L 3 SB 13/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 SB 2399/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 13/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Zur Beurteilung der "Erheblichkeit" der noch ausstehenden Ermittlungen im Sinne des § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG sind diese mit denjenigen Ermittlungen und sonstigen notwendigen Handlungen des Gerichts zu vergleichen, die das Gericht ohnehin voraussichtlich hätte durchführen müssen, wenn die beklagte Behörde die vom Gericht für erforderlich gehaltenen ergänzenden Ermittlungen durchgeführt hätte (Anschluss an BFH, Urteil vom 22.04.1997, IX R 74/95, juris Rn. 25, 26).
2. Es trifft nicht zu, dass das Einholen eines medizinischen Sachverständigengutachtens für das Gericht regelmäßig nicht mit einem erheblichen Aufwand verbunden ist und es sich deshalb nicht um „erhebliche“ Ermittlungen im Sinne des § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG handelt; vielmehr kommt es auf den konkreten Einzelfall an, da je nach Fallgestaltung mit der Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens der Einsatz erheblicher sächlicher und mit Blick auf dessen Auswertung und Bewertung auch erheblicher personeller Mittel verbunden sein kann (Anschluss an LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25.04.2013, L 13 SB 73/12, juris Rn. 25-27).
3. Eine Zurückweisung an die beklagte Behörde ist „sachdienlich“ im Sinne des § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG, wenn diese die aus Sicht des Gerichts notwendigen Ermittlungen besser durchführen kann als das Gericht und wenn es unter übergeordneten Gesichtspunkten vernünftiger und sachgerechter ist, die Behörde tätig werden zu lassen (Anschluss an BSG, Urteil vom 25.04.2013, B 8 SO 21/11 R, juris Rn. 15).
4. Bessere bei der Behörde liegende Ermittlungsmöglichkeiten sind regelmäßig nicht bei fachärztlichen Standardgutachten gängiger medizinischer Fachrichtungen anzunehmen, insbesondere wenn die beklagte Behörde ebenso wie das Gericht externe Sachverständige zur Erstellung der Gutachten beauftragen müsste, weil ihr zur Aufklärung des medizinischen Sachverhaltes keine bessere personelle oder sachliche Ausstattung als dem Gericht zur Verfügung steht.
5. Übergeordnete Gesichtspunkte, die eine Zurückverweisung zur weiteren Sachaufklärung rechtfertigen, sind dann gegeben, wenn die Behörde ihre Aufgabe, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, nicht wahrgenommen, sondern im Sinne eines Ermittlungsausfalls unterlassen hat, also keine für die Beurteilung des Streitgegenstandes verwertbare Ermittlung vorliegt (Anschluss an Sächsisches LSG, Urteil vom 15.12.2011, L 3 AS 619/10, juris Rn. 22), beziehungsweise eine Unterschreitung der an eine Sachaufklärung zu stellenden Mindestanforderungen vorliegt (Anschluss an Hessisches LSG, Urteil vom 29.01.2019, L 3 U 63/18, juris Rn. 21), was nicht der Fall ist, wenn die beklagte Behörde Befundberichte behandelnder Ärzte eingeholt hat und versorgungsärztlich hat auswerten lassen.
6. Über seinen Wortlaut hinaus ist § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG entsprechend anzuwenden, wenn das erstinstanzliche Gericht, weil es gestützt auf § 131 Abs. 5 SGG den Bescheid des Beklagten aufgehoben und die Sache an die Behörde zurückverwiesen hat, keine Entscheidung über das eigentliche (hier auf eine Erhöhung des GdB gerichtete) Begehren getroffen hat (Anschluss an Hessisches LSG, Urteil vom 29.01.2019, L 3 U 63/18, juris Rn. 17, 18 und an LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.01.2020, L 6 SB 3637/19, juris Rn. 25).
7. Eine Zurückverweisung des Rechtsstreits nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG ist erforderlich, wenn bei einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage eine rechtsfehlerhafte Zurückverweisung an die Behörde durch das erstinstanzliche Gericht in Anwendung des § 131 Abs. 5 SGG zu einer Reduzierung des Streitgegenstandes auf den Anfechtungsteil des Klageantrags in der Rechtsmittelinstanz geführt hat, weil dem erkennenden Gericht aufgrund der fehlenden Anhängigkeit des eigentlichen (Verpflichtungs-)Begehrens in der Rechtsmittelinstanz eine endgültige Entscheidung darüber verwehrt ist (Anschluss an Hessisches LSG, Urteil vom 29.01.2019, L 3 U 63/18, juris Rn. 18, 26).
Auf die Berufung des Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11.12.2019 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Karlsruhe zurückverwiesen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB) streitig.

Der am xx.xx.xxxx geborene Kläger beantragte am 13.10.2016 die Feststellung seines GdB ab 01.01.2015. Das Berufliche Rehabilitationszentrum K. führte in seinem vom Beklagten beigezogenen Ärztlichen Kurzbericht vom 13.01.2016 als Diagnosen eine vollremittierte, drogeninduzierte, paranoide Schizophrenie, ein persistierendes ADHS im Erwachsenenalter, anamnestisch einen multiplen Substanzabusus mit Abstinenz seit 2011 und anamnestisch eine Somatisierungsstörung auf. Der Neurologe und Psychiater V. führte in seinem vom Beklagten eingeholten Befundbericht vom 12.12.2016 aus, beim Kläger bestehe seit Mitte der 2000er Jahre eine paranoide schizophrene Psychose. Früher hätten coenästhetische Körperbeschwerden, formale Denkstörungen und eine emotionale Labilität im Vordergrund gestanden. Es seien mehrere stationäre Aufenthalte, zuletzt im Jahr 2012, erfolgt. Daran habe sich im Jahr 2013 eine halbjährige berufliche Rehabilitationsphase angeschlossen, die relativ erfolgreich habe abgeschlossen werden können. Der Kläger sei weiterhin auf die Einnahme hochdosierten Clozapins angewiesen. Hierunter seien die floriden psychotischen Symptome verschwunden. Geblieben sei ein Residualsyndrom mit geminderter emotionaler Belastbarkeit, Aspontanität und vergröberten Denkstrukturen. Wahrnehmungsstörungen träten nur noch im Rahmen des bereits im Jugendalter diagnostizierten ADHS-Syndroms im Sinne einer fehlenden Eigenschaft, Dinge priorisieren zu können und insgesamt in der Aufmerksamkeit wenig fokussiert zu sein, auf. Der Kläger habe eine Zeit lang als Industriemechaniker beruflich tätig sein können, sei derzeit aber arbeitslos und auf Jobsuche. Intermittierend träten Ängste auf. Der Kläger müsse sich weiterhin regelmäßig in nervenärztliche Behandlung begeben und sei auf die dauerhafte Einnahme der Medikamente angewiesen. Versorgungsärztin D. berücksichtigte in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 17.01.2017 als Behinderungen einen Residualzustand nach seelischer Krankheit und Verhaltensstörungen mit einem Einzel-GdB von 30 und bewertete den Gesamt-GdB mit 30. Sodann stellte der Beklagte mit Bescheid vom 27.01.2017 den GdB des Klägers mit 30 seit 01.01.2015 fest.

