L 10 BA 1483/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
10
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 8 BA 2351/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 BA 1483/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine die Annahme von Beschäftigung ausschließende Sperrminorität des Gesellschafter-Geschäftsführers muss sich auf alle Geschäfte der Gesellschaft beziehen, insbesondere auch die Geschäfte des gewöhnlichen Betriebes. Denn die aus § 37 Abs. 1 GmbHG folgende umfassende und grundsätzliche Weisungsunterworfenheit der Geschäftsführer gegenüber den Gesellschaftern erstreckt sich nicht nur auf die im Gesellschaftsvertrag aufgeführten, einen Beschluss der Gesellschafterversammlung erfordernden Geschäfte, sondern auf alle Tätigkeiten. Daran ändert der Umstand nichts, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer einen Beschluss der Gesellschafterversammlung über seine eigene Abberufung verhindern kann.
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 28.03.2019 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden im Verhältnis von Klägerin und Beklagter gegeneinander aufgehoben.
Der Beigeladene hat seine Kosten selbst zu tragen.

Tatbestand:

Streitig ist der versicherungsrechtliche Status des Beigeladenen in Bezug auf die gesetzliche Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung in seiner Tätigkeit als am Stammkapital der Klägerin beteiligter Geschäftsführer (Gesellschafter-Geschäftsführer) für die Zeit vom 04.03.2016 bis 28.02.2018.

Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GmbH) den Erwerb und die Bebauung von Grundstücken, insbesondere mit Wohn- und Geschäftsräumen, ferner den Verkauf der bebauten Grundstücke, auch als Wohnungs- und Teileigentum, sowie den An- und Verkauf von bebauten und unbebauten Grundstücken und schließlich die Planung, Bauleitung und Projektüberwachung im Zusammenhang mit der Bebauung von Immobilien (§ 3 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages). Sie wurde von drei Gesellschaftern, darunter dem Beigeladenen, am 14.03.2016 gegründet (Abschluss des Gesellschaftsvertrages an diesem Tag, notarielle Beurkundung der Errichtung an diesem Tag) und am 04.05.2016 in das Handelsregister eingetragen. Ebenfalls am 04.03.2016 bestellten sich die drei Gesellschafter einstimmig zu Geschäftsführern, wobei jeder Geschäftsführer zur Vertretung der Gesellschaft einzeln befugt und von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) befreit wurde (vgl. Bl. 15 VA). Jeder der Gesellschafter verfügt über den gleichen Anteil am Gesellschaftsvermögen der Klägerin (8.400,00 EUR = ein Drittel des Stammkapitals, vgl. § 5 Nr. 1 und 2 des Gesellschaftsvertrages).

In § 6 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrages ist u.a. vorgesehen, dass die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern durch einstimmigen Gesellschafterbeschluss erfolgt. Nach § 6 Nr. 3 des Gesellschaftsvertrages bedürfen die Geschäftsführer im Innenverhältnis der vorherigen Zustimmung durch Gesellschafterbeschluss für alle Geschäfte, die über den gewöhnlichen Betrieb der Gesellschaft hinausgehen (Satz 1), wobei in Satz 2 bestimmte Geschäfte als hierzu insbesondere zählend aufgeführt sind, u.a. Anschaffung oder Investitionen, die im Einzelfall über 5.000,00 EUR liegen. In Satz 3 ist geregelt, dass die Gesellschafter mit der für eine Satzungsänderung erforderlichen Mehrheit beschließen, dass dieser Katalog erweitert oder eingeschränkt wird. Nach § 7 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrages entscheiden die Gesellschafter - soweit nicht zwingend anderes vorgesehen ist - in allen Angelegenheiten der Gesellschaft durch Beschlussfassung mit der Mehrheit aller Gesellschafter. Nur mit 100% der Stimmen aller Gesellschafter können nach § 7 Nr. 2 eine Änderung des Gesellschaftsvertrages, die Auflösung der Gesellschaft und (Buchst. c) die Beschlüsse u.a. nach § 6 des Gesellschaftsvertrages beschlossen werden. Hinsichtlich sämtlicher Einzelheiten wird auf den Gesellschaftsvertrag Bl. 19 ff. VA Bezug genommen.

