L 8 SB 367/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 SB 3054/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 367/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Regelung in § 131 Abs. 5 SGG ist als Ausnahmeregelung eng auszulegen. Sie greift erst dann, wenn die im konkreten Fall an die Aufklärung des Sachverhalts zu stellenden Mindestanforderungen unterschritten werden (Fortführung von LSG Sachsen, Urteil vom 15.12.2011 – L 3 AS 619/10 –, juris Rn. 21; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.10.2015 – L 5 R 4256/13 –, juris Rn. 39). 2. In Angelegenheiten des Schwerbehindertenrechts kann die Behörde den Anforderungen der Amtsermittlung in geeigneten Fällen bereits dadurch genügen, dass sie die behandelnden Ärzte des Antragstellers anhört und diese der Behörde unter Berücksichtigung der weiteren vorliegenden medizinischen Unterlagen ein schlüssiges und überzeugendes Bild von den Funktionsbeeinträchtigungen des Antragstellers vermitteln. 3. Eine in wesentlichen und entscheidungserheblichen Punkten von der herrschenden Meinung oder vom Obergericht abweichende Rechtsauffassung erfordert regelmäßig einen besonderen rechtlichen Begründungsaufwand, welcher der Annahme eines Falles ohne besondere rechtliche Schwierigkeiten im Sinne von § 105 Abs. 1 SGG grundsätzlich entgegensteht.
Auf die Berufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15.01.2020 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50 streitig.

Die im Jahr 1980 geborene Klägerin stellte erstmals am 06.02.2017 einen Antrag nach § 69 SGB IX. Das Landratsamt K. (LRA) zog einen Befundbericht des Orthopäden M. bei und setzte mit Bescheid vom 25.09.2017 nach Einholung einer versorgungsmedizinischen Stellungnahme von Dr. K. vom 14.09.2017 den GdB auf 20 fest. Hierbei wurden ein chronisches Schmerzsyndrom sowie ein Fibromyalgiesyndrom als Funktionsstörungen berücksichtigt.

Am 28.08.2018 beantragte die Klägerin die Neubewertung des GdB und gab an, dass sie bei Dr. St., PD Dr. W. und Dr. T. wegen einer Fibromyalgie und einer Arthrose in Behandlung sei.

Das LRA forderte mit Schreiben vom 28.09.2018 eine klinische Befundbeschreibung über die ihm bekannten Gesundheitsstörungen mit Art und Ausmaß der durch sie verursachten Funktionsbeeinträchtigungen ohne Diagnoseaufzählung, ohne gutachterliche Äußerung und Untersuchung, bei dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. St. an. Dr. St. machte mit Schreiben vom 08.11.2018 Angaben über die von ihm erhobenen Befunde und reichte Befundberichte sowie eine ärztliche Verordnung einer Vorsorgemaßnahme nach § 24 SGB V (Mutter-Kind-Kur) ein.

Das LRA zog den Abschlussbericht über die Vorsorgemaßnahme nach § 24 SGB V vom 07.11.2018 bis zum 28.11.2018 in der AKH in R. sowie einen Befundbericht der Rheumatologin Dr. B. vom 05.12.2018 sowie des Neurologen und Psychiaters PD Dr. W. vom 10.12.2018 bei.

Nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. Z. vom 04.02.2019, welche keine wesentliche und anhaltende Verschlimmerung der somatoformen Schmerzen sah, lehnte das LRA die Neufeststellung mit Bescheid vom 11.02.2019 ab.

Die Klägerin legte hiergegen am 05.03.2019 Widerspruch ein und vertrat hierzu die Auffassung, dass die beigezogenen Befundberichte eine wesentliche Verschlimmerung des Schmerzsyndroms belegten. Zudem seien weitere Gesundheitsstörungen in Gestalt einer Gonarthrose sowie eines Raynaud-Syndroms hinzugetreten. Ein GdB von 50 sei leidensgerecht.

Das LRA zog Befundberichte des Orthopäden Dr. T., von PD Dr. W. sowie von Dr. St., M. und Dr. W. bei. Anschließend wies der Beklagte nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. S. vom 05.08.2019 den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15.08.2019 zurück. Zwar seien zusätzlich "Knorpelschäden am rechten Kniegelenk" und ein Raynaud-Syndrom zu berücksichtigen. Hierbei handele es sich jedoch nur um zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nicht geeignet sein, den bisherigen Gesamt-GdB von 20 zu erhöhen.

Die Klägerin hat am 16.09.2019 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und zur Begründung vorgetragen, dass sich aus dem Befundbericht von Dr. B. vom 05.12.2018 eine wesentliche schwerwiegende Verschlechterung ergebe. Außerdem werde sie wegen ihrer psychischen Beeinträchtigungen bei PD Dr. W. behandelt. Es sei ein Sachverständigengutachten einzuholen.

Weiter hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 11.12.2019 vorgetragen, dass zusätzlich zu den bereits bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen eine Stimmlippenleukoplakie beidseits eingetreten sei, die vom 30.10.2019 bis zum 31.10.2019 operativ im Klinikum K. behandelt worden sei. Dr. St. habe eine weitere medizinische Rehabilitation beantragt.

Mit Schreiben vom 16.12.2019 hat das SG ausgeführt, es werde erheblicher Ermittlungsbedarf gesehen, um über den geltend gemachten Anspruch entscheiden zu können. Der Beklagte dürfte die erforderlichen Begutachtungen viel schneller bewerkstelligen können als das angerufene Gericht, da er über einen eigenen versorgungsärztlichen Dienst verfüge und nicht auf externe Gutachter angewiesen sei. Deswegen sei die Zurückverweisung der Sache an den Beklagten sachdienlich. Das Gericht habe die Absicht, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen ab Zugang der Anhörung gegeben worden.

