L 10 U 1168/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 U 1864/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 1168/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die sog. Nachsorge schließt an eine (erfolgreiche) Leistung zur medizinischen Rehabilitation) an. Sie dient dazu, den Erfolg einer zuvor durchgeführten medizinischen Rehabilitationsmaßnahme langfristig zu sichern und zu stabilisieren. Sie ist deshalb selbst keine Leistung zur medizinischen Rehabilitation.
2. Bewilligt der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung aber eine "Nachsorge" und ein üblicherweise im Rahmen der Nachsorge durchgeführtes Programm (hier: ambulantes Stabilisierungsprogramms) ausdrücklich "als Leistung zur medizinischen Rehabilitation", kommt es für die Abgrenzung, ob eine Nachsorge oder eine medizinische Rehabilitation durchgeführt wird, auf den Zweck der Maßnahme und die zur Anwendung kommenden Einzelmaßnahmen an.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21.02.2017 und der Bescheid der Beklagten vom 22.09.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2016 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, das Ereignis vom 14.04.2015 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten steht die Anerkennung eines Arbeitsunfalls im Streit.

Bei der am.1965 geborenen Klägerin wurde im Mai 2014 wegen einer Fußdeformität eine korrigierende Arthrodese vorgenommen (Bl. 32 f. SG-Akte). Daraufhin befand sie sich vom 19.08.2014 bis 13.09.2014 zu Lasten der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg (DRV) in stationärer medizinischer Rehabilitation in der T. II in Bad K. , aus der sie mit einem unter dreistündigen Leistungsvermögen für ihre letzte berufliche Tätigkeit als Montiererin und Qualitätsprüferin und einem mehr als sechsstündigen Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entlassen wurde (Bl. 29 und 36 SG-Akte). Laut Reha-Entlassungsbericht (Bl. 29 ff. SG-Akte) wurde seitens der die Klägerin in der T. behandelnden Ärzte die Weiterführung der krankengymnastischen Behandlung in ambulanter Form sowie das konsequente Fortführen der erlernten krankengymnastischen Übungen in Eigenregie empfohlen und das ambulante Stabilisierungsprogramm der DRV (ASP) eingeleitet (Bl. 36 SG-Akte). Hinsichtlich der Einzelheiten dieses ASP wird auf Bl. 215 f. VA Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 14.10.2014 bewilligte die DRV der Klägerin eine "ambulante Nachsorge als Leistung zur medizinischen Rehabilitation" in der Nachsorgeeinrichtung Reha-Klinik H. (Bl. 50 SG-Akte). Die Leistung sollte 24 Therapieeinheiten in einem Gesamtzeitraum von zwölf Monaten umfassen und am 05.01.2015 beginnen (Bl. 45 SG-Akte). Unter "Ergänzende Bestimmungen" ist ausgeführt: "Die für Sie bewilligte Leistung zur medizinischen Rehabilitation hat das Ziel, Behinderungen einschließlich chronischer Krankheiten abzuwenden oder zu beseitigen, zumindest aber diese zu mindern, auszugleichen oder eine Verschlimmerung zu verhüten. Dadurch soll Ihre Erwerbsfähigkeit erhalten, wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden. Es liegt daher in Ihrem Interesse, an der Rehabilitation auch aktiv mitzuwirken. Hierzu gehört insbesondere die Einhaltung des Behandlungsplanes." Unter "Zusätze" wurde die bewilligte Leistung im Zusammenhang mit der ausgewählten Einrichtung als ASP-Leistung bezeichnet. Hinsichtlich sämtlicher Einzelheiten und Formulierungen wird auf den Bescheid verwiesen.

Die Klägerin begann am 05.01.2015 mit der Maßnahme und nahm - ihren eigenen Angaben nach - wöchentlich zwei Behandlungstermine wahr, die jeweils circa eineinhalb bis zwei Stunden dauerten. Diese umfassten laut dem Bericht der Reha-Klinik H. (Bl. 45/RS SG-Akte) u.a. Ergometertraining ohne Monitoring (KTL-Code A022), Bewegungsbäder in der Gruppe (KTL-Code B062) und physiotherapeutische Behandlung in der Gruppe (KTL-Code B033).