Ebenfalls am 04.03.2016 wurde zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen ein Anstellungsvertrag geschlossen, wonach der Beigeladene alle Funktionen eines Geschäftsführers der Gesellschaft, die im Rahmen der Tätigkeit des Unternehmens anfallen, übernimmt (§ 1 Nr. 1 des Anstellungsvertrages). § 1 Nr. 4 des Anstellungsvertrages sieht vor, dass für Geschäfte, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehen, der Geschäftsführer die Einwilligung der Gesellschafterversammlung einholt, wie im Gesellschaftsvertrag geregelt. In der Gestaltung seiner Arbeitszeit ist der Beigeladene frei (§ 2 des Anstellungsvertrages). Er kann den Vertrag mit einer Frist von drei Monaten zum Ende eines Halbjahres kündigen, während die Klägerin den Vertrag nur aus wichtigem Grund kündigen kann (§ 4 Nr. 1 und 2 des Anstellungsvertrages). Als Vergütung erhält der Beigeladene für seine Tätigkeit ein Jahresgehalt in Höhe von 6.000,00 EUR, das in zwölf gleichen Raten am Ende eines Monats zu zahlen ist und zusätzlich ein dreizehntes Monatsgehalt (§ 6 Nr. 1 des Anstellungsvertrages) sowie eine Tantieme in Höhe von 15% des handelsrechtlichen Jahresüberschusses (§ 6 Nr. 2 des Anstellungsvertrages). In § 7 des Anstellungsvertrages ist eine Gehaltsfortzahlung u.a. im Krankheitsfall für die Dauer von einem Monat, in § 8 ein Jahresurlaub von 30 Werktagen in der Fünf-Tage-Woche und in § 9 der Ersatz von Reisekosten und Spesen vorgesehen. Zur Feststellung der vertraglichen Abreden im Übrigen und hinsichtlich aller Einzelheiten wird auf den Anstellungsvertrag Bl. 28 ff. VA Bezug genommen. Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit des Beigeladenen betrug jedenfalls anfangs wöchentlich zehn Stunden (Bl. 10 VA). Mit Beschluss aller Gesellschafter-Geschäftsführer vom 01.03.2018 ist in Abänderung des jeweiligen Anstellungsvertrages für alle Geschäftsführer die monatliche Vergütung mit Wirkung zum 01.03.2018 wegen der angespannten Liquiditätslage auf 0,00 EUR festgesetzt worden (vgl. Bl. 20 LSG-Akte).

Der Beigeladene betreibt neben dieser Tätigkeit als Geschäftsführer und schon seit 2001 den Verkauf und die Montage von Regalanlagen und Lagereinrichtungen und den Vertrieb von Industriehallen als Einzelunternehmer (vgl. Bl. 25 f. LSG-Akte) und wird von der Klägerin für den Aufbau von Stahlbauelementen beauftragt. Hinsichtlich der von ihm erzielten zu versteuernden Einkünfte aus Gewerbebetrieb wird auf die vorgelegten Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2016 bis 2018 Bezug genommen (Bl. 29 ff. LSG-Akte). Auch die anderen beiden Gesellschafter-Geschäftsführer sind noch als Einzelunternehmer tätig.

Am 07.12.2017 beantragten die Klägerin und der Beigeladene die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Klägerin mit dem Ziel, festzustellen, dass keine Beschäftigung vorliege. Mit getrennten Bescheiden vom 07.01.2018 stellte die Beklagte ausgehend von Beschäftigung fest, dass seit dem 04.03.2016 Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe, nicht jedoch in der Kranken- und Pflegeversicherung. Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 26.06.2018 zurückgewiesen.