Der Kläger beantragte am 16.10.2018 die Erhöhung seines GdB. Er gab dabei an, der Zustand nach Psychose habe sich verschlimmert und eine Schulterarthrose sei neu aufgetreten. Angaben könnten die ihn behandelnden Ärzte, der Internist Dr. M., der Neurologe und Psychiater V. und die Chirurgen Dres. E. und O. machen. Daraufhin holte der Beklagte den Befundbericht des Neurologen und Psychiaters V. vom 12.11.2018 ein. Dieser gab darin an, unter Behandlung mit dem hochpotenten Neuroleptikum Clozapin sei die akute Symptomatik einem Residualsyndrom gewichen. Die Denkstrukturen seien eher einfach, die emotionale Belastbarkeit sei reduziert, der Kläger sei wenig spontan. Mittlerweile sei es dem Kläger gelungen, als Produktionshelfer tätig zu sein. Seine emotionale Belastbarkeit und Lebensgestaltung seien aber weiterhin deutlich reduziert. Die Erkrankung verlaufe erwartungsgemäß chronisch. Die Behandlung richte sich mehr auf eine Linderung des Leidens und auf das Vermeiden einer akuten psychotischen Verschlechterung. Die Chirurgen Dres. E. und O. gaben in ihrem Befundbericht vom 10.12.2018 an, der Kläger habe sich wegen Schmerzen in der rechten Schulter vorgestellt. Die Untersuchung habe Schmerzen bei der Abduktion bei 90°, ein positives Impingement, eine passive Abduktion bis 140°, eine seitengleiche Kraft und keine Hinweise auf eine Läsion der Rotatorenmanschette ergeben. Die Therapie mit Lipotaloninjektionen habe keine Besserung gezeigt, so dass das konsequente Training an Geräten angeraten worden sei. Im beigefügten Kernspintomographiebefund des Radiologen Dr. G. vom 20.08.2018 wurden eine Peritendinitis der Supraspinatussehne ohne Anhalt für eine Sehnenruptur, eine mäßige Acromioklavikulargelenksarthrose und ein deutliches subchondrales Knochenmarködem beschrieben. Dr. S. berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 01.02.2019 als Behinderungen einen Residualzustand nach seelischer Krankheit und Verhaltensstörungen mit einem Einzel-GdB von 30 sowie eine Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks mit einem Einzel-GdB von 10 und bewertete den Gesamt-GdB mit 30. Trotz Erweiterung der Tenorliste sei keine wesentliche Änderung eingetreten. Daraufhin lehnte der Beklagte den Erhöhungsantrag des Klägers mit Bescheid vom 18.02.2019 ab.

Im Widerspruchsverfahren führte der Kläger unter anderem aus, die Schizophrenie mit vorausgegangener psychotischer Episode wirke sich auch auf seine Konzentrationsfähigkeit, Merkfähigkeit sowie Feinmotorik in Form eines leichten Zitterns aus. Er könne keine Schichtarbeit annehmen, da eine solche mit seiner erarbeiteten Tagesstruktur nicht vereinbar wäre. Ferner leide er an Angststörungen. Er könne nicht mehr Autofahren und auch nicht alleine Bahnfahren. Außerdem habe er im Laufe des letzten Jahres einen Kontrollzwang entwickelt. Dieser beinhalte die Kontrolle verschiedenster Dinge beim Verlassen des Hauses beziehungsweise der Arbeitsstelle. Im Übrigen leide er seit einem Jahr an starken Schulterschmerzen. Er könne Kampfsport, Mountainbiking und generell alle Sportarten, die schlagend oder vibrierend auf seine Schulter einwirkten, nicht mehr ausüben. Er legte die Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters V. vom 22.02.2019 vor. Dieser führte darin aus, die verbliebenen dauerhaften Krankheitszeichen im Sinne einer Minussymptomatik seien von einfachem Denken, affektiver Verflachung und Antriebsschwäche mit Aspontanität geprägt. Dadurch sei der Kläger in seiner Lebensgestaltung, insbesondere der emotionalen Belastbarkeit, eingeschränkt. Äußere Anforderungen und Konflikte überforderten den Kläger und führten zu Ängsten, Zwangssymptomen und zum Teil paranoiden Beziehungssetzungen. In dem vom Beklagten beigezogenen Arztbrief des Orthopäden Prof. Dr. G. vom 14.03.2019 wurden in Bezug auf die rechte Schulter ein positiver Cross body, ein Druckschmerz im Acromioklavikulargelenk, ein deutliches Impingementsyndrom sowie eine unauffällige Rotatorenmanschette beschrieben und als Diagnosen eine aktivierte Acromioklavikulargelenksarthrose sowie eine Bursitis subacromialis beschrieben. Dr. O. hielt in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 18.05.2019 an der bisherigen versorgungsärztlichen Beurteilung fest und führte ergänzend aus, die neuen Befunde hätten nur eine leichtgradige und behandelbare Schulterproblematik beschrieben, so dass der neu zuerkannte Einzel-GdB von 10 angemessen sei. Bezüglich der unter Medikation vollständig remittierten psychotischen Störung lägen keine neuen Aspekte vor. Die soziale Integration sei gegeben, so dass eine Änderung nicht erkennbar werde. Daraufhin wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 03.07.2019 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 17.07.2019 Klage zum Sozialgericht (SG) Karlsruhe erhoben. Der bisher vom Beklagten festgestellte GdB sei nicht leidensgerecht. Der Kläger hat die Stellungnahme des Internisten Dr. M. vom 18.07.2019 vorgelegt. Dieser hat darin ausgeführt, der Kläger sei weiterhin in seiner körperlichen Leistungsfähigkeit deutlich eingeschränkt und könne sich nur schlecht und nur für eine kürzere Zeit konzentrieren. Auch sei eine geordnete feste Tagesstruktur für ihn wichtig. Wegen der Panikstörungen könne der Kläger weiterhin nicht selbst Autofahren. Auch könne er nicht mehr alleine Bahnfahren. Er könne nur kleinere Strecken zu Fuß beziehungsweise mit dem Fahrrad überwinden beziehungsweise mit dem Bus zum nächsten Ort beziehungsweise nach P. hineinfahren. Der Beklagte hat am 12.08.2019 seine Verwaltungsakten dem SG Karlsruhe vorgelegt und ist der Klage entgegengetreten.

Mit Gerichtsbescheid vom 11.12.2019 hat das SG Karlsruhe den Bescheid des Beklagten vom 18.02.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.07.2019 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung über den Erhöhungsantrag des Klägers vom 13.10.2018 für die Zeit ab dessen Eingang beim Beklagten am 16.10.2018 an das Landratsamt E. zurückverwiesen.

Die Klage sei im Sinne der Aufhebung der angefochtenen Bescheide unter Zurückverweisung der angegriffenen Entscheidung an den Beklagten zur neuerlichen Prüfung begründet.

Die Frist für die Zurückverweisung sei zum Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht abgelaufen, weil seit dem erstmaligen Eingang der Verwaltungsakte am 12.08.2019 bei Gericht noch keine sechs Monate verstrichen seien.

Es bestehe noch Ermittlungsbedarf, bevor über das Klägerbegehren entschieden werden könne. Vorliegend sei der Vollbeweis bezüglich des geltend gemachten Gesamtausmaßes aller Teilhabe-Einschränkungen allein durch die aktenkundigen medizinischen Unterlagen und Auswertungen noch nicht erbracht. Aufgrund des substantiierten Vorbringens des Klägers sowie der Vorlage beziehungsweise Beiziehung aussagekräftiger Entlassungs- und Befundberichte bestünden hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen eines GdB von mindestens 50. Die tatrichterliche Überzeugungsbildung erfordere hier die Einholung eines Sachverständigengutachtens, weil die beiden aktenkundigen gutachterlichen Stellungnahmen des Ärztlichen Dienstes des Beklagten sowie die ihnen zugrundeliegenden Berichte über die Gesundheitsstörungen des Klägers keine abschließende sozialmedizinische Bewertung erlaubten. Es sei absehbar, dass allein die Einholung von Auskünften der Behandler unzureichend wäre, um umfassende, aktuelle und hinreichend objektivierte medizinische Befunde, anamnestische Angaben, fachärztliche Diagnosen und Therapieverläufe als sozialmedizinisch maßgebliche Anknüpfungstatsachen zu erheben beziehungsweise eine schlüssige und nachvollziehbare Bewertung der strittigen Gesamt-Teilhabebeeinträchtigung zu ermöglichen, denn unter Umständen unterschieden sich die Untersuchungsziele, -methoden und -ergebnisse in Abhängigkeit davon, ob eine Person entweder zu diagnostischen und therapeutischen Zwecken oder zum Zwecke der sozialmedizinischen Beurteilung ärztlich untersucht werde. Eine der Amtsermittlungspflicht und dem (Voll-)Beweismaß genügende Sachaufklärung erfordere, zur sozialmedizinischen Bewertung des GdB auf psychiatrischem Fachgebiet eine sozialmedizinisch motivierte Untersuchung und Begutachtung durchführen zu lassen, weil andernfalls die für die sozialmedizinische Beurteilung maßgeblichen Befunde ohne Ausschöpfung der vorhandenen Erkenntnismittel für die tatrichterliche Überzeugungsbildung unzureichend blieben. Vorliegend ließen sich ohne eine zu sozialmedizinischen Zwecken nervenärztlich durchgeführte anamnestische Erhebung des Tagesablaufs, der sozialen Einbindung und des psychischen Befundes anhand einer mehrstündigen Untersuchung unter gegebenenfalls ergänzender testpsychologischer und/oder laborchemischer Objektivierung der hierbei gewonnenen Erkenntnisse und deren Abgleich mit den bereits aktenkundigen Anknüpfungstatsachen die Störungen des Klägers in Form einer paranoiden Schizophrenie bei Panikstörung im Residualzustand mit Verhaltensstörungen nicht abschließend beurteilen.

