L 5 KR 3695/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 15 KR 1599/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 3695/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 17.09.2018 abgeändert und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 28.09.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2018 verurteilt, der Klägerin Krankengeld über den 21.08.2017 hinaus bis zum 16.11.2017 zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte hat 3/4 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin beider Instanzen zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der beklagten Krankenkasse die Gewährung von Krankengeld über den 21.08.2017 hinaus.

Die im Jahr 1987 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Seit dem 25.01.2017 ist sie wegen ihrer Arbeitslosigkeit in der Krankenversicherung der Arbeitslosen versichert gewesen. Ab dem 12.06.2017 war die Klägerin wegen einer depressiven Störung arbeitsunfähig erkrankt. Bis zum 31.07.2017 gewährte ihr die Bundesagentur für Arbeit, zuletzt unter dem Gesichtspunkt der Entgeltfortzahlung, Arbeitslosengeld. Die diesbezügliche Leistungsbewilligung wurde sodann ab dem 24.07.2017 aufgehoben.

Die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ist durch Dr. A. mit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 12.06.2017 bis zunächst zum 18.07.2017 bescheinigt worden. Mit einer weiteren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 18.07.2017 bescheinigte Dr. A. sodann Arbeitsunfähigkeit bis zum 21.08.2017, um sodann mit einer Bescheinigung vom 04.09.2017 Arbeitsunfähigkeit bis zum 28.09.2017 zu attestieren. Im weiteren Fortgang wurden der Beklagten sodann Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 22.09.2017 und vom 19.10.2017 vorgelegt, mit denen Arbeitsunfähigkeit bis zum 19.10.2017 bzw. bis zum 16.11.2017 bescheinigt worden ist. Auf Anfrage der Beklagten vom 08.09.2017 gab Dr. A. unter dem 14.09.2017 im Rahmen des Formulars "Bericht für die Krankenkasse bei Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit" an, dass der Zeitpunkt des Wiedereintritts der Arbeitsfähigkeit nicht absehbar sei.

Mit Bescheid vom 28.09.2017 bewilligte die Beklagte der Klägerin sodann Krankengeld vom 01. - 21.08.2017 i.H.v. 48,11 EUR täglich. Mit einem weiteren Bescheid vom 28.09.2017 entschied die Beklagte, dass über den 21.08.2017 hinaus kein Krankengeld gewährt werden könne. Bis zu diesem Zeitpunkt sei von einem Arzt Arbeitsunfähigkeit bescheinigt worden. Erst am 04.09.2017 sei dies sodann abermals erfolgt. Indes habe der über den Krankengeldbezug aufrechterhaltene Versicherungsschutz mit dem 21.08.2017 geendet, weswegen (auch) ab dem 04.09.2017 kein Krankengeld gewährt werden könne.

Hiergegen erhob die Klägerin am 27.10.2017 Widerspruch, mit dem sie vorbrachte, sie sei seit Juni 2017 arbeitsunfähig erkrankt. Ihr für den 15.08.2017 bei Dr. A. vereinbarter Termin sei kurzfristig abgesagt worden. Im Anschluss hieran habe sie sich wegen ihrer psychischen Erkrankung nicht mehr aus dem Haus bewegen können. Die Klägerin legte hierzu ein Attest von Dr. A. vom 28.09.2017 vor, in dem bestätigt worden ist, dass die Klägerin seit dem 12.06.2017 bis auf Weiteres arbeitsunfähig erkrankt sei. Die letzte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei versehentlich, aus personell organisatorischen Gründen, falsch datiert worden. Sodann ist klägerseits vorgetragen worden, sie sei am 15.08.2017 bei der behandelnden Ärztin vorstellig geworden. Dort sei sie darauf hingewiesen worden, dass sie sich am 22.08.2017 noch einmal melden müsse. Dies habe sie getan, wobei ihr zugesichert worden sei, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung per Post übersandt werden würde. Nachdem dies unterblieben sei, sei ihr Lebensgefährte in die Praxis gefahren und habe die Bescheinigung abgeholt; das Dokument vom 22.08.2017 habe sich jedoch im dortigen Computersystem nicht öffnen lassen, und sei deswegen neu, auf den 04.09.2017, datiert ausgestellt worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.02.2018 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Sie führte hierzu aus, die Mitgliedschaft der Klägerin bei ihr, der Beklagten, habe wegen des Bezuges von Krankengeld bis zum 21.08.2017 bestanden, da bis zu diesem Zeitpunkt die Arbeitsunfähigkeit ärztlicherseits bescheinigt worden sei. Eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei erst am 04.09.2017 ausgestellt worden. Zu diesem Zeitpunkt sei die Klägerin jedoch freiwillig, ohne Anspruch auf Krankengeld, versichert gewesen, sodass ein Anspruch auf Krankengeld nicht bestehe.