Der Beklagte ist der beabsichtigten Verfahrensweise mit Schriftsatz vom 30.12.2019 entgegengetreten. Im Hinblick auf die bislang höchstrichterlich nicht geklärte Frage, inwieweit der Verwaltung über das Instrument der Zurückverweisung eine bestimmte Art und Weise der Sachverhaltsermittlung vorgeschrieben werden könne, habe der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung. Außerdem weiche der beabsichtigte Gerichtsbescheid von der Rechtsprechung verschiedener Landessozialgerichte (LSG), nämlich Berlin-Brandenburg (Urteil vom 19. April 2012 - L 11 SB 45/11) und Sachsen-Anhalt (Urteil vom 5. Mai 2011 - L 7 SB 54/09) ab, denn die Beweiserhebung gehöre zum sozialgerichtlichen Alltag und sei deshalb für die Gerichte regelmäßig nicht mit einem erheblichen Aufwand verbunden. Auch liege kein weiterer erheblicher Ermittlungsbedarf vor. Der versorgungsärztliche Dienst habe die beigezogenen Befundberichte und den Abschlussbericht der stationären Vorsorgemaßnahme ausgewertet und keine Anhaltspunkte für anhaltende funktionelle Bewegungseinschränkungen im Bereich der Gliedmaßen oder des Rumpfes gesehen. Der Ganzkörperschmerz stehe im Vordergrund. Die Klägerin befinde sich in psychiatrischer Behandlung bei PD Dr. W. Die angeratene Psychotherapie sei bislang nicht in Anspruch genommen worden. Auch eine Schmerztherapie werde trotz ärztlicher Empfehlung nicht durchgeführt. Nach dem erkennbaren Leidensdruck, welcher nach ständiger Rechtsprechung des LSG Baden – Württemberg (Urteil vom 08.04.2019, L 8 SB 1065/18) ein wesentliches Indiz darstelle, könne eine mehr als leichtgradige Störung nicht angenommen werden. Es sei auch unklar, inwieweit der entscheidungsrelevante Sachverhalt noch substantiiert aufzuklären sei, zumal offen sei, ob der versorgungsärztliche Dienst des zuständigen Landratsamtes überhaupt über Fachärzte derjenigen medizinischen Fachrichtungen verfüge, in denen eine Begutachtung mit ambulanter Untersuchung für notwendig erachtet werde. Die Kammer habe auch nicht mitgeteilt, welchen konkreten Ermittlungsbedarf sie im Streitfall auf nervenärztlichen und orthopädischem Gebiet noch sehe. Mittlerweile seien neun Berufungsverfahren gegen Zurückverweisungsentscheidungen der 12. Kammer des SG Karlsruhe in vergleichbaren Fällen beim LSG Baden-Württemberg anhängig. Über einige der Berufungen werde der 6. Senat in seiner mündlichen Verhandlung am 23.01.2020 entscheiden. Es erscheine dem Beklagten auch mit Blick auf die Interessen der Klägerin nicht sachdienlich, wenn das Gericht vor Abschluss dieser Berufungsverfahren nun eine weitere Zurückverweisungsentscheidung treffe, die wegen der grundsätzlichen Problematik wiederum mit der Berufung angefochten werden müsste, wodurch letztlich nur Zeitverzögerungen und zusätzliche Kosten für die Beteiligten entstünden. Der Beklagte beantrage daher das Ruhen des vorliegenden Verfahrens.

Mit Gerichtsbescheid vom 15.01.2020 (veröffentlicht in juris) hat das SG den Bescheid vom 11.02.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.08.2019 aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung über den Neufeststellungsantrag an den Beklagten zurückverwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Frist für die Zurückverweisung sei zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht abgelaufen, weil seit dem erstmaligen Eingang der Verwaltungsakte am 09.10.2019 bei Gericht noch keine sechs Monate verstrichen seien. Die Kammer sehe für die Entscheidung über den Gesamt-GdB noch erheblichen Ermittlungsbedarf auf orthopädischem und nervenärztlichem Fachgebiet. Denn die aktenkundigen gutachterlichen Stellungnahmen des versorgungsärztlichen Dienstes erlaubten keine abschließende sozialmedizinische Bewertung, weil sie nicht auf einer aktuellen, von den Zwängen eines Patientenverhältnisses unabhängigen Anamnese, Befunderhebung, Diagnostik und unvoreingenommenen Würdigung des bisherigen Therapieverlaufes beruhten, sowie keine nachvollziehbare sozialmedizinische Würdigung erkennen ließen, welche seitens des Gerichts auf ihre Schlüssigkeit hin überprüfbar wäre. Die Versorgungsärzte hätten lediglich verschiedene Einzel-GdB ohne Bezugnahme auf konkret heranzuziehende Beurteilungsmaßstäbe aufgeführt. Bei lebensnaher Betrachtung seien die Angaben der behandelnden Ärzte hinsichtlich der Belastbarkeit ihrer Befundberichte, Diagnosen und sozialmedizinischen Einschätzungen unter Berücksichtigung der legitimen Eigeninteressen sowie den Ansprüchen ihrer Patienten nicht valide.