Am 14.04.2015 rutschte die Klägerin in der Reha-Klinik H. auf dem Weg zum Empfang auf dem Steinboden des Flurs aus, als sie den Schlüssel für ihren Spind abholen wollte, um sich in den Umkleidekabinen umzuziehen (Bl. 7 VA), und zog sich eine Fraktur des linken Innenknöchels sowie eine traumatische Ruptur von Bändern in Höhe des oberen Sprunggelenkes und des Fußes zu (Bl. 18 VA). Die Beklagte übernahm zunächst die Behandlungskosten und gewährte der Klägerin Leistungen zur Haushaltshilfe (Bl. 51 VA), eine berufsgenossenschaftliche stationäre Weiterbehandlung (sog. BGSW-Maßnahme, Bl. 63 VA) sowie Verletztengeld (Bl. 165 VA).

Am 22.09.2015 erließ sie jedoch einen "Bescheid über die Ablehnung eines Arbeitsunfalles und Ablehnung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung", in dem sie verfügte, dass die Klägerin auf Grund ihres Sturzes vom 14.04.2015 keinen Anspruch auf Leistungen habe. Sie habe keine stationäre oder teilstationäre Behandlung bzw. keine stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistung zur medizinischen Rehabilitation auf Kosten einer Krankenkasse, eines gesetzlichen Rentenversicherungsträgers oder einer landwirtschaftlichen Alterskasse im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 15 Buchst. a Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) erhalten. Das ASP sei ein Nachsorge-Programm der DRV, welches im Anschluss an eine stationäre oder ganztägig ambulante Leistung zur medizinischen Rehabilitation den Versicherten der DRV vom Ärzteteam zum Ende des Aufenthaltes in der Rehabilitationseinrichtung empfohlen werden könne. Beim ASP handele es sich nicht um eine ambulante Leistung zur medizinischen Rehabilitation nach § 2 Abs. 1 Nr. 15 Buchst. a SGB VII, da es keine komplexe und ganzheitlich orientierte medizinische Rehabilitationsleistung sei. Es werde nach Abschluss der medizinischen Rehabilitation als "sonstige Leistung" auf Grundlage von § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) erbracht. Es handele sich bei den im Wesentlichen sport- und bewegungstherapeutischen Maßnahmen um nachgehende Leistungen zur Sicherung des Erfolges der Leistungen zur Teilhabe. Das ASP begründe keinen Versicherungsschutz. Ein Arbeitsunfall liege nicht vor. Den erhobenen Widerspruch (Bl. 246 VA) wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.05.2016 zurück (Bl. 292 VA). Hierin wiederholte sie ihre bereits im Bescheid vom 22.09.2015 vorgebrachten Argumente und verwies auf die Ausführungen in einem Informationsschreiben der DRV für Versicherte zum ASP (Bl. 215 f. VA), wonach während der Inanspruchnahme des ASP u.a. kein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung bestehe (unter "wichtige Hinweise", Bl. 216 VA).

Am 07.06.2016 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben, mit der sie die Anerkennung des Ereignisses vom 14.04.2015 als Arbeitsunfall begehrt hat. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass sich eine Einschränkung des Unfallversicherungsschutzes aus dem Wortlaut von § 2 Abs. 1 Nr. 15 Buchst. a SGB VII nicht ergebe. Der Wortlaut der Vorschrift stehe dem entgegen. Darüber hinaus sei die ambulante Nachsorgebehandlung auch dem Sinn und Zweck der Regelung nach nicht sachlich unbegründet eng zu fassen. Die medizinische Reha und das daran anschließende ASP seien als eine Einheit zu betrachten.