Hiergegen hat die Klägerin am 27.03.2018 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Zu deren Begründung hat sie vorgetragen, sie habe am 15.08.2017 Dr. A. aufgesucht. Dort sei klar geworden, dass sie weiterhin arbeitsunfähig sei. Von der Arzthelferin sei ihr versichert worden, dass die (neue) Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach Ablauf der (laufenden) Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zugesandt werden würde. Da sie diese aber nicht erreicht habe, sei sie am 04.09.2017 in der Praxis vorstellig geworden. Die scheinbar ausgestellte Bescheinigung habe aufgrund von Computerproblemen nicht mehr geöffnet werden können, weshalb sie eine neue, auf den 04.09.2017 datierende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erhalten habe. Arbeitsunfähigkeit habe jedoch auch und bereits ab dem 22.08.2017 bestanden. Sie, die Klägerin, sei von der Beklagten auch nicht ausreichend über die Notwendigkeit der Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen informiert worden.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Unter Wiederholung der Begründung der Widerspruchsentscheidung hat sie vorgetragen, die Klägerin habe zunächst jeweils fristgerecht Folgebescheinigungen vorgelegt. Weshalb dies im August 2017 nicht mehr geschehen sei, sei nicht nachvollziehbar. Die Klägerin sei auf jeder ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Ausfertigung für Versicherte) darauf hingewiesen worden, dass bei Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit auf einen lückenlosen Nachweis zu achten sei. Wie dieser lückenlose Nachweis zu erlangen gewesen sei, sei gleichfalls detailliert geschildert worden. Auch habe in der Zeit vom 21.08. - 03.09.2017 keine Handlungs- und Geschäftsunfähigkeit bestanden.

Mit Gerichtsbescheid vom 17.09.2018 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Klägerin habe ab dem 22.08.2017 keinen Anspruch auf Krankengeld. Ein solcher setze u.a. voraus, dass die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt worden sei. Dies gelte auch im Falle einer Weiterbewilligung von Krankengeld. In zeitlicher Hinsicht müsse die Feststellung spätestens an dem Tag erfolgen, der auf den letzten zuvor festgestellten Tag der Arbeitsunfähigkeit folge. Da vorliegend zunächst bis zum 21.08.2017 Arbeitsunfähigkeit bescheinigt worden sei, hätte die Folgebescheinigung spätestens am 22.08.2017 vorgelegt werden müssen. Dies habe die Klägerin unterlassen, sie habe vielmehr erst am 04.09.2017 eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beigebracht. Mit Ablauf des zuletzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeitraum am 21.08.2017 sei der durch den Bezug von Krankengeld aufrechterhaltene Versicherungsschutz beendet gewesen. Ab dem 22.08.2017 sei die Klägerin freiwillig, ohne Anspruch auf Krankengeld, versichert gewesen, sodass auch ab dem 04.09.2017 kein Anspruch auf Krankengeld bestehe. Ein Fall, in dem ausnahmsweise trotz dessen Krankengeld zu gewähren sei, liege nicht vor, da die Klägerin nicht alles in ihrer Macht Stehende unternommen habe, um ihre Ansprüche zu sichern. So sei es nicht der Beklagten anzulasten, dass die Klägerin nach ihrem Besuch bei Dr. A. am 15.08.2017 keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erlangt habe. Eine Verpflichtung der Krankenkassen, die Versicherten über die Obliegenheit zur rechtzeitigen Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu informieren, bestehe, so das SG, nicht.