Auch könne von einem behandelnden Orthopäden nicht die genaue Erhebung der Bewegungsmaße erwartet werden, noch weniger die Objektivierung der vorgetragenen Beschwerden. Die Gesundheitsstörungen an der Wirbelsäule, der Hüfte, des linken Knies sowie der Schulter könnten jeweils ohne Weiteres einen Einzel-GdB von 20 begründen. Dies sei insbesondere nach Teil B Nr. 18 VG der Fall, wenn häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome vorlägen oder entsprechende Bewegungseinschränkungen gegeben seien. Dies sei gutachterlich ambulant zu untersuchen und unter Berücksichtigung der aktenkundigen Beschwerdeschilderung nach einer gebotenen Konsistenzprüfung zu bewerten. Aufgrund der aktenkundigen Unterlagen lasse sich das Ausmaß der Teilhabebeeinträchtigung durch das chronische Schmerzsyndrom sowie das Fibromyalgiesyndrom nicht abschließend beurteilen. Ohne eine nervenärztlich durchgeführte anamnestische Erhebung des Tagesablaufs, der sozialen Einbindung und des psychischen Befundes anhand einer mehrstündigen Untersuchung unter ggfs. ergänzender testpsychologischer und/oder laborchemischer Objektivierung der hierbei gewonnenen Erkenntnisse und deren Abgleich mit den bereits aktenkundigen Anknüpfungstatsachen lasse sich nicht mit einer über vernünftige Zweifel erhabenen Wahrscheinlichkeit feststellen, ob die Störungen der Klägerin im Vergleich zum alterstypischen Gesundheitszustand nur "leichterer" Natur sind, ob sie die Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit bereits "stärker behindern", sogar "mittelgradige" Anpassungsschwierigkeiten bedingen oder "schwere" soziale Anpassungsstörungen bereiten. Die Kammer vermöge derartige Erhebungen und Bewertungen mangels eigener nervenärztlicher Sachkunde und der hierfür erforderlichen sächlichen Ausstattung nicht im Rahmen einer dem ärztlichen Gutachter vorbehaltenen ambulanten Untersuchung selbst zu bewerkstelligen und sei daher auf die Einholung externen Sachverstands angewiesen. Die Kammer folge auch nicht der ständigen Rechtsprechung des 6. Senats des LSG Baden – Württemberg (Urteil vom 22.02.2018 – L 6 SB 4718/16 -, juris), wonach weitere Ermittlungen zum Ausmaß psychisch bedingter Teilhabebeeinträchtigungen bei fehlender einschlägiger Behandlung entbehrlich sein könnten, zumal vorliegend auch eine einschlägige Behandlung bei PD Dr. W. erfolge. Die Einholung eines einzigen Sachverständigengutachtens sei bereits "erheblich" im Sinne der Vorschrift des § 131 Abs. 5 SGG für eine Zurückverweisung an die Verwaltung. Die Zurückverweisung, die im Ermessen des SG stehe, sei auch sachdienlich. Das diesbezügliche Entschließungsermessen sei auf Null reduziert, weil diese dem öffentlichen Interesse an einer verfassungsmäßigen Verwaltung, dem Interesse beider Beteiligter an der Beschleunigung des Verfahrens und dem pekuniären Interesse des Beklagten an einem möglichst geringen Kostenaufwand diene.

Gegen den am 20.01.2020 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Beklagte am 27.01.2020 Berufung beim LSG Baden-Württemberg mit der Begründung eingelegt, die Zurückverweisung an die Verwaltung habe Ausnahmecharakter, und ihre Tatbestandsvoraussetzungen seien entsprechend eng auszulegen. Im Einzelfall bestehe kein erheblicher Ermittlungsbedarf, der eine solche Zurückverweisung auch in der Sache geboten mache. Wie ermittelt werde, sei in das weite Ermessen der Verwaltung gestellt. Die Sachverhaltsaufklärung könne auch durch Untersuchung oder Auswertung beigezogener Befundberichte stattfinden. Ansonsten sei das Sozialgericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht gehalten, die von ihm noch für erforderliche ärztliche Sachverhaltsaufklärung selbst durchzuführen. Überdies gehöre eine solche Beweiserhebung zum sozialgerichtlichen Alltag. Die Zurückverweisung sei auch nicht sachdienlich, da sie der Klägerin keine Verbesserung ihrer materiell-rechtlichen Position bringe. Die Entscheidung hätte nicht durch Gerichtsbescheid ergehen können. Der Beklagte hat hierzu eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. W. vom 05.02.2020 vorgelegt, wonach das chronische Schmerzsyndrom und das Fibromyalgiesyndrom nach Teil A 2 e) VG im Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche zu bewerten sei. Da eine entsprechende Therapie, insbesondere Psychotherapie, nicht belegt sei, könne unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des LSG Baden-Württemberg kein höherer GdB als 20 anerkannt werden. Entsprechend ausgeprägte Funktionseinschränkungen in Verbindung mit dem rechten Kniegelenk und dem Raynaud-Syndrom, mit welchen ein höherer GdB als 10 jeweils nachgewiesen werden könne, würden nicht beschrieben. Zum Gesamt-GdB sei zu sagen, dass ausgehend vom führenden GdB von 20 für das chronische Schmerzsyndrom und das Fibromyalgiesyndrom die beiden weiteren GdB von 10 für die Knorpelschäden am rechten Kniegelenk und das Raynaud-Syndrom sich auf den Gesamt-GdB nicht auswirkten. Ein Ausnahmefall nach Teil A 3 d) VG liege nicht vor.

