akte).

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Verfahrensakten des Senats und des SG Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung gemäß § 144 Abs. 1 SGG. Soweit sich die Berufung gegen die Aufhebung des Bescheids vom 10. Juni 2015 und die Feststellung richtet, dass die Voraussetzungen für die Familienversicherung der Versicherten in der Zeit vom 7. März 2014 bis 31. Juli 2015 vorlagen, betrifft diese keine Geld-, Dienst- oder Sachleistung. Im Übrigen wenden sich die Beklagten gegen die Aufhebung eines Beitragsbescheids, der Beitragsforderungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Aus dem Gesamtzusammenhang ist auch ersichtlich, dass die Beklagte zu 1 - zumindest konkludent - auch im Namen der Beklagten zu 2 Berufung eingelegt hat.

2. Streitgegenstand des Verfahrens sind die Bescheide der Beklagten vom 10. Juni 2015 und 8. Juli 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Mai 2016, mit denen die Beklagten zum einen die Feststellung der Familienversicherung der Versicherten ab 7. März 2014 zurücknahmen ("stornierte") und zum anderen für die ab diesem Zeitpunkt weiterbestehende freiwillige Mitgliedschaft in der Krankenversicherung und Pflichtmitgliedschaft in der sozialen Pflegeversicherung Beiträge erhoben.

Der Kläger ist als Erbe der (2015 verstorbenen) Versicherten deren Rechtsnachfolger. Der Senat stützt sich hierbei auf den im Widerspruchsverfahren vorgelegten Erbschein des Notariats S. (Nachlassgericht) vom 27. Januar 2016. Als Erbe ist der Kläger klagebefugt (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG), weil die Möglichkeit besteht, dass die Beklagten die Versicherte zu Unrecht als freiwilliges Mitglied zu Beiträgen heranzogen und ihm als Rechtsnachfolger deshalb ein Erstattungsanspruch zusteht.

3. Die Berufung der Beklagten ist teilweise begründet. Das SG hätte der als Anfechtungsklage zulässigen Klage nicht in vollem Umfang stattgeben und die angefochtenen Bescheide aufheben dürfen. Denn soweit die Beklagten mit Bescheid vom 10. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Mai 2016 den Bescheid vom 20. Mai 2014 zurücknahmen, ist dies nicht zu beanstanden (hierzu a., dd). Insoweit hätte das SG die Klage daher abweisen müssen; entsprechend war die Berufung der Beklagten insoweit begründet. Rechtswidrig ist der Bescheid vom 10. Juni 2015 lediglich insoweit, als die Beklagten damit gleichzeitig feststellten, dass die Versicherte ab dem 7. März 2014 nicht familienversichert war. Dieser Feststellung steht die mit Bescheid vom 21. Mai 2014 gegenüber dem Kläger erfolgte gegenteilige bestandskräftige Feststellung entgegen, wonach für die Versicherte ab 7. März 2014 "ein umfassender Kranken- und Pflegeversicherungsschutz im Rahmen der TK-Familienversicherung besteht" (hierzu a., ee). Wegen dieser Feststellung der Familienversicherung ab 7. März 2014 erweist sich der Beitragsbescheid vom 8. Juli 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Mai 2016 als rechtswidrig (hierzu b). Denn eine freiwillige Mitgliedschaft, aus der eine Beitragspflicht der Versicherten resultierte, bestand nicht. Insoweit ist die angefochtene Entscheidung des SG daher nicht zu beanstanden, die Berufung der Beklagten mithin unbegründet. Begründet ist die Berufung allerdings noch insoweit, als das SG auf die vom Kläger erhobene Feststellungsklage das Vorliegen der Voraussetzungen für die Familienversicherung der Versicherten vom 7. März 2014 bis 31. Juli 2015 feststellte. Die Feststellungsklage war mangels Feststellungsinteresses bereits unzulässig. Denn das Klageziel einer beitragsfreien Familienversicherung der Versicherten im Zeitraum vom 7. März 2014 bis 31. Juli 2015 konnte der Kläger bereits mit der Anfechtungsklage erreichen. Denn im Falle einer erfolgreichen Anfechtung des Bescheids vom 10. Juni 2015 wäre es bei der Feststellung verblieben, dass die Versicherte ab 7. März 2014 familienversichert war.