Gegen den ihr am 19.09.2018 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 17.10.2018 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Sie bringt vor, sie habe Dr. A. am 15.08.2017 persönlich aufgesucht. Hierbei sei festgestellt worden, dass sie weiterhin arbeitsunfähig sei. Der Sprechstundenhilfe sei es jedoch am 15.08.2017 technisch nicht möglich gewesen, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auf die Zeit ab dem 22.08.2017 auszustellen, weswegen ihr, der Klägerin, zugesagt worden sei, dass ihr die Bescheinigung per Post übersandt werden würde. Dies sei jedoch sodann nicht geschehen, weswegen sie am 04.09.2017 die Praxis erneut aufgesucht habe, woraufhin ihr eine auf diesen Tag datierende Bescheinigung übergeben worden sei. Dies reiche aus, den Anspruch auf Krankengeld zu sichern. Überdies sei es ihr aufgrund ihrer Erkrankung nicht möglich gewesen, ihre Wohnung nach dem 21.08.2017 zu verlassen.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 17.09.2018 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28.09.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2018 zu verurteilen, ihr über den 21.08.2017 hinaus bis zum 18.12.2017 Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung ihres Antrages wiederholt die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen. Auf Anfrage des Senats hat die Beklagte mitgeteilt, dass über die aktenkundigen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 12.06.2017, vom 18.07.2017, vom 04.09.2017, vom 22.09.2017 und vom 19.10.2017 hinaus keine weiteren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt worden seien. Bei fortlaufender Arbeitsunfähigkeit wäre die Höchstbezugsdauer des Krankengeldes am 05.12.2018 erreicht.

Der Senat hat die behandelnde Ärztin der Klägerin, Dr. A. , schriftlich als sachverständige Zeugin einvernommen. In ihrer Stellungnahme vom 21.06.2019 hat Dr. A. mitgeteilt, bei der Klägerin eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig in einer mittelgradigen Episode, sowie eine Somatisierungsstörung diagnostiziert zu haben. Sie hat mitgeteilt, die Klägerin deswegen u.a. am 18.07., am 15.08., am 22.08. und sodann am 04.09.2017 behandelt zu haben. Für den 22.08.2017 hat sie ausgeführt, dass die Klägerin an diesem Tag persönlich vorbeigekommen sei, die Arbeitsunfähigkeit sei aufgrund der Untersuchung am 15.08.2017 verlängert worden.

Nachdem der Senat den Beteiligten einen Vergleichsvorschlag des Inhalts unterbreitet hatte, der Klägerin weiteres Krankengeld über den 21.08.2017 hinaus bis zum 16.11.2017 zu gewähren und hierin u.a. ausgeführt hatte, dass zwar davon auszugehen sei, dass die Klägerin vor dem 22.08.2017 Dr. A. aufgesucht habe, um die fortbestehende Arbeitsunfähigkeit bescheinigen zu lassen, mithin alles ihr Zumutbare unternommen habe, ihren Anspruch zu sichern, jedoch für die Zeit ab dem 16.11.2017 keine weiteren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen mehr beigebracht worden seien, hat die Klägerin unter dem 30.03.2020 eine von Dr. A. ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 17.11.2017 vorgelegt, mit der Arbeitsunfähigkeit bis zum 18.12.2017 bescheinigt worden ist. Hierzu hat sie in der mündlichen Verhandlung vom 01.07.2020 vorgetragen, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei wohl im Zuge der Umbauarbeiten in der zuständigen Niederlassung der Beklagten verloren gegangen. Die Beklagte hat hierzu ausgeführt, das Bundessozialgericht (BSG) habe stets betont, dass es den Versicherten obliege, für die rechtzeitige Vorlage einer Folge-Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Sorge zu tragen. Ausnahmefälle seien zwar anerkannt, aber auf Fälle beschränkt, in denen der Arzt aufgesucht worden sei. Die neueste Rspr. des BSG (Urteile vom 26.03.2020, - B 3 KR 9/19 R - und - B 3 KR 10/19 R-), in denen entschieden worden sei, dass dann nicht von einer nicht rechtzeitigen Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auszugehen sei, wenn die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit aus Gründen aus der Sphäre des Vertragsarztes bzw. der Krankenkasse verspätet erfolgt sei, sei vorliegend nicht einschlägig, da die Mitteilungen von Dr. A. betr. des Geschehensablaufs im Juli, August und September nicht stringent seien. Insb. sprächen die widersprüchlichen Angaben zum Ausstellungstag und zum Feststellungstag sowie die Eintragungen in der Patientenakte gegen einen Arzt- Patienten-Kontakt am 22.08.2017. Es lasse sich, so die Beklagte, lediglich die Vermutung ableiten, dass die Klägerin am 22.08.2017 in der Arztpraxis gewesen ist, jedoch kein Kontakt mit der Vertragsärztin stattgefunden hat. Die zuletzt von der Klägerin beigebrachte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 17.11.2017 sei ihr bis dato nicht vorgelegt worden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die bei der Beklagten geführte Leistungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 01.07.2020 geworden sind, sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 01.07.2020 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung der Klägerin, die auch im Übrigen zulässig ist, führt für die Klägerin teilweise zum Erfolg.