Hiergegen hat die Klägerin am 27.06.2018 beim Sozialgericht Heilbronn Klage erhoben und ausgeführt, der Beigeladene habe auf Grund der satzungsrechtlichen Regelung für alle Geschäfte, die über den gewöhnlichen Betrieb der Gesellschaft hinausgehen, eine Sperrminorität. Es handle sich um eine sogenannte echte Sperrminorität im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), da der Beigeladene in der Lage sei, die Geschicke der Gesellschaft zu bestimmen oder zumindest die nicht genehmen Weisungen der Gesellschafterversammlung zu verhindern. Denn lediglich für Anschaffungen oder Investitionen, die im Einzelfall unter 5.000,00 EUR lägen, bedürfe es keines einstimmigen Gesellschafterbeschlusses. Damit sei lediglich die Handlungsfähigkeit für alltägliche Bürogeschäfte gewährleistet.

Mit Gerichtsbescheid vom 28.03.2019 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und auf der Grundlage der von ihm zitierten Ausführungen des BSG im Urteil vom 14.03.2018 (B 12 R 5/16 R) dargelegt, dass für eine Selbstständigkeit von Gesellschafter-Geschäftsführern eine Mindestkapitalbeteiligung von 50% oder eine "echte" Sperrminorität erforderlich sei. Der selbstständig tätige Gesellschafter-Geschäftsführer müsse eine Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen haben und zumindest ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern können. Demgegenüber sei eine "unechte", auf bestimmte Gegenstände begrenzte Sperrminorität nicht geeignet, die erforderliche Rechtsmacht zu vermitteln. Dementsprechend sei der Beigeladene als abhängig Beschäftigter einzustufen. Sein Kapitalanteil liege unter 50% und aus dem Gesellschaftsvertrag ergebe sich kein Einstimmigkeitserfordernis für alle Gesellschafterbeschlüsse. Damit liege keine echte Sperrminorität vor, weil der Beigeladene ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung nicht umfassend verhindern könne. Seine Sperrminorität sei auf bestimmte Gegenstände begrenzt.

Gegen den ihr am 01.04.2019 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 30.04.2019 Berufung eingelegt. Das Sozialgericht verkenne, dass die Anforderungen an den von der Sperrminorität umfassten Geschäftskreis nicht überspannt werden dürften. Bei allen Entscheidungen Einstimmigkeit zu fordern, könne in einer GmbH zu großen Problemen bis hin zur Lähmung der Gesellschaft führen. Deswegen sei im Gesellschaftsvertrag für Anschaffungen oder Investitionen über 5.000,00 EUR eine ausreichend qualifizierte Sperrminorität geregelt. Anschaffungen oder Investitionen von unter 5.000,00 EUR würden die Geschicke der Gesellschaft nicht bestimmen, sondern lediglich deren Handlungsfähigkeit gewährleisten.

Nachdem die Klägerin den Gesellschafterbeschluss vom 01.03.2018 "zur Vervollständigung" der Berufungsbegründung im Juli 2019 vorgelegt und der Senat später auf dessen Relevanz für die Frage der Entgeltlichkeit hingewiesen hat, hat die Beklagte im Wege des von der Klägerin angenommenen Teilanerkenntnisses die angefochtenen Bescheide für die Zeit ab dem 01.03.2018 aufgehoben und festgestellt, dass seit dem 01.03.2018 keine Versicherungspflicht auf Grund Beschäftigung in den einzelnen Versicherungszweigen besteht.

Die Klägerin beantragt (sachdienlich gefasst),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 28.03.2019 aufzuheben und den Bescheid vom 07.01.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.06.2018 abzuändern sowie festzustellen, dass für die Zeit vom 04.03.2016 bis 28.02.2018 auch in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung keine Versicherungspflicht des Beigeladenen in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer bestand.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 07.01.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.06.2018, mit dem die Beklagte, ausgehend von einem Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Beigeladenen und der Klägerin als Geschäftsführer, Versicherungspflicht des Beigeladenen in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung feststellte. Soweit die Beklagte in diesen Bescheiden zugleich Versicherungspflicht in der Kranken- und sozialen Pflegeversicherung verneinte, ist dies - da von der Klägerin, weil ihr günstig, nicht angefochten - nicht Gegenstand des Verfahrens. Für die Zeit ab dem 01.03.2018 hat sich der Rechtsstreit durch das von der Klägerin angenommene Teilanerkenntnis der Beklagten gemäß § 101 Abs. 2 SGG in der Hauptsache erledigt. Zur Prüfung steht damit nur noch der Zeitraum vom 04.03.2016 bis 28.02.2018 und die Frage von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung auf Grund der Tätigkeit des Beigeladenen als Geschäftsführer der Klägerin.