Der Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15.01.2020 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückzuverweisen, hilfsweise die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie hat zur Berufungserwiderung auf das Vorbringen im Verwaltungs- und Klageverfahren verwiesen, wonach eine wesentliche Verschlechterung der bereits bestehenden Gesundheitsstörungen vorliege und zudem weitere Gesundheitsstörungen hinzugetreten seien. Die Entscheidung des SG, das Verfahren zur Durchführung von Ermittlungen an den Beklagten zurückzuverweisen, sei nicht zu beanstanden. Eine ambulante psychiatrische Begutachtung sei erforderlich und vom Beklagten zu veranlassen. Im Übrigen widerspreche sich der Beklagte selbst, wenn er einerseits davon ausgehe, dass kein erheblicher Ermittlungsbedarf vorliege, andererseits jedoch anführe, dass die Voraussetzungen einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht vorlägen, da besondere Schwierigkeiten tatsächlicher Art bestünden.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG erklärt (Schreiben vom 27.03.2020 und vom 06.04.2020).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist zulässig und im Sinne der Zurückverweisung an das SG begründet.

Nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann das LSG durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das SG zurückverweisen, wenn dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden. Die Regelung ist entsprechend anzuwenden, wenn das SG einen Verwaltungsakt zu Unrecht aus formellen Gründen beziehungsweise ohne Sachentscheidung aufgehoben hat, der Klage also – wie hier – teilweise stattgegeben wurde, ohne zu den eigentlichen Fragen Stellung zu nehmen (LSG für das Saarland, Urteil vom 27. Juni 2017 - L 5 SB 45/16 -, juris, Rn. 22; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 5. Mai 2011 - L 7 SB 42/09 -, juris, Rn. 16; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. Januar 2009 - L 4 R 1519/08 -, juris, Rn. 18; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17. März 2010 - L 8 R 145/09 -, juris, Rn. 16). Erfolgt demnach durch das Sozialgericht eine Zurückverweisung nach § 131 Abs. 5 SGG an die Verwaltung, kann der Rechtstreit durch die 2. Instanz analog § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG an das Sozialgericht zurückverwiesen werden, wenn die Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 SGG nicht vorliegen. Im Rechtsmittelverfahren sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 SGG, d.h. noch erforderliche Ermittlungen, Erheblichkeit der Ermittlungen und Sachdienlichkeit der Zurückverweisung unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten uneingeschränkt überprüfbar (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. Januar 2019 – L 3 U 63/18 –, Rn. 21, juris, m.w.N.).

Die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung liegen sowohl nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG als auch nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG zur Überzeugung des Senats vor, da die Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 SGG nicht erfüllt waren (Zurückverweisung nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG, hierzu unter I.). Zudem waren die Voraussetzungen des § 105 SGG nicht erfüllt, und das SG hat somit verfahrensfehlerhaft durch Gerichtsbescheid entschieden (Zurückverweisung nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG, hierzu unter II.).

I. Die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG liegen vor, da das SG zu Unrecht die angefochtene Verwaltungsentscheidung aufgehoben hat, ohne in der Sache zu entscheiden.

Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist, § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG.

Ein Verstoß gegen § 131 Abs. 5 SGG stellt einen von Amts wegen zu beachtenden Verfahrensmangel dar, der in der Rechtsmittelinstanz fortwirkt und auch noch in der Revisionsinstanz zu beachten und erforderlichenfalls zu korrigieren ist (BSG, Urteil vom 25. April 2013 – B 8 SO 21/11 R –, SozR 4-3500 § 43 Nr. 3).

Eine Zurückverweisung nach § 131 Abs. 5 SGG muss unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich sein. Daran fehlt es vorliegend (nachfolgend 1.) Im Übrigen hat das SG auch fehlerhaft von seinem Ermessen Gebrauch gemacht, insbesondere unzutreffend eine Ermessensreduzierung auf Null angenommen (nachfolgend 2.).

1. Sachdienlichkeit im Sinne von § 131 Abs. 5 SGG liegt in der Regel nur vor, wenn die Behörde nach ihrer personellen und sachlichen Ausstattung die Ermittlungen besser durchführen kann als das Gericht und es unter übergeordneten Gesichtspunkten vernünftiger und sachgerechter ist, diese tätig werden zu lassen (BT-Drucks. 11/7030, S. 30; BSG, Urteil vom 25. April 2013 – B 8 SO 21/11 R –, SozR 4-3500 § 43 Nr. 3, Rn. 15; BSG, Urteil vom 17. April 2007 – B 5 RJ 30/05 R –, BSGE 98, 198-205, SozR 4-1500 § 131 Nr. 2; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. Mai 2019 – L 18 AS 2147/18 –, Rn. 16, juris).

Darüber hinaus wird auch die Auffassung vertreten, dass eine Zurückverweisung zur Einholung (behörden-)externer Gutachten generell nicht sachdienlich ist, da dies in gleicher Weise durch das Gericht erfolgen kann. Allein Kostengründe dürften nicht ausschlaggebend sein. In der Regel soll dies auch für die Einholung von Zeugenauskünften gelten, es sei denn, die Behörde ist hierzu besser in der Lage (z.B. örtliche Entfernung, Stellungnahme von Mitarbeitern; Bolay in Lüdtke/Berchtold, Sozialgerichtsgesetz, SGG § 131 Rn. 29, 30, beck-online).