Mit Urteil vom 21.02.2017 hat das SG die Klage abgewiesen. Das ASP stelle keine vom gesetzlichen Unfallversicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 15 Buchst. a SGB VII umfasste ambulante Leistung zur medizinischen Rehabilitation dar. Es handele sich lediglich um eine an eine Rehabilitationsmaßnahme anschließende Nachsorgeleistung gemäß § 31 SGB VI, wonach u.a. nachgehende Leistungen zur Sicherung des Erfolges der Leistungen zur Teilhabe als sonstige Leistungen zur Teilhabe erbracht werden könnten. Nicht unter Nachsorgeleistungen im Sinne von sonstigen Leistungen nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI fielen Leistungen, die zur Hauptleistung gehörten, jedoch ambulant fortgesetzt würden. Solche Leistungen seien von § 15 SGB VI erfasst. So verhalte es sich im Falle der Klägerin jedoch gerade nicht. Die stationäre Rehabilitationsleistung im August/September 2014 in der T. und die folgende ASP-Maßnahme in der Reha-Klinik H. seien keine einheitliche Rehabilitationsmaßnahme im Sinne des § 15 SGB VI. Die Nachsorgeleistung für die Klägerin sei nicht als integrierter Bestandteil einer ansonsten umfassenden Reha-Maßnahme bewilligt worden, sondern mit gesonderter Entscheidung auf Empfehlung der in der T. behandelnden Ärzte nach Abschluss der eigentlichen Maßnahme zur stationären Rehabilitation. Sie sei tatsächlich auch erst mehrere Monate nach Entlassung aus der T. aufgenommen worden. Somit handele es sich klar um eine Nachsorgeleistung nach § 31 SGB VI. Nachsorgeleistungen nach § 31 SGB VI stellten zwar eine notwendige Ergänzung der ambulanten und stationären Rehabilitation dar, die in der Regel in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zur Hauptleistung stünden. Die Vielfalt der nach § 31 SGB VI möglichen, vom SG näher dargelegten nachsorgenden Leistungen zeige, dass diese in ihrer Mannigfaltigkeit nicht alle unter den Begriff der ambulanten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 15 Buchst. a SGB VII gefasst werden könnten. Der vom Gesetzgeber vorgesehene klar abgegrenzte Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung würde ansonsten jegliche Kontur verlieren. § 2 Abs. 1 Nr. 15 Buchst. a SGB VII umfasse daher nicht alle medizinischen Behandlungen, die im weiteren Sinne Rehabilitationszwecken dienten, sondern vielmehr nur die nach § 15 SGB VI bewilligten Leistungen. Dies entspreche auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Versicherungsschutz solle nur bei einer Einbindung in die Organisationsstruktur der Behandlungsstätte gewährt werden, nicht bei lediglich nachsorgender Behandlung. Der bloß räumliche Aufenthalt in einer Klinik der zudem noch zeitlich eingeschränkt sei, bewirke noch keine Eingliederung in die Organisation dieser Klinik. Daran ändere sich auch nichts durch die bloße Tatsache, dass es sich bei der von der Klägerin in Anspruch genommenen Klinik um eine Rehaklinik handele, deren weitere Patienten, sofern sie Leistungen zur Rehabilitation nach § 15 SGB VI erhielten, unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stünden.

Gegen dieses, ihr am 24.02.2017 zugestellte, Urteil hat die Klägerin am 23.03.2017 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Es sei obergerichtlich noch nicht geklärt, ob eine Nachsorgeleistung zu einer medizinischen Rehabilitationsleistung dem Versicherungsschutz des § 2 Abs. 1 Nr. 15 Buchst. a SGB VII unterstehe. Eine Gleichstellung sei schon deshalb gerechtfertigt, da es auch ambulante Rehabilitationsmaßnahmen gebe, bei denen eine Eingliederung in die Klinikabläufe zu bejahen sei. Das SG habe nicht einleuchtend dargelegt, weshalb das ASP keine ambulante Leistung zur medizinischen Rehabilitation im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 15 Buchst. a SGB VII darstellen solle. Gerade dem Bescheid der DRV vom 14.10.2014 lasse sich entnehmen, dass die ambulante Nachsorge als Leistung der medizinischen Rehabilitation gewährt werden solle und die Reha-Klinik H. in B.-B. als Nachsorgeeinrichtung bestimmt worden sei. Dies zeige auch, dass die vorangegangene stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnehme in der T. Bad K. und die ambulante Nachsorgebehandlung in der Reha-Klinik H. als eine Einheit zu betrachten seien.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21.02.2017 und den Bescheid der Beklagten vom 22.09.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 14.04.2015 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat ausgeführt, dass die DRV bewusst eine Nachsorgemaßnahme bewilligt habe, um den erreichten Rehabilitationszustand zu sichern. Hierfür sei es notwendig, dass Maßnahmen geplant würden und auch eine Einweisung in die auszuführenden Rehabilitationsübungen und die hierfür zu benutzenden Geräte erfolge. Auch in normalen Fitnessstudios werde auf Wunsch ein Fitnessplan gefertigt und es erfolge eine Einweisung. Hierin sei keine Eingliederung in einen stationären Klinikaufenthalt zu sehen. Eine Einheit zwischen der stationären Rehabilitationsmaßnahme in der T. und der ambulanten Nachsorgeleistung sei nicht gegeben. Auch der Information für Versicherte der DRV zum ASP sei zu entnehmen, dass gesetzlicher Unfallversicherungsschutz während der Inanspruchnahme des ASP nicht bestehe (Bl. 215 f. VA).

