L 4 BA 825/20 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 2 BA 2/20 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 BA 825/20 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Allein die Beschlussfassung zur Bestellung eines Geschaftsführers einer GmbH (ohne Eintragung in das Handelsregister) führt statusrechtlich nicht dazu, dass dies bei der Beurteilung des Bestehens einer durch die Geschäftsführerbestellung herrührenden Rechtsmacht maßgeblich zu berücksichtigen ist.
2. Sozialversicherungsrechtlich entfaltet ein solcher Gesellschafterbeschluss keine Relevanz, weil er außerhalb des Gesellschaftsvertrages getroffen wurde und ihm ohne notarielle Beurkundung und Eintragung in das Handelsregister die insoweit erforderliche Publizität fehlt.
3. Der Zeitpunkt der Eintragung in das Handelsregister ist für die statusrechtliche Beurteilung der maßgebliche Zeitpunkt. Ab diesem Zeitpunkt manifestiert sich der Wille der Gesellschafter zur Bestellung eines (neuen) Geschäftsführers in rechtlich anzuerkennender Weise.
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 7. Februar 2020 geändert. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 13. Dezember 2018 in der Fassung des Bescheids vom 30. September 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. November 2019 in der Fassung des Bescheids vom 23. Januar 2020 wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 11.447,74 EUR festgesetzt.

Gründe:

1. Die am 10. März 2020 schriftlich beim Sozialgerichts Karlsruhe (SG) zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den ihr am 11. Februar 2020 zugestellten Beschluss des SG vom 7. Februar 2020 ist zulässig, insbesondere gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft sowie form- und fristgerecht (§ 173 Satz 1, § 64 Abs. 1, Abs. 2, § 63 SGG) eingelegt worden.

2. Streitgegenstand ist der Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. Dezember 2018 in der Fassung des Bescheids vom 30. September 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. November 2019 in der Fassung des Bescheids vom 23. Januar 2020, mit welchem die Antragsgegnerin zuletzt noch Beiträge zur Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung in Höhe von 45.790,95 EUR für Herrn H. A. (A.) im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2017 nachforderte. Der Bescheid vom 23. Januar 2020 ist während des beim SG anhängigen Klageverfahrens (S 2 BA 1/20) ergangen und ersetzt den bisherigen Bescheid vom 30. September 2019 nach Erlass des Widerspruchsbescheids vom 28. November 2019, so dass er gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist. Soweit die Antragsgegnerin die Forderung betreffend die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge mit Bescheid vom 23. Januar 2020 zurückgenommen hat, ist das Verfahren erledigt.

3. Die Beschwerde ist auch begründet. Das SG hat den Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. Dezember 2018 in der Fassung des Bescheids vom 30. September 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. November 2019 in der Fassung des Bescheids vom 23. Januar 2020 und unter dem Aktenzeichen S 2 BA 1/20 beim SG anhängigen Anfechtungsklage anzuordnen, zu Unrecht teilweise stattgegeben.

a) Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die von der Antragstellerin gegen den ergangenen Beitragsbescheid erhobene Klage hat nicht bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung. Nach § 86a Abs. 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage zwar grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG entfällt jedoch – wie vorliegend – die aufschiebende Wirkung bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Dies ist vorliegend der Fall, da die Antragsgegnerin Beiträge fordert.

Die öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug des Verwaltungsaktes und die privaten Interessen an der Aussetzung der Vollziehung sind gegeneinander abzuwägen. Dabei ist zu beachten, dass das Gesetz mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einräumt. Diese typisierend zu Lasten des Einzelnen ausgestaltete Interessenabwägung kann aber auch im Einzelfall zugunsten des Betroffenen ausfallen. Die konkreten gegeneinander abzuwägenden Interessen ergeben sich in der Regel aus den konkreten Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens, dem konkreten Vollziehungsinteresse und der für die Dauer einer möglichen aufschiebenden Wirkung drohenden Rechtsbeeinträchtigung. Da der vorläufige Rechtsschutz den Rechtsschutz in der Hauptsache sichern soll, sind für diese Interessenabwägung zwar grundsätzlich die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs ausschlaggebend, allerdings nicht stets in jedem Fall; je nach Fallgestaltung sind auch andere Belange zu berücksichtigen (Beschluss des Senats vom 13. Juli 2016 – L 4 KR 1980/16 ER-B – nicht veröffentlicht). Bei offensichtlicher Rechtswidrigkeit des Bescheides ist die aufschiebende Wirkung anzuordnen, bei offensichtlicher Aussichtslosigkeit des Rechtsbehelfs die Anordnung hingegen abzulehnen.