Das Sozialgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Denn die angefochtenen Bescheide sind - soweit noch Gegenstand des Rechtsstreits - rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beigeladene stand in der Zeit vom 04.03.2016 bis 28.02.2018 zur Klägerin - bis zur Eintragung in das Handelsregister in Form der sog. Vor-GmbH (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 09.03.1981, II ZR 54/80) - als Geschäftsführer in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis und unterlag entsprechend der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung.

Rechtsgrundlage der Bescheide ist § 7a des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IV). Nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet (s. hierzu BSG, Urteil vom 04.09.2018, B 12 KR 11/17 R), wofür hier aber keine Anhaltspunkte bestehen. Zuständig für die Entscheidung über diesen Antrag ist nach § 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV - abweichend von § 28h Abs. 2 Satz 1 SGB IV, der ansonsten die Zuständigkeit der Einzugsstelle begründet - die Beklagte. Sie entscheidet auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs. 2 SGB IV).

Gegenstand der Prüfung und der Entscheidung der Beklagten ist allerdings - über den Wortlaut der zitierten Regelung hinaus - nicht die isolierte Entscheidung und Feststellung, ob eine Beschäftigung vorliegt, sondern ob und inwieweit für die einzelnen Zweige der Sozialversicherung wegen des Vorliegens einer Beschäftigung Versicherungspflicht besteht (BSG, Urteil vom 11.03.2009, B 12 R 11/07 R und Urteil vom 04.06.2009, B 12 R 6/08 R; zum Fall einer gewollten gesonderten, aber unzulässigen Feststellung von Beschäftigung BSG, Urteil vom 26.02.2019, B 12 R 8/18 R; zur Beschränkung der Prüfung auf Versicherungspflicht BSG, Urteil vom 28.09.2011, B 12 R 17/09 R). Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 SGB IV sind in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung nach Maßgabe der besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige unter anderem Personen versicherungspflichtig, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind. Entsprechende Regelungen (Versicherungspflicht von Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind) finden sich für die Arbeitslosenversicherung in § 25 Abs. 1 Satz 1 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches - Arbeitsförderung - (SGB III) und für die gesetzliche Rentenversicherung in § 1 Satz 1 Nr. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI). Damit scheidet Versicherungspflicht ab dem 01.03.2018 schon deshalb aus, weil seit diesem Zeitpunkt auf Grund des übereinstimmenden Beschlusses der Gesellschafter-Geschäftsführer kein Vergütungsanspruch mehr bestand. Dem hat die Beklagte durch das angenommene Teilanerkenntnis Rechnung getragen. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV definiert den Begriff der Beschäftigung als nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach Satz 2 der Regelung sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (u.a. Urteil vom 11.11.2015, B 12 R 2/14 R, auch zum Nachfolgenden; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.05.1996, 1 BvR 21/96) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich, ausgehend von den genannten Umständen, nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen.

Ob eine wertende Zuordnung zum Typus der Beschäftigung gerechtfertigt ist, ergibt sich zunächst aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist somit regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen - schriftlich und/oder mündlich - und deren tatsächlicher Umsetzung auszugehen (BSG, Urteil vom 18.11.2015, B 12 RK 16/13 R, auch zum Nachfolgenden). Entsprechend dem (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen.