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (Bl. 19 und 20a LSG-Akte).

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist begründet.

Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 22.09.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2016, mit dem die Beklagte u.a. die Anerkennung des Ereignisses vom 14.04.2015 als Arbeitsunfall ablehnte. Hiergegen wendet sich die Klägerin zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage. Denn nach der Rechtsprechung des BSG kann der Versicherte an Stelle gerichtlicher Feststellung (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG, vgl. hierzu u.a. BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 46/03 R, zitiert - wie alle nachfolgenden höchstrichterlichen Entscheidungen - nach juris) auch die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung eines Arbeitsunfalles als Element eines jeglichen Leistungsanspruchs im Wege der Verpflichtungsklage verlangen (Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 mit weiteren Ausführungen zur Anspruchsgrundlage; speziell zur Anerkennung eines Arbeitsunfalles BSG, Urteil vom 15.05.2012, B 2 U 8/11 R).

Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, da es sich bei dem Ereignis vom 14.04.2015 um einen Arbeitsunfall handelte.

Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII (zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt) ist erforderlich (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 5/04 R), dass das Verhalten des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist. Es muss eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der innere bzw. sachliche Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht.

Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84). Dies gilt auch für den inneren Zusammenhang und damit die Handlungstendenz (BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 24/84). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90).

Die Klägerin gehörte zum versicherten Personenkreis, als sie am 14.04.2015 auf dem Weg zu Behandlungsmaßnahmen in der Reha-Klinik H. stürzte und sich verletzte.

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 15 Buchst. a SGB VII sind kraft Gesetzes Personen versichert, die auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten. Die gesetzliche Qualifikation des Erhaltens einer Behandlung oder einer Leistung als versicherte Tätigkeit dient dem Zweck, Versicherte gegen drohende Gesundheitsgefahren aus der Behandlung, an der mitzuwirken sie verpflichtet sind (§§ 60 ff. Erstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB I -), zu schützen. Darüber hinaus sollen sie gegen die Gefahren geschützt sein, die entstehen, weil sie sich in eine besondere Einrichtung begeben müssen und dort überwiegend anderen Risiken ausgesetzt sind als zu Hause. Versichert sind - mit Ausnahme der ärztlichen Behandlung selbst - alle Verrichtungen, die im inneren Zusammenhang mit der Heilbehandlung stehen, also auch die Wege von und zur Behandlung sowie alle Mitwirkungsakte, die vom Behandler angeordnet oder für die Durchführung notwendig sind (BSG, Urteil vom 27.04.2010, B 2 U 11/09 R) und das notwendige Aus- und Ankleiden (Bieresborn in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Auflage, Stand 02.01.2020, § 2 SGB VII, Rdnr. 336).

Entgegen der Annahme der Beklagten erhielt die Klägerin zum Zeitpunkt des Unfalls am 14.04.2015 in der Reha-Klinik H. eine ambulante medizinische Rehabilitationsmaßnahme.

Zwar handelt es sich bei einer Nachsorgeleistung im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI in der bis zum 13.12.2016 geltenden Fassung (aF), wonach Leistungen zur Eingliederung von Versicherten in das Erwerbsleben, insbesondere nachgehende Leistungen zur Sicherung des Erfolges der Leistungen zur Teilhabe als sonstige Leistungen erbracht werden können, grundsätzlich nicht um eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme. Denn während sich eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme auf alle Maßnahmen erstreckt, die erforderlich und geeignet sind, eine Krankheit oder eine körperliche, geistige oder seelische Behinderung in der Weise zu beeinflussen, dass durch diese Leistungen die Erwerbsfähigkeit gebessert oder wiederhergestellt werden kann (BSG, Urteil vom 21.01.1993, 13 RJ 53/91), verfolgt eine Nachsorgeleistung im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI aF das Ziel, den Erfolg einer zuvor durchgeführten medizinische Rehabilitationsmaßnahme langfristig zu sichern und zu stabilisieren (Kater in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand September 2015, § 31 SGB VI, Rdnr. 10). Eine Nachsorgeleistung im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI aF schließt demnach an eine erfolgreich abgeschlossene Rehabilitationsmaßnahme an und stellt deshalb selbst keine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation dar.