a. Mit Bescheid vom 10. Juni 2015 verfügten die Beklagten zum einen die Rücknahme der mit Bescheid vom 20. Mai 2014 erfolgten Entscheidung über das Bestehen einer Familienversicherung der Versicherten ab 7. März 2014 (Verfügungssatz 1, nachfolgend dd), zum anderen trafen sie die Feststellung, dass die Versicherte mangels Erfüllung der entsprechenden Voraussetzungen ab 7. März 2014 nicht familienversichert war (Verfügungssatz 2, nachfolgend ee). Während die mit Verfügungssatz 1 getroffene Entscheidung rechtmäßig ist, erweist sich die Entscheidung insoweit als rechtswidrig, als die Beklagten feststellten, dass die Versicherte ab dem 7. März 2014 nicht familienversichert war (Verfügungssatz 2).

aa) Der Bescheid vom 10. Juni 2015 war nicht schon wegen Versäumung der Widerspruchsfrist bestandskräftig und damit in der Sache bindend (vgl. § 77 SGG). Die Versicherte erhob gegen diesen mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen Bescheid zwar zunächst keinen Widerspruch, denn mit ihrem Widerspruchsschreiben vom 21. Juli 2015 wandte sie sich ausschließlich gegen den "Beitragsbescheid" vom 8. Juli 2015 und auch ihre Begründung lässt nicht erkennen, dass sie mit der verfügten Stornierung der Familienversicherung nicht einverstanden war. Soweit sich der Mitte August 2015 hinzugezogene Bevollmächtigte nach Erläuterung der Gründe für die Stornierung der Familienversicherung (Schreiben der Beklagten zu 1 vom 27. August 2015) nunmehr der Sache nach auch gegen diese Stornierung wandte, war die Widerspruchsfrist von einem Monat (vgl. § 84 Abs. 1 SGG) bereits verstrichen. Allerdings entschied der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 2016 nicht nur über den Widerspruch der Versicherten gegen den Bescheid vom 8. Juli 2015, sondern gleichermaßen auch über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 10. Juni 2015. Durch diese Entscheidung in der Sache, ohne dass der Widerspruchsausschuss sich darauf berief, dass der Widerspruch gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht fristgerecht erhoben und damit unzulässig war, hat er den entsprechenden Mangel im Verhältnis zur Versicherten geheilt, so dass Bestandskraft nicht eingetreten war (vgl. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 85 Rn. 4). Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner weiteren Ausführungen zu dem Vorbringen der Beklagten im Berufungsverfahren, wonach der Widerspruch der Versicherten vom 21. Juli 2015 in einen Widerspruch auch gegen den Bescheid vom 10. Juni 2015 umgedeutet worden sei, weil sich dieser nach den Angaben des Klägers anlässlich des am 7. August 2015 geführten Telefonats auch gegen die Stornierung der Familienversicherung habe richten sollen. Denn durch die Entscheidung des Widerspruchsausschusses wurde der Mangel der Fristversäumnis geheilt und der Bescheid vom 10. Juni 2014 in der Sache nicht bindend.

bb) Der Bescheid vom 10. Juni 2015 ist nicht wegen fehlerhafter Anhörung nach § 24 Abs. 1 SGB X aufzuheben.

Nach § 24 Abs. 1 SGB X ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines der Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Eine Anhörung war erforderlich. Denn ein Verwaltungsakt, der – wie vorliegend (dazu unten dd) – einen Verwaltungsakt nach § 45 SGB X aufhebt, ist ein solcher eingreifender Verwaltungsakt. Einer der Ausnahmefälle des § 24 Abs. 2 SGB X, von denen von einer Anhörung abgesehen werden kann, liegt nicht vor.

Eine Anhörung erfolgte insoweit, als eine Mitarbeiterin der Beklagten zu 1 den Kläger am 10. Juni 2015 telefonisch unterrichtete, dass die Voraussetzungen für eine beitragsfreie Familienversicherung der Ehefrau ab 7. März 2014 nicht erfüllt seien, weil ihr Gesamteinkommen die maßgebliche Grenze von 450,00 EUR überschreite. Der Senat lässt dahingestellt, ob dies als Anhörung ausreichend war, weil der Versicherten keine Frist zur Äußerung eingeräumt war (vgl. BSG, Urteil vom 31. März 1982 – 4 RJ 21/81 – juris, Rn. 11). Jedenfalls ist eine fehlerhafte Anhörung durch das Widerspruchsverfahren geheilt (§ 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X). Denn während des Widerspruchsverfahrens erläuterte die Beklagte zu 1 die Entscheidung mit an die Prozessbevollmächtigten der Versicherten gerichteten Schreiben vom 27. August und 11. September 2015 ausführlich unter Angabe der wesentlichen Tatsachen, die materiell-rechtlich für die Entscheidung maßgeblich waren (vgl. hierzu z.B. BSG, Urteil vom 26. Juli 2016 – B 4 AS 47/15 R – juris, Rn. 15). Zudem legte sie im Schreiben vom 14. Januar 2016 als Rechtsgrundlage für die als Stornierung der Familienversicherung bezeichnete Rücknahme des Bescheids vom 20. Mai 2014 die Regelung des § 45 SGB X dar, einschließlich der der Entscheidung zugrundeliegenden Ermessenserwägungen. Der Versicherten bzw. nach deren Tod dem Kläger war damit eine sachgerechte Äußerung noch im Widerspruchsverfahren möglich; die Versicherte machte durch ihre Prozessbevollmächtigten auch entsprechende Ausführungen.