Die Berücksichtigung der Belange der Beteiligten richtet sich hierbei nach dem Einzelfall. Bei kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklagen ist der mögliche Zeitverlust bis zum Erreichen einer bindenden Entscheidung besonders zu berücksichtigen, weil hier das Bedürfnis des Rechtssuchenden nach einer abschließenden gerichtlichen Entscheidung wesentlich stärker ist als bei reinen Anfechtungsklagen. In diesen Fällen ist für eine Zurückverweisung nach § 131 Abs. 5 SGG in der Regel ein gravierendes Ermittlungsdefizit erforderlich, etwa das Fehlen jeglicher Ermittlungen, die Unverwertbarkeit des Ermittlungsergebnisses (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Aufl. 2017, § 131 Rn. 19a), oder jedenfalls ein Unterschreiten der an eine Sachaufklärung zu stellenden Mindestanforderungen (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20. Oktober 2015 – L 11 R 2841/15 –, Rn. 21, juris). Erst für den Fall eines eklatanten Ermittlungsdefizits oder -ausfalls ist ggfs. der Weg über die Zurückverweisung nach § 131 Abs. 5 SGG zu wählen (Kröner/Westermeyer, SGb 2020, 204, 209).

Jedenfalls im Regelfall ist demnach bei Verpflichtungs- oder Leistungsklagen eine Zurückverweisung nur gerechtfertigt, wenn Mindestanforderungen an die vorzunehmenden Ermittlungen nicht erfüllt wurden und die begründete Möglichkeit besteht, dass die noch erforderlichen weiteren erheblichen Ermittlungen, insbesondere wegen der personellen und sachlichen Ausstattung der Behörde (etwa mit einem ärztlichen Dienst), inhaltlich besser oder schneller vonstattengehen als bei Gericht (BSG, Urteil vom 25. April 2013 – B 8 SO 21/11 R –, SozR 4-3500 § 43 Nr 3, Rn. 15).

Die Regelung in § 131 Abs. 5 SGG dient indes – ebenso wie die Regelung in § 159 SGG – nicht dazu, dem jeweils vorherigen Entscheidungsträger das eigene gerichtliche Verständnis von ausreichender Sachverhaltsaufklärung (welches von Gericht zu Gericht erfahrungsgemäß sehr unterschiedlich sein kann) als verbindlich vorzuschreiben, sondern vielmehr dazu, in Ausnahmefällen bei Unterschreitung der an eine Sachaufklärung zu stellenden Mindestanforderungen eine erneute Entscheidung des vorhergehenden Entscheidungsträgers unter Durchführung weiterer (oder im Einzelfall sogar erstmaliger) Ermittlungen zu erwirken (LSG Sachsen Urteil vom 15.12.2011 – L 3 AS 619/10, BeckRS 2012, 6902, beck-online; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Oktober 2015 – L 5 R 4256/13 –, Rn. 39, juris; Roos/Wahrendorf/Aussprung, 1. Aufl. 2014 Rn. 93, SGG § 131 Rn. 93).

Vorliegend lagen dem Beklagten bei seiner Entscheidung umfangreiche medizinische Unterlagen vor. Insbesondere ist hier auf den Abschlussbericht über die Vorsorgemaßnahme nach § 24 SGB V vom 07.11.2018 bis zum 28.11.2018 in der AKH in R. hinzuweisen, der umfassende Informationen über den aktuellen Gesundheitszustand nach einer dreiwöchigen medizinischen Begleitung der Klägerin beinhaltete. Hierzu gehören eine schlüssige Diagnostik unter Angabe der ICD 10-Diagnosen, eine Verlaufsbeobachtung, eine psychologische Dokumentation und Vorschläge für weitere Maßnahmen zur Stabilisierung der Gesundheit. Darüber hinaus lagen dem Beklagten auch die Auskünfte des Allgemeinmediziners Dr. St. sowie die Befundberichte der Rheumatologin Dr. B. vom 05.12.2018 und des Neurologen und Psychiaters PD Dr. W. vom 10.12.2018 vor. Im Widerspruchsverfahren wurden zusätzlich Befundberichte des Orthopäden Dr. T., des Orthopäden M. und der Internistin und Rheumatologin Dr. W. sowie aktualisierte Berichte von PD Dr. W. sowie von Dr. St. beigezogen. Bis zu der Entscheidung durch den Bescheid vom 11.02.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.08.2019 lagen darüber hinaus auch zwei versorgungsärztliche Stellungnahmen (von Dr. Z. und von Dr. S.) vor.

Angesichts des hierdurch möglichen Gesamtbildes von den Erkrankungen und Beeinträchtigungen der Klägerin lag es auch im wohlverstandenen Interesse der Klägerin, nach diesem Ermittlungsergebnis eine Entscheidung über den GdB zu treffen. Jedenfalls die Mindestanforderungen an die vorzunehmenden Ermittlungen waren für die von dem Beklagten zu treffende Entscheidung erfüllt. Diese Vorgehensweise hatte für die Klägerin neben einem Zeitgewinn auch den nicht unerheblichen Vorteil, dass die neu bekannt gewordenen Erkrankungen in Form von Knorpelschäden am rechten Kniegelenk und das Raynaud-Syndrom von dem Beklagten nicht infrage gestellt wurden, wie dies in anderen Sozialversicherungsbereichen häufiger zu beobachten ist, sondern umgehend der Bewertung zugrunde gelegt wurden. Insgesamt zeichnete sich die Vorgehensweise des Beklagten damit durch einen angemessenen Ausgleich zwischen der Pflicht zur Amtsermittlung und der Pflicht zur zügigen Durchführung des Verwaltungsverfahrens aus.