Bereits die Einholung eines einzigen Sachverständigengutachtens sei nach Art und Umfang, "erheblich" im Sinne des § 131 Abs. 5 SGG.

Es sei auch sachdienlich, die Sache an den Beklagten zurückzuverweisen. Die Entscheidung zur Zurückverweisung nach § 131 Abs. 5 SGG stehe im Ermessen des Gerichts. Das diesbezügliche Entschließungsermessen des Gerichts, ob es sich im Einzelfall zu einer Zurückverweisung an die Behörde entschließe oder stattdessen die unterlassene Sachverhaltsaufklärung selbst nachhole und die Sache spruchreif mache, sei auf Null reduziert. Jedenfalls im örtlichen Zuständigkeitsbereich des SG Karlsruhe seien in allen Streitigkeiten des Schwerbehindertenrechts, in denen im Einzelfall nach Art und Umfang noch als erheblich anzusehende sozialmedizinische Ermittlungen über Art und Ausmaß behinderungsbedingter Teilhabeeinschränkungen nötig seien, bevor in der Sache entschieden werden könne, bis zur Beseitigung des langjährigen, diskriminierenden und rechtsstaatswidrigen Ermittlungsdefizits der Landesversorgungsverwaltung die Eignung, die Erforderlichkeit und die Sachdienlichkeit der Zurückverweisung an den Beklagten im Sinne des § 131 Abs. 5 SGG zu bejahen, weil die Zurückverweisung dem öffentlichen Interesse an einer verfassungsmäßigen Verwaltung, dem Interesse beider Beteiligten an der Beschleunigung des Verfahrens und dem pekuniären Interesse des Beklagten an einem möglichst niedrigen Kostenaufwand diene. Irgendwelche Gründe, aus denen eine Zurückweisung im vorliegenden Einzelfall nicht sachdienlich beziehungsweise nicht ermessensgerecht sein solle, seien nicht ersichtlich.

Gegen den dem Beklagten am 16.12.2019 und dem Kläger am 18.12.2019 zugestellten Gerichtsbescheid des SG Karlsruhe haben der Beklagte am 02.01.2020 und der Kläger, dessen Prozessbevollmächtigter sich am 28.01.2020 für ihn in das Berufungsverfahren eingeschaltet hat, am 07.04.2020 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt.

Der Beklagte hat zur Begründung ausgeführt, die Bestimmung des § 131 Abs. 5 SGG habe Ausnahmecharakter und ihre Tatbestandsvoraussetzungen seien entsprechend eng auszulegen. Als Ausnahme von dem in Art. 19 Abs. 4 GG verankerten Gebot, dass das Gericht über eine zulässige Klage gegen die öffentliche Gewalt selbst eine Sachentscheidung treffen müsse, sei die Anwendung der Vorschrift danach auf besonders gelagerte Einzelfälle beschränkt. Damit sei nicht zu vereinbaren, wenn das SG Karlsruhe ausweislich der Entscheidungsgründe des angegriffenen Gerichtsbescheids in seinem örtlichen Zuständigkeitsbereich nun "in allen Streitigkeiten des Schwerbehindertenrechts, in denen im Einzelfall nach Art und Umfang noch als erheblich anzusehende sozialmedizinische Ermittlungen über Art und Ausmaß behinderungsbedingter Teilhabeeinschränkungen nötig sind, bevor in der Sache entschieden werden kann", bis zur Beseitigung eines von ihm ausgemachten "langjährigen, diskriminierenden und rechtsstaatswidrigen Ermittlungsdefizites der Landesversorgungsverwaltung" stets die Eignung, Erforderlichkeit und Sachdienlichkeit der Zurückverweisung bejahe. Die Ausführungen des SG Karlsruhe ließen vielmehr erkennen, dass es das Rechtsinstitut der Zurückverweisung entgegen der gesetzlichen Intention nicht als Einzelfallkorrektiv anwende, sondern zweckwidrig als Instrument nutze, um der Versorgungsverwaltung des Beklagten in einer Vielzahl von Fällen die Verwendung eines bestimmten Beweismittels – nämlich die Einholung "sozialmedizinisch motivierter" Sachverständigengutachten mit "ambulanter Untersuchung durch einen ärztlichen Gutachter, für welchen der Kläger nicht Patient, sondern Proband ist" – verbindlich durch Urteil vorzugeben, weil es generelle Zweifel an der Belastbarkeit und Richtigkeit der Angaben von behandelnden Ärzten sowie eine grundlegende Skepsis gegenüber einer Sachverhaltsaufklärung durch gutachtliche Auswertung von Befundunterlagen hege. Damit greife das SG Karlsruhe aber in einer Weise in das Ermittlungsermessen und die Gestaltungsbefugnisse des Beklagten im Verwaltungsverfahren ein, was durch die Vorschrift des § 131 Abs. 5 SGG nicht mehr gedeckt werde.