Bei der Anordnung der aufschiebenden Wirkung in den Fällen des § 86a Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGG, in denen wie hier der Rechtsbehelf von Gesetz wegen keine aufschiebende Wirkung hat, ist diese Entscheidung des Gesetzgebers, den abstrakten öffentlichen Interessen den Vorrang einzuräumen, zu beachten. In analoger Anwendung des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG sind Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs nur zu berücksichtigen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen, wenn also ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen. Andernfalls wäre in Beitragsangelegenheiten angesichts der vielfach in vorläufigen Rechtsschutzverfahren noch ungeklärten Verhältnisse eine Vollziehung häufig nicht durchsetzbar, was die Funktionsfähigkeit der Sozialversicherungsträger beeinträchtigen könnte (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 1. Juli 2004 – L 5 B 2/04 KR ER – juris, Rn. 19 m.w.N.). Insoweit müssen erhebliche Gründe für ein Obsiegen in der Hauptsache sprechen, damit die in § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG vorgenommene gesetzliche Risikoverteilung geändert werden kann (zum Ganzen: Beschlüsse des Senats vom 5. März 2013 – L 4 R 4381/12 ER-B – juris, Rn. 21 sowie vom 15. April 2014 – L 4 R 3716/13 ER-B – und vom 30. Januar 2015 – L 4 KR 2/15 ER B – beide nicht veröffentlicht). Zu berücksichtigen ist auch, welche nachteiligen Folgen dem Antragsteller aus der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts, vor allem für seine grundrechtlich geschützten Rechtspositionen, erwachsen und ob bzw. wie diese ggf. rückgängig gemacht werden können. Außerdem darf der Rechtsschutzanspruch (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz [GG]) gegenüber dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug einer Maßnahme umso weniger zurückstehen, je schwerwiegender die auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahmen der Verwaltung Unabänderliches bewirken (Senatsbeschluss vom 23. Oktober 2013 – L 4 R 4066/13 ER-B – nicht veröffentlicht). Ein Überwiegen des privaten Aufschubinteresse liegt daher vor, wenn die sofortige Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (vgl. § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG). Vom besonderer Bedeutung ist, ob eine Dringlichkeit für das im Eilverfahren geltend gemachte Begehren vorliegt (Senatsbeschluss vom 10. Juli 2019 – L 4 KR 3343/18 ER-B – n.v.).

b) Gemessen an diesen Vorgaben überwiegt vorliegend das Interesse an der sofortigen Vollziehung des Beitragsbescheides der Antragsgegnerin vom 23. Januar 2020 das Aufschubinteresse der Antragstellerin, da an dessen Rechtmäßigkeit nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Überprüfung keine ernstlichen Zweifel bestehen.

Ermächtigungsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 28p Abs. 1 Satz 5 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Nach dieser Vorschrift erlassen die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe u.a. in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung gegenüber den Arbeitgebern. Nach § 28e Abs. 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für die bei ihm Beschäftigten, d.h. die für einen versicherungspflichtigen Beschäftigten zu zahlenden Beiträge u.a. zur Renten- und Arbeitslosenversicherung (§ 28d Sätze 1 und 2 SGB IV), zu entrichten. Der Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch [SGB VI], § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch [SGB III]). Hieraus folgt eine Beitragspflicht für das aus dem Beschäftigungsverhältnis erzielte Arbeitsentgelt (§ 14 Abs. 1 SGB IV i.V.m. § 162 Nr. 1 SGB VI, § 342 SGB III).

Der Senat hat keine überwiegenden Zweifel, dass die Antragstellerin dem Grunde nach verpflichtet ist, Beiträge zur Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung auf das an A. gezahlte Arbeitsentgelt zu entrichten, weil dieser im streitigen Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2017 bei ihr abhängig beschäftigt war.

Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Hiernach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (ständige Rechtsprechung; BSG, Urteil vom 4. Juni 2019 – B 12 R 11/18 R – juris, Rn. 14 m.w.N.; BSG, Urteil vom 14. März 2018, B 12 KR 13/17 R – juris, Rn. 16 m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit vgl. BVerfG, Beschluss v. 20. Mai 1996, 1 BvR 21/96 – juris, Rn. 6). Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw. der selbständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (BSG, Urteil vom 23. Mai 2017, B 12 KR 9/16 R – juris, Rn. 24; Urteil vom 29. Juli 2015, B 12 KR 23/13 R – juris, Rn. 16).

Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgebend ist die Rechtsbeziehung, so wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung, so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu insgesamt BSG, Urteil vom 11. November 2015 – B 12 R 2/14 R – juris, Rn. 22 m.w.N.).

Nach diesen Grundsätzen ist auch zu beurteilen, ob der Gesellschafter einer GmbH zu dieser in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht. Eine Abhängigkeit gegenüber der Gesellschaft ist nicht bereits durch die Stellung des Betroffenen als Gesellschafter ausgeschlossen. Bei am Stammkapital der Gesellschaft beteiligten Geschäftsführer ist der Umfang der Beteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenen Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal (BSG, Urteil vom 14. März 2018 – B 12 KR 13/17 R – juris, Rn. 21 m.w.N.). Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis liegt nicht vor, wenn der Geschäftsführer an der Gesellschaft beteiligt ist und allein oder jedenfalls mit Hilfe seiner Gesellschafterrechte die für das Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit vermeiden kann (BSG, Urteil vom 24. September 1992, 7 RAr 12/92 - juris, Rn. 18). Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ist daher vom BSG verneint worden, wenn der Geschäftsführer Alleingesellschafter ist (BSG, Urteil vom 24. November 2005, B 12 RA 1/14 R, in juris, Rn. 13), wenn der Geschäftsführer über die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft verfügt (BSG, Urteil vom 17. Mai 2001, B 12 KR 34/00 R - juris, Rn. 15) und wenn der Geschäftsführer über eine Sperrminorität verfügt, um ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschaft zu verhindern (BSG, Urteil vom 30. April 2013, B 12 KR 19/11 R, in juris, Rn. 16 m.w.N.). Bei Fehlen einer (maßgeblichen) Unternehmensbeteiligung in diesem Sinne hat die Rechtsprechung des BSG bereits früher eine abhängige Beschäftigung nur in sehr begrenzten Einzelfällen angenommen, etwa bei Familienunternehmen (sog. "Kopf und Seele"-Rechtsprechung). Diese Rechtsprechung hat der für Statusentscheidungen zuständige 12. Senat des BSG inzwischen zu Gunsten einer streng am Vorliegen von Rechtsmacht orientierten Normanwendung aufgegeben. Eine vom rein faktischen, nicht rechtlich gebundenen und daher jederzeit änderbaren Verhalten der Beteiligten abhängige Statuszuordnung sei mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht vereinbar (BSG, Urteile vom 29. Juli 2015, B 12 KR 23/13 R und B 12 R 1/15 R - juris, Rn. 26, 30, sowie Urteil vom 11. November 2015, B 12 KR 10/14 R - juris, Rn. 31).

Hiervon abzugrenzen ist die Beurteilung eines für die GmbH tätigen Gesellschafters, der nicht zu deren Geschäftsführer bestellt ist. Ein solcher besitzt allein aufgrund seiner gesetzlichen Gesellschafterrechte nicht die Möglichkeit, seine Weisungsgebundenheit als Angestellter der Gesellschaft aufzuheben oder abzuschwächen. Vorbehaltlich anderweitiger Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag, die vorliegend nicht ersichtlich sind, ist die Dienstaufsicht und das Weisungsrecht über die Angestellten der GmbH nämlich Sache der laufenden Geschäftsführung und nicht der Gesellschafterversammlung. Deshalb bleibt der Gesellschafter in seiner Eigenschaft als Angestellter rechtlich von Weisungen der Geschäftsführung abhängig. Die Rechtsmacht auch eines Gesellschafters mit Sperrminorität erschöpft sich in solchen Fällen darin, Beschlüsse der Gesellschafterversammlung verhindern zu können (BSG, Urteil vom 23. Juni 1994 - 12 RK 72/92 - juris).

Ausgehend von diesen Grundsätzen war A., welcher zwar mit Gesellschafterbeschluss vom 16. Januar 2014 zum Geschäftsführer der Antragstellerin bestellt wurde, wobei die Eintragung dieser Bestellung erst am 19. April 2018 in das Handelsregister erfolgte, im streitigen Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2017 bei der Antragstellerin abhängig beschäftigt. Der Senat schließt sich hierbei vollumfänglich den Ausführungen des 5. Senats des LSG Baden-Württemberg in seinem Beschluss vom 15. April 2019 (L 5 BA 611/19 ER-B) an, welcher die von der Antragstellerin eingereichte Beschwerde gegen den ablehnenden Beschluss des SG (vom 1. Februar 2019, S 3 BA 102/19 ER) im Hinblick auf einen zuvor bereits im Widerspruchsverfahren gegen den ursprünglichen Beitragsbescheid vom 13. Dezember 2018 gestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs zurückgewiesen hat.