Ausgangspunkt der Prüfung ist somit der Anstellungsvertrag zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen. Dabei gelangt der Senat zu der Überzeugung, dass zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen ein Beschäftigungsverhältnis vereinbart wurde. Dies folgt bereits aus der Benennung des Vertrages mit "Anstellungsvertrag" und wird durch die vertraglichen Regelungen, die typisch für ein Beschäftigungsverhältnis sind, bestätigt. So war eine monatliche Vergütung in Höhe von 500,00 EUR zuzüglich einem dreizehnten Monatsgehalt und eine Gehaltsfortzahlung u.a. im Krankheitsfall für die Dauer von einem Monat vereinbart. Typische Bestandteile eines Beschäftigungsverhältnisses sind auch der vereinbarte Jahresurlaub von 30 Werktagen sowie der vereinbarte Ersatz von Reisekosten und Spesen (§ 9 des Anstellungsvertrages). Zwar ist in § 2 des Anstellungsvertrages geregelt, dass der Geschäftsführer in der Gestaltung seiner Arbeitszeit frei ist. Indessen tritt diese Regelung in der erforderlichen Abwägung hinter die dargestellten, für abhängige Beschäftigung sprechenden Umstände zurück, nicht zuletzt deshalb, weil die wöchentliche Arbeitszeit vom Beigeladenen für die Klägerin mit ca. zehn Wochenstunden veranschlagt worden ist. Bei derart geringer Arbeitszeit und der Art der Tätigkeit (Geschäftsführung) ist eine Freiheit in der zeitlichen Gestaltung zur Abwicklung sämtlicher Geschäfte unabdingbar und schließt pauschale Vorgaben deshalb aus.

Aus den tatsächlichen Umständen ergeben sich keine Gesichtspunkte, die eine andere Entscheidung zuließen.

Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheides auf der Grundlage der Rechtsprechung des BSG zutreffend dargelegt, dass es bei der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung von Geschäftsführern einer GmbH darauf ankommt, ob eine Beteiligung am Gesellschaftskapital der GmbH vorliegt (Gesellschafter-Geschäftsführer). Selbstständig tätige Gesellschafter-Geschäftsführer müssen über eine Mindestkapitalbeteiligung von 50% oder eine echte Sperrminorität verfügen und so eine Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von Gesellschafterbeschlüssen haben und ihnen nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung verhindern können. Demgegenüber ist eine unechte, weil auf bestimmte Gegenstände begrenzte Sperrminorität nicht geeignet, die erforderliche Rechtsmacht zu vermitteln. Ausgehend hiervon hat das Sozialgericht zutreffend erkannt, dass der Kapitalanteil des Beigeladenen keine echte Sperrminorität vermittelt, weil der Beigeladene ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung nicht umfassend verhindern kann. Seine Sperrminorität ist auf bestimmte Gegenstände begrenzt. Der Senat sieht daher insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung gemäß § 153 Abs. 2 SGG aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Die Einwände der Klägerin gegen die Ausführungen des Sozialgerichts greifen nicht durch. Sie beruft sich im Wesentlichen auf § 7 Nr. 2 Buchst. c i.V.m. § 6 Nr. 3 des Gesellschaftsvertrages und somit darauf, dass Beschlüsse der Gesellschafterversammlung in Bezug auf die in § 6 Nr. 3 aufgeführten Geschäfte nur mit 100% der Stimmen gefasst werden können. Indessen handelt es sich insoweit - wie vom Sozialgericht zutreffend dargelegt - nicht um eine echte Sperrminorität, weil sie nicht die gesamte Unternehmenstätigkeit erfasst.