Abgesehen davon bestehe im vorliegenden Einzelfall auch kein erheblicher Ermittlungsbedarf im Sinne von § 131 Abs. 5 SGG. Das SG Karlsruhe lege seiner abweichenden Beurteilung schon im Ausgangspunkt einen unzutreffenden Maßstab zu Grunde. Denn es untersuche, ob das Ausmaß der Teilhabebeeinträchtigungen des Klägers mit dem für die gerichtliche Entscheidung erforderlichen Beweismaß – dem Vollbeweis – feststehe und die erhobene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage somit spruchreif sei. Es sei jedoch nicht Aufgabe der Verwaltung, die Rechtssache durch Ermittlungen im Verwaltungsverfahren für das Gericht spruchreif zu machen. Das SG Karlsruhe sei seinerseits Tatsacheninstanz und dürfe sich nicht – vergleichbar einem Revisionsgericht – darauf beschränken, aus seiner Sicht bestehende Ermittlungsmängel aufzuzeigen und den Rechtsstreit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an die Verwaltung zurückzuverweisen. Vielmehr habe es nach § 103 SGG ebenso wie die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen umfassend zu erforschen. Wenn es der Meinung sei, dass für seine Entscheidung weitere Ermittlungen notwendig seien, sei es deshalb grundsätzlich verpflichtet, den Sachverhalt selbst weiter aufzuklären. Zwar mache die Vorschrift des § 131 Abs. 5 SGG hiervon eine Ausnahme, um die Gerichte durch die Möglichkeit der Zurückverweisung von zeit- und kostenintensiven Ermittlungen zu entlasten, die eigentlich der Behörde oblägen. Insoweit sei aber zu beachten, dass es im pflichtgemäßen Ermessen der Verwaltung stehe, auf welche Art und Weise sie den maßgeblichen Sachverhalt im Verwaltungsverfahren ermittele. Gemäß § 20 Abs. 1 SGB X bestimme die Behörde im Rahmen der Amtsermittlung Art und Umfang der Sachverhaltsermittlungen und sei dabei weder an das Vorbringen noch an Beweisanträge der Beteiligten gebunden. Sie bediene sich gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 SGB X vielmehr der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich halte. Das "Wie" der Ermittlungen sei vom Gesetzgeber somit in das weite Ermessen der Verwaltung gestellt. Dies gelte auch für die Entscheidung, ob die medizinische Sachverhaltsaufklärung durch den versorgungsärztlichen Dienst im Rahmen einer eigenen ambulanten gutachtlichen Untersuchung oder in Auswertung beigezogener Befundberichte stattfinde. Das Gericht könne und dürfe die Ermessensbetätigung der Behörde nur eingeschränkt überprüfen und sei im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gewaltenteilung insbesondere nicht befugt, sein eigenes Ermessen an die Stelle des Verwaltungsermessens zu setzen. Deshalb diene die Regelung des § 131 Abs. 5 SGG nicht dazu, der Verwaltung das eigene gerichtliche Verständnis von ausreichender Sachverhaltsaufklärung – welches erfahrungsgemäß von Gericht zu Gericht auch sehr unterschiedlich sei – als verbindlich vorzuschreiben. Vielmehr komme eine Zurückverweisung an die Verwaltung lediglich in Ausnahmefällen in Betracht, wenn die an eine Sachaufklärung zu stellenden Mindestanforderungen unterschritten worden seien, weil von der Verwaltung überhaupt keine oder nur unverwertbare Ermittlungen durchgeführt worden seien und deshalb keine für die Beurteilung des Sachverhalts verwertbaren Beweisergebnisse vorlägen. Ansonsten sei das Gericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht gehalten, die von ihm noch für erforderlich erachtete Sachverhaltsaufklärung selbst durchzuführen. Dies gelte auch dann, wenn das Gericht der Meinung sei, dass seine Entscheidung auf das von der Behörde erzielte Ermittlungsergebnis nicht gestützt werden könne und sich eine weitere Beweisaufnahme, etwa durch Einholung eines Sachverständigengutachtens aufgedrängt habe. Ein die Zurückverweisung rechtfertigender Ermittlungsausfall im beschriebenen Sinn liege im Streitfall aber nicht vor. Der Beklagte habe vielmehr eine sachgerechte Sachaufklärung im gebotenen Umfang durchgeführt. Entsprechend der Angaben des Klägers sei eine Sachaufklärung in erster Linie auf orthopädischem und nervenärztlichem Gebiet erfolgt. Zu jeder im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren geltend gemachten Behinderung seien medizinische Befunde ermittelt und diese versorgungsärztlich ausgewertet worden. Ein weiterer Aufklärungsbedarf, der eine ambulante Untersuchung und Begutachtung des Klägers zwingend erfordert hätte, habe nicht bestanden.

Im Übrigen sei, selbst wenn vorliegend die Einholung eines nervenärztlichen Sachverständigengutachtens aufgrund ambulanter Untersuchung im Verwaltungsverfahren angezeigt gewesen sein sollte, zu berücksichtigen, dass allein das Erfordernis der Beiziehung von Krankenunterlagen und der Einholung eines Sachverständigengutachtens für eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltung nicht ausreichend sei, da eine solche Beweiserhebung zum sozialgerichtlichen Alltag gehöre. Es handele sich hierbei um eine verfahrensübliche Maßnahme zur Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts, die das Gericht nach § 106 Abs. 3 Nr. 2, 4 und 5 SGG bei gegebenem Anlass vornehmen müsse und auch grundsätzlich ohne erheblichen Aufwand vornehmen könne. Ein fehlendes Sachverständigengutachten sei für sich allein auch kein Indiz für ein Ermittlungsdefizit der Verwaltungsbehörde.

Darüber hinaus sei die Zurückverweisung an den Beklagten vorliegend auch nicht sachdienlich. Sie widerspreche den objektiven Belangen der Beteiligten. Denn es bestehe die Gefahr, dass sich die abschließende Klärung des geltend gemachten Anspruchs auf Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft hierdurch erheblich verzögere, ohne dass der Kläger oder der Beklagte einen nennenswerten Vorteil daraus erlangten. Der Kläger habe mit der Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide nur einen Teilerfolg erzielt, der ihm keine Verbesserung seiner materiell-rechtlichen Position bringe. Denn die Aufhebung der Bescheide wegen (angeblich) unzureichender Sachverhaltsaufklärung führe nur zur Wiederholung des Verwaltungsverfahrens und besage allein nichts über die Begründetheit des geltend gemachten Anspruchs. Durch die Zurückverweisung an den Beklagten werde der Kläger deshalb gerade nicht begünstigt, sondern eher belastet; und zwar unabhängig vom vorliegenden Berufungsverfahren. Denn selbst wenn der Beklagte die vom SG Karlsruhe für erforderlich gehaltenen Ermittlungen nun unverzüglich durchführen würde, träte eine unter Umständen erhebliche Verzögerung bis zur abschließenden Streitentscheidung ein. Im Falle einer neuerlichen Ablehnung seines Antrags müsste der Kläger nämlich nach Erteilung des Bescheides erneut fristgerecht Widerspruch und Klage erheben. Eine abschließende gerichtliche Entscheidung würde in diesem Fall mutmaßlich erst zu einem viel späteren Zeitpunkt ergehen können, als sie ergangen wäre, wenn das SG Karlsruhe von einer Entscheidung nach § 131 Abs. 5 SGG abgesehen hätte. Dies widerspreche dem Interesse an zeitnahem Rechtschutz und der Herstellung von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit.

Über diese berechtigten Belange der Beteiligten habe sich das SG Karlsruhe mit seiner Zurückverweisungsentscheidung hinweggesetzt. Das Interesse an einer Entlastung der Justiz solle lediglich bei Hinzutreten weiterer Umstände überwiegen, die eine Belastung der Beteiligten mit der Gefahr der Verzögerung des Rechtsstreits rechtfertigten. Deshalb solle unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten eine Zurückverweisung an die Verwaltung grundsätzlich nur dann erfolgen, wenn die Behörde nach ihrer personellen und sachlichen Ausstattung die ausstehende Sachverhaltsermittlung besser durchführen könne als das Gericht und es auch unter übergeordneten Gesichtspunkten vernünftiger und sachgerechter sei, die Behörde tätig werden zu lassen. Beides sei hier nicht der Fall. Das SG Karlsruhe unterstelle im angefochtenen Gerichtsbescheid bessere Ermittlungsmöglichkeiten des Beklagten, ohne die hierfür notwendigen Feststellungen zu treffen. Tatsächlich verfüge der Beklagte aber hinsichtlich der vom SG Karlsruhe für erforderlich gehaltenen medizinischen Ermittlungen über keine anderen oder besseren Aufklärungsmittel als das Gericht. Denn der ärztliche Dienst des zuständigen Landratsamts E. sei nicht mit Fachärzten der nervenärztlichen beziehungsweise psychiatrischen Fachrichtung besetzt. Eine psychiatrische Untersuchung und Begutachtung, wie sie das SG Karlsruhe beim Kläger für notwendig erachte, könnte also nicht durch das eigene Personal oder externe Mitarbeiter des versorgungsärztlichen Dienstes durchgeführt werden. Dies lasse sich entgegen dem SG Karlsruhe auch nicht mit normativen Erwägungen überspielen. Vielmehr sei die Zurückverweisung an den Beklagten unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten im Streitfall schon deshalb nicht sachdienlich, weil der Versorgungsverwaltung des Beklagten zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts keine bessere personelle oder sachliche Ausstattung als dem Gericht zur Verfügung stehe und die Verwaltung deshalb für die vom SG Karlsruhe für notwendig erachteten weiteren Ermittlungen ebenfalls Gutachten bei externen psychiatrischen Sachverständigen einholen müsste.

