L 11 KR 3937/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 KR 4108/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 3937/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine auf Antrag nach § 6 Abs. 1 Künstlersozialversicherungsgesetz
(KSVG) erteilte Befreiung von der Krankenversicherungspflicht führt, wenn sie nicht nach § 6 Abs. 2 KSVG innerhalb der Frist des § 3 Abs. 2 KSVG widerrufen wird, zu einer endgültigen Versicherungsfreiheit. Auch eine jahrelange Unterbrechung der selbständigen künstlerischen
Tätigkeit führt nicht zu einem Wegfall der Versicherungsfreiheit.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24.10.2019 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Feststellung der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) ab dem 01.05.2018.

Die am xx.xx.1979 geborene Klägerin ist diplomierte Tanzpädagogin. Sie war zunächst ab September 2004 als freie Mitarbeiterin in verschiedenen Tanz- und Ballettschulen stundenweise tätig.

Mit Bescheid vom 22.10.2004 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung ab 01.09.2004 Versicherungspflicht nach § 1 KSVG bestehe. Auf ihren Antrag vom 28.10.2004 wurde die Klägerin von der Beklagten mit Bescheid vom 20.12.2004 von der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung ab dem 01.09.2004 befreit, sodass dementsprechend Versicherungsfreiheit in der Pflegeversicherung nach § 5 Abs 2 Nr 2 KSVG bestand. Sie erhielt in der Folgezeit von der Beklagten jeweils Zuschüsse für ihren Aufwand zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung. Mit Schreiben vom 02.07.2007 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihr Berufsanfängerstatus zum 31.08.2007 ende. Bis zu diesem Datum habe die Klägerin die Möglichkeit, einen Antrag auf Beendigung der Befreiung zu stellen. Werde der Antrag rechtzeitig gestellt, beginne die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung nach Ablauf der Berufsanfängerzeit. Auch wenn die Klägerin zur Zeit nicht nach dem KSVG zuschussberechtigt sei oder nach anderen gesetzlichen Vorschriften versichert sein solle, sei es für den Fall einer erneuten Mitgliedschaft unerlässlich, den Antrag auf Beendigung trotzdem bis zum 31.08.2007 zu stellen. Sobald die Klägerin kein Berufsanfänger mehr sei, bestehe keine Möglichkeit mehr, Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung nach dem KSVG zu begründen. Die Befreiung in der Kranken- und Pflegeversicherung sei dann unwiderruflich. Im April 2011 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie ihre künstlerisch selbständige Tätigkeit als Tanzpädagogin zum 31.03.2011 aufgegeben habe. Mit Bescheid vom 08.04.2011 stellte die Beklagte das Ende der Versicherungspflicht nach § 1 KSVG sowie das Ende der Zuschussberechtigung zur Kranken- und Pflegeversicherung nach § 10 bzw § 10 a KSVG zum 31.03.2011 fest.

Ab Mai 2018 nahm die Klägerin (die zwischenzeitlich über ihren Ehemann familienversichert war) ihre stundenweise Tätigkeit als Tanzpädagogin in zwei Ballettschulen wieder auf. Auf Nachfrage der Beklagten schätzte sie ihr voraussichtliches Jahreseinkommen bis Ende 2018 auf 3.600,- EUR. Ihre Tätigkeit wolle sie weiter ausbauen.

Mit Bescheid vom 31.08.2018 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung ab dem 01.05.2018 fest. Hinsichtlich der Krankenversicherung bestehe ab dem 01.05.2018 Befreiung nach § 6 KSVG, hinsichtlich der Pflegeversicherung ab dem 01.05.2018 Versicherungsfreiheit nach § 5 Abs 2 Nr 2 KSVG. Eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung nach dem KSVG sei für die Klägerin nicht möglich, da sie zum Zeitpunkt der Feststellung der Versicherungspflicht gemäß § 6 KSVG als Berufsanfängerin das Wahlrecht zu Gunsten einer privaten Versicherung ausgeübt habe. Dieses Wahlrecht sei unwiderruflich.

