L 7 SO 101/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SO 1651/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 101/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 19. Dezember 2019 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Übernahme von Fahrt- und Übernachtungskosten für sich und eine Begleitperson anlässlich eines geplanten Besuchs bei seiner Schwester in O. aus Mitteln der Sozialhilfe nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (SGB XII).

Der 1930 geborene Kläger bezieht seit Januar 2005 eine Altersrente.

Am 16. Juli 2019 wandte er sich an den Beklagten u.a. mit der Bitte um Übernahme von Reise- und Übernachtungskosten für sich und eine Begleitperson, um seine in O. lebende Schwester noch einmal besuchen zu können (Schreiben vom 12. Juli 2019). Dieses Schreiben ist am 19. August 2019 beim Sozialgericht Konstanz (SG) eingegangen und dort zunächst unter dem Aktenzeichen S 2 SV 1651/19 geführt worden. Auf die Verfügung des SG vom 3. September 2019 hat der Kläger mitgeteilt, dass sich die Klage gegen das Sozialamt des Beklagten richte. Die 2. Kammer des SG hat die Klage sodann an die für Sozialhilfeangelegenheiten zuständige 3. Kammer des SG abgegeben, wo der Rechtsstreit unter dem Aktenzeichen S 3 SO 1651/19 fortgeführt worden ist.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten (Schreiben vom 31. Oktober 2019). Er - der Beklagte - gehe nach Auswertung der Klageschrift davon aus, dass der Kläger einen Antrag auf Übernahme von Fahrt- und Reisekosten zum Besuch seiner Schwester nicht bei ihm gestellt habe und eine entsprechende Antragstellung auch verweigere.

Auf richterliche Verfügung des SG vom 5. November 2019 hat der Kläger mitgeteilt, dass sein Schreiben vom 12. Juli 2019 als Antrag angesehen werden könne, sowie ausdrücklich gegenüber dem Beklagten die Kostenübernahme beantragt. Die Fahrt zu seiner kranken Schwester sei notwendig. Er habe ein Recht auf Übernahme der entsprechenden Kosten.

Mit Verfügung vom 19. November 2019 hat das SG das Schreiben des Klägers an den Beklagten zur Bearbeitung in eigener Zuständigkeit weitergeleitet und den Kläger darauf hingewiesen, dass seine Klage unzulässig sei, weil er vor Klageerhebung keinen Antrag bei dem Beklagten gestellt habe. Es hat dem Kläger geraten, seine Klage zurückzunehmen. Der Beklagte hat ein Verwaltungsverfahren eingeleitet und den Kläger zur Mitwirkung aufgefordert (Schreiben vom 29. November 2019 und 13. Januar 2020).

Das SG hat - nach Anhörung der Beteiligten - durch Gerichtsbescheid vom 19. Dezember 2019 die Klage abgewiesen. Die Klage sei bereits unzulässig. Eine direkte Verurteilung des Beklagten zur Erbringung der begehrten Leistung sei rechtlich nicht zulässig. Der Kläger habe die begehrte Übernahme von Fahrt- und Übernachtungskosten zunächst beim Sozialamt des Beklagten zu beantragen. Erst nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens und des nach § 78 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erforderlichen Widerspruchsverfahrens sei die Klage zulässig.

Gegen den ihm am 28. Dezember 2019 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich der Kläger mit seiner am 9. Januar 2020 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegten Berufung. Die Abwehr seines Belanges nach Hilfe mit Begleitperson, Unterbringung im Hotel sowie Kosten der Bahnfahrt sei eine Verhinderung nötigster Anliegen und stelle einen Rechtsbruch dar.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 19. Dezember 2019 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Fahrt- und Übernachtungskosten für sich und eine Begleitperson für einen geplanten Besuch bei seiner Schwester in O. zu übernehmen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verweist zur Begründung auf den angefochtenen Gerichtsbescheid.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

1. Der Senat konnte trotz des Ausbleibens des Klägers im anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung am 28. Mai 2020 entscheiden, da der Kläger in der ihm am 4. April 2020 zugestellten Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.

2. Die Berufung ist zulässig. Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft und zulässig, da sie nicht der Zulassung bedarf (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG); dabei geht der Senat davon aus, dass die geltend gemachten Fahrt- und Übernachtungskosten für den Kläger und eine Begleitperson 750,00 EUR übersteigen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 12. Aufl. 2017, § 144 Rdnr. 15b; Littmann in LPK-SGG, 5. Aufl. 2017, § 144 Rdnr. 8).

3. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist das Begehren des Klägers auf Übernahme von Fahrt- und Übernachtungskosten für sich und eine Begleitperson für einen geplanten Besuch bei seiner hochbetagten Schwester, die sich nach seinen Angaben in einer stationären Einrichtung in O. befindet, als einmalige Beihilfe nach dem SGB XII. Dieses Begehren verfolgt der Kläger mit einer isolierten Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG). Eine anfechtbare Verwaltungsentscheidung des Beklagten (§ 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X)) zu diesem Leistungsbegehren lag weder bei Klageerhebung noch bei Einlegung der Berufung vor. Zwar hat der Beklagte zwischenzeitlich durch Bescheid vom 26. Februar 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids 9. März 2020 über das klägerische Leistungsbegehren entschieden. Jedoch ist dieser Bescheid nicht gem. § 96 SGG Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden, da er keinen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt (z.B. Senatsurteil vom 21. Juni 2018 - L 7 SO 1357/18 - n.v. - m.w.N.), sondern gesondert angefochten werden muss.

4. Die Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG; vgl. ferner Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 24. Februar 2016 - B 8 SO 11/14 R - BSGE 121, 12 - juris Rdnr. 10) ist mangels vorheriger Verwaltungsentscheidung unzulässig. Vor Bekanntgabe des Verwaltungsakts ist die Klage mangels gegenwärtiger Beschwer nicht zulässig. Eine solchermaßen unzulässige Klage ist auch durch die nach Klageerhebung erfolgte Bekanntgabe des Ablehnungsbescheids des Beklagten (Bescheid vom 26. Februar 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids 9. März 2020) betreffend den klägerischen Antrag auf Übernahme von Fahrt- und Unterkunftskosten nicht zulässig geworden. Eine "Heilung" der Unzulässigkeit tritt durch eine spätere Bekanntgabe eines ablehnenden Verwaltungsakts nicht ein (ständige Senatsrechtsprechung, z.B. Senatsurteil vom 21. Juni 2018 - L 7 SO 1357/18 - n.v.; Senatsurteil vom 16. Oktober 2014 - L 7 AS 5359/11 - n.v.; Bayerisches LSG, Urteil vom 20. Januar 2009 - L 15 VG 20/08 - juris Rdnr. 10). Eine isolierte Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG ist gleichfalls nicht statthaft. Danach kann mit der Klage die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Im Verhältnis zwischen dem Kläger als Bürger und dem Beklagten als Träger hoheitlicher Gewalt sowie im Hinblick auf die allein in Betracht kommenden Leistungen der Altenhilfe (§ 71 Abs. 1 und 2 Nr. 6 SGB XII; ferner BSG, Urteil vom 24. Februar 2016 - B 8 SO 11/14 R - BSGE 121, 12 - juris Rdnr. 18) hat aber vor Erhebung der Klage ein Verwaltungsakt zu ergehen, der zum Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung gemacht werden könnte (vgl. BSG, Urteil vom 9. August 2018 - B 14 AS 38/17 R - BSGE 126, 180 - juris Rdnr. 16).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

6. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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