Der streitgegenständliche Bescheid vom 28.09.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2018 ist rechtswidrig, soweit er den Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Krankengeld über den 21.08.2017 hinaus bis einschließlich zum 16.11.2017 negiert. Soweit er darüber hinaus den Anspruch verneint, ist er hingegen im Ergebnis rechtmäßig. Die Klägerin kann die Gewährung von Krankengeld auch vom 22.08. - 16.11.2017 beanspruchen.

Nach § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden. Der Anspruch auf Krankengeld entsteht nach § 46 Satz 1 SGB V in der vom 23.07.2015 - 10.05.2019 geltenden Fassung des Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VSG) vom 16.07.2015 (BGBl. I S.1211; vgl. zum Inkrafttreten des Gesetzesfassung Art. 20 Abs. 1 GKV-VSG), die für den streitigen Zeitraum maßgebend ist, im Falle der Krankenhausbehandlung oder der Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung von ihrem Beginn an (Nr. 1), im Übrigen von dem Tage der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an (Nr. 2). Der Anspruch auf Krankengeld bleibt nach § 46 Satz 2 SGB V jeweils bis zu dem Tag bestehen, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wird, wenn diese ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt; Samstage gelten insoweit nicht als Werktage.

Wird das Krankengeld jeweils aufgrund der von einem Vertragsarzt ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entsprechend der dort angegebenen voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit gezahlt, liegt hierin eine zeitlich befristete Bewilligung (vgl. BSG, Urteil vom 04.03.2014 - B 1 KR 17/13 R - und vom 22.03.2005 - B 1 KR 22/04 R -, jew. in juris). Bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit, aber abschnittsweiser Krankengeldbewilligung ist jeder Bewilligungsabschnitt eigenständig zu prüfen. Für die Aufrechterhaltung des Krankengeldanspruchs ist es deshalb erforderlich, dass die Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf des Krankengeldbewilligungsabschnitts erneut ärztlich festgestellt wird (vgl. st. Rspr. des BSG, u.a. Urteil vom 08.11.2005 - B 1 KR 30/04 R -; Urteil vom 16.12.2014 - B 1 KR 19/14 R -, beide in juris m.w.N.). Die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit ist keine bloße Formalie. Mit dem Erfordernis vorgeschalteter ärztlich festzustellender Arbeitsunfähigkeit sollen vielmehr beim Krankengeld Missbrauch und praktische Schwierigkeiten vermieden werden, zu denen die nachträgliche Behauptung der Arbeitsunfähigkeit und deren rückwirkende Bescheinigung beitragen könnten. Mit Blick hierauf ist die Regelung des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V (auch) unter Geltung der ab dem 23.07.2015 geltenden Gesetzesfassung grundsätzlich strikt zu handhaben. Trotz dessen hat die Rechtsprechung des BSG seit jeher in engen Grenzen bestimmte Ausnahmen von den Vorgaben und Grundsätzen anerkannt. So sind dem Versicherten gleichwohl Krankengeldansprüche zuerkannt worden, wenn die ärztliche Feststellung (oder die rechtzeitige Meldung der Arbeitsunfähigkeit nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V) durch Umstände verhindert oder verzögert worden ist, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkassen und nicht dem Verantwortungsbereich des Versicherten zuzurechnen sind. Derartiges hat das BSG bei Fristversäumnissen wegen Geschäfts- oder Handlungsunfähigkeit des Versicherten, im Falle des verspäteten Zugangs der Arbeitsunfähigkeits-Meldung bei der Krankenkasse aufgrund von Organisationsmängeln, die diese selbst zu vertreten hat, für Fälle einer irrtümlichen Verneinung der Arbeitsunfähigkeit des Versicherten aufgrund ärztlicher Fehlbeurteilung sowie bei einem von der Krankenkasse rechtsfehlerhaft bewerteten Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit nach Aufgabe des letzten Arbeitsplatzes angenommen. Zusammenfassend hat das BSG entschieden (Urteil vom 11.05.2017 - B 3 KR 22/15 R -, in juris, dort Rn. 34), dass die nachträglich erfolgte ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit dem geltend gemachten Krankengeldanspruch nicht entgegen steht, wenn der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan hat, um seine Ansprüche zu wahren, indem er einen zur Diagnostik und Behandlung befugten Arzt persönlich aufgesucht und ihm seine Beschwerden geschildert hat, um die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld zu erreichen, und dies rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden bzw. -erhaltenden zeitlichen Grenzen für den Krankengeld-Anspruch erfolgt ist, er an der Wahrung der Krankengeld-Ansprüche durch eine (auch nichtmedizinische) Fehlentscheidung des Vertragsarztes gehindert wurde (z.B. eine irrtümlich nicht erstellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung), und er - zusätzlich - seine Rechte bei der Krankenkasse unverzüglich, spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler, geltend macht.