Nach der auch von der Klägerin herangezogenen Rechtsprechung des BSG ist bei einem Minderheitsgesellschafter, der zugleich für die GmbH auf Grund vertraglicher Vereinbarung tätig ist, eine umfassende, die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität erforderlich, damit keine Beschäftigung vorliegt (neben dem vom Sozialgericht herangezogenen Urteil siehe auch Urteile vom 14.03.2018, B 12 R 13/17 R und B 12 KR 13/17 R sowie Urteil vom 19.09.2019, B 12 R 25/18 R: "allumfassend auf alle Angelegenheiten der Gesellschaft" bezogen). Werden dagegen im Gesellschaftsvertrag in Bezug auf die Sperrminorität einzelne Geschäfte aufgeführt, bedeutet dies, dass nicht aufgeführte Geschäfte keiner Sperrminorität unterliegen. Dementsprechend ist in § 6 Nr. 3 Satz 3 des Gesellschaftsvertrages auch vorgesehen, dass der voranstehende Katalog von zustimmungspflichtigen Geschäften, für die der Beigeladene über eine Sperrminorität verfügt, erweitert oder eingeschränkt werden kann. Auch dieser Beschluss bedarf der Einstimmigkeit (vgl. § 7 Nr. 2 Buchst. a des Gesellschaftervertrages). Dies bedeutet im Ergebnis, dass der Beigeladene für nicht enumerativ aufgeführte Geschäfte Beschlüsse der Gesellschafterversammlung nicht verhindern kann. Dies gilt beispielsweise für die Einstellung bzw. Kündigung von Mitarbeitern, wobei insoweit die Wertgrenze von 5.000,00 EUR, wie sie für die Anschaffungen oder Investitionen festgelegt ist (§ 7 Nr. 3 Buchst. d des Gesellschaftsvertrages), ohne Weiteres überschritten sein kann.

Ohnehin ist das Zustimmungserfordernis der Gesellschafterversammlung in § 6 Nr. 3 nur für Geschäfte, die über den gewöhnlichen Betrieb der Gesellschaft hinausgehen, vorgesehen. Dies bedeutet zugleich, dass Geschäfte des gewöhnlichen Betriebes keiner Zustimmung bedürfen. Auch wenn eine solche Zustimmung dann nicht erforderlich ist, schließt sie Beschlüsse der Gesellschafterversammlung über die Erteilung von Weisungen für Geschäfte des gewöhnlichen Betriebes gerade nicht aus. Denn nach § 37 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) sind die Geschäftsführer der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, die Beschränkungen einzuhalten, welche u.a. durch die Beschlüsse der Gesellschafter festgesetzt sind. Dies bedeutet eine umfassende und grundsätzliche Weisungsunterworfenheit der Geschäftsführer gegenüber den Gesellschaftern der GmbH. Solche Gesellschafterbeschlüsse sind dann gemäß § 7 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrages mit der Mehrheit der Stimmen zu fassen, sodass der Beigeladene diese Beschlüsse nicht hindern kann. Dies würde insbesondere für Gesellschafterbeschlüsse zu Ort, Zeit und konkreter Dauer der Tätigkeit des Beigeladenen, über Anweisungen zur Teilnahme an bestimmten geschäftlichen Besprechungen oder über die Art der Ausführung bestimmter Geschäfte der laufenden operativen Tätigkeit im Rahmen des gewöhnlichen Betriebes gelten, z.B. die Auswahl des anzuschaffenden Büromaterials oder sonstiger, für den Betrieb erforderlicher Materialien.

Entgegen der Auffassung der Klägerin muss die umfassende Sperrminorität also die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassen (BSG, Urteile a.a.O.) und damit alle Angelegenheiten (so die Formulierung im Urteil vom 29.06.2016, B 12 R 5/14 R und im Urteil vom 19.09.2019, B 12 R 25/18 R: "allumfassend auf alle Angelegenheiten der Gesellschaft"). Selbst die Sperrminorität in Bezug auf die eigene Kündigung reicht insoweit nicht aus (BSG, Urteil vom 29.06.2016, B 12 R 5/14 R).

Soweit die Klägerin meint, das Urteil des BSG vom 29.06.2016 sei insoweit nicht einschlägig, weil die dortige Minderheitsgesellschafterin nur Angestellte, nicht Geschäftsführerin gewesen sei, verkennt sie, dass die Frage der Verhinderung von Weisungen auf Grund der gesellschaftsrechtlichen Stellung nicht davon abhängig ist, in welchem schuldrechtlichen Verhältnis der für die GmbH Tätige zur GmbH steht und dass das BSG in den Urteilen vom 14.03.2018 sowie jenem vom 19.09.2019 auch für Gesellschafter-Geschäftsführer entschieden hat, dass die Sperrminorität die gesamte Unternehmenstätigkeit umfassen muss.

