L 7 SO 290/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SO 2977/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 290/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 20. Dezember 2017 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten steht die Gewährung höherer Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung für die Zeit vom 1. Juni 2014 bis 31. Mai 2015 im Streit.

Die in 1968 geborene Klägerin ist voll erwerbsgemindert und bezieht seit Juni 2011 von dem Beklagten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften B. SozialgesetzB. (SGB XII). Mit Bescheid vom 12. Mai 2014 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 9. Oktober 2014, vom 4. Dezember 2014 und vom 17. Dezember 2014 bewilligte ihr der Beklagte Leistungen nach dem SGB XII für die Zeit vom 1. Juni 2014 bis 31. Mai 2015.

Am 11. Februar 2015 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten unter Vorlage eines Attestes des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. von S. die Gewährung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs. Zur Begründung gab sie an, sie leide unter einer Fibromyalgie, weshalb sie einer besonderen Ernährung bedürfe. Sie müsse aufgrund der Erkrankung Histamin bildende und Histamin enthaltende Nahrung ebenso wie Lactose, Produkte aus Weizen, Hefe, Zucker, tierische Eiweiße und citronensäurehaltige Produkte vermeiden. Auf diese Stoffe reagiere sie mit einer Verschlechterung der Erkrankung und Schmerzattacken in den Organen, Muskeln, Knochen und Augen. Dazu kämen Atemwegsprobleme, Nackenverspannungen und Bewegungseinschränkungen. Um weiteren gesundheitlichen Schaden von ihr abzuwenden, bitte sie daher um Erhöhung ihres Regelsatzes um 20 %.

Der Beklagte holte daraufhin eine Stellungnahme des Gesundheitsamtes ein, welches mitteilte, dass es sich bei der Fibromyalgie um eine Erkrankung handele, die nach dem allgemein anerkannten Stand der Humanmedizin keiner spezifischen Diätform sondern einer sog. Vollkost bedürfe. Ein Mehrbedarf sei daher zu verneinen.

Mit Bescheid vom 27. März 2015 lehnte der Beklagte den Antrag auf ernährungsbedingten Mehrbedarf unter Bezug auf die Stellungnahme des Gesundheitsamtes ab.

Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrem der E-Mail vom 13. April 2015 angehängten Widerspruchsschreiben, welches der Beklagte ausgedruckt hat. Das Original des Schreibens mit ihrer handschriftlichen Unterschrift hatte die Klägerin zuvor eingescannt. Zur Begründung führte sie an, dass sie neben der Fibromyalgie bereits seit drei Jahren auch unter einer Fructoseintoleranz leide und allein 39 Euro monatlich für die notwendigen Oligosaccharide aufbringen müsse, damit sie Gemüse, Getreide und Früchte schmerzfrei verdauen könne. Nehme sie diese nicht ein, verändere sich die Darmschleimhaut mit Folgen für das Immunsystem. Sie legte zudem Befundberichte des Internisten Dr. K. vom 18. Mai 2015, des Facharztes für Pathologie Dr. K. vom 19. Mai 2015 und vom 20. Mai 2015 sowie des Facharztes für Pathologie Dr. O. vom 20. Mai 2015 vor. Darüber hinaus legte sie das Attest der Ärztin für Allgemeinmedizin von L. vor, wonach bei ihr eine Fructoseintoleranz, eine Gastritis sowie ein akuter Reizdarm bestehe und eine fructosefreie Kost erforderlich sei.

Der Beklagte ließ die medizinischen Unterlagen durch das Gesundheitsamt auswerten. Entsprechend der Stellungnahme der Fachärztin für Innere Medizin Dr. M. vom 25. August 2015 lehnte er mit Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2015 den Widerspruch gegen den Bescheid vom 27. März 2015 ab und führte zur Begründung an, nach den aktuell geltenden wissenschaftlichen Empfehlungen werde weder bei der Fibromyalgie, der Gastritis oder bei einem akuten Reizdarm die Empfehlung eines Mehrbedarfs ausgesprochen. Für die Fructoseintoleranz werde eine fructosearme Vollkost unter Vermeidung von Obst, welches im Verhältnis mehr Fructose als Glucose enthalte, empfohlen. Ein Mehrbedarf lasse sich hieraus nicht ableiten.

