L 7 R 3956/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 7 R 2249/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 3956/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 21. Oktober 2019 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Weitergewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab dem 1. September 2017 streitig.

Die 1969 geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Sie war zunächst als Reinigungskraft und zuletzt bis August 2015 als Produktionshelferin in einer Bäckerei versicherungspflichtig beschäftigt.

Vom 6. Oktober 2015 bis zum 17. November 2015 absolvierte sie eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme in der M-Klinik K ... Im Entlassungsbericht vom 26. November 2015 stellte der leitende Arzt Dr. C. die Diagnosen einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, einer Panikstörung (episodisch paroxysmale Angst), einer Radikulopathie im Lumbalbereich, sonstiger näher bezeichneter Bandscheibenverlagerungen sowie einer Pannikulitis in der Nackenregion.

Auf ihren weiteren Antrag auf Leistungen zur Teilhabe vom 12. August 2016 teilte ihr die Beklagte mit, die beantragten Leistungen seien derzeit nicht erfolgversprechend, da bei ihr volle Erwerbsminderung seit dem 1. Februar 2016 auf Zeit bis zum 31. August 2017 vorliege. Auf den Antrag der Klägerin vom 27. September 2016 bewilligte ihr die Beklagte mit Bescheid vom 19. Oktober 2016 Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. September 2016 bis zum 31. August 2017.

Vom 2. Mai 2017 bis zum 12. Juni 2017 absolvierte die Klägerin eine weitere stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme in der Klinik Am schönen M ... Im Entlassungsbericht vom 22. Juni 2017 stellte der leitende Arzt Dr. T. die Diagnosen einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode mit Somatisierung, einer Panikstörung, eines lumbalen Bandscheibenvorfalls sowie einer Hyperthyreose, Ellenbogenarthralgie rechts und Spannungskopfschmerz. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit in einer Bäckerei in Nachtschicht könne die Klägerin nur noch unter drei Stunden ausüben. Mittelschwere körperliche Arbeiten in wechselnder Körperhaltung ohne Nachtschicht, ständiges Bücken, Nässe- Kälte- und Zuglufteinwirkungen könne die Klägerin noch sechs Stunden und mehr arbeitstäglich verrichten.

Den Antrag auf Weiterzahlung der Rente wegen Erwerbsminderung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 6. Juli 2017 ab. Hiergegen erhob die Klägerin am 7. August 2017 Widerspruch. Die Beklagte ließ die Klägerin daraufhin gutachterlich untersuchen. Im Gutachten vom 1. März 2018 stellte die Nervenärztin Dr. A. die Diagnosen einer Dysthymie sowie einer Panikstörung. Die rezidivierende depressive Störung sei zwischenzeitlich auf ein leichtes Niveau im Sinne einer chronifizierten depressiven Störung in Sinne einer Dysthymie remittiert. Die Kläger könne noch leichte bis mittelschwere Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen vollschichtig verrichten. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Vom 10. Juli 2018 bis zum 17. August 2018 befand sich die Klägerin in teilstationärer Behandlung in der Tagesklinik B ... Im Arztbrief vom 17. August 2018 nannte Fachärztin für Psychiatrie/Psychotherapie Dr. J. die Diagnosen rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) und Hypothyreose, nicht näher bezeichnet. Aufgrund der dortigen Beobachtungen in der Tagesklinik und der Mitarbeit in der WfbM W. werde die Klägerin grundsätzlich für arbeitsfähig gehalten, wegen der langen Krankheitszeit sei jedoch ein langsamer Einstieg in das Arbeitsleben notwendig.

Am 23. Juli 2018 hat die Klägerin gegen die ablehnenden Bescheide Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Eine Besserung ihres Gesundheitszustands sei gegenüber dem Zustand bei Gewährung der befristeten Rente nicht eingetreten. Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen gehört. Die Ärztin D. hat unter dem 13. September 2018 unter Angabe der Diagnosen Panikattacken, Angststörung, Hypothyreose, rezidivierende depressive Störungen und posttraumatische Belastungsstörungen die Auffassung vertreten, seit Februar 2018 sei keine wesentliche Veränderung im Gesundheitszustand der Klägerin eingetreten. Die Klägerin könne auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur unter sechs Stunden arbeiten. Die Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. A. hat unter dem 7. Oktober 2018 die Diagnosen rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode und Panikneurose mitgeteilt. Seit Februar 2018 habe im ambulanten Setting keine Veränderung gesehen werden. Allerdings sei eine tagesklinische, psychiatrische Behandlung erfolgt, durch welche die Klägerin in teilstationärem Rahmen habe deutlich profitieren können. Die Klägerin könne noch leichte Tätigkeiten ohne Nachtschicht oder Akkordarbeit noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten.