Der Senat ist ebenfalls der Auffassung, dass die Beschlussfassung betreffend die Geschäftsführerbestellung wegen des Grundsatzes der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände (BSG, Urteil vom 14. März 2018 - B 12 KR 13/17 R – juris, Rn. 22) statusrechtlich nicht dazu führt, A. bei der Beurteilung des Bestehens der Rechtsmacht im oben umschriebenen Sinne als Geschäftsführer der Antragstellerin einstufen zu können. Gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) können Gesellschafter oder andere Personen zu Geschäftsführern bestellt werden. Die Bestellung erfolgt nach § 6 Abs. 3 Satz 2 GmbHG im Gesellschaftsvertrag oder nach Maßgabe der Bestimmungen des dritten Abschnitts des GmbHG (u.a. im Fall der Führungslosigkeit). Nach § 39 Abs. 1 GmbHG ist jede Änderung in den Personen der Geschäftsführer sowie die Beendigung der Vertretungsbefugnis eines Geschäftsführers zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (BSG, Urteil vom 29. Juli 2015 - B 12 KR 23/13 R - juris). Dies ist im streitbefangenen Zeitraum nicht erfolgt. Dies korrespondiert damit, dass außerhalb des Gesellschaftsvertrags (Satzung) bestehende Abreden zwischen einem Gesellschafter-Geschäftsführer sowie anderen Gesellschaftern und/oder der GmbH statusrechtlich die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmachtverhältnisse nicht mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung zu verschieben vermögen.

Dem außerhalb des Gesellschaftsvertrages getroffenen Gesellschafterbeschluss vom 16. Januar 2014 kommt nicht die vom SG angenommene Bedeutung zu. Ein solcher Beschluss mag zwar gesellschaftsrechtlich zulässig sein. Sozialversicherungsrechtlich entfaltet er jedoch keine Relevanz, weil er außerhalb des Gesellschaftsvertrages getroffen wurde und ihm ohne notarielle Beurkundung und Eintragung in das Handelsregister die insoweit erforderliche Publizität fehlt (zur rechtsbekundenden Wirkung der Handelsregistereintragung vgl. auch BSG, Urteil vom 5. März 2014 – B 12 KR 1/12 R – juris, Rn. 28). Andernfalls wäre die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von der Entscheidung der Gesellschafter abhängig, ob sie nicht beurkundete und nicht eingetragene Vereinbarungen außerhalb des Gesellschaftsvertrags in Verkehr bringen oder nicht (Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. Juni 2017 – L 5 KR 20/15 – juris, Rn. 32).

Die Eintragung im Handelsregister soll Rechtssicherheit für den Rechtsverkehr im Außenverhältnis der Gesellschaft bieten (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 19. Dezember 2019 - B 12 KR 9/18 R - Terminbericht des BSG Nr. 57/19, Ziff. 2). Die Offenlegung der Vertretungsverhältnisse der Gesellschaft dient insgesamt der Sicherheit des Rechtsverkehrs (Schmitt, in: Bartl/Bartl/Beine/Koch/Schlarb/Schmitt, GmbH-Recht, 8. Aufl. 2019, § 39 Anmeldung der Geschäftsführer, Rn. 1). Dem entspricht die Regelung in § 15 Abs. 1 Handelsgesetzbuch (HGB). Danach gilt: Solange eine in das Handelsregister einzutragende Tatsache nicht eingetragen und bekanntgemacht ist, kann sie von demjenigen, in dessen Angelegenheiten sie einzutragen war, einem Dritten nicht entgegengesetzt werden, es sei denn, dass sie diesem bekannt war. Diese erste Variante von § 15 Abs. 1 HGB gründet das Vertrauen des Rechtsverkehrs und damit auch des Dritten auf das Schweigen des Handelsregisters über die betreffende Tatsache, woraus sich der Ausdruck der negativen Publizität ableitet (Förster, in: Heymann, HGB, 3. Aufl. 2020, § 15 Rn. 16). Die Pflicht zur Eintragung einer Änderung in den Personen der Geschäftsführer folgt jedoch unmittelbar aus § 39 Abs. 2 GmbHG (Förster, a.a.O., § 8 Rn. 16). Der (neue) Geschäftsführer hat zudem nach § 39 Abs. 3 GmbHG in der Anmeldung zu versichern, dass keine Umstände vorliegen, die seiner Bestellung nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3 sowie Satz 3 GmbHG entgegenstehen, und dass er über seine unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Registergericht belehrt worden ist. Die neuen Geschäftsführer haben mithin obligatorisch die in Abs. 3 vorgesehene Versicherung abzugeben.