Am 13. November 2015 hat die Klägerin hiergegen Klage bei dem Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Sie leide unter multiplen Erkrankungen, die die Gewährung eines Mehrbedarfs begründeten. Soweit sich der Beklagte allein auf die Empfehlung des Deutschen Vereins zur Gewährung einer Krankenkostzulage stütze, sei dies rechtlich unzulässig, da es sich hierbei lediglich um eine Orientierungshilfe handele, der keinerlei Rechtsnormqualität zukomme. Die Klägerin benötige neben der besonderen Ernährung eine Vielzahl von Nahrungsmittelergänzungen sowie biologisch hergestellte glutenfreie bzw. glutenarme Nahrungsmittel ohne Fructose und zudem erkrankungsgerechte Kosmetika und Waschmittel.

Das SG hat zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen. Auf die sachverständige Zeugenauskunft des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. von S. vom 12. Mai 2016 (Bl. 57 ff. der SG-Akte), des Internisten Dr. K. vom 16. Mai 2016 (Bl. 73 ff. der SG-Akte), der Ärztin für Allgemeinmedizin von L. vom 19. Mai 2016 (Bl. 77 ff. der SG-Akte), des Arztes für Allgemeinmedizin B. vom 12. Juni 2016 (Bl. 91 ff. der SG-Akte), der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. R. vom 23. Juni 2016 (Bl. 101 der SG-Akte) sowie des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. R. vom 2. Juli 2016 (Bl. 102 ff. der SG-Akte) wird Bezug genommen.

Mit Gerichtsbescheid vom 20. Dezember 2017 hat das SG die Klage abgewiesen. Nach der erfolgten Beweiserhebung sei das Gericht davon überzeugt, dass die Klägerin keiner von einer Vollkost abweichenden Ernährung bedürfe. Es sei bereits nicht vorgetragen und belegt, dass sich die Klägerin mit anderen Lebensmitteln ernähre als solchen, die in einer normalen Vollkost enthalten seien. Aus der Fibromyalgie und der multiplen Chemikalienunverträglichkeit ergebe sich schon kein besonderes Ernährungserfordernis. Weitere Unverträglichkeiten als die Fructosemalabsorption seien bei der Klägerin nicht sicher festgestellt worden, die Histaminunverträglichkeit lasse sich nicht nachweisen. Es sei daher zwar eine fructosearme Vollkost einzuhalten, dies rechtfertige jedoch nicht die Gewährung eines Mehrbedarfs. Darüber hinaus bestehe auch kein Anspruch auf die Übernahme von Kosten für Nahrungsergänzungsmittel.