Das SG hat sodann auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein nervenärztliches Gutachten bei Dr. A. eingeholt. Diese hat im Gutachten vom 29. Mai 2019 ausgeführt, letztlich stelle sich der psychische Zustand unverändert dar im Vergleich zur Vorbegutachtung durch sie im Februar 2018. Im Vergleich zu damals sei eher eine gewisse Stabilisierung eingetreten.

Die Klägerin hat weiter das Ärztliche Gutachten der Ärztin im Gesundheitsamt K. vom 20. März 2019 vorgelegt, auf das Bezug genommen wird.

Mit Gerichtsbescheid vom 21. Oktober 2019 hat das SG die Klage abgewiesen. Entsprechend dem Vortrag der Klägerin stünden weiterhin ihre psychischen Erkrankungen im Vordergrund. Trotz PTBS, Dysthymie und Panikstörung sei die Klägerin aber nicht gehindert, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine leichte Tätigkeit zu verrichten. Ungeachtet der Tatsache, dass selbst die behandelnde Fachärztin Dr. A. in der sachverständigen Zeugenauskunft vom 7. Oktober 2018 ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen der Klägerin beschrieben hatte, entspreche diese Leistungseinschätzung der Auffassung der behandelnden Ärzte einer mehrwöchigen stationären Heilbehandlung im Sommer 2017. Die gleiche Auffassung vertrete Dr. A. ihm ihrem Gutachten vom Februar 2018. Nach einer detaillierten ambulanten Untersuchung habe sie einen unauffälligen Allgemein- und leicht übergewichtigen Ernährungszustand, ein unauffälliges Gangbild und eine gute Entfaltung der Lendenwirbelsäule bei möglichem Zehen- und Fersenstand beschrieben. Der neurologische Untersuchungsbefund habe sich ebenfalls unauffällig gezeigt und die Zusatzdiagnostik (EEG, Tibialis-SEP und Medianus-SEP) habe keine pathologischen Befunde ergeben. In psychopathologischer Hinsicht habe Dr. A. die Klägerin als wach und orientiert bei ungestörtem formalem und inhaltlichem Denkvermögen beschrieben. Wahrnehmungsstörungen seien nicht ersichtlich und die Stimmungslage je nach Gesprächsinhalt wechselnd mit zeitweise eingeschränkter Affektlabilität gewesen. Dr. A. habe insbesondere auf die positiven Ressourcen der Klägerin hingewiesen wie den guten Kontakt zu Geschwistern, Nachbarn, Kindern und Enkelkindern, die überwiegend selbständige Versorgung des Haushalts und regelmäßige Spaziergänge. Die Klägerin gehe allein zum Einkaufen, besuche ihre zwei Kilometer entfernt lebende Tochter zu Fuß und reise allein mit dem Bus zu einer schwerkranken Schwester nach Frankfurt. Die kognitiven Funktionen zeigten sich ungestört, und auch Störungen von Aufmerksamkeit, Konzentration, Merkfähigkeit und Gedächtnisleistungen seien nicht erkennbar. Letztlich habe Dr. A. teilweise ein nicht authentisches Verhalten im Sinne von Simulationstendenzen festgestellt. Maßgebend sei jedoch, dass sich die rezidivierende depressive Störung zwischenzeitlich auf ein leichtes Niveau im Sinne einer chronifizierten depressiven Störung (Dysthymie) remittiert habe. Dr. A. habe weiter ausgeführt, dass die Klägerin aufgrund ihrer fachpsychiatrischen Behandlung mit einer türkischsprechenden Psychiaterin und der Einnahme von Depressiva eine gewisse Besserung erzielt habe. Die von der Klägerin geschilderten Panikattacken habe Dr. A. als nicht ganz nachvollziehbar bewertet. Zusammenfassend habe Dr. A. somit in überzeugender Weise der Klägerin ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten beschrieben. Auch das von Dr. A. am 29. Mai 2019 eingeholte Gutachten habe keine neuen Erkenntnisse erbracht. Die Sachverständige habe bei im Wesentlichen gleichen Befunden ein unverändertes Leistungsvermögen der Klägerin von mindestens sechs Stunden täglich festgestellt. Die Beurteilung durch die Ärztin K. im Gutachten vom 20. März 2019 sei angesichts der sonst vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht nachvollziehbar. Die qualitativ zu beachtenden Leistungseinschränkungen (Vermeidung von Schicht- und Nachtarbeit sowie Arbeiten mit besonderen Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit) stellten weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen dar noch liege eine schwere spezifische Leistungseinschränkung vor, so dass auch im Hinblick auf die diesbezügliche Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) der Versicherungsfall der vollen Erwerbsminderung nicht zu begründen sei. Die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung aufgrund von Berufsunfähigkeit scheide bei der 1969 geborenen Klägerin bereits nach der Stichtagsregel gem. § 240 Abs. 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) aus.