Mit dem Erlass einer nach § 131 Abs. 5 SGG nicht zulässigen Zurückverweisungsentscheidung leide das Verfahren des SG Karlsruhe an einem wesentlichen Mangel. Der angegriffene Gerichtsbescheid sei daher aufzuheben. Im Streitfall erscheine eine Zurückverweisung der Sache entsprechend § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG angezeigt. Dadurch stünden den Beteiligten wieder zwei Tatsacheninstanzen offen. Außerdem habe die Anwendung von § 131 Abs. 5 SGG auf die vorliegende kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ohne Rücksicht auf den Willen des Klägers zu einer Reduzierung des Streitgegenstandes auf den Anfechtungsteil seines Antrags geführt, so dass es an einer Entscheidung des SG Karlsruhe über den Verpflichtungsteil der Klage fehle und durch die eingelegte Berufung des Beklagten die Sache insoweit auch nicht im Berufungsverfahren anhängig geworden sei.

Der Beklagte hat die versorgungsärztliche Stellungnahme des Dr. W. vom 10.01.2020 vorgelegt. Dieser hat ausgeführt, dass die sich in der Verwaltungsakte des Beklagten befindlichen Unterlagen völlig ausreichten, um eine sachgerechte GdB-Bewertung vorzunehmen. Ein schizophrener Residualzustand mit Konzentrationsstörung, Kontaktfähigkeit, Vitalitätseinbuße und affektiver Nivellierung bedinge bei leichten sozialen Anpassungsschwierigkeiten einen GdB von 30 bis 40. Man könne aus den aktenkundigen Befundberichten allenfalls noch leichte soziale Anpassungsschwierigkeiten, auch unter Einschluss einer ADHS-Symptomatik, ableiten, so dass damit mit dem zuerkannten Einzel-GdB von 30 auf psychiatrischem Fachgebiet die bestehenden Funktionseinschränkungen korrekt bewertet worden seien. Eine Bewegungseinschränkung der rechten Schulter mit Einschränkung der Armhebung auf 90°, welche einen höheren GdB als 10, wie er bisher für die rechte Schulter zuerkannt worden sei, bedingen würde, werde in den Aktenunterlagen nicht beschrieben.

Der Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11.12.2019 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Karlsruhe zurückzuverweisen, hilfsweise, die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11.12.2019 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Karlsruhe zurück zu verweisen, hilfsweise, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11.12.2019 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 18.02.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.07.2019 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm den GdB mit 50 seit 16.10.2018 festzustellen.

Der Kläger hat zur Begründung ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung der Sache an den Beklagten lägen nicht vor. Der GdB sei mit 50 festzustellen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

1.

Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte, nach § 151 SGG form- und fristgerechte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung des Beklagten, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist begründet.

Das SG Karlsruhe hat in der angefochtenen Entscheidung gegen § 131 Abs. 5 SGG verstoßen, weswegen der Rechtsstreit gemäß § 159 Abs. 1 SGG an dieses zurückzuverweisen war.

Nach § 159 Abs. 1 SGG kann das LSG durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das SG zurückverweisen, wenn 1. dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, oder 2. das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist.

Vorliegend ist § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG einschlägig. Zwar scheidet eine unmittelbare Anwendung dieser Vorschrift auf den vorliegenden Sachverhalt aufgrund ihres Wortlauts aus, da das SG Karlsruhe die Klage nicht abgewiesen hat, sondern vielmehr den Bescheid vom 18.02.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.07.2019 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landratsamt E. zurückverwiesen hat. Eine Abweisung der Klage "im Übrigen", wie sie zum Beispiel im Fall einer vom Kläger begehrten Ermessensleistung bei fehlender Ermessensreduzierung auf Null hätte erfolgen müssen, ist im Hinblick auf die Regelung des § 131 Abs. 5 SGG auch nicht zu treffen gewesen. Denn § 131 Abs. 5 SGG ermöglicht eine Aufhebung von Verwaltungsakt und Widerspruchsbescheid, "ohne in der Sache selbst zu entscheiden". Über ihren Wortlaut hinaus ist aber § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG entsprechend anzuwenden, wenn das Gericht aus formellen Gründen zu den eigentlichen Fragen keine Stellung genommen hat. Dies ist vorliegend der Fall, da das SG Karlsruhe aufgrund dessen, dass es gestützt auf § 131 Abs. 5 SGG den Bescheid des Beklagten vom 18.02.2019 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 03.07.2019 aufgehoben und die Sache an die Verwaltung zurückverwiesen hat, keine Entscheidung über das eigentliche auf eine Erhöhung des GdB gerichtete Begehren des Klägers getroffen hat (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.04.2020, L 8 SB 367/20, nicht veröffentlicht; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.01.2020, L 6 SB 3637/19, juris Rn. 25; Hessisches LSG, Urteil vom 29.01.2019, L 3 U 63/18, juris Rn. 17, 18; LSG für das Saarland, Urteil vom 27.06.2017, L 5 SB 45/16, juris Rn. 22; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.04.2012, L 13 SB 10/12, juris Rn. 31; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.04.2012, L 11 SB 45/11, juris Rn. 20, 30; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 05.05.2011, L 7 SB 42/09, juris Rn. 16; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17.03.2010, L 8 R 145/09, juris, Rn. 16; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.01.2009, L 4 R 1519/08, juris Rn. 18; Sächsisches LSG, Urteil vom 26.10.2005, L 6 SB 24/05, juris Rn. 72; Binder/Lüdtke in Lüdtke/Berchtold, SGG, 5. Auflage 2017, § 159 Rn. 6; Jungeblut in BeckOK Sozialrecht, Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, 56. Edition, Stand: 01.03.2020, § 159 Rn. 6; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 159 Rn. 2b; anderer Ansicht: Adolf in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Auflage, Stand: 15.07.2017, § 159 Rn. 15; Sommer in Roos/Wahrendorf, SGG, 1. Auflage 2014, § 159 Rn. 8; Sommer in beck-online, Roos/Wahrendorf, Stand: 01.09.2019, § 159 Rn. 8; Wolff-Dellen in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Auflage 2014, § 159 Rn. 4; für eine Anwendung des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG: Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 25.04.2013, B 8 SO 21/11 R, juris Rn. 16, 17; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.10.2015, L 5 R 4256/13, juris Rn. 36, 44; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.05.2011, L 8 SB 5398/10, nicht veröffentlicht; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 131 Rn. 20b; Schütz in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Auflage, Stand: 05.04.2018, § 131 Rn. 69).

Die Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 SGG, auf den sich das SG Karlsruhe zur Begründung seiner Zurückverweisung stützt, sind nicht erfüllt.

Nach § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG kann das Gericht, wenn es eine weitere Sachaufklärung für erforderlich hält, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Nach § 131 Abs. 5 Satz 5 SGG kann eine Entscheidung nach § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

Eine Zurückverweisung nach § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG setzt also tatbestandlich voraus, dass sie binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht erfolgt, eine weitere Sachaufklärung in Form erheblicher Ermittlungen erforderlich ist und auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist.

Im Rechtsmittelverfahren sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG (Frist, Erforderlichkeit einer weiteren Sachaufklärung, Erheblichkeit von Art und Umfang der noch erforderlichen Ermittlungen, Sachdienlichkeit der Zurückverweisung) voll überprüfbar, während die Entscheidung des SG, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG zurückzuverweisen, nur auf Ermessensfehler zu prüfen ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 131 Rn. 20a).