cc) Maßgeblich ist die Sachlage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung am 11. Mai 2016, weil es sich bei der behördlichen Entscheidung um eine Prognoseentscheidung bezogen auf den Beginn des Versicherungsverhältnisses handelt (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Aufl., § 54 Rn. 34a m.w.N.). Bei Statusentscheidungen im Versicherungsrecht – und um eine derartige Entscheidung handelt es sich bei der Feststellung des Bestehens einer Familienversicherung – ist grundsätzlich eine vorausschauende Betrachtungsweise angezeigt (BSG, Urteil vom 7. Dezember 2000 – B 10 KR 3/99 R – juris, Rn. 29 auch zum Folgenden; LSG Hessen, Urteil vom 28. Februar 2002 – L 14 KR 406/98 – juris, Rn. 18; a.A. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 14. Februar 2012 – L 11 KR 4779/10 – juris, Rn. 28). Der Betreffende muss beim Entfallen der Familienversicherung für eine anderweitige Versicherung sorgen können und bei plötzlich auftretender Krankheit zuverlässig wissen, wie und wo er versichert ist. Dies erfordert eine Prognose unter Einbeziehung der mit hinreichender Sicherheit zu erwartenden Veränderungen. Das hierbei gewonnene Ergebnis bleibt dann auch verbindlich, wenn die Entwicklung später anders verläuft als angenommen (BSG, Urteil vom 7. Dezember 2000 – B 10 KR 3/99 R – juris, Rn. 29 m.w.N.). Dies gilt auch für rückwirkende Entscheidungen (BSG, Urteil vom 7. Dezember 2000 B 10 KR 3/99 R – juris, Rn. 30 m.w.N.; LSG Hessen, Urteil vom 28. Februar 2002 – L 14 KR 406/98 – juris, Rn. 18), wie hier eine vorliegt.

dd) Rechtsgrundlage der im Bescheid vom 10. Juni 2015 mit Verfügungssatz 1 getroffenen Entscheidung ist § 45 Abs. 1 SGB X. Damit nahmen die Beklagten den Bescheid vom 20. Mai 2014, mit dem die Familienversicherung der Versicherten ab 7. März 2014 festgestellt worden war, der Sache nach mit Wirkung ab 7. März 2014 zurück, weil sich die entsprechende Feststellung der Familienversicherung als rechtwidrig erwies.

Soweit die Familienversicherung bei Bestehen einer Stammversicherung kraft Gesetzes entsteht und endet kann die Krankenkasse zwar auch rückwirkend durch Bescheid feststellen, dass eine Familienversicherung in der Vergangenheit nicht bestanden hat, ohne die aus den §§ 45, 48 Abs. 1 SGB X folgenden Einschränkungen beachten zu müssen (BSG, Urteil vom 7. Dezember 2000 – B 10 KR 3/99 R – juris, Rn. 33 ff.). Allerdings sind vorliegend bestandskräftige Verwaltungsakte ergangen, mit denen die Beklagte zu 1 über den Versicherungsstatus der Versicherten entschied. Die Beklagte zu 1 entschied sowohl mit an die Versicherte gerichtetem Bescheid vom 20. Mai 2014 als auch mit an den Kläger als Stammversicherten gerichtetem Bescheid vom 21. Mai 2014 verbindlich über das Bestehen einer Familienversicherung der Versicherten ab 7. März 2014.