Hiergegen erhob die Klägerin am 11.09.2018 Widerspruch mit dem Begehren, dass auch in der Kranken- und Pflegeversicherung Versicherungspflicht festgestellt werden solle. Zwar sei sie als Berufsanfängerin im Jahre 2004 von der Versicherungspflicht befreit worden. Allerdings sei sie im Zeitraum April 2011 bis April 2018 nicht selbständig tätig gewesen, sondern gesetzlich versichert. Ab dem 01.05.2018 handele es sich um einen komplett neuen Versicherungstatbestand. Die Befreiung beziehe sich entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu § 8 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) nur auf den jeweiligen Versicherungstatbestand.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.11.2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine analoge Anwendung der Vorschrift des § 8 SGB V zur Befreiung in der gesetzlichen Krankenversicherung, welche tatbestandsbezogen nur auf das jeweilige Versicherungspflichtverhältnis wirke, sei für nach dem KSVG befreite Personen nicht möglich, da in §§ 6 und 7 explizit die Befreiung von der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht sowie die Aufhebung der Befreiung geregelt sei.

Hiergegen hat die Klägerin am 22.11.2018 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Sie hat geltend gemacht, die erfolgte Befreiung im Jahr 2011 sei in Bezug auf sonstige Tatbestände wirkungslos geworden. 2011 sei das Versicherungsverhältnis beendet worden, demnach sei auch der Gegenstand der Befreiung entfallen. Es handele sich nicht um eine Unterbrechung, sondern um ein neues Versicherungsverhältnis ab Wiederaufnahme der Tätigkeit zum 01.05.2018. Zwar könne eine Befreiung gemäß § 6 KSVG effektiv nicht später als drei Jahre widerrufen werden. Sie könne sehr wohl aber jederzeit hinfällig werden, nämlich durch Wegfall des zugrunde liegenden Versicherungstatbestandes.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Der Umstand, dass Berufsanfänger die Möglichkeit hätten, zwischen der gesetzlichen Krankenversicherung und der privaten Krankenversicherung zu wählen, sei bereits eine Ausnahme vom allgemeinen Sozialversicherungsrecht. Der Gesetzgeber habe sich bei § 6 KSVG vor allem davon leiten lassen, dass die Aufnahme einer freiberuflichen künstlerischen bzw publizistischen Tätigkeit typischerweise mit besonderen Risiken verbunden sei und es daher nicht zweckmäßig erscheinen ließe, den krankenversicherungsrechtlichen Status für Berufsanfänger verbindlich festzulegen. Ein Verzicht des Künstlers bzw Publizisten auf die Folgen einer von der Künstlersozialkasse ausgesprochenen Befreiung sei grundsätzlich ausgeschlossen; § 6 Abs 2 KSVG lasse jedoch ausdrücklich zu, die zunächst zugunsten der Privatversicherung getroffene Entscheidung mit Ablauf des 3-Jahres-Zeitraums zu revidieren. Eine einmal von der Künstlersozialkasse ausgesprochene Befreiung gelte für die gesamte Dauer der selbständigen Tätigkeit, beziehe sich nur auf die selbständige künstlerisch/publizistische Tätigkeit, nicht hingegen auf eine andere der Versicherungspflicht unterliegende Tätigkeit oder Beschäftigung zB als Arbeitnehmer. Ein Verzicht darauf sei außerhalb der Frist des § 6 Abs 2 KSVG nicht möglich. Es sei ständige Rechtsprechung, dass Personen, die nach § 6 KSVG befreit seien, keinen Anspruch auf Zuschüsse zur freiwilligen Krankenversicherung hätten.

Mit Urteil vom 24.10.2019 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe unstreitig bis zum Ende des Berufsanfängerstatus mit dem 31.08.2007 keine Erklärung nach § 6 Abs 2 KSVG abgegeben. Die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung sei damit endgültig geworden. Der Auffassung der Klägerin, die Befreiung habe sich mit der Unterbrechung der künstlerischen Tätigkeit erledigt und mit Wiederaufnahme der Tätigkeit entstehe ein neuer Versicherungstatbestand mit der Folge der Versicherungspflicht, könne nicht gefolgt werden. Eine Übertragung der für eine Befreiung nach § 8 SGB V geltenden Grundsätze auf eine Befreiungsentscheidung nach dem KSVG lasse sich weder mit dem Wortlaut von § 6 Abs 1, 2 KSVG noch mit dem sich aus der Gesetzesbegründung ergebenden Willen des Gesetzgebers vereinbaren. Vielmehr komme klar zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber in Ausübung seines Gestaltungsspielraums eine Regelung gerade nur für Berufsanfänger habe treffen wollen. An seine einmalig getroffene Entscheidung sei der Versicherte im Verhältnis zur Künstlersozialkasse grundsätzlich gebunden. Zwar sei die Klägerin zwischenzeitlich mehrere Jahre über ihren Ehemann familienversichert gewesen. Mit der Wiederaufnahme der Tätigkeit habe sich jedoch an die ursprüngliche selbständige Tätigkeit wieder angeknüpft, für die die Befreiung erteilt worden sei. Die Gruppe der selbständigen Künstler und Publizisten sei nicht mit der Gruppe der abhängig Beschäftigten iSv § 8 SGB V vergleichbar. Folgte man der Auffassung der Klägerin, träte für alle Künstler nach einer Unterbrechung automatisch Versicherungspflicht nach dem KSVG ein. Es bestünde keine nochmalige Möglichkeit, eine erneute Befreiung zu erreichen, da der erforderliche Berufsanfängerstatus nach dem KSVG nicht mehr bestünde. Dies dürfte dem Willen der Mehrheit der betroffenen Künstler kaum entsprechen.