Zwar hat das SG Karlsruhe die in § 131 Abs. 5 Satz 5 SGG geregelte Frist eingehalten, da zwischen dem Eingang der Verwaltungsakte bei Gericht am 12.08.2019 und dem Erlass des Gerichtsbescheides am 11.12.2019 noch keine sechs Monate verstrichen waren. Jedoch sind die Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG nicht erfüllt.

Der Senat lässt es offen, ob vorliegend – wie das SG Karlsruhe meint und was der Beklagte bestreitet – eine weitere Sachaufklärung in Form der Einholung eines Gutachtens auf psychiatrischem Fachgebiet erforderlich ist.

Unentschieden bleiben kann ebenfalls, ob es sich bei der vom SG Karlsruhe für erforderlich erachteten Einholung eines solchen Gutachtens unter Berücksichtigung von Zeitdauer, Umfang, sachlicher sowie personeller Möglichkeiten und Höhe der Kosten (vergleiche zum Ganzen Aussprung in Roos/Wahrendorf, SGG, 1. Auflage 2014, § 131 Rn. 94-99; Bolay in Lüdtke/Berchtold, SGG, 5. Auflage 2017, § 131 Rn. 29; Hintz in BeckOK Sozialrecht, Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, 56. Edition, Stand: 01.03.2020, § 131 Rn. 12; Hübschmann in beck-online, Roos/Wahrendorf, Stand: 01.09.2019, § 131 Rn. 91-96; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 131 Rn. 19; Schütz in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Auflage, Stand: 05.04.2018, § 131 Rn. 61; Wolff-Dellen in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Auflage 2014, § 131 Rn. 19; siehe auch Kröner/Westermeyer, "Ermittlungsdefizite in Verwaltungsverfahren für Feststellungen nach § 152 SGB IX und Reaktionsmöglichkeiten der Sozialgerichte (§ 152 SGB IX)" in SGb 2020, 204-210; Mey, "Zurückverweisung an die (Leistungs)Verwaltung nach § 131 Abs. 5 SGG – oder – Das Kind mit dem Bade ausschütten?" in SGb 2010, 68-72) um "erhebliche" Ermittlungen im Sinne des § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG handelt. Zur Beurteilung der Erheblichkeit der noch ausstehenden Ermittlungen sind diese mit denjenigen Ermittlungen und sonstigen notwendigen Handlungen des Gerichts zu vergleichen, die das Gericht ohnehin voraussichtlich hätte durchführen müssen, wenn die beklagte Behörde die vom Gericht für erforderlich gehaltenen ergänzenden (medizinischen) Ermittlungen durchgeführt hätte. Zwar spricht gegen die Annahme einer Erheblichkeit solcher Ermittlungen, dass in Literatur und Rechtsprechung vertreten wird, allein das Einholen eines medizinischen Sachverständigengutachtens sei für das Gericht regelmäßig nicht mit einem erheblichen Aufwand verbunden, da das Gericht eine solche Ermittlung ohne großen Mehraufwand selbst durchführen könne, dieser Aufwand des Gerichts regelmäßig nicht größer sein werde, als wenn es ein qualitativ besseres Gutachten der beklagten Behörde, gegebenenfalls durch die Einholung gerichtlicher Gutachten, zu überprüfen hätte, die in § 106 Abs. 3 Nr. 5 SGG beispielhaft aufgezählte Einholung eines gerichtlichen Gutachtens für die alltägliche Arbeit der Sozialgerichte geradezu typisch sei und die hiermit verbundenen Handlungen des Gerichts nicht derart umfangreich seien, als dass von einer wesentlichen Entlastung des Gerichts im Falle der Aufhebung nach § 131 Abs. 5 SGG ausgegangen werden könne (zu § 100 Abs. 3 FGO Bundesfinanzhof [BFH], Urteil vom 22.04.1997, IX R 74/95, juris Rn. 25, 26; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.10.2015, L 5 R 4256/13, juris Rn. 40; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.04.2012, L 11 SB 45/11, juris Rn. 27; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 05.05.2011, L 7 SB 42/09, juris Rn. 24; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17.03.2010, L 8 R 145/09, juris Rn. 22; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.01.2009, L 4 R 1519/08, juris Rn. 23; Aussprung in Roos/Wahrendorf, SGG, 1. Auflage 2014, § 131 Rn. 98; Hübschmann in beck-online, Roos/Wahrendorf, Stand: 01.09.2019, § 131 Rn. 98; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 131 Rn. 19; Wolff-Dellen in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Auflage 2014, § 131 Rn. 19). Dieser verallgemeinernden Sichtweise steht der Senat aber eher skeptisch gegenüber. Es kommt vielmehr auf den konkreten Einzelfall an. Denn je nach Fallgestaltung kann mit der Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens der Einsatz erheblicher sächlicher und mit Blick auf dessen Auswertung und Bewertung auch erheblicher personeller Mittel verbunden sein (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25.04.2013, L 13 SB 73/12, juris Rn. 25-27; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.04.2012, L 13 SB 10/12, juris Rn. 26; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.07.2011, L 8 SO 10/09, juris Rn. 32; Sächsisches LSG, Urteil vom 26.10.2005, L 6 SB 24/05, juris Rn. 56, 57; SG Karlsruhe, Urteil vom 29.07.2019, S 12 SB 877/19, juris Rn. 120; differenzierend LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.05.2011, L 8 SB 5398/10, nicht veröffentlicht). Dies kann sich nach Ansicht des Senats gerade zeigen, wenn – wie vorliegend – bei das psychiatrische Fachgebiet betreffenden Sachverhalten zunächst ein/e geeignete/r Sachverständige/r gefunden werden muss, sodann zielführende Beweisfragen zu formulieren sind und schließlich das Gutachten unter Auswertung der darin beschriebenen Befunde auf seine Schlüssigkeit und Überzeugungskraft hinsichtlich der jeweiligen Beurteilung zu überprüfen ist. Auch kann die Anhörung des Sachverständigen im Rahmen einer mündlichen Verhandlung erforderlich sein. Im Falle sich widersprechender Gutachten werden ergänzende gutachtliche Stellungnahmen, in Falle eines Antrags der klagenden Person nach § 109 Abs. 1 SGG ein weiteres Gutachten einzuholen sein. Im Übrigen ist es nicht so, dass die Gerichte generell Behördengutachten durch die Einholung eigener Gutachten zu überprüfen hätten. Denn zum einen kann schon ein Behördengutachten zu einem Verfahrensabschluss führen, ohne dass es eines nachfolgenden Gerichtsverfahrens bedürfte, indem es auf dessen Grundlage zu einer Feststellung des begehrten GdB, einer bestandskräftigen Ablehnung der begehrten Feststellung, einer Rücknahme des Widerspruchs oder einer bestandskräftigen Zurückweisung des Widerspruchs kommt. Ferner ist es denkbar, dass im Falle eines qualitativ hochwertigen Behördengutachtens in einem nachfolgenden Gerichtsverfahren die Einholung eines weiteren Gutachtens nicht erforderlich ist.

Darauf kommt es hier jedoch nicht entscheidend an. Denn die vom SG Karlsruhe ausgesprochene Zurückweisung scheitert jedenfalls daran, dass sie unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten nicht sachdienlich ist.