Soweit die Klägerin in der Berufung ausführt, die Anforderungen an den von der Sperrminorität umfassten Geschäftskreis dürften nicht überspannt werden, geht dies angesichts der dargelegten Rechtsprechung des BSG ins Leere. Die Frage, ob ein Gesellschafter-Geschäftsführer abhängig oder selbstständig tätig ist, richtet sich nicht nach den Anforderungen an die Handlungsfähigkeit der GmbH aus ihrer Sicht.

Soweit die Klägerin darauf hinweist, dass der Beigeladene die eigene Abberufung als Geschäftsführer verhindern könne (§ 6 Nr. 1 Satz 2 des Gesellschaftsvertrages), ändert dies nichts daran, dass er Gesellschafterbeschlüsse in Bezug auf Zeit, Dauer, Umfang und Ort seiner Tätigkeit nicht verhindern kann (so auch BSG, Urteil vom 29.06.2016, B 12 R 5/14 R zur Fallkonstellation, die Kündigung des eigenen Anstellungsvertrages hindern zu können). Hieran ändert auch die Möglichkeit freier Gestaltung der Arbeitszeit nach § 2 des Anstellungsvertrages nichts. Denn abgesehen von der jedenfalls Umfang und Ort der Tätigkeit nicht erfassenden Regelung, schränkt diese schuldrechtliche Vereinbarung die gesellschaftsrechtlichen Befugnisse der Gesellschafterversammlung nicht ein (vgl. Beschluss des Senats vom 19.07.2019, L 10 BA 282/19, m.w.N., in juris). Lediglich am Rande weist der Senat darauf hin, dass der Beigeladene im Falle seiner Entlassung bzw. Kündigung wegen Pflichtverletzung nach § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG vom Stimmrecht ausgeschlossen wäre (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 27.04.2009, II ZR 167/07).

Soweit sich die Klägerin zuletzt auf Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH, Urteil vom 01.10.2019, II ZR 386/17) berufen hat, verkennt sie, dass die hier zu beurteilende Frage des Vorliegens von Beschäftigung und damit der Versicherungspflicht auf Grund der Rechtsprechung der für diese Fragen zuständigen Sozialgerichte, und damit des Bundessozialgerichts, zu beantworten ist und nicht entsprechend der Rechtsprechung des BGH zur Problematik, ob und wann ein Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH eine arbeitnehmerähnliche Person im Sinne des Betriebsrentengesetzes ist. Daher sind der vom BGH angeführte Aspekt (Zusammenrechnung von Anteilen mehrerer Gesellschafter-Geschäftsführer zur Frage, ob eine Sperrminorität des einzelnen Gesellschafter-Geschäftsführers anzunehmen ist) im vorliegenden Rahmen ohne Bedeutung. Im Übrigen hat das BSG bereits entschieden, dass zwischen dem Begriff des Arbeitnehmers im Sinne des Arbeitsrechtes und des Beschäftigten im Sinne des Sozialversicherungsrechtes kein Gleichklang besteht (u.a. Urteil vom 04.06.2019, B 12 R 11/18 R), u.a. weil im Sozialversicherungsrecht auch die Belange der Solidargemeinschaft der Pflichtversicherten zu berücksichtigen sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 und 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), in Bezug auf den Beigeladenen i.V.m. §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO. § 156 VwGO (keine Kostentragung durch die Beklagte bei sofortigem Anerkenntnis) ist nicht anwendbar, weil die Beklagte das Teilanerkenntnis nicht sofort nach Bekanntwerden des Gesellschafterbeschlusses vom 01.03.2018 abgegeben hat, sondern auch nach Übersendung davon ausgegangen ist, dass sich daraus keine wesentlich neuen Erkenntnisse ergäben (Schriftsatz vom 09.09.2019). Da die Klägerin den Gesellschafterbeschluss vom 01.03.2018 aber erst im Berufungsverfahren vorgelegt hat, verbleibt es bei der Kostenentscheidung des Sozialgerichts (§ 155 Abs. 4 VwGO).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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