Gegen den am 25. Oktober 2019 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 21. November 2019 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Stuttgart eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das SG habe sich einseitig auf die Ausführungen von Dr. A. gestützt, die Expertisen der Hausärztin sowie das Gutachten der Ärztin K. dagegen nicht berücksichtigt. Das SG sei auch nicht auf die schwierigen sozialen Verhältnisse der Klägerin eingegangen. Zudem sei die "Summierungsrechtsprechung" des BSG nur sehr oberflächlich gestreift worden. Trotz des kumulativen Vorliegens mehrerer ungewöhnlicher Leistungsbehinderungen sei keine Verweisungstätigkeit angeboten worden.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 21. Oktober 2019 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Aufhebung des Bescheids vom 6. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Juni 2018 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, höchsthilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab dem 1. September 2017 zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Ab dem 30. März 2020 hat sich die Klägerin bis auf Weiteres in stationärer Behandlung im Zentrum für Psychiatrie (ZfP) B. befunden (Bescheinigung vom 31. März 2020).

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 SGG.

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG), da die Klägerin Leistungen für mehr als ein Jahr begehrt.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 6. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Juni 2018 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab dem 1. September 2017 abgelehnt hat. Dagegen wendet sich die Klägerin statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 und 4, 56 SGG), mit der sie die Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bzw. wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit geltend macht. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit steht ihr schon deshalb nicht zu, weil diese Rente nur an Versicherte gewährt werden kann, die vor dem 2. Januar 1961 geboren sind (§ 240 Abs. 1 Nr. 1 SGBVI), die Klägerin jedoch im Jahr 1969 geboren ist.

Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung (Gesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind auch Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt (§ 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI). Versicherte haben nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn neben den oben genannten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen eine teilweise Erwerbsminderung vorliegt. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Die Klägerin hat die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs.1 Satz 1 Nr. 2, § 51 Abs. 1 SGB VI) sowie die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs.1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 SGB VI) erfüllt. Zur Überzeugung des Senats ist die Klägerin jedoch nicht erwerbsgemindert.

Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid unter Auswertung und Würdigung der medizinischen Unterlagen dargelegt, mit welchen qualitativen Einschränkungen die Klägerin noch in der Lage ist, eine Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden arbeitstäglich auszuüben. Der Senat nimmt hierauf Bezug und sieht gem. § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Ergänzend ist zu dem Vortrag der Klägerin im Berufungsverfahren auszuführen, dass sich eine andere Leistungsbeurteilung nicht aus der sachverständigen Zeugenaussage der behandelnden Ärztin D. und dem Gutachten der Ärztin beim Gesundheitsamt K. ergibt.

Die Ärztin D. hat lediglich Diagnosen genannt, ohne weitergehende Befunde mitzuteilen. Sie hat darauf hingewiesen, dass die fachärztliche Behandlung nicht durch sie, sondern durch Dr. A. und in der Tagesklinik B. erfolgt, die übereinstimmend noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen für gegeben erachtet haben. Der Senat folgt insoweit den fachärztlichen Beurteilungen.

Eine andere Beurteilung folgt auch nicht aus dem Ärztlichen Gutachten der Ärztin im Gesundheitsamt K. vom 27. Februar 2019, das im Wege des Urkundenbeweises zu verwerten ist. Das Gutachten enthält keine Anamnese und keine Befunde. Soweit in der Sozialmedizinischen Beurteilung ausgeführt wird, die Wohnverhältnisse der Klägerin seien familiär bedingt sehr gesundheitsbeeinträchtigend, ist zum einen zu berücksichtigen, dass die Klägerin trotz dieser Wohnverhältnisse über Jahre in der Lage war, eine Tätigkeit auszuüben. Auch hat Dr. A. im Gutachten vom 29. Mai 2019 aufgrund einer gutachterlichen Untersuchung der Klägerin am 14. Mai 2019 und damit zeitnah zum Gutachten der Ärztin K. die anamnestischen Angaben der Klägerin dahingehend wiedergegeben, es bestehe ein sehr guter Kontakt zur Nachbarin, ihre ehemaligen Schwiegereltern wohnten zwar auch im Haus, seien aber monatelang immer wieder in der Türkei, jetzt seit einem Jahr. Sie kämen demnächst wieder, das sei dann ein bisschen mehr Stress. Die beiden Schwager im Haus ließen sie in Ruhe. Dr. A. hat dies dahingehend gewürdigt, dass die Klägerin zwar Gewalt in ihrer Ehe und nach der Scheidung Repressalien von ihren Schwiegereltern und Gewalt von ihrem Schwager erfahren habe. Zwischenzeitlich lebten die Schwiegereltern überwiegend in der Türkei, die Übergriffe des Schwagers hätten vor über drei Jahren aufgehört. Dr. A. hat auch auf die Diskrepanz hingewiesen, dass die Symptomatik eher bei der Klägerin zuhause aufzutreten scheine, was möglicherweise an den belasteten Wohnverhältnissen liege, welche die Klägerin aber nach wie vor nicht ändern wolle. Dies alles spricht gegen eine zeitliche Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens der Klägerin, die bei Ausübung einer Berufstätigkeit Distanz zu den häuslichen Verhältnissen hätte.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass sich die Klägerin seit dem 30. März 2020 in stationärer Behandlung im ZfP B. befindet. In der dortigen Bescheinigung, die nicht von einem Arzt ausgestellt worden ist, werden keine Diagnosen und keine Gründe für die stationäre Aufnahme genannt. Der Bescheinigung können keine Anhaltspunkte entnommen werden, dass bei der Klägerin eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes eingetreten ist, die ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen auf absehbare Zeit, d.h. für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten (BSG, Urteil vom 23. März 1977 - 4 RJ 49/76 - SozR 2200 § 1247 Nr. 16 - juris), bedingen.