Eine solche Nachsorgeleistung im technischen Sinn bewilligte die DRV jedoch gerade nicht. Aus dem Bewilligungsbescheid der DRV selbst, der Zielrichtung der bewilligten Maßnahme und der Art der entsprechend der Bewilligung erbrachten Einzelmaßnahmen ergibt sich, dass die Klägerin im Zeitpunkt des Unfalls eine von der DRV bewilligte Maßnahme der medizinischen Rehabilitation durchlief und keine bloße Nachsorge i.S. des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI aF.

Mit dem Bescheid vom 14.10.2014 bewilligte die DRV ausdrücklich eine "ambulante Nachsorge als Leistung zur medizinischen Rehabilitation" und verwendete die Begriffe "Nachsorge" und "medizinische Rehabilitation" in synonymer Weise und damit nicht im oben beschriebenen Sinn als sich gegenseitig ausschließende Leistungen. In den ergänzenden Bestimmungen des Bescheides wies sie ausdrücklich darauf hin, dass die "bewilligte Leistung zur medizinischen Rehabilitation" das Ziel habe, Behinderungen einschließlich chronischer Krankheiten abzuwenden oder zu beseitigen, zumindest aber diese zu mindern, auszugleichen oder eine Verschlimmerung zu verhüten. Die DRV umschrieb damit die klassische Zielrichtung einer medizinischen Rehabilitation und gerade keiner Nachsorge. Die Klägerin wurde aufgefordert, an der "Rehabilitation" aktiv mitzuwirken. Damit wurde von der DRV in aller Klarheit eine medizinische Rehabilitation bewilligt. Die bloße Verwendung des Begriffes "Nachsorge" vermag daran ebenso wenig etwas zu ändern, wie die - ohnehin in gänzlich anderem Zusammenhang und nicht als Qualifizierung der Art der Maßnahme - Verwendung des Begriffs "ASP-Leistung" unter dem Absatz "Zusätze" im Bescheid.

Für eine echte Nachsorgeleistung bestand ohnehin kein Raum. Wie bereits oben dargelegt, hat eine Nachsorge das Ziel, den Erfolg einer zuvor durchgeführten medizinischen Rehabilitationsmaßnahme langfristig zu sichern und zu stabilisieren. Nachsorge in diesem Sinn setzt damit eine erfolgreich durchgeführte Rehabilitation voraus. Die zuvor in der T. durchgeführte medizinische Rehabilitationsmaßnahme war aber in diesem Sinn nicht erfolgreich. Denn die Erwerbsfähigkeit der Klägerin, die sich im Rahmen der Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VI grundsätzlich an der Fähigkeit des Versicherten orientiert, seinen bisherigen Beruf oder seine bisherige Tätigkeit auszuüben und nicht an den Leistungsvoraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI (BSG, Urteil vom 17.10.2006, B 5 RJ 15/05 R), konnte im Rahmen der im August/September 2014 in der T. durchgeführten stationären Rehabilitationsmaßnahme gerade nicht wiederhergestellt werden. Die Klägerin wurde vielmehr hinsichtlich ihrer zuletzt ausgeübten beruflichen Tätigkeit in der Montage und Qualitätsprüfung unter drei Stunden leistungsfähig entlassen. Das Hauptziel der stationären Rehabilitationsmaßnahme wurde somit nicht erreicht, so dass für eine echte Nachsorge kein Raum war, sondern weitere medizinische Rehabilitationsmaßnahmen erforderlich waren. Dem entsprechend ist die Bewilligung von weiteren Leistungen - auch wenn dies (s. hierzu noch nachfolgend) Leistungen waren, die dem ASP-Programm entsprachen und üblicherweise deshalb als Nachsorge erbracht wurden - als medizinische Rehabilitation durch die DRV auch nachvollziehbar.

Bei der Klägerin wurden in der Reha-Klinik H. dann auch Maßnahmen und Anwendungen durchgeführt, die typischerweise medizinische Rehabilitationsmaßnahmen darstellen.