Eine Zurückweisung ist sachdienlich, wenn die Behörde die aus Sicht des Gerichts notwendigen Ermittlungen besser durchführen kann als das Gericht und wenn es unter übergeordneten Gesichtspunkten vernünftiger und sachgerechter ist, die Behörde tätig werden zu lassen (vergleiche zum Ganzen Aussprung in Roos/Wahrendorf, SGG, 1. Auflage 2014, § 131 Rn. 100-107; Bolay in Lüdtke/Berchtold, SGG, 5. Auflage 2017, § 131 Rn. 30; Hintz in BeckOK Sozialrecht, Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, 56. Edition, Stand: 01.03.2020, § 131 Rn. 12; Hübschmann in beck-online, Roos/Wahrendorf, Stand: 01.09.2019, § 131 Rn. 97-100; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 131 Rn. 19-19b; Schütz in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Auflage, Stand: 05.04.2018, § 131 Rn. 62, 63; Wolff-Dellen in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Auflage 2014, § 131 Rn. 17-20; siehe auch Kröner/Westermeyer, "Ermittlungsdefizite in Verwaltungsverfahren für Feststellungen nach § 152 SGB IX und Reaktionsmöglichkeiten der Sozialgerichte (§ 152 SGB IX)" in SGb 2020, 204-210; Mey, "Zurückverweisung an die (Leistungs)Verwaltung nach § 131 Abs. 5 SGG – oder – Das Kind mit dem Bade ausschütten?" in SGb 2010, 68-72).

Denn § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG ist wegen des vom Gesetzgeber selbst herausgestellten Ausnahmecharakters der Norm (zu § 113 Abs. 3 Satz 1 VwGO Bundestagsdrucksache 11/7030 Seite 30) eng auszulegen und daher extrem restriktiv anzuwenden (BSG, Urteil vom 17.04.2007, B 5 RJ 30/05 R, juris Rn. 17, 19, 20; zu § 113 Abs. 3 VwGO Bundesverwaltungsgericht [BVerwG], Urteil vom 18.11.2002, 9 C 2/02, juris Rn. 31; Hessisches LSG, Urteil vom 29.01.2019, L 3 U 63/18, juris Rn. 21; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.10.2015, L 5 R 4256/13, juris Rn. 39; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25.04.2013, L 13 SB 73/12, juris Rn. 21; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.04.2012, L 11 SB 45/11, juris Rn. 26; Sächsisches LSG, Urteil vom 15.12.2011, L 3 AS 619/10, juris Rn. 17; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.05.2011, L 8 SB 5398/10, nicht veröffentlicht; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 05.05.2011, L 7 SB 42/09, juris Rn. 18, 22; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17.03.2010, L 8 R 145/09, juris Rn. 17), so dass das Bedürfnis der Beteiligten nach einer abschließenden und verbindlichen gerichtlichen Entscheidung hinter dem öffentlichen Interesse an einer Entlastung der Gerichte von einer umfangreichen Sachverhaltsermittlung nur in besonders gelagerten Fällen zurücktreten muss. Bei der Möglichkeit der Zurückverweisung soll es sich nicht um eine Sanktionierung der Behörde handeln (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.10.2015, L 5 R 4256/13, juris Rn. 39), die ohnehin wahrscheinlich effektiver durch eine Überbürdung gerichtlicher Ermittlungskosten auf die Verwaltung nach § 192 Abs. 4 SGG erfolgen kann. Vielmehr stehen weiterhin – wie die Vorschrift klarstellt – die Belange der Beteiligten im Vordergrund, in deren wohlverstandenem Interesse regelmäßig die zügige Klärung der streitigen Rechtsfrage liegen dürfte.

Diesen Interessen widerspräche eine Zurückverweisung an die Behörde in Fällen, in welchen die erforderlichen Ermittlungen bei der Behörde genauso lange dauern würden wie bei Gericht. Demnach ist eine Zurückverweisung ausschließlich dann sachdienlich, wenn die Behörde nach personeller und sachlicher Ausstattung die für erheblich und erforderlich gehaltenen Ermittlungen besser beziehungsweise rascher durchführen kann als das Gericht und wenn es unter übergeordneten Gesichtspunkten vernünftiger und sachgerechter ist, die Behörde tätig werden zu lassen (BSG, Urteil vom 25.04.2013, B 8 SO 21/11 R, juris Rn. 15; BSG, Urteil vom 17.04.2007, B 5 RJ 30/05 R, juris Rn. 20; zu § 113 Abs. 3 VwGO BVerwG, Urteil vom 18.11.2002, 9 C 2/02, juris Rn. 31; zu § 100 Abs. 3 Satz 1 FGO BFH, Urteil vom 25.07.2000, VIII R 32/99, juris Rn. 19; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.04.2020, L 8 SB 367/20, nicht veröffentlicht; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.01.2020, L 6 SB 3637/19, juris Rn. 39; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.10.2015, L 5 R 4256/13, juris Rn. 39, 41; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25.04.2013, L 13 SB 73/12, juris Rn. 24; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.04.2012, L 13 SB 10/12, juris Rn. 28; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.04.2012, L 11 SB 45/11, juris Rn. 28; Sächsisches LSG, Urteil vom 15.12.2011, L 3 AS 619/10, juris Rn. 22; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.07.2011, L 8 SO 10/09, juris Rn. 33; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.05.2011, L 8 SB 5398/10, nicht veröffentlicht; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 05.05.2011, L 7 SB 42/09, juris Rn. 22; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17.03.2010, L 8 R 145/09, juris Rn. 23; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.04.2009, L 3 SB 3973/08, nicht veröffentlicht; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.01.2009, L 4 R 1519/08, juris Rn. 24; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.06.2006, L 4 SB 24/06, juris Rn. 29, 30; Sächsisches LSG, Urteil vom 26.10.2005, L 6 SB 24/05, juris Rn. 38, 60).

Bessere bei der Behörde liegende Ermittlungsmöglichkeiten sind beispielsweise bei ausgedehnten arbeitstechnischen Ermittlungen der Präventionsdienste der Berufsgenossenschaften oder umfangreichen Ermittlungen zu Vorversicherungszeiten im Ausland über die Verbindungsstellen der Rentenversicherung, regelmäßig aber nicht bei fachärztlichen Standardgutachten gängiger medizinischer Fachrichtungen anzunehmen (Aussprung in Roos/Wahrendorf, SGG, 1. Auflage 2014, § 131 Rn. 98, 105; Bolay in Lüdtke/Berchtold, SGG, 5. Auflage 2017, § 131 Rn. 30; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.01.2020, L 6 SB 3637/19, juris Rn. 39; anderer Ansicht LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25.04.2013, L 13 SB 73/12, juris Rn. 30; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.04.2012, L 13 SB 10/12, juris Rn. 28). Dementsprechend ist hier die Aufhebung und Zurückverweisung zur Einholung behördenexterner Gutachten nicht sachdienlich, da dies in gleicher Weise durch das Gericht erfolgen kann. Dass vorliegend der Beklagte nach seiner personellen und sachlichen Ausstattung die vom SG Karlsruhe für erforderlich erachtete Einholung eines psychiatrischen Gutachtens besser durchführen kann als es selbst, ist nicht der Fall. Der Beklagte müsste ebenso wie das SG Karlsruhe externe Sachverständige zur Erstellung der Gutachten beauftragen, da ihm zur Aufklärung des medizinischen Sachverhaltes keine bessere personelle oder sachliche Ausstattung als dem Gericht zur Verfügung steht (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.01.2020, L 6 SB 3637/19, juris Rn. 39). Denn nach den Angaben des Beklagten im Berufungsverfahren, an deren Richtigkeit der Senat keine Zweifel hat, ist der ärztliche Dienst des zuständigen Landratsamts E. nicht mit Fachärzten der nervenärztlichen beziehungsweise psychiatrischen Fachrichtung besetzt, so dass die vom SG Karlsruhe für erforderlich erachtete psychiatrische Untersuchung und Begutachtung nicht durch das eigene Personal oder externe Mitarbeiter des versorgungsärztlichen Dienstes durchgeführt werden kann.