Der Klägerin war auch nicht eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen. Denn die gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin sind weder in ihrer Art noch in ihrer Summe geeignet, die Gefahr der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes zu begründen. Im Regelfall kann davon ausgegangen werden, dass ein Versicherter, der nach seinem verbliebenen Restleistungsvermögen noch körperlich leichte Tätigkeiten (wenn auch mit qualitativen Einschränkungen) in wechselnder Körperhaltung mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter den üblichen Bedingungen erwerbstätig sein kann. Denn dem Versicherten ist es mit diesem Leistungsvermögen in der Regel möglich, diejenigen Verrichtungen auszuführen, die in ungelernten Tätigkeiten in der Regel gefordert werden, wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw. (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. z.B. Urteile vom 19. Oktober 2011 - B 13 R 79/09 R - BSGE 109, 189 - und 9. Mai 2012 - B 5 R 68/11 R - juris Rdnr. 26 ff.). In der Rechtsprechung des BSG werden hierbei als Fallgruppen Einschränkungen genannt aufgrund schwerer spezifischer Leistungsbehinderung wie z. B. Einarmigkeit bei gleichzeitiger Einäugigkeit (SozR 2200 § 1246 Nr. 30), der Notwendigkeit von zwei zusätzlich erforderlichen Arbeitspausen von je 15 Minuten (SozR 2200 § 1246 Nr. 136) oder von drei zusätzlich erforderlichen Arbeitspausen von zehn Minuten je Arbeitstag (BSG, Urteil vom 20. August 1997 - 13 RJ 39/96 -), Einschränkungen bei Arm- und Handbewegungen, Erforderlichkeit eines halbstündigen Wechsels vom Sitzen zum Gehen (SozR 3-2200 § 1247 Nr. 8) oder Einschränkungen aufgrund regelmäßig einmal in der Woche auftretender Fieberschübe (SozR 3-2200 § 1247 Nr. 14). Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist dagegen insbesondere nicht erforderlich im Falle des Ausschlusses von Tätigkeiten, die überwiegendes Stehen oder ständiges Sitzen erfordern, in Nässe oder Kälte oder mit häufigem Bücken zu leisten sind, besondere Fingerfertigkeiten erfordern oder mit besonderen Unfallgefahren verbunden sind, bei Ausschluss von Arbeiten im Akkord, im Schichtdienst, an laufenden Maschinen, bei Ausschluss von Tätigkeiten, die besondere Anforderungen an das Seh-, Hör- oder Konzentrationsvermögen stellen, sowie bei Ausschluss von Tätigkeiten, die häufiges Bücken erfordern (vgl. zu allem BSG Großer Senat SozR 3–2600 § 44 Nr. 8 m.w.N.; zur Weitergeltung dieser Kriterien auch unter dem aktuellen Recht der gesetzlichen Rentenversicherung vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 2019 – B 13 R 7/18 R - juris Rdnrn. 22ff.; vgl. weiter Senatsurteil vom 23. April 2011 - L 7 R 5711/11 -). Der Senat ist der Überzeugung, dass das Restleistungsvermögen der Klägerin es ihr erlaubt, die oben genannten Verrichtungen oder Tätigkeiten, die in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden, auszuüben. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass sie über die für die Ausübung einer ungelernten Tätigkeit allgemein vorausgesetzten Mindestanforderungen an Stressverträglichkeit und Frustrationstoleranz nicht verfügt (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 - B 13 R 78/09 R - BSGE 109, 189 - juris Rdnr. 29). Das BSG hat zudem explizit entschieden, dass der "nicht auf einer gesundheitlichen Störung beruhende Analphabetismus" keine schwere spezifische Leistungsbehinderung darstellt (BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 – B 5 R 68/11 R – juris Rdnr. 28). Die Klägerin kann deshalb auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden. Auch eine Einschränkung der Wegefähigkeit ist nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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