Zuletzt hat das BSG diese Rspr. jedoch dahingehend konkretisiert (Urteile vom 26.03.2020 - B 3 KR 9/19 R - und - B 3 KR 10/19 R -, vgl. Terminbericht Nr. 9/20 vom 26.03.2020, in juris), dass es einem "rechtzeitig" erfolgten Arzt-Patienten-Kontakt gleichsteht, wenn der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan hat und rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden bzw. -erhaltenden zeitlichen Grenzen versucht hat, eine ärztliche Feststellung der AU als Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld zu erhalten, es dazu aber aus dem Arzt und der Krankenkasse zurechenbaren Gründen erst verspätet gekommen sei. Dies sei insb. in Fällen anzunehmen, in denen die Gründe für das nicht rechtzeitige Zustandekommen in der Sphäre des Vertragsarztes und nicht in derjenigen des Versicherten liegen. Dies sei bei einer auf Wunsch des Arztes bzw. seines Praxispersonals erfolgten Verschiebung des vereinbarten rechtzeitigen Termins zu bejahen, wenn dies in der (naheliegenden) Vorstellung erfolgt sei, ein späterer Termin sei für den Versicherten unschädlich. Hierfür spreche, so das BSG, dass die Mitwirkungspflichten des Versicherten auf das in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare beschränkt seien und ein "Arzt-Hopping" grundsätzlich nicht verlangt werden könne und generalpräventiven Erwägungen der Missbrauchsabwehr vor allem in Fällen, in denen die weitere Arbeitsunfähigkeit zweifelsfrei feststehe, kein solches Gewicht zukomme, dass sie diese Schutzaspekte überlagern und verdrängen könnten. In diesem Sinne dürften sich Krankenkassen nicht darauf berufen, dass ein Arzt-Patienten-Kontakt nicht rechtzeitig zustande gekommen ist, wenn dies auf Gründen beruht, die in der Sphäre des Vertragsarztes (und nicht des Versicherten) liegen, und die auch den Krankenkassen zuzurechnen seien.

Vor diesem Hintergrund kann die Klägerin Krankengeld über den 21.08.2017 hinaus beanspruchen. Sie war auch über den 21.08.2017 hinaus wegen einer rezidivierenden depressiven Störung arbeitsunfähig erkrankt. Dies folgt für den Senat aus den Ausführungen der behandelnden Ärztin Dr. A. und wird von der Beklagten nicht in Abrede gestellt. Die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ist zur Überzeugung des Senats, worüber im vorliegenden Verfahren zuvorderst gestritten wird, auch rechtzeitig ärztlich festgestellt worden. Nachdem die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin zuletzt bis zum 21.08.2017 mit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 18.07.2017 bescheinigt worden ist, musste spätestens am Folgetag, dem 22.08.2017, einem Dienstag, nach § 46 Satz 2 SGB V, erneut die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit erfolgen. Nach den Bekundungen von Dr. A. in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 21.06.2019 gegenüber dem Senat hat die Klägerin an diesem Tag die dortige Praxis aufgesucht; die Arbeitsunfähigkeit sei, so Dr. A. , aufgrund der Untersuchung am 15.08.2017 verlängert worden. Mit diesem Erscheinen am 22.08.2017 hat die Klägerin zur Überzeugung des Senats alles ihr Mögliche und Zumutbare unternommen hat, um eine Folgearbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erlangen. Sie hat insb. alles unternommen, einen rechtzeitigen Arzt-Patienten-Kontakt herzustellen. Auch ist in der aktenkundigen Patientenkartei von Dr. A. eine Vorsprache der Klägerin vermerkt, weswegen der Senat die Bedenken der Beklagten, die Aussagen zum Geschehensablauf in den Monaten Juli, August und September 2017 seien disparat, nicht teilt. Der Umstand, dass Dr. A. in ihrer Stellungnahme ausgeführt hat, dass die Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Untersuchung am 15.08.2017 verlängert worden sei, steht der Annahme einer auch ab dem 22.08.2017 als rechtzeitig anzusehenden festgestellten Arbeitsunfähigkeit nicht entgegen, da Dr. A. hierzu in ihrer Bescheinigung vom 28.09.2017 mitgeteilt hat, dass hierfür personell-organisatorische Gründe maßgeblich gewesen seien; die Feststellung der Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit am 22.08.2017 ist hiernach rechtzeitig i.S.d. der Rspr. des BSG vom 26.03.2020 (a.a.O.) erfolgt, weswegen der Anspruch auf Krankengeld über den 21.08.2017 hinaus fortbestanden hat. Soweit seitens der Beklagten vorgebracht worden ist, es gebe keine Hinweise darauf, dass am 22.08.2017 ein Arzt-Patienten-Kontakt stattgefunden habe, ist dies nach den Entscheidungen vom 26.03.2020 unter den dort benannten Voraussetzungen, dass der rechtzeitige Kontakt aus Gründen, die in der Sphäre des Vertragsarztes und nicht in derjenigen des Versicherten liegen, gerade kein zwingendes Erfordernis für die Annahme einer rechtzeitigen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit. Die von Dr. A. angeführten personellen- organisatorischen Gründe sind i.d.S. dem Zurechnungsbereich der Vertragsärztin zuzurechnen; der Klägerin war es in der konkreten Situation nicht aufzubürden, einen anderen Vertragsarzt aufzusuchen und sich dort eine auf den 22.08.2017 datierende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen zu lassen.