Gegen den ihr am 22. Dezember 2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 20. Januar 2018 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben. Die Entscheidung des SG begegne durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Soweit es meine, die Klägerin habe die Ernährung mit anderen als in der Vollkost enthaltenen Lebensmitteln durch Vorlage von Kassenzetteln nachweisen müssen, überspanne es die Anforderungen an die Darlegungslast. Das SG gehe zudem fälschlich davon aus, dass bei der Klägerin weder eine Histaminintoleranz noch eine Lactoseintoleranz vorliege, das Gegenteil sei jedoch der Fall, was sich aus den Ausführungen des Dr. K. vom 16. Mai 2016 sowie des Arztes B. vom 12. Juni 2016 ergebe. Darüber hinaus leide die Klägerin auch an einer Glutenunverträglichkeit, was bereits erstinstanzlich dargelegt und unter Beweis gestellt worden sei, ohne dass das SG diesem Beweisantrag entsprochen und weiter ermittelt habe. Das SG führe weiter unzutreffend aus, dass es wegen der unstreitig diagnostizierten Fructoseintoleranz im Lichte der ärztlichen Stellungnahmen keiner abweichenden Ernährung bedürfe. Dies entspreche jedoch weder den Ausführungen des Dr. R. vom 23. Juni 2016, der festgestellt habe, dass die Klägerin deswegen Nahrungsergänzungsmittel einnehmen müsse, noch den Ausführungen des Dr. R. vom 2. Juli 2016, der die Notwendigkeit einer "angepassten Ernährung" darstelle. Der Feststellung der Ärztin von L. vom 19. Mai 2016, wonach die Klägerin an einem Reizdarm leide, habe das SG keine Beachtung geschenkt, obgleich auch diese Erkrankung einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfe. Bezüglich der erforderlichen Nahrungsergänzungsmittel habe die Klägerin – anders als vom SG dargestellt – ausgeführt, welche Mittel sie einnehmen müsse und welche Kosten hierfür anfielen. Hinsichtlich der Fructoseintoleranz ergebe sich dies zudem aus der Stellungnahme des Dr. R. vom 23. Juni 2016. Die im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens eingeholten ärztlichen Auskünfte seien äußerst divergent. Das SG picke sich aus diesen Feststellungen dasjenige heraus, was es für seine Klageabweisung benötige. Im Lichte der Divergenz hätte es jedoch ein ernährungswissenschaftliches Sachverständigengutachten einholen müssen. Jedenfalls habe sich das SG nicht vorrangig auf die Ausführungen des Dr. von S. stützen dürfen, nachdem diese tendenziös seien. Es sei ihm auch verwehrt gewesen, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Vor diesem Hintergrund werde die gegenständliche Entscheidung des SG jedenfalls aufzuheben und die Sache dorthin zurückzuverweisen sein.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgericht Konstanz vom 20. Dezember 2017 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 27. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2015 zu verurteilen, der Klägerin unter Abänderung der Bescheide vom 12. Mai 2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 9. Oktober 2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 4. Dezember 2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 17. Dezember 2014 für die Zeit vom 1. Juni 2014 bis 31. Mai 2015 höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII unter Berücksichtigung des Mehrbedarfes wegen kostenaufwändiger Ernährung und des abweichenden individuellen Bedarfs in Höhe von 20 % des jeweils geltenden Regelsatzes zu gewähren

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das SG habe insgesamt sechs die Klägerin behandelnde Ärzte als sachverständige Zeugen schriftlich vernommen und die Zeugenauskünfte in seiner Entscheidung umfassend gewürdigt. Aus den Stellungnahmen ergebe sich nicht, dass die Klägerin sich anders ernähren müsse, als dies nach den Mehrbedarfsempfehlungen bei Fructosemalabsorption im Normalfall üblich sei. Weitere Unverträglichkeiten seien nicht sicher festgestellt worden. Vor diesem Hintergrund sei die Forderung nach Einholung weiterer medizinischer oder ernährungswissenschaftlicher Sachverständigengutachten nicht nachvollziehbar.

In der mündlichen Verhandlung am 9. Juli 2020 hat die Klägerin angegeben, sie leide unter einer Stoffwechselerkrankung (Hämatopyrrollaktamurie (HPU)), die es erforderlich mache, dass sie Nahrungsergänzungsmittel einnehme.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten, die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

1. Die Berufung der Klägerin ist unter Beachtung der Form- und Fristvorschriften des § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegt worden und insbesondere statthaft (§ 143 SGG), weil die Klägerin Geldleistungen in Höhe von 20 % des jeweiligen Regelbedarfs für die Zeit vom 1. Juni 2014 bis 31. Mai 2015 begehrt und damit die nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG erforderliche Berufungssumme von mehr als 750 Euro erreicht wird.

2. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 27. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2015 (vgl. § 95 SGG), mit welchem der Beklagte die Abänderung des Bescheides vom 12. Mai 2014 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 9. Oktober 2014, vom 4. Dezember 2014 sowie vom 17. Dezember 2014 und die Gewährung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs für die Zeit vom 1. Juni 2014 bis 31. Mai 2015 abgelehnt hat. Die Klägerin hat dabei den Streitgegenstand mit ihrem Antrag (§ 123 SGG) zulässigerweise auf die Frage begrenzt, ob ihr ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung zusteht. Bei dem Streit um den Mehrbedarf handelt es sich um einen von den anderen Leistungen der Sozialhilfe abtrennbaren Streitgegenstand (ständige Rechtsprechung; vgl. etwa Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 26. August 2008 – B 8/9b SO 10/06 R – juris Rdnr. 14; BSG, Urteil vom 19. Mai 2009 – B 8 SO 8/08 R – juris Rdnr. 13; BSG, Urteil vom 10. November 2011 – B 8 SO 12/10 R – juris Rdnr. 11). Die Klägerin macht die begehrten Leistungen zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage geltend.