Hiergegen richtet sich die am 20.11.2019 eingelegte Berufung der Klägerin. Sie macht geltend, der Befreiungsbescheid der Beklagten vom 20.12.2004 habe seine Wirkung mit dem Ende der selbständigen Tätigkeit zum 31.03.2011 verloren. Entscheidend sei die Frage, ob die Befreiungen iSv §§ 6, 7 KSVG auf die generelle Eigenschaft als selbständiger Künstler bezogen seien oder auf den jeweiligen, konkreten Versicherungspflichttatbestand als selbständiger Künstler und damit auf den für jeden einzelnen Tatbestand beschiedenen Zeitraum zwischen Versicherungspflicht und Versicherungspflichtende. Der Gesetzestext lasse dies offen, er regele lediglich die Unwiderruflichkeit. Bezogen auf die Befreiung nach § 8 SGB V habe das BSG durch Urteil vom 25.05.2011 zum Az B 12 KR 9/09 R Klarheit geschaffen. Die Begründung des BSG beziehe sich bewusst nicht nur auf den Fall eines Beschäftigungsverhältnisses und nicht nur auf § 8 SGB V. Die Vorgaben seien auch für das KSVG und KVLG zu übernehmen. Die Fachkonferenz des GKV Spitzenverbandes habe die Handhabung auf alle anderen Tatbestände des § 8 SGB V ausgedehnt. Auch für das KVLG bestätige das BSG in dem Urteil vom 23.07.2014 zum Az B 12 KR 21/12 R eine tatbestandsbezogene Betrachtungsweise und definiere weiterhin einen einheitlichen Grundsatz für Befreiungen in der Krankenversicherung und Rentenversicherung. Mangels Eindeutigkeit im KVLG und KSVG dürften auch die Regelungen zur Befreiung in der Rentenversicherungspflicht nach § 6 Abs 5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) herangezogen werden. Bei der Wirkung einer Befreiung spiele es grundsätzlich keine Rolle, ob Erwerbstätigkeiten ähnlich oder gar identisch seien. Die Beklagte habe die selbständige Tätigkeit ab dem 01.05.2018 auch komplett neu geprüft und gehe selber von einem komplett neuen Versicherungsverhältnis und einer neuen selbständigen Tätigkeit aus. In seinem Urteil vom 23.07.2014 habe das BSG gerade nicht die Auffassung vertreten, dass im KVLG, also in entsprechender Anwendung auch im KSVG, alles eigenständig geregelt sei. Im KSVG (insbesondere in der Begründung zu § 7 KSVG, BT-Drs 11/2964, 15) fänden sich Hinweise, dass man sich an den Vorschriften der allgemeinen Sozialversicherung orientiere. Die von der Beklagten und dem SG angeführten Urteile stünden dem nicht entgegen. Dass die Befreiung für Berufsanfänger eine Ausnahme und ein Privileg darstelle, sei aus der Begründung zur Änderung des § 6 KSVG vom 26.09.1988 (BT-Drs 11/2964, S 15) zu entnehmen. In der ursprünglichen Fassung des KSVG vom 27.07.1981 sei eine mögliche Befreiung sogar noch explizit enger gefasst gewesen. Nur bei einem Einkommen oberhalb der JAEG sei eine Befreiung möglich gewesen, die aber bei Unterschreiten der Einkommensgrenze automatisch wieder wirkungslos geworden sei. Berufsanfängern sei das Privileg des Wahlrechts GKV/PKV (mit beliebig häufigem Wechsel) lediglich fünf Jahre zugestanden worden, dann sei ebenfalls automatisch die Versicherungspflicht in der GKV ohne Befreiungsmöglichkeit erfolgt.