Gemäß § 31 Satz 1 SGB X ist Voraussetzung für einen Verwaltungsakt, dass er zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts erlassen wird. Entscheidendes Merkmal der Regelung ist, ob die Behörde eine potentiell verbindliche Rechtsfolge gesetzt hat, d.h. ob durch sie Rechte begründet, geändert, aufgehoben oder verbindlich festgestellt werden oder die Begründung, Änderung, Aufhebung oder verbindliche Feststellung solcher Rechte mit Außenwirkung abgelehnt wird. Das Schreiben der Beklagten zu 1 vom 20. Mai 2014 enthält zum einen die Regelung, dass die freiwillige Versicherung der Versicherten zum 6. März 2014 beendet wird und zum anderen die Regelung, dass die Versicherte ab 7. März 2014 familienversichert ist. Mit Schreiben vom 21. Mai 2014 stellte die Beklagte zu 1 darüber hinaus fest, dass für die Versicherte ein umfassender Kranken- und Pflegeversicherungsschutz im Rahmen der Familienversicherung besteht. Hierbei handelt es sich um Verwaltungsakte im Sinne des § 31 SGB X. Die Beklagte wollte mit den genannten Schreiben nach ihrem objektiven Sinngehalt eine potentiell verbindliche Rechtsfolge setzen. Nach den Umständen des Einzelfalls durften die Versicherte und der Kläger bei verständiger Würdigung davon ausgehen, dass für die Versicherte ab 7. März 2014 die Familienversicherung durchgeführt wird. So trat die Beklagte zu 1 auf den Antrag des Klägers, seine Ehefrau ab 7. März 2014 in die Familienversicherung aufzunehmen, in eine entsprechende Sachprüfung ein. Sie bat um Mitteilung in welchem zeitlichen Umfang die von der Versicherten ausgeübte selbständige Tätigkeit verrichtet wird, welche Einnahmen sie hieraus erzielt und ob sie darüber hinaus ein zusätzliches Entgelt aus einer Beschäftigung erzielt. Auf der Grundlage der entsprechenden Angaben der Versicherten bzw. des Klägers und den hierzu vorgelegten Unterlagen entschied die Beklagte zu 1 nach individueller Prüfung über die Aufnahme der Versicherten in die Familienversicherung. Auch die Beklagten selbst gehen davon aus, dass mit Bescheid vom 20. Mai 2014 eine verbindliche Regelung über die Aufnahme der Versicherten in die Familienversicherung getroffen wurde.

Zwar führten die Beklagten mit Bescheid vom 10. Juni 2015 lediglich aus, dass die Familienversicherung ab dem 7. März 2014 "storniert" worden sei, ohne deutlich zu machen, ob damit rückwirkend festgestellt werden sollte, dass in der Vergangenheit keine Familienversicherung bestand oder ob eine verbindliche Feststellung zurückgenommen werden sollte. Allerdings holte die Beklagte zu 1 - konkludent auch für die Beklagte zu 2 - die gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB X gebotene Begründung des Verwaltungsakts mit Schreiben vom 14. Januar 2016 nach, konkretisierte die mit Bescheid vom 10. Juni 2015 getroffene Entscheidung dahingehend, dass mit dieser eine Rücknahme des Bescheids vom 20. Mai 2014 gemäß § 45 SGB X erfolgte und erläuterte die hierzu ergangene Ermessensentscheidung. Der Begründungsmangel wurde damit gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X während des Widerspruchsverfahrens (§ 41 Abs. 2 SGB X) geheilt.

(1) Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB X darf ein - auch unanfechtbar gewordener - begünstigender Verwaltungsakt, soweit er rechtswidrig ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach Abs. 2 Satz 1 der Regelung darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (Satz 2). Nach Satz 3 Nr. 2 der Regelung kann sich der Begünstigte auf Vertrauen nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Nach Abs. 3 Satz 1 der Vorschrift kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Abs. 2 grundsätzlich nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Gemäß § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X wird der Verwaltungsakt nur in den Fällen von Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 2 mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen (Satz 2).

Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der im Jahr 2014 geltenden Fassung des Art. 3 Nr. 2 Gesetz zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung vom 5. Dezember 2012 (BGBl. I, S. 2474) sind der Ehegatte, der Lebenspartner und die Kinder von Mitgliedern sowie die Kinder von familienversicherten Kindern versichert (Familienversicherung), wenn diese Familienangehörigen (1.) ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, (2.) nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3 bis 8, 11 oder 12 SGB V oder nicht freiwillig versichert sind, (3.) nicht versicherungsfrei oder nicht von der Versicherungspflicht befreit sind, wobei die Versicherungsfreiheit nach § 7 SGB V außer Betracht bleibt, (4.) nicht hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind und (5.) kein Gesamteinkommen haben, das regelmäßig im Monat ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) überschreitet; bei Renten wird der Zahlbetrag ohne den auf Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten entfallenden Teil berücksichtigt; für geringfügig Beschäftigte nach § 8 Abs. 1 Nr. 1, § 8a SGB IV beträgt das zulässige Gesamteinkommen 450,00 EUR.