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB VI in der bis um 31.12.2017 geltenden Fassung (aF) in Verbindung mit § 26 Abs. 2 Nr. 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung (aF) haben Leistungen zur medizinischen Rehabilitation insbesondere Heilmittel einschließlich physikalischer, Sprach- und Beschäftigungstherapie umfasst. Da das SGB IX keine eigene Definition des Begriffs Heilmittel enthält, jedoch die Klammer für die speziellen Leistungsgesetze darstellt, kann auf die Definitionen dieses Begriffs im SGB VII (dort § 30) und im Fünften Buch Sozialgesetzbuch (- SGB V -; vgl. hierzu BSG, Urteil vom 28.03.2001, B 3 KR 3/00 R: entsprechend § 30 SGB VII) zurückgegriffen werden (Nellissen in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Auflage 2018, Stand 25.03.2020, zum inhaltsgleichen § 42 Abs. 2 Nr. 4 SGB IX in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung, Rdnrn. 70 ff.). Nach § 30 Satz 1 SGB VII sind Heilmittel alle ärztlich verordneten Dienstleistungen, die einem Heilzweck dienen oder einen Heilerfolg sichern und nur von entsprechend ausgebildeten Personen erbracht werden dürfen. Wie in § 26 Abs. 2 Nr. 4 SGB IX aF gehören nach § 30 Satz 2 SGB VII zu den Heilmitteln ebenfalls insbesondere Maßnahmen der physikalischen Therapie sowie der Sprach- und Beschäftigungstherapie. Zu den physikalischen Therapien gehören u.a. Massagen, Bäder, die Bewegungstherapie in Form von allgemeiner und gerätegestützter Krankengymnastik (s. Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand April 2019, § 30 Rdnr. 3; Nolte in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand Dezember 2019, § 32 SGB V, Rdnr. 17).

Nach dem Bericht der Reha-Klinik H. erhielt die Klägerin dort u.a. Ergometertraining ohne Monitoring (KTL-Code A022), Bewegungsbäder in der Gruppe (KTL-Code B062) und physiotherapeutische Behandlung in der Gruppe (KTL-Code B033) und somit eindeutig dem Rehabilitationsbereich zuzuordnende Heilmittel, wie sie üblicherweise auch in der klassischen stationären medizinischen Rehabilitation erbracht werden. Dass es sich dabei um Leistungen handelte, die auch im Rahmen des ASP und deshalb üblicherweise auch im Rahmen von Nachsorgeleistungen erbracht wurden, ändert hieran nichts.

Für den Senat steht somit fest, dass die DRV der Klägerin eine ambulante medizinische Rehabilitationsmaßnahme bewilligte und sie lediglich in missverständlicher Weise den Begriff "Nachsorge" verwendete. Die Klägerin gehörte bei den in der Reha-Klinik H. durchgeführten Maßnahmen somit zum versicherten Personenkreis.

Auf die von den Beteiligten aufgeworfenen Frage, ob bei einer (echten) Nachsorge Unfallversicherungsschutz besteht, kommt es damit nicht an.

Zum Zeitpunkt des Sturzes verrichtete die Klägerin auch eine versicherte Tätigkeit. Der Weg zum Empfang in der Reha-Klinik, um sich dort den Schlüssel für den Spind in der Umkleidekabine abzuholen und sich umzukleiden, steht in innerem Zusammenhang mit der Durchführung der Behandlungen.

Letztlich sind auch die Kriterien für einen Unfall erfüllt. Für das von außen auf den Körper einwirkende, zeitlich begrenzte Ereignis ist kein besonderes, ungewöhnliches Geschehen erforderlich. Alltägliche Vorgänge wie Stolpern usw. genügen. Es dient der Abgrenzung zu Gesundheitsschäden auf Grund von inneren Ursachen, wie Herzinfarkt, Kreislaufkollaps usw., wenn diese während der versicherten Tätigkeit auftreten, sowie zu vorsätzlichen Selbstschädigungen (BSG, Urteil vom 12. April 2005, B 2 U 27/04 R). Dem entsprechend war das Ausrutschen und der nachfolgende Sturz ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden, nämlich u.a. einer Fraktur des linken Innenknöchels (Bl. 18 VA) führte.

Die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls liegen deshalb vor und die Beklagte ist antragsgemäß hierzu zu verurteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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