Die Klägerin beantragt teilweise sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24.10.2019 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 31.08.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.11.2018 dahingehend abzuändern, dass Versicherungspflicht auch in der Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 01.05.2018 festgestellt wird.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Der Senat konnte in Abwesenheit der Klägerin verhandeln und entscheiden, da die Klägerin in der Terminsmitteilung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist. Die Terminsmitteilung ist der Klägerin ordnungsgemäß mit Postzustellungsurkunde am 18.03.2020 zugestellt worden. Erscheint ein Beteiligter trotz ordnungsgemäßer Terminsmitteilung nicht zur Verhandlung, kann das Gericht nach Lage der Akten (§ 126 Sozialgerichtsgesetz – SGG) oder aufgrund "einseitiger" mündlicher Verhandlung entscheiden (BSG 26.05.2014, B 12 KR 67/13 B; BSG 07.07.2011, B 14 AS 35/11 B; 19.03.1992, 12 RK 62/91, SozR 3-1500 § 110 Nr 3).

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 31.08.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.11.2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin ist von der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung nach dem KSVG befreit. In der Folge besteht auch Versicherungsfreiheit in der Pflegeversicherung.

Nach § 1 KSVG werden selbständige Künstler und Publizisten in der allgemeinen Rentenversicherung, in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung versichert, wenn sie 1. die künstlerische oder publizistische Tätigkeit erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend ausüben und 2. im Zusammenhang mit der künstlerischen oder publizistischen Tätigkeit nicht mehr als einen Arbeitnehmer beschäftigen, es sei denn, die Beschäftigung erfolgt zur Berufsausbildung oder ist geringfügig im Sinne des § 8 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Diese Voraussetzungen sind im Falle der Klägerin erfüllt. Die Klägerin ist als Tanzpädagogin erwerbsmäßig künstlerisch tätig und beschäftigt keine Arbeitnehmer, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist.

Die Klägerin ist jedoch aufgrund der mit Bescheid vom 01.09.2004 erfolgten Befreiung als Berufsanfängerin gemäß § 6 Abs 1 Satz 1 KSVG in der Krankenversicherung und in der Folge nach § 5 Abs 2 Nr 2 KSVG in der Pflegeversicherung versicherungsfrei. Nach § 6 Abs 1 Satz 1 KSVG wird auf Antrag von der Krankenversicherungspflicht nach diesem Gesetz befreit, wer erstmals eine Tätigkeit als selbständiger Künstler oder Publizist aufnimmt und nicht zu dem in § 5 Abs 1 KSVG genannten Personenkreis gehört, wenn er der Künstlersozialkasse eine Versicherung für den Krankheitsfall bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen nachweist. Voraussetzung ist, dass er für sich und seine Familienangehörigen, die bei Versicherungspflicht des Künstlers oder Publizisten in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert wären, Vertragsleistungen beanspruchen kann, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bei Krankheit entsprechen (§ 6 Abs 1 Satz 2 KSVG). Der Antrag ist spätestens drei Monate nach Feststellung der Versicherungspflicht bei der Künstlersozialkasse zu stellen (§ 6 Abs 1 Satz 3 KSVG). Hiervon hat die Klägerin bei erstmaliger Aufnahme ihrer Tätigkeit im Jahr 2004 Gebrauch gemacht.

Diese Befreiung hat auch weiterhin Gültigkeit, denn nach § 6 Abs 2 KSVG kann, wer nach § 6 Abs 1 KSVG von der Krankenversicherungspflicht befreit worden ist, gegenüber der Künstlersozialkasse nur bis zum Ablauf der in § 3 Abs 2 KSVG genannten Frist schriftlich erklären, dass seine Befreiung von der Versicherungspflicht enden soll. § 3 Abs 2 Satz 1 KSVG sieht eine Frist von drei Jahren nach erstmaliger Aufnahme der Tätigkeit vor. Die Frist verlängert sich nach § 3 Abs 2 Satz 2 KSVG um Zeiten, in denen keine Versicherungspflicht nach dem KSVG oder Versicherungsfreiheit nach § 5 Abs 1 Nr 8 KSVG besteht.