(2) Im Rahmen seiner Einkommenserklärung vom 26. April 2014 gab der Kläger an, die Versicherte erziele aus ihrer (nicht hauptberuflich) selbständigen Tätigkeit durchschnittlich ein monatliches Bruttoeinkommen von 247,33 EUR. Das Einkommen der Versicherten erreichte mit diesen Einkünften nicht die Grenze von 450,00 EUR, bei deren Überschreiten eine Familienversicherung gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V ausgeschlossen ist. Diese Angaben erwiesen sich nachträglich jedoch als unrichtig. Denn ausweislich der nachfolgend vorgelegten Einkommenserklärung vom 30. Mai 2015 und den im weiteren Verlauf vorgelegten Verdienstnachweisen übte die Klägerin neben ihrer selbständigen Tätigkeit seit 1. März 2014 auch eine geringfügige Beschäftigung bei der Firma Rewe aus, aus der sie im März 2014 ein Entgelt von 343,28 EUR und nachfolgend monatlich jeweils 350,57 EUR, zuzüglich eines Urlaubsgeldes von 145,73 EUR (Dezember 2014) erzielte.

Das Gesamteinkommen der Versicherten aus der selbständigen Tätigkeit und der geringfügigen Beschäftigung überstieg ab 1. März 2014 den Betrag von monatlich 450,00 EUR. Ausweislich des Einkommensteuerbescheids der Eheleute für 2012 vom 3. März 2014 betrugen die Einkünfte der Versicherten aus selbständiger Tätigkeit 2.968,00 EUR. Die Division des Jahresbetrages durch zwölf ergibt einen Monatsbetrag von 247,33 EUR. Zusammen mit den Einkünften aus der geringfügigen Beschäftigung von anfangs 343,28 EUR und nachfolgend regelmäßig 350,57 EUR war der Grenzbetrag von 450,00 EUR deutlich überschritten und gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V die Durchführung einer Familienversicherung ausgeschlossen.

(aa) Im Hinblick auf die selbständige Tätigkeit der Versicherten stellte die Beklagte zu Recht auf die im Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen Einkünfte ab. Es ist schon aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität geboten, dass die Krankenkassen für die Bestimmung der Einkünfte keine eigenen Ermittlungen anstellen, zu denen sie zudem regelmäßig nicht in der Lage sein dürften, sondern auf die von der Finanzverwaltung erteilten Steuerbescheide zurückgreifen (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Januar 2014 – L 1 KR 156/12 – juris, Rn. 16). Dementsprechend hat auch die höchstrichterliche Rechtsprechung stets gebilligt, dass Tatbestandsvoraussetzungen von sozialrechtlichen Normen, die auf Einkünfte im Sinne des Einkommensteuerrechts abstellen, unter Rückgriff auf den Inhalt der von der Finanzverwaltung erlassenen Steuerbescheide festgestellt worden sind (BSG, Urteil vom 25. August 2004 – B 12 KR 36/03 R – juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 6. November 2008 – B 1 KR 28/07 R – juris, Rn. 15 f.; BSG, Urteil vom 2. September 2009 – B 12 KR 21/08 R – juris, Rn. 15; zur Bemessung der Beiträge freiwillig Versicherter nach § 240 SGB V z.B. BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – B 12 KR 21/11 R – juris, Rn. 21).