Mithin ist die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit am 22.08.2017 rechtzeitig i.S.d. der Rspr. des BSG vom 26.03.2020 (a.a.O.) festgestellt worden, weswegen der Anspruch der Klägerin auf die Gewährung von Krankengeld über den 21.08.2017 hinaus bis zum 16.11.2017 fortbestanden hat. Hierzu ist die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin mit Bescheinigung vom 22.09.2017 bis zum 19.10.2017 und mit Bescheinigung vom 19.10.2017 bis zum 16.11.2017 festgestellt worden.

Soweit die Klägerin, erstmals im Berufungsverfahren am 30.03.2020, eine von Dr. A. ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 17.11.2017 vorgelegt hat, mit der Arbeitsunfähigkeit bis zum 18.12.2017 bescheinigt worden ist, vermag diese keinen durchsetzbaren, zeitlich weitergehenden Anspruch auf die Zahlung von Krankengeld zu begründen. Nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V in der seit dem 01.01.2012 geltenden Fassung ruht der Anspruch auf Krankengeld solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet worden ist; dies gilt nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erfolgt. Nachdem die Beklagte hierzu, für den Senat in Ansehung der in der Akte fehlenden Ausfertigung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, nachvollziehbar mitgeteilt hat, die Bescheinigung sei ihr nicht bekannt, d.h. sie habe sie nicht erhalten, hat die Klägerin der Beklagten die Arbeitsunfähigkeit nicht spätestens binnen einer Woche gemeldet, sodass der Anspruch auf Krankengeld ab dem 17.11.2017 geruht hat. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin der Beklagten anderweitig Kenntnis von der auch ab dem 17.11.2017 fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit verschafft hat, sind nicht ersichtlich, entsprechendes wird insb. bereits klägerseits nicht vorgetragen. Der Vortrag, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei wohl im Zuge der Umbauarbeiten in der zuständigen Niederlassung der Beklagten verloren gegangen, ist insofern nicht substantiiert.

Das Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld führt dazu, dass, obschon das Stammrecht auf Krankengeld erhalten bleibt, der Anspruch nicht erfüllt werden darf und Krankengeld für den Zeitraum vom 17.11.2017 – 18.12.2017 (vgl. § 123 SGG) nicht ausgezahlt wird.

Die Klägerin hat mithin über den 21.08.2017 hinaus Anspruch auf Krankengeld bis zum 16.11.2017. Der Bescheid vom 28.09.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2018 ist insoweit rechtswidrig, als er den Anspruch der Klägerin negiert; er ist abzuändern. Soweit mit dem Bescheid der geltend gemachte Anspruch indes auch für die Zeit ab dem 17.11.2017 abgelehnt worden ist, ist der Bescheid im Ergebnis rechtmäßig.

Der Gerichtsbescheid des SG vom 17.09.2018 ist insoweit abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass bei einem (zuletzt) gestellten Antrag der Gewährung von Krankengeld vom 22.08. – 18.12.2017 das klägerische Obsiegen mit ¾ zu quantifizieren ist.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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