Auch sofern das SG darauf abstellt, dass der Beklagte über einen versorgungsärztlichen Dienst verfügt und insofern nicht auf externe Gutachter angewiesen sei, vermögen die Ausführungen des SG nicht zu überzeugen. Denn die von dem SG im Einzelfall und aufgrund der von ihm angenommenen allgemeinen Pflicht zur intensiveren Begutachtung für erforderlich gehaltenen weiteren Ermittlungen überschreiten offenkundig die Kapazitäten des versorgungsärztlichen Dienstes des Beklagten. Hiervon geht auch das SG selbst explizit aus, wenn es auf S. 14 unten seiner Entscheidungsgründe seine Auffassung darlegt, dass die Entscheidungsträger der Versorgungsverwaltung "chronisch unzureichend ausgestattet" und gleichzeitig einem "massiven Erledigungsdruck" ausgesetzt seien. Das SG räumt an dieser Stelle ein, dass es die sachlichen Voraussetzungen für eine weitergehende Ermittlung durch den Beklagten als nicht gegeben ansieht, weil (auch) diesem hierzu die erforderlichen Mittel fehlten (vgl. zu diesem Argument auch Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Januar 2020 – L 6 SB 3637/19 –, Rn. 39, juris). Insofern erweist sich die Entscheidung des SG im Ergebnis als der unzulässige Versuch, eine andere allgemeine Verfahrensweise des Beklagten durchzusetzen, ohne dass die Belange der Klägerin im konkreten Einzelfall hierbei jedoch ausreichend berücksichtigt worden sind.

Der Senat weist des Weiteren darauf hin, dass im Klageverfahren aktuelle Befundberichte eingereicht wurden, welche das SG nicht nur nach seinen eigenen, im angefochtenen Gerichtsbescheid vom 15.01.2020 aufgestellten Maßstäben, sondern auch nach § 103 SGG hätten veranlassen müssen, von Amts wegen das Ausmaß der Teilhabeeinschränkung durch die Stimmlippenleukoplakien und die chronische Laryngitis beidseits abzuklären. Die Klägerin befand sich nach den im Klageverfahren am 12.12.2019 eingereichten Berichten von Prof. Dr. T., Abteilung Phoniatrie und Pädaudiologie, Klinikum K. zunächst am 09.10.2019 ambulant und nachfolgend stationär vom 30.10.2019 auf den 31.10.2019 in Behandlung. Zudem hat die Klägerin eine Verordnung und Vorlage zur Prüfung des zuständigen Rehabilitationsträgers vom 17.10.2019 von Dr. St. eingereicht. Das SG hätte daher den Ausgang des Antragsverfahrens und die Absolvierung einer weiteren Rehabilitationsmaßnahme abwarten müssen, da Entlassungsberichte aus Rehabilitationsmaßnahmen als Erkenntnisgrundlage oftmals einem Gutachten gleichkommen.

Das SG dürfte somit zwar zutreffend einen weiteren Ermittlungsbedarf bejaht haben. Die Voraussetzungen der Sachdienlichkeit einer Zurückverweisung wegen wesentlicher unterlassener Ermittlungen lagen jedoch nicht vor, und damit auch nicht die (Tatbestands-)Voraussetzungen für eine Zurückweisung. Aufgrund der fehlerhaften Beurteilung der Sachdienlichkeit hat das SG die Voraussetzungen der Eröffnung des Ermessens zu Unrecht angenommen (mit dieser Konsequenz auch Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 26. Januar 2017 – L 3 AS 41/14 –, Rn. 26, juris).

2. Ohne dass es hierauf danach noch ankäme, ist hinsichtlich der berufungs- und revisionsgerichtlichen Überprüfung der Ausübung des Ermessens darauf hinzuweisen, dass bereits auf Tatbestandsebene im Rahmen der unbestimmten Rechtsbegriffe der "Erheblichkeit" des Ermittlungsaufwandes und der "Sachdienlichkeit" der Aufhebung unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten eine umfassende Würdigung der Qualität des Rechtsschutzinteresses und der Prozessökonomie erfolgt. Damit bleibt wenig Raum für eine darüber hinaus gehende Ermessensbetätigung und eine entsprechende Überprüfung für das Berufungsgericht (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 19. Dezember 2018 – L 4 KA 20/15 –, Rn. 69, juris).

Sofern das SG darüber hinaus ausgeführt hat, dass sein Ermessen im Sinne von § 131 Abs. 5 SGG dahingehend auf Null reduziert sei, dass eine Zurückverweisung zu erfolgen habe, stößt dies auch unter der Annahme auf Bedenken, dass entgegen den voranstehenden Ausführungen das Ermessen des SG für eine Zurückverweisung im vorliegenden Fall eröffnet gewesen wäre. Das Ermessen ist, wenn es eröffnet ist, einer Überprüfung durch das Berufungsgericht zugänglich (Keller a.a.O. Rn. 20a). Indem das SG seine Erwägungen auf alle weiteren Fälle ausdehnt, in denen nach den neuen Maßstäben der 12. Kammer des SG ausreichende Ermittlungen fehlen - also auf nahezu alle Fälle mit Beteiligung des Beklagten – erscheint diese Pauschalierung nicht tragfähig. Denn diese pauschale Bewertung wird den zu berücksichtigenden Interessen der Beteiligten in den jeweiligen konkreten Einzelfällen, die erheblich voneinander abweichen können, nicht gerecht.