(bb) Die Beklagte stellte für die Beurteilung der Einkünfte zu Recht auch auf den Einkommensteuerbescheid für 2012 vom 3. März 2014 ab und nicht auf die im Einkommensteuerbescheid für 2014 vom 10. September 2015 ausgewiesenen Einkünfte, wie dies vom Kläger begehrt wird. Es ist nicht geboten, den Steuerbescheid, der bezüglich des Veranlagungszeitraums mit dem Zeitraum übereinstimmt, für den der Bestand einer Familienversicherung überprüft wird, heranzuziehen. Gegen eine derartige Verpflichtung spricht bereits, dass eine steuerliche Veranlagung nur im Nachhinein, also für abgelaufene Zeiträume erfolgt (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Januar 2014 L 1 KR 156/12 – juris, Rn. 17). Es kommen die dem Steuerpflichtigen eingeräumten Antragsfristen und die Bearbeitungsdauer der Finanzverwaltung hinzu. Feststellungen über das Einkommen trifft die Finanzverwaltung nur im Nachhinein. Entscheidungen über das Fortbestehen einer Versicherung sind aber grundsätzlich vorausschauend für die Zukunft und nicht rückwirkend für einen bereits vergangenen Zeitraum zu treffen (vgl. BSG, Urteil vom 7. Dezember 2000 – B 10 KR 3/99 R – juris, Rn. 29 f.). In diesem Zusammenhang kann ein für einen abgelaufenen Veranlagungszeitraum erstellter Steuerbescheid zwar nicht als Beleg für die aktuellen Verhältnisse, aber als Grundlage für eine zukunftsgerichtete Prognose dienen (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Januar 2014 – L 1 KR 156/12 – juris, Rn. 17 – auch zum Folgenden; ebenso bereits Beschluss des Senats vom 12. Juni 2015 – L 4 KR 4882/12 –, nicht veröffentlicht und Urteil des Senats vom 7. Dezember 2018 – L 4 KR 1453/17 –, nicht veröffentlicht). Damit erhalten die Krankenkassen eine tragfähige Grundlage für die von ihnen anzustellenden Berechnungen. Die Versicherten werden durch die entstehenden Ungenauigkeiten nicht übermäßig belastet, weil die Abweichungen zwischen den Prognosen und der tatsächlichen Entwicklung sich jedenfalls auf lange Sicht ausgleichen. Die Richtigkeit einer Prognoseentscheidung begründet sich aber aus den zum Zeitpunkt der Prognose vorhandenen Entscheidungsgrundlagen, nicht auf möglicherweise unvorhersehbare spätere Entwicklungen. Entsprechend sind Steuerbescheide nicht nach ihrem jeweiligen Veranlagungszeitraum, sondern jeweils ab dem Zeitpunkt ihres Erlasses für die Zukunft zu berücksichtigen, bis ein neuerer Steuerbescheid vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 6. November 2008 – B 1 KR 28/07 R – juris, Rn. 16 ff. zur Berechnung von Krankengeld; BSG, Urteil vom 2. September 2009 – B 12 KR 21/08 R – juris, Rn. 16 zur Berechnung von Beiträgen für Selbständige; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Januar 2014 – L 1 KR 156/12 – juris, Rn. 17 zu Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 SGB V). Dementsprechend war für die Beurteilung der Einkünfte der Versicherten ab 7. März 2014 nicht auf den vom Kläger im September 2015 vorgelegten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2014 vom 10. September 2015 abzustellen, sondern auf den zuvor ergangenen Einkommensteuerbescheid vom 3. März 2014 für das Jahr 2012.

Entsprechend den obigen Ausführungen war eine neue Beurteilung der Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit mit Erlass des Einkommensteuerbescheids für 2013 vom 4. Februar 2015 angezeigt. Die Beurteilung für die Zeit ab 1. März 2015 richtet sich daher nach den in diesem Bescheid ausgewiesenen Einkünften aus Gewerbebetrieb in Höhe von 1.612,00 EUR. Die Division des Jahresbetrages durch zwölf ergibt einen Monatsbetrag von 134,33 EUR. Zusammen mit den Einkünften aus der geringfügigen Beschäftigung von 350,57 EUR war der Grenzbetrag von 450,00 EUR im streitigen Zeitraum bis 31. Juli 2015 daher auch weiterhin überschritten. Die deutlich niedrigeren Einkünfte im Veranlagungsjahr 2014 ausweislich des Einkommensteuerbescheids vom 10. September 2015 hätten dementsprechend erst ab 1. Oktober 2015 herangezogen werden können. Im Hinblick auf die Aufgabe ihrer selbstständigen Tätigkeit zum 31. Juli 2015 führte die Beklagte die Versicherte jedoch bereits ab 1. August 2015 als familienversichertes Mitglied.

