L 7 AS 183/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AS 2441/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 183/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 24. Oktober 2019 wird als unzulässig verworfen. Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung höherer Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) an den Kläger für die Zeit vom 1. November 2014 bis zum 30. April 2015 streitig. Vorrangig sind prozessrechtliche Fragen zu klären.

Der 1956 geborene Kläger bezieht vom Beklagten laufende Leistungen nach dem SGB II.

Mit Bescheid vom 16. Oktober 2014 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1. November 2014 bis zum 30. April 2015 vorläufige Leistungen in Höhe von monatlich 781,46 Euro. Auf den Widerspruch des Klägers bewilligte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 12. November 2014 Leistungen ab dem 1. Dezember 2014 unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs i.H.v. monatlich 44,45 Euro für ernährungsbedingten Mehrbedarf und für Waschmittel. Mit Änderungsbescheid vom 22. November 2014 wurde die Regelleistung bei unveränderter Höhe des Mehrbedarfs ab dem 1. Januar 2015 entsprechend der jährlichen Neufestsetzung der Regelbedarfe erhöht.

Zur weiteren Begründung seines Widerspruchs trug der Kläger vor, sein ernährungsbedingter Mehrbedarf betrage monatlich 39,10 Euro bzw. ab dem 1. Januar 2015 39,90 Euro, so dass sich zuzüglich des Mehraufwands für Waschmittel von 9,45 Euro sein Gesamtmehrbedarf auf monatlich 48,55 Euro bzw. ab dem 1. Januar 2015 auf 49,35 Euro belaufe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2016 wies der Beklagte den Widerspruch zurück, soweit ihm nicht abgeholfen worden war. Hiergegen hat der Kläger am 15. August 2016 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben (S 3 AS 2441/16).

Am 19. Januar 2015 beantragte der Kläger beim Beklagten die Übernahme der Kosten für eine Jahreskarte des Herschelbades i.H.v. 156,00 Euro, die er am sodann am 6. März 2015 erwarb. Mit Bescheid vom 23. Januar 2015 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies er mit Widerspruchsbescheid vom 11. Juli 2016 zurück. Hiergegen hat der Kläger gleichfalls am 15. August 2016 Klage zum SG erhoben (S 3 AS 2443/16).

Das SG hat mit Beschluss vom 8. Juni 2018 die Verfahren S 3 AS 2441/16 und S 3 AS 2443/16 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen S 3 AS 2441/16 verbunden.

Mit Schreiben vom 5. Juli 2018 hat der Kläger seinen Mehrbedarf für Desinfektion, Hygienebedarf und Waschmittel mit monatlich 71,46 Euro beziffert. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 24. Oktober 2019 hat der Kläger ausweislich des Protokolls angegeben, sein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung habe im streitgegenständlichen Zeitraum ca. 50,00 Euro pro Monat betragen.

Mit Urteil vom 24. Oktober 2019 hat das SG die Klagen abgewiesen. Der Kläger habe im streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf höhere Leistungen wegen eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung sowie wegen eines Mehrbedarfs für Desinfektionsmittel und Küchenrollen. Auch ein Anspruch auf die Erstattung der Kosten für die Jahreskarte zum Besuch des H.bades bestehe nicht.

Gegen das am 31. Dezember 2019 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14. Januar 2020 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 24. Oktober 2019 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 23. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Juli 2016 und des Bescheids vom 16. Oktober 2014 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 12. November 2014, des Änderungsbescheids vom 22. November 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Juli 2016 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. November 2014 bis zum 30. April 2015 höhere Leistungen unter Berücksichtigung höherer Mehrbedarfe wegen aus medizinischen Gründen erforderlicher kostenaufwändiger Ernährung sowie wegen unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarfe (Kosten für den Kauf von Desinfektionsmitteln sowie Küchenrollen) sowie der Kosten für die Jahreskarte des H.bades zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers als unzulässig zu verwerfen.

Die Beteiligten sind auf die Absicht des Senats, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen, hingewiesen worden. Ihnen ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogenen Akten des Beklagten Bezug genommen.

II.

