L 7 SO 1647/20 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 SO 665/20 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 1647/20 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 13. Mai 2020 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz (SG) vom 13. Mai 2020 ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 172 SGG).

Der Antragsteller, welcher bis zum 31. März 2019 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) erhielt und seit dem 1. April 2019 von dem Antragsgegner Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) bezieht, begehrt mit seiner Beschwerde die Übernahme einer Mietkaution in Höhe von 840 Euro im einstweiligen Rechtsschutzverfahren von dem Antragsgegner für eine seit 2016 bewohnte Wohnung in der G. X in XXXXX O., nachdem die durch den SGB II-Leistungsträger gewährte Kaution nach Ende des SGB II-Leistungsbezugs an diesen zurückgezahlt wurde. Den entsprechenden Antrag des Antragstellers vom 7. Februar 2019, unter Vorlage des Mietvertrages wiederholt mit Schreiben vom 14. März 2019, lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 26. März 2019 ab. Widerspruch erhob der Antragsteller hiergegen nicht.

Am 23. März 2020 wiederholte der Antragsteller seinen Antrag auf Übernahme der Mietkaution erneut. Der Antragsgegner wies daraufhin im Änderungsbescheid über Grundsicherungsleistungen vom 24. März 2020 auf seine Ablehnung mit Bescheid vom 26. März 2019 hin. Am 20. April 2020 erhob der Antragsteller gegen den Änderungsbescheid Widerspruch, über den der Antragsgegner bislang noch nicht entschieden hat.

Ebenfalls am 20. April 2020 hat der Antragsteller bei dem SG Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt, welchen das SG mit Beschluss vom 13. Mai 2020 abgelehnt hat. Die hiergegen am 25. Mai 2020 bei dem SG erhobene Beschwerde ist unbegründet. Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.

Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist in § 86b SGG geregelt, und zwar für Anfechtungssachen in Abs. 1, für Vornahmesachen in Abs. 2. Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache ferner, soweit nicht ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Nach § 86b Abs. 3 SGG sind die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 schon vor Klageerhebung zulässig.

Hinsichtlich der begehrten vorläufigen Gewährung der Mietkaution kommt – wie vom SG zutreffend erkannt – allein der Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG in Betracht, denn dem Antragsteller geht es nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden, sondern um die Regelung eines vorläufigen Zustandes. Der Erlass einer Regelungsanordnung setzt gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zunächst die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs voraus. Die Begründetheit des Antrags wiederum hängt vom Vorliegen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund ab (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 – L 7 AS 2875/05 ER-B – FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 – L 7 SO 2117/05 ER-B – FEVS 57, 164). Eine einstweilige Anordnung darf nur erlassen werden, wenn beide Voraussetzungen gegeben sind. Dabei betrifft der Anordnungsanspruch die Frage der Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs, während der Anordnungsgrund nur bei Eilbedürftigkeit zu bejahen ist. Die Anordnungsvoraussetzungen, nämlich der prospektive Hauptsacheerfolg (Anordnungsanspruch) und die Dringlichkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund), sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 – L 7 AS 2875/05 ER-B – FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 – L 7 SO 2117/05 ER-B – FEVS 57, 164).

Der Senat lässt insoweit offen, ob dem Erlass einer Regelungsanordnung schon der Ablehnungsbescheid vom 26. März 2019, gegen welchen kein Widerspruch erhoben worden war, wegen des Eintritts des Bestandskraft (§ 77 SGG) entgegensteht, wodurch die Statthaftigkeit und damit Zulässigkeit des Begehrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (Senatsbeschluss vom 14. Dezember 2016 – L 7 AS 4120/16 ER-B – juris Rdnr. 4 m.w.N.; Senatsbeschluss vom 23. Mai 2017 – L 7 SO 1721/17 ER-B – n.v.) betroffen wäre, denn der Antrag ist jedenfalls unbegründet.