(3) Nicht zu beanstanden ist die Rücknahme des Bescheids vom 20. Mai 2014 mit Wirkung für die Vergangenheit. Denn dieser beruhte im Sinne des § 45 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X auf unvollständigen Angaben des Klägers zu den Einkünften der Versicherten. Hierbei handelte der Kläger auch grob fahrlässig. Grob fahrlässig handelt, wer die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X); das ist der Fall, wenn der Betroffene bei Anwendung eines subjektiven Sorgfaltsmaßstabs einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und deshalb nicht beachtet hat, was im gegebenen Falle jedem einleuchten muss (dazu Padé jurisPK-SGB X § 45 Rn. 91 m.N. zur Rechtsprechung des BSG). In dem vom Kläger unter dem 26. April 2014 ausgefüllten Einkommensfragebogen der Beklagten war im Hinblick auf die beantragte beitragsfreie Familienversicherung ausdrücklich nach der Höhe der Einkünfte des Ehegatten gefragt. Dabei wurden einzelne Einkunftsarten aufgeführt und bezüglich Einkünften aus der Ausübung einer Beschäftigung wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Angaben auch dann erforderlich sind, wenn es sich lediglich um eine geringfügige Beschäftigung handelt. Darin kommt hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass für die Prüfung der Familienversicherung die Höhe der im einzelnen erzielten Einkünfte von Bedeutung sind und maßgeblich dabei gerade auch Einkünfte aus einer geringfügigen Beschäftigung sind. Soweit der Kläger daher entsprechende Angaben unterließ, handelte er jedenfalls grob fahrlässig.

(4) Die Beklagten übten ihr Ermessen zutreffend aus. Zwar enthält der Bescheid vom 10. Juni 2015 keine Ermessenserwägungen, jedoch holten die Beklagten diese mit ihren Ausführungen im Schreiben vom 14. Januar 2016 mit heilender Wirkung (vgl. § 41 Abs. 1 Nr. 2 SGB X) nach. Ermessensfehler sind dabei nicht ersichtlich. Entsprechendes hat auch der Kläger nicht geltend gemacht. Schließlich hielt die Beklagte auch die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X ein.

ee) Soweit die Beklagten mit Bescheid vom 10. Juni 2015 die Feststellung trafen, dass die Voraussetzungen der Familienversicherung der Versicherten ab 7. März 2014 nicht vorlagen (Verfügungssatz 2), erweist sich dies als rechtswidrig. Denn dieser Feststellung steht der bestandskräftig gewordene Bescheid vom 21. Mai 2014 entgegen, mit dem die Beklagte zu 1 gegenüber dem Kläger feststellte, dass für die Versicherte seit 7. März 2014 ein umfassender Kranken- und Pflegeversicherungsschutz im Rahmen der Familienversicherung besteht. Bei dieser Feststellung gegenüber dem Stammversicherten handelt es sich um einen Bescheid mit Drittwirkung, der Rechtswirkungen auch gegenüber der Versicherten entfaltet (vgl. BSG, Urteil vom 25. August 2004 – B 12 KR 36/03 R – juris, Rn. 12). Dieser Bescheid erweist sich zwar als rechtswidrig, weil die Voraussetzung für eine Familienversicherung der Versicherten ab 7. März 2014 – wie dargelegt – nicht vorlagen und die Beklagten den die Familienversicherung feststellenden Bescheid vom 20. Mai 2014 zu Recht zurücknahmen. Gleichwohl entfaltet der Bescheid vom 21. Mai 2014 (weiterhin) Bindungswirkung gegenüber der Versicherten. Denn die Rücknahmeentscheidung der Beklagten (Verfügungssatz 1) erfasste diesen Bescheid nicht. Der Bescheid vom 21. Mai 2014 findet weder im Bescheid vom 10. Juni 2015 noch in dem diesen ergänzenden Schreiben vom 14. Januar 2016 Erwähnung und auch im Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 2016 wird der Bescheid vom 21. Mai 2014 nicht genannt. Die Bindungswirkung, die der Bescheid vom 21. Mai 2014 gegenüber der Versicherten als Drittbetroffene entfaltet, ist auch vom Senat zu beachten.

b) Der Bescheid vom 8. Juli 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Mai 2016, mit dem die Beklagten zum einen feststellten, dass die Versicherte ab 7. März 2014 weiterhin freiwillig krankenversichert und in der Pflegeversicherung pflichtversichert ist und zum anderen ab 7. März 2014 Beiträge erhoben, ist rechtwidrig.