Die Frist für die Erklärung der Beendigung der Befreiung bis zum Ablauf der Berufsanfängerzeit von drei Jahren hat die Klägerin verstreichen lassen, ohne eine Erklärung abzugeben, dass die Befreiung enden soll, obwohl die Beklagte mit Schreiben vom 02.07.2007 auf die Möglichkeit der Beendigung der Befreiung bis längstens 31.08.2007 hingewiesen hat. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang auch ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass die Befreiung unwiderruflich ist und keine Möglichkeit mehr besteht, eine Versicherungspflicht in den gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung nach dem KSVG zu begründen. Gründe für eine Verlängerung dieser Frist nach § 3 Abs 2 Satz 2 KSVG wurden nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.

Dass die Klägerin ihre künstlerische Tätigkeit zwischenzeitlich eingestellt und im Mai 2018 wieder aufgenommen hat, ändert an der einmal eingetretenen Befreiung nichts. Die Wahlmöglichkeit wird nach § 6 Abs 1 KSVG demjenigen eingeräumt, der "erstmals eine Tätigkeit als selbständiger Künstler oder Publizist aufnimmt". Eine erstmalige Aufnahme der Tätigkeit lag im Mai 2018 jedoch nicht vor.

Entgegen der Ansicht der Klägerin verliert die mit Bescheid vom 20.12.2004 erteilte Befreiung ihre Wirkung nicht durch eine Unterbrechung der Tätigkeit. Hiergegen spricht bereits wie dargelegt der Wortlaut des § 6 Abs 1 Satz 1 SGB V, der die Befreiungsmöglichkeit nach erstmaliger Aufnahme der Tätigkeit vorsieht. Neben dem Wortlaut der Norm bestätigen auch die historische Auslegung und Sinn und Zweck der Vorschrift den Fortbestand der einmal erteilten Befreiung nach Ablauf der in § 3 Abs 2 KSVG genannten Fristen. Der Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung ausgeführt, dass die Aufnahme einer selbständigen künstlerischen oder publizistischen Tätigkeit typischerweise mit besonderer Unsicherheit verbunden sei und sich viele Berufsanfänger nach einiger Zeit aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen sähen, den Beruf wieder aufzugeben. Daher erscheine es nicht zweckmäßig, den krankenversicherungsrechtlichen Status für Berufsanfänger endgültig festzulegen, sodass Berufsanfängern ein ihren individuellen Wünschen und Bedürfnissen entsprechendes Wahlrecht zuzubilligen sei. Dabei werde jedoch erwartet, dass die Künstlersozialkasse den Versicherten bei der Feststellung der Pflicht zur Versicherung bereits auf die Frist für die Ausübung der Wahl und auf die Folgen der unterlassenen Wahl aufmerksam mache (BT-Drs 9/26, S 19). Kurz vor Ablauf der Dreijahresfrist bestehe dann erneut die Möglichkeit, zu wählen. Diese Entscheidung sei dann allerdings unwiderruflich (BT-Drs 11/2964, S 15).

Auch aus systematischen Gründen ergibt sich nichts anderes. Die Verlängerung der in § 3 Abs 2 Satz 1 KSVG genannten Frist von drei Jahren nach erstmaliger Aufnahme um Zeiten, in denen keine Versicherungspflicht nach diesem Gesetz bestanden hat (vgl § 3 Abs 2 Satz 2 KSVG), wäre sinnlos, wenn nach einer Unterbrechung ohnehin eine erneute Wahlmöglichkeit bestünde und jegliche Befreiung ihre Wirkung verlöre.

Eine Ungleichbehandlung zu den in § 8 SGB V genannten Personengruppen liegt nicht vor. Die zu § 8 SGB V von der Klägerin angeführte Rechtsprechung ist angesichts des unterschiedlichen Wortlauts und der eindeutigen Vorgabe ("erstmals") des § 6 KSVG nicht auf diese Vorschrift übertragbar. Darüber hinaus ist aber auch das System der Versicherungspflicht und Befreiung nach dem SGB V anders ausgestaltet. Das SGB V geht in den in § 5 Abs 1 SGB V beschriebenen Fällen grundsätzlich von Versicherungspflicht aus und räumt unter gewissen Voraussetzungen Versicherungsfreiheit in §§ 6, 7 SGB V und lediglich in bestimmten Fällen das Recht zur Befreiung nach § 8 SGB V ein. § 8 SGB V ermöglicht den genannten Personen, einen bisherigen privaten Schutz aufrechtzuerhalten. § 6 Abs 1 KSVG räumt hingegen jedem Künstler das Recht zur Befreiung ein, ohne besondere Fallgruppen zu bilden. Es besteht zu Beginn der Tätigkeit ein Wahlrecht ein, ohne dass weitere inhaltliche Voraussetzungen vorliegen müssen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nr 1, 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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