Schließlich ergibt sich ein weiterer Ermessensfehler des SG aus seiner Annahme, dass von einem behandelnden Orthopäden nicht die genaue Erhebung der Bewegungsmaße erwartet werden könne, und noch weniger die Objektivierung der vorgetragenen Beschwerden. Der Senat geht demgegenüber davon aus, dass auch einem behandelnden Orthopäden an der Objektivierung der vorgetragenen Beschwerden gelegen ist, da diese Objektivierung eine wesentliche Grundlage der Diagnostik und der Wahl der erfolgversprechendsten Behandlungsmethode ist, und dass er hierzu auch ausgebildet und in der Lage ist.

II. Die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung liegen auch nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG vor. Das Sozialgericht hat verfahrensfehlerhaft durch den Kammervorsitzenden als Einzelrichter im Wege des Gerichtsbescheides ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter entschieden, obwohl die Voraussetzungen von § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht vorlagen (nachfolgend 1.). Dadurch hat es der Klägerin entgegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ihren gesetzlichen Richter, nämlich die Kammer in voller Besetzung (§ 12 Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 125 SGG), entzogen (nachfolgend 2.). Der hierin liegende Verfahrensfehler stellt einen wesentlichen Mangel dar, und aufgrund dieses Mangels ist eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig.

1. Nach § 105 Abs. 1 S.1 SGG ist der Erlass eines Gerichtsbescheides möglich, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Besondere rechtliche Schwierigkeiten liegen vor, wenn der Fall komplizierte Rechtsfragen aufwirft, die höchstrichterlich noch nicht entschieden sind (vgl. Schmidt in Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Auflage 2017, § 105, Rn. 6 ff.). Besondere rechtliche Schwierigkeiten liegen auch dann vor, wenn es um die Auslegung und Anwendung vom bisherigen Rechtszustand abweichender neuer Rechtsnormen geht, die höchstrichterlich nicht geklärt sind, ferner, wenn das SG von einer Entscheidung des LSG, des BSG oder des Gemeinsamen Senates abweichen will (Schmidt, a.a.O., Rn. 6b).

Insoweit ist zwar auf den entscheidungserheblichen Sachverhalt abzustellen, den das SG in der Eröffnung der Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 SGG gesehen hat. Das SG weicht in seinem Gerichtsbescheid vom 15.01.2020 jedoch mit ausführlicher Begründung ausdrücklich von der Rechtsprechung des 6. Senates des LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 22.02.2018 – L 6 SB 4718/16 -, juris) ab. Bereits aus diesem Grund ist die Fallkonstellation nicht mehr als rechtlich einfach gemäß § 105 SGG anzusehen. Das SG hätte auch bei Durchsicht der obergerichtlichen Rechtsprechung zum Umfang der erstinstanzlichen Amtsermittlungspflicht (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.10.2017 – L 13 SB 40/17 –, juris; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 05. Mai 2011 – L 7 SB 54/09 –, juris) erkennen können, dass die vom ihm vertretene Rechtsauffassung, der sich offenbar nur eine weitere Kammer des SG Karlsruhe teilweise angeschlossen hat, von der herrschenden Meinung in der Sozialgerichtsbarkeit abweicht und auch nach Tragweite und Auswirkung auf die Verfahrensgestaltung eine obergerichtliche Klärung notwendig macht. Dies impliziert rechtliche Schwierigkeiten besonderer Art, auch wenn die erkennende Kammer des SG der Auffassung sein sollte, dass die aufgeworfenen Fragen – aus ihrer Sicht – nicht schwierig zu beantworten sind, und diese Erkenntnis einfach nur Raum greifen müsse. Denn der Umstand, dass die Mehrheit der mit der Frage befassten Juristen insoweit eine konträre Auffassung vertritt, verlangt grundsätzlich einen besonderen rechtlichen Begründungsaufwand.

Dem SG war zudem spätestens seit dem Schreiben des Beklagten vom 30.12.2020 bekannt, dass in bisher 9 von der 12. Kammer des SG getroffenen Zurückverweisungsentscheidungen vom Beklagten Berufung zum LSG Baden-Württemberg eingelegt wurde und der 6. Senat des LSG Baden-Württemberg geplant hat, einige dieser Verfahren in der mündlichen Verhandlung vom 23.01.2020 zu entscheiden. Nicht zuletzt im Hinblick auf das Interesse der Klägerin an einer Sachentscheidung, welche sich infolge der divergierende Rechtsansichten zwischen SG und Beklagtem und dem Gang in die zweite Instanz vorhersehbar weiter verzögert, hätte das SG im vorliegenden Verfahren von einer Entscheidung zumindest bis zur Vorlage des Urteils des 6. Senats absehen müssen. Die Rechtsauffassung des SG wirft somit Rechtsfragen auf, die obergerichtlich zu klären und welche als rechtlich besonders schwierig im Sinne von § 105 SGG anzusehen sind. Die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG waren daher nicht gegeben.

Im Übrigen indiziert auch bereits die umfassende Darstellung des zugrundeliegenden Sachverhalts durch das Sozialgericht, wonach erhebliche Ermittlungsdefizite des Beklagten bestanden haben sollen, bereits nach dem aus dem Gerichtsbescheid des SG erkennbaren Grundverständnis der 12. Kammer, dass diese Frage nicht einfach zu beurteilen war. Insbesondere aber die dann erforderliche umfassende Abwägung mit den Interessen der Beteiligten bei der Frage, ob eine Zurückverweisung auszusprechen war, dürfte regelmäßig einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid entgegenstehen. Das LSG Baden-Württemberg hat bereits entschieden, dass eine Zurückverweisungsentscheidung nach § 131 Abs. 5 SGG grundsätzlich durch Urteil zu treffen sein dürfte (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Oktober 2015 – L 5 R 4256/13 –, Rn. 38, juris, mit Hinweis auf LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 04.01.2006, - L 6 SB 197/05 -, in juris; a. A. nunmehr in der aktuellen Auflage Keller a.a.O. Rn. 19b).