Mit dem "Mitgliedschaftsantrag" vom 6. Juli 2015 zeigte die Versicherte ihren Beitritt zur Beklagten zu 1 ab 7. März 2014 an. Allerdings lagen die Voraussetzungen, unter denen ein Beitritt zur (freiwilligen) Versicherung möglich ist, nicht vor. Eine freiwillige Mitgliedschaft wurde daher nicht begründet. Es lagen insbesondere nicht die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Nr. 2 SGB V vor, wonach Personen deren Versicherung nach § 10 SGB X erlischt, zu einem Beitritt berechtigt sind. Zwar nahmen die Beklagten mit Bescheid vom 10. Juni 2015 die gegenüber der Versicherten mit Bescheid vom 20. Mai 2014 erfolgte Feststellung der Familienversicherung ab 7. März 2014 zurück, jedoch bestand für die Versicherte wegen der Bestandskraft des Bescheids vom 21. Mai 2014 – wie ausgeführt – gleichwohl ab 7. März 2014 eine Familienversicherung. Diese stand dem Beitritt zur freiwilligen Versicherung entgegen. Da die Versicherte nicht freiwilliges Mitglied der Beklagten zu 1 in der gesetzlichen Krankenversicherung wurde, wurde sie zugleich auch nicht gemäß § 20 Abs. 3 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten zu 2 in der sozialen Pflegeversicherung. Sie war damit auch nicht verpflichtet, vom 7. März 2014 bis 31. Juli 2015 Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu entrichten.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG findet § 193 SGG keine Anwendung. Weder der Kläger noch die Beklagte gehört zu den in § 183 SGG genannten Personen. Der Kläger kann den geltend gemachten Anspruch auf Aufhebung der angefochtenen Bescheide nur als Erbe, nicht jedoch als Stammversicherter oder Sonderrechtsnachfolger nach § 56 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) geltend machen, da er in eigenem Namen keinen Rechtsbehelf eingelegt hat. Er ist nicht Sonderrechtsnachfolger der Versicherten, da ihm fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen nicht zustehen. Streitig sind nämlich nicht Leistungen der verstorbenen Ehefrau des Klägers, sondern von dieser zu zahlende Beiträge sowie die Frage, ob im streitigen Zeitraum eine Familienversicherung bestand. Durch das vorliegende Obsiegen steht dem Kläger daher lediglich als Erbe ein Erstattungsanspruch hinsichtlich der - wegen der fehlenden aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs - erfolgten vorläufig gezahlten Beiträge zu.

5. Die endgültige Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 1 Abs. 2 Nr. 3, 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1 und 3 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers (§ 47 Abs. 1 Satz 1 GKG). Die Beklagte wandte sich gegen die Aufhebung der vom Kläger angefochtenen Bescheide vom 10. Juni 2015 und 8. Juli 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Mai 2016 sowie die Feststellung, dass für die Zeit vom 7. März 2014 bis 31. Juli 2015 die Voraussetzungen für die Familienversicherung der Ehefrau des Klägers vorlagen. Ihr wirtschaftliches Interesse ergibt sich daher aus der Höhe der im Zeitraum vom 7. März 2014 bis 31. Juli 2015 mit Bescheid vom 8. Juli 2015 festgesetzten Beiträge. Dies sind – so zutreffend die Angaben der Beklagten im Berufungsverfahren – insgesamt 2.665,44 EUR (7. bis 31. März 2014: 24/30 von 156,22 EUR =124,97 EUR, April bis Dezember 2014: 156,22 EUR mal 9 Monate = 1.405,98 EUR; Januar bis Juli 2015: 162,07 mal 7 Monate =1.134,49 EUR). Für die Anfechtung des Bescheids vom 10. Juni 2015 und die im Urteil des SG ausgesprochene Feststellung ist kein gesonderter Streitwert festzusetzen, da derselbe Streitgegenstand betroffen ist. Eine Zusammenrechnung gemäß § 39 Abs. 1 GKG scheidet daher aus.

Das wirtschaftliche Interesse des Klägers im Klageverfahren betrug gleichermaßen 2.665,44 EUR. Insoweit hat der Senat die unterbliebene Festsetzung des Streitwerts nachgeholt (vgl. BSG, Urteil vom 5. Oktober 2006 – B 10 LW 5/05 R – juris, Rn. 23; LSG Schleswig, Beschluss vom 14. März 2006 – L 4 KA 3/04 – juris, Rn. 11 ff m.w.N. zum Streitstand; OLG Celle, Beschluss vom 24. April 2002 – 13 U 150/00 – juris, Rn. 2; OVG Lüneburg, Beschluss vom 29. April 2015 – 1 ME 43/15 – juris, Rn. 10).

6. Die Revision war nicht zuzulassen. Angesichts der dargelegten höchstrichterlichen Entscheidungen liegen Gründe hierfür nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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