Der Antragsteller hat bereits keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Ein Anordnungsgrund liegt vor, wenn der Betroffene bei einem Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache Gefahr laufen würde, seine Rechte nicht mehr realisieren zu können oder gegenwärtige schwere, unzumutbare, irreparable rechtliche oder wirtschaftliche Nachteile erlitte. Die individuelle Interessenlage des Betroffenen, unter Umständen auch unter Berücksichtigung der Interessen des Antragsgegners, der Allgemeinheit oder unmittelbar betroffener Dritter muss es unzumutbar erscheinen lassen, den Betroffenen zur Durchsetzung seines Anspruchs auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen. Der Gesetzgeber hat auf eine beispielhafte Aufzählung der Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung verzichtet, denn das Gericht soll ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien eine Einzelfallentscheidung treffen (vgl. BTDrucks. 14/5943, S. 25). Damit begrenzt der Gesetzgeber den einstweiligen Rechtsschutz nicht auf die Beeinträchtigung bestimmter formaler Rechtspositionen, sondern verlangt eine wertende Betrachtung im konkreten Einzelfall. Entsprechend ist in Verfahren des Eilrechtsschutzes bezüglich der Kosten der Unterkunft auch unter Berücksichtigung der Zielsetzung des § 42a SGB XII zu prüfen, welche negativen Folgen im konkreten Einzelfall drohen (vgl. zu der § 42a Abs. 1 SGB XII entsprechenden Regelung in § 22 SGB II: Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 1. August 2017 - 1 BvR 1910/12 - juris Rdnr. 15). Relevante Nachteile können hierbei nicht nur in einer Wohnungs- beziehungsweise Obdachlosigkeit liegen. § 42a SGB XII I gibt vielmehr die Übernahme der angemessenen Bedarfe für Unterkunft und Heizung vor und dient im Zusammenwirken mit anderen Leistungen dazu, über die Verhinderung der bloßen Obdachlosigkeit hinaus das Existenzminimum sicherzustellen (vgl. BVerfGE 125, 175 (228)). Dazu gehört es, den gewählten Wohnraum in einem bestehenden sozialen Umfeld nach Möglichkeit zu erhalten (vgl. in diesem Zusammenhang Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 18/06 R - juris Rdnr. 21). Daher ist bei der Prüfung, ob ein Anordnungsgrund für den Eilrechtsschutz vorliegt, im Rahmen der wertenden Betrachtung zu berücksichtigen, welche negativen Folgen finanzieller, sozialer, gesundheitlicher oder sonstiger Art ein Verlust gerade der konkreten Wohnung für die Betroffenen hätte (BVerfG, Beschluss vom 1. August 2017 - 1 BvR 1910/12 - juris Rdnr. 16; vgl. zum Ganzen Senatsbeschluss vom 8. Juli 2019 – L 7 SO 1928/19 ER-B – n.v.).

Gemessen an diesen Maßstäben liegt ein Anordnungsgrund nicht vor. Der Antragsteller hat nicht vorgetragen noch ist sonst ersichtlich, dass ihm derzeit durch die Nichtzahlung der Mietkaution irgendein Nachteil im Mietverhältnis droht. Er hat zwar durch die Übersendung des Schreibens der Bundesagentur für Arbeit vom 3. Juni 2019 dargelegt, dass ein Betrag in Höhe von 840 Euro an diese überwiesen worden ist. Dass die Vermieterin die bereits eingezahlte Kaution hierfür herausgegeben hat, ergibt sich daraus jedoch nicht und erscheint im Rahmen eines normalen Mietverhältnisses auch wenig wahrscheinlich, zumal einem Mieter, der eine Mietsicherheit geleistet hat, (frühestens) nach Beendigung des Mietverhältnisses und Ablauf einer angemessenen Prüfungsfrist des Vermieters (BGH, Urteil vom 18. Januar 2006 – VIII ZR 71/05 – juris Rdnr. 9) ein Anspruch auf Freigabe der Sicherheit zusteht. Der Antragsteller hat zudem weder vorgetragen noch ist sonst ersichtlich, dass eine Kündigung des Mietverhältnisses droht.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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