1. Die Berufung des Klägers ist mangels Zulassung unzulässig und daher gemäß § 158 Sätze 1 und 2 SGG zu verwerfen.

a) Die Berufung des Klägers ist zwar form- und fristgerecht eingelegt worden. Der Kläger hat gegen das ihm am 31. Dezember 2019 zugestellte Urteil innerhalb der einmonatigen Berufungsfrist am 14. Januar 2020 Berufung beim LSG Baden-Württemberg eingelegt.

b) Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der hier anwendbaren, ab 1. April 2008 geltenden Fassung, bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 Euro nicht übersteigt. Diese Regelung findet nur dann keine Anwendung, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Für die Frage, ob die Berufung der Zulassung bedarf, ist der Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels entscheidend (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 8. Oktober 1981 - 7 RAr 72/80 - juris Rdnr. 16 m.w.N.; BSG, Urteil vom 23. Februar 2011 - B 11 AL 15/10 R - juris Rdnr. 13; - LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Juli 2015 - L 4 R 3257/13 - juris Rdnr. 41; Breitkreuz/Schreiber in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 144 Rdnr. 6; Sommer in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 144 Rdnr. 24). Der Beschwerdewert bemisst sich ausschließlich nach der Höhe des Geldbetrages, um den unmittelbar gestritten wird (BSG, Beschluss vom 22. Juli 2010 - B 4 AS 77/10 B - juris Rdnr. 6). Fallen mehrere Streitgegenstände in den Anwendungsbereich des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, sind die Beschwerdewerte zu addieren (BSG, Urteil vom 5. Februar 1998 - B 11 AL 19/97 - juris Rdnr. 15; BSG, Beschluss vom 18. April 2016 - B 14 AS 150/15 - juris Rdnr. 6).

c) Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen für eine zulassungsfreie Berufung nicht vor.

aa) Ein Beschwerdewert von mehr als 750,00 Euro wird nicht erreicht.

(1) Der Beschwerdegegenstand richtet sich danach, was durch das angefochtene Urteil des Sozialgerichts versagt, also abgelehnt worden ist, und mit der Berufung weiterverfolgt wird (BSG, Beschluss vom 5. August 2015 - B 4 AS 17/15 B - juris Rdnr. 6 m.w.N.). Dies ist durch Vergleich des vor dem Sozialgericht beantragten Gegenstandes mit dem ausgeurteilten Gegenstand und dem in der Berufung weiterverfolgten Begehren zu bestimmen (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 144 Rdnr. 14 m.w.N.; Wehrhahn in jurisPK-SGG, 2017, § 144 Rdnr. 19). Maßgeblich ist insoweit, was der Berufungskläger in Wirklichkeit als sachlich verfolgtes Prozessziel anstrebt, was er unter den gegebenen Umständen allenfalls wollen kann (BSG, Urteil vom 5. März 1980 - 9 RV 44/78 - Rdnr. 14). Maßgebend ist der materielle "Kern" des gerichtlichen Verfahrens (BSG, Urteil vom 5. März 1980 - 9 RV 44/78 - Rdnr. 14).

(2) Das Begehren des Klägers zielt bei sachgerechter Auslegung seines Vorbringens auf die Gewährung von höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 1. November 2014 bis zum 30. April 2015. Streitgegenständlich ist der Regelbedarf des Klägers sowie der Mehrbedarf, über den nur zusammen mit dem Regelbedarf entschieden werden kann (BSG, Urteil vom 12. September 2018 - B 4 AS 33/17 R - juris Rdnr. 10). Höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung, die einen abtrennbaren Streitgegenstand darstellen, hat der Kläger nicht geltend gemacht. Anhaltspunkte für einen höheren Anspruch des Klägers im Hinblick auf den Regelbedarf liegen nicht vor und sind auch vom Kläger nicht geltend gemacht.

Mit Schreiben vom 5. Juli 2018 hat der Kläger seinen Mehrbedarf für Desinfektion, Hygienebedarf und Waschmittel im streitigen Zeitraum mit monatlich 71,46 Euro beziffert. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 24. Oktober 2019 hat der Kläger ausweislich des Protokolls angegeben, sein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung habe im streitgegenständlichen Zeitraum ca. 50,00 Euro pro Monat betragen. Weiter hat er die Kosten einer Jahreskarte für das H.bad mit 156,00 Euro geltend gemacht. Der Kläger hat danach für den streitigen Zeitraum einen Mehrbedarf von insgesamt 884,76 Euro angegeben. Nachdem der Beklagte in den angefochtenen Bescheiden bereits einen Mehrbedarf von monatlich 44,45 Euro ab dem 1. Dezember 2014 und damit für fünf Monate bewilligt hat - somit insgesamt 222,25 Euro – ist noch ein Betrag von 662,51 Euro streitig. Ein Betrag von mehr als 750,00 Euro wird damit nicht erreicht.

bb) Die Berufung betrifft auch nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, sondern Leistungen für die Zeit vom 1. November 2014 bis zum 30. April 2015 und damit für lediglich sechs Monate.

d) Die Berufung ist auch nicht durch das SG zugelassen worden. Das SG hat vielmehr im Urteilstenor entschieden und in den Entscheidungsgründen und in der Rechtsmittelbelehrung des Urteils darauf hingewiesen, dass die Berufung nicht zugelassen wird.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

3. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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