Der Rechtssicherheit dient auch die Prüfung der Eintragung durch das Registergericht. Denn es ist Aufgabe des Registergerichts, die Eintragung unrichtiger oder tatsächlich nicht bestehender Rechtsverhältnisse zu verhindern (vgl. Schmitt, a.a.O., Rn. 14 m.w.N.). Dies übersieht das SG in seinem Beschluss. Auch wenn es sich gesellschaftsrechtlich lediglich um eine deklaratorische Eintragung handelt, ist das Registergericht bei begründeten Zweifeln berechtigt und verpflichtet, den wahren Sachverhalt aufzuklären (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juni 2011 – II ZB 15/10 – juris, Rn. 10). All dies dient der Rechtssicherheit und damit auch der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher (Anknüpfungs-)Tatbestände.

Vor der Eintragung in das Handelsregister ist für den prüfenden Versicherungsträger mithin nicht sicher erkennbar, ob (z.B. im Hinblick auf § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3 GmbHG) überhaupt auch nur die Eintragungsfähigkeit des (neuen) Geschäftsführers gegeben ist. Der Handelsregisterauszug manifestiert, dass die Eintragung einer Rechtsprüfung unterzogen wurde (vgl. in anderem Zusammenhang BSG, Urteil vom 09. August 2006 – B 12 KR 3/06 R – juris, Rn. 23). Der Zeitpunkt der Eintragung in das Handelsregister ist mithin für die statusrechtliche Beurteilung der maßgebliche Zeitpunkt. Ab diesem Zeitpunkt manifestiert sich der Wille der Gesellschafter zur Bestellung eines (neuen) Geschäftsführers in rechtlich anzuerkennender Weise (vgl. allg. BSG, Urteil vom 29. Juli 2015 – B 12 KR 23/13 R – juris, Rn. 19).

Da es bei A. mithin im Rahmen der hier streitigen statusrechtlichen Beurteilung mangels erfolgter Eintragung ins Handelsregister (diese ist erst außerhalb des streitigen Zeitraums am 19. April 2018 erfolgt) nicht auf seine faktische Rechtsmacht als Geschäftsführer ankommt (vgl. nochmals zum Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände und zum fehlenden Vertrauensschutz im Hinblick auf die Aufgabe der sog. "Kopf und Seele"-Rechtsprechung BSG, Urteil vom 19. September 2019 – B 12 R 25/18 R – juris, Rn. 15), bestehen nach der gebotenen summarischen Überprüfung keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides vom 23. Januar 2020. Da solche auch nicht darin gründen, dass die Antragsgegnerin offensichtlich weitere für oder gegen eine selbstständige Tätigkeit des A. sprechende Indizien fehlerhaft bewertet hätte, überwiegt für den Senat vorliegend das Interesse am Vollzug des Bescheides vom 23. Januar 2020 das Aufschubinteresse der Antragstellerin.

Die Härteklausel des § 86a Abs. 3 Satz 2 2. Alt. SGG, in deren Rahmen nicht auf die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren abzustellen ist - bei ihr handelt es sich um eine Ausprägung des verfassungsrechtlichen bzw. grundrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes -, führt nicht dazu, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen ist. Zwar ist das Gericht stets gehalten, die nachteiligen Folgen (vor allem für grundrechtlich geschützte Rechtspositionen), die der Antragstellerin aus der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts, erwachsen sowie die Frage, ob bzw. wie diese ggf. rückgängig gemacht werden können, zu berücksichtigen, indes ist vorliegend bereits nicht (substantiiert) vorgetragen, dass der Antragstellerin gerade durch den Vollzug des Bescheides vom 23. Januar 2020 maßgebliche nachteilige Folgen drohen.

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin hin war daher der Beschluss des SG vom 7. Februar 2020 zu ändern und der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz und berücksichtigt, dass in Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes, die Beitragsangelegenheiten betreffen, regelmäßig nur ein Viertel des Wertes der Hauptsache als Streitwert anzusetzen ist.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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