Hiervon abzuweichen besteht vorliegend keine Veranlassung. Das SG übt in seiner aktuellen Serie von Entscheidungen zum Schwerbehindertenrecht mit einer Vielzahl ausgesprochener Zurückverweisungen eine fundamentale und grundsätzliche Kritik an der Organisation und an den Verwaltungsabläufen des Beklagten. Eine grundsätzliche Frage, die rechtlich nicht einfach zu beurteilen ist, folgt neben der Abweichung von der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung auch daraus, dass es sich um eine jahrzehntelange Praxis der Versorgungsämter handelt. Schließlich weicht das SG auch bewusst von einer ständigen Rechtsprechung des 6. Senats ab (so ausdrücklich der vom SG formulierte Leitsatz bei juris), wozu es einen erheblichen Begründungsaufwand betreibt. Dies liegt auch nahe, da die Auffassung des SG – ausgehend von den zu der Problematik bekannten Veröffentlichungen – bisher eine Mindermeinung im Verhältnis zu der in der Rechtsprechung überwiegend herrschenden Ansicht darstellt.

In der Gesamtschau der vom SG zu erörternden und vom SG auch erörterten Rechtsfragen in der angegriffenen Entscheidung liegt daher die Annahme des SG fern, es hätten sich keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher Art ergeben.

2. Der Sachverhalt ist als geklärt im Sinne des § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG anzusehen, wenn ein verständiger Prozessbeteiligter in Kenntnis des gesamten Prozessstoffes keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des vom Gericht zugrunde gelegten entscheidungserheblichen Sachverhalts hat (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10. August 2011 – L 13 SB 80/11 –, Rn. 20, juris; Urteil vom 11. Oktober 2017 – L 13 SB 40/17 –, juris). Die fehlende Klärung des Sachverhalts ergibt sich aus den Ausführungen des Gerichtsbescheides, wonach weitere Ermittlungen auch aus Sicht des SG erforderlich waren. Zwar weist das SG insoweit zutreffend darauf hin, dass beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 SGG es insoweit nur auf die Klärung des Sachverhalts ankommt, der eine Zurückverweisung rechtfertigt. Da die Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 SGG nach den vorausgegangenen Ausführungen jedoch nicht vorliegen, ist indes von einer fehlenden Klärung des Sachverhalts auszugehen.

3. Durch die unzulässige Entscheidung mittels Gerichtsbescheid hat das SG der Klägerin entgegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) ihren gesetzlichen Richter, nämlich die Kammer in der von § 12 Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 125 SGG vorgesehenen Besetzung entzogen (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. Oktober 2017 – L 13 SB 40/17 –, Rn. 20, juris). Der bestehende Besetzungsmangel ist auch als wesentlich anzusehen, weil nicht ausgeschlossen kann, dass die Kammer in ihrer gesetzlich vorgeschriebenen Besetzung (insbesondere: bei Mitwirkung eines ehrenamtlichen Richters aus dem Kreis der mit dem Sozialen Entschädigungsrecht oder dem Recht der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen vertrauten Personen, § 21 Abs. 4 SGG) zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre.

III. Die Zurückverweisung ist somit auch nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG begründet. Der Senat hält eine Zurückverweisung auch in Ausübung des ihm zustehenden Ermessens für geboten. Im Rahmen seines nach § 159 Abs. 1 SGG auszuübenden Ermessens hat der Senat das Interesse der Klägerin an einer Erledigung des Rechtsstreits im vorliegenden Berufungsverfahren gegenüber den Nachteilen durch den Verlust einer Tatsacheninstanz abgewogen und sich für eine Zurückverweisung entschieden. Hierbei hat er berücksichtigt, dass der Rechtsstreit noch nicht entscheidungsreif ist und umfassende tatsächliche Ermittlungen erfordert, weshalb der Verlust einer Tatsacheninstanz besonders ins Gewicht fällt. Deshalb erscheint es dem Senat im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG geboten, dem SG zunächst Gelegenheit zur Aufklärung des Sachverhalts zu geben (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25. Mai 2016 – L 27 R 240/16 –, Rn. 16, juris).

IV. Die Kostenentscheidung bleibt der endgültigen Entscheidung des SG vorbehalten.

V. Das SG hat bei seiner erneuten Entscheidung nach § 159 Abs. 2 SGG die rechtliche Beurteilung des Senats zugrunde zu legen, auf der die Aufhebung der Entscheidung des SG durch den Senat beruht.

Einer erneuten Aufhebung der Bescheide des Beklagten durch das SG und einer erneuten Zurückverweisung durch das SG an den Beklagten stehen hierbei nicht nur die voranstehenden Ausführungen entgegen, sondern auch der Umstand, dass ein weiteres Zuwarten auf Einleitung der erforderlichen gebotenen Ermittlungen der Klägerin nunmehr nicht mehr zumutbar ist.

Schließlich ist auch die Voraussetzung des § 131 Abs. 5 Satz 5 SGG, dass sechs Monate seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht noch nicht verstrichen sind, inzwischen nicht mehr gegeben. Das SG hat daher die von ihm für erforderlich gehaltenen Ermittlungen nunmehr selbst durchzuführen.
Rechtskraft
Aus
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