Übergeordnete Gesichtspunkte, die eine Zurückverweisung zur weiteren Sachaufklärung rechtfertigen, sind dann gegeben, wenn die Verwaltung ihre Aufgabe, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, nicht wahrgenommen, sondern im Sinne eines Ermittlungsausfalls unterlassen hat, also keine für die Beurteilung des Streitgegenstandes verwertbare Ermittlung vorliegt (Sächsisches LSG, Urteil vom 15.12.2011, L 3 AS 619/10, juris Rn. 22; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.07.2011, L 8 SO 10/09, juris Rn. 33; LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 05.05.2011, L 7 SB 42/09, juris Rn. 25; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.01.2009, L 4 R 1519/08, juris Rn. 25; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.06.2006, L 4 SB 24/06, juris Rn. 32; Sächsisches LSG, Urteil vom 26.10.2005, L 6 SB 24/05, juris Rn. 41) beziehungsweise eine Unterschreitung der an eine Sachaufklärung zu stellenden Mindestanforderungen vorliegt (Hessisches LSG, Urteil vom 29.01.2019, L 3 U 63/18, juris Rn. 21). Dies ist vorliegend aber nicht der Fall. Vielmehr hat der Beklagte im Ausgangsverfahren die Befundberichte des Neurologen und Psychiaters V. vom 12.11.2018 sowie der Chirurgen Dres. E. und O. vom 10.12.2018 eingeholt, den Kernspintomographiebefund des Radiologen Dr. G. vom 20.08.2018 beigezogen und diese Unterlagen durch Dr. S. versorgungsärztlich am 01.02.2019 auswerten lassen sowie im Widerspruchsverfahren die vom Kläger vorgelegte Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters V. vom 22.02.2019 berücksichtigt, den Arztbrief des Orthopäden Prof. Dr. G. vom 14.03.2019 beigezogen und diese Unterlagen durch Dr. O. am 18.05.2019 versorgungsärztlich auswerten lassen. Der Beklagte hat mithin seine Aufgabe, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln, wahrgenommen, so dass eine für die Beurteilung des Streitgegenstandes verwertbare Ermittlung vorliegt.

Nach alledem liegen die Voraussetzungen des § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG für die vom SG Karlsruhe vorgenommene Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 18.02.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.07.2019 und Zurückverweisung des Rechtsstreits an den Beklagten nicht vor, so dass auf die Berufung der Beteiligten der Gerichtsbescheid des SG Karlsruhe aufzuheben war.

Ferner war der Rechtsstreit nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG an das SG Karlsruhe zurückzuverweisen.

Der Senat hielt dies im Rahmen seiner insoweit zu treffenden Ermessensentscheidung zum einen im Hinblick darauf, dass eine medizinische Sachverhaltsermittlung in der ersten Instanz bislang überhaupt noch nicht stattgefunden hat, für geboten. Zum anderen machte die im Rahmen der Ermessensentscheidung erfolgte Abwägung der Interessen der Beteiligten an einer möglichst schnellen Sachentscheidung einerseits und keinem Verlust einer Instanz andererseits (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 159 Rn. 5) eine Zurückverweisung an das SG Karlsruhe erforderlich. Daraus, dass sich beide Beteiligte gegen die vom SG Karlsruhe erfolgte Zurückverweisung an den Beklagten gewandt haben, ergibt sich ein hohes Interesse an einer Klärung der Rechtmäßigkeit der Anwendung des § 131 Abs. 5 SGG durch das SG Karlsruhe. Auch hat der Kläger dadurch nicht zu erkennen gegeben, dass er auf eine schnelle Entscheidung in der Sache drängen und eine Entscheidung des Senats zu seinem eigentlichen Begehren einer Zurückverweisung vorziehen würde. Ferner sind außerdem seit Eingang der Berufung bis zur Entscheidung durch den Senat lediglich rund fünf Monate vergangen. Es handelt sich dabei um einen Zeitraum, der im Hinblick auf die damit für die Beteiligten erhalten bleibende zweite Tatsacheninstanz im Verhältnis zur entstehenden Verzögerung der endgültigen Erledigung des Verfahrens hinnehmbar ist. Das Verfahren selbst ist – zumindest für ein Verfahren im Bereich des Schwerbehindertenrechts – mit rund einem Jahr und neun Monaten auch noch nicht unangemessen lange anhängig, so dass das Interesse an einer möglichst schnellen Sachentscheidung gegenüber dem Interesse an dem Erhalt der zweiten Tatsacheninstanz nicht als vorzugswürdig erscheint.

Abgesehen davon war der Rechtsstreit schon deshalb an das SG Karlsruhe zurückzuverweisen, da dem Senat aufgrund der fehlenden Anhängigkeit des eigentlichen Begehrens des Klägers in der Rechtsmittelinstanz eine endgültige Entscheidung verwehrt ist. Indem das SG Karlsruhe den Bescheid des Beklagten vom 18.02.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.07.2019 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung über den Erhöhungsantrag des Klägers an das Landratsamt E. zurückverwiesen hat, hat es keine Entscheidung über das auf eine Erhöhung seines GdB gerichteten Begehren des Klägers gefasst. Die Anwendung des § 131 Abs. 5 SGG hat daher zu einer Reduzierung des Streitgegenstandes auf den Anfechtungsteil des Klageantrags geführt. Eine Entscheidung über die vom Kläger begehrte Verpflichtung des Beklagten zur Feststellung eines höheren GdB ist hiermit nicht erfolgt. Dies wäre nur dann der Fall, wenn das SG Karlsruhe die Klage im Übrigen abgewiesen hätte, wofür vorliegend kein Raum war. Eine vollständige Erledigung des Rechtsstreits in der ersten Instanz ist damit nicht eingetreten. Aufgrund der fehlenden Entscheidung des SG Karlsruhe ist eine Entscheidung des Senats in der Sache nicht möglich, so dass eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das SG Karlsruhe geboten war (vergleiche Hessisches LSG, Urteil vom 29.01.2019, L 3 U 63/18, juris Rn. 18, 26; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.04.2012, L 11 SB 45/11, juris Rn. 20).

War mithin der Rechtsstreit nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG an das SG Karlsruhe zurückzuverweisen, kam es nicht darauf an, ob es sich aufgrund dessen, dass das SG Karlsruhe vorliegend durch Gerichtsbescheid entschieden hat, um einen Verfahrensmangel im Sinne des § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG handelt (vergleiche insoweit LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.04.2020, L 8 SB 367/20, nicht veröffentlicht).

2.

Die Anschlussberufung des Klägers ist ebenfalls zulässig. Da sie gegen den ihm am 18.12.2019 zugestellten Gerichtsbescheid des SG Karlsruhe erst am 07.04.2020 und damit nach Ablauf der Berufungsfrist eingelegt worden ist, ist sie zwar nur als so genannte unechte Anschlussberufung zulässig und damit von der Berufung des Beklagten abhängig. Sie bewegt sich jedoch im Rahmen des von der Berufung des Beklagten erfassten Streitgegenstandes und weist auch keine sonstigen Zulässigkeitsmängel auf. Insbesondere ist – unabhängig davon, ob für sie überhaupt das Vorliegen einer Beschwer zu fordern ist – der Kläger durch den Gerichtsbescheid des SG Karlsruhe beschwert, obwohl es seine Klage nicht teilweise abgewiesen hat. Denn seine prozessuale Situation ist mit der im Falle eines echten Bescheidungsurteils oder eines zurückverweisenden Urteils nach § 159 SGG eintretenden prozessualen Situation vergleichbar, für die eine Beschwer aus Sicht des Senats anzuerkennen ist. Ebenso wie die Berufung des Beklagten ist die Anschlussberufung des Klägers auch in dem Sinne begründet, dass der Gerichtsbescheid des SG Karlsruhe aufzuheben und die Sache an das SG Karlsruhe zurückzuverweisen war. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen zur Berufung des Beklagten verwiesen (vergleiche LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.04.2012, L 11 SB 45/11, juris Rn. 31, 32).

3.

Eine Kostenentscheidung war durch den Senat nicht zu treffen. Diese ist der abschließenden Entscheidung des SG Karlsruhe vorbehalten, da das erstinstanzliche Verfahren fortgesetzt wird (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 159 Rn. 5 f.).

Gründe im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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