Diese ist auch zulässig. Der Senat kann dabei offenlassen, ob der Widerspruch formwirksam eingelegt worden ist (vgl. zum Schriftformerfordernis des § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG z.B. Sächsisches LSG, Beschluss vom 26. Juni 2012 - L 7 AS 205/11 B ER - juris Rdnrn. 19 ff. m.w.N.), denn der Beklagte hat jedenfalls über den mittels E-Mail eingelegten Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2015 sachlich entschieden (vgl. zur Hinwegsetzungskompetenz der Widerspruchsbehörde bei Fristversäumnis BSG, Urteil vom 12. Oktober 1979 – 12 RK 19/78 – juris Rdnr. 20 ff.; BSG, Urteil vom 3. März 1994 – 1 RK 17/93 – juris Rdnr. 13; für die Übertragung dieser Rspr. auch auf Formverletzungen Köhler in WzS 2016, 244-254 (253); Schmidt in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 13. Auflage 2020, § 84 Rdnr. 7; a.A. Binder in Lüdtke u.a., SGG, 5. Auflage 2017, § 84 Rdnr. 5).

Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Anerkennung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung für den Zeitraum 1. Juni 2014 bis 31. Mai 2015.

Wie das SG zutreffend dargelegt hat, ist verfahrensrechtliche Grundlage für das Begehren der Klägerin § 44 Zehntes B. SozialgesetzB. (SGB X). Da die Mehrbedarfe nach § 30 SGB XII Teil des monatlichen Gesamtbedarfs (vgl. § 43 Abs. 1 SGB XII) und nicht gesondert zu beantragen (vgl. § 44 Abs. 1 SGB XII) sind, ist die Entscheidung des Beklagten vom 27. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 28. Oktober 2015 nur dahingehend zu verstehen, dass er eine Änderung des erlassenen Bewilligungsbescheides vom 12. Mai 2014 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 9. Oktober 2014, vom 4. Dezember 2014 und vom 17. Dezember 2014 hinsichtlich der Berücksichtigung des Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X geprüft und abgelehnt hat. Von dem Bescheid vom 27. März 2015 ist damit der sich aus dem Bewilligungsbescheid vom 12. Mai 2014 ergebende Bewilligungszeitraum vom 1. Juni 2014 bis 31. Mai 2015 umfasst. Anhaltspunkte dafür, dass der angefochtene Bescheid vom 27. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2015 dauerhafte Geltung über den genannten Bewilligungszeitraum hinaus beansprucht, liegen nicht vor. Zwar nimmt dieser weder auf die überprüften Bescheide noch auf einen bestimmten Bewilligungszeitraum Bezug. Dies lässt aus der Sicht eines verständigen Empfängers (vgl. hierzu etwa BSG, Urteil vom 12. Dezember 2001 – B 6 KA 3/01 R – juris Rdnr. 36) jedoch nicht den Schluss zu, der Beklagte habe abschließend, mithin nicht nur für den vorgenannten Bewilligungszeitraum, sondern für eine unbestimmte Zukunft über einen vom Kläger geltend gemachten höheren Bedarf (im Sinne eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs) entscheiden wollen (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 24. Februar 2011 – B 14 AS 49/10 R – juris Rdnr. 14; Senatsurteil vom 23. Februar 2017 – L 7 SO 4789/14 – www.sozialgerichtsbarkeit.de). Die Bescheide über Folgezeiträume (vgl. z.B. den Bewilligungsbescheid vom 8. Mai 1015) sind nicht über § 96 SGG in das Verfahren einzubeziehen (ständige Rechtsprechung; vgl. BSG, Urteil vom 25. August 2011 – B 8 SO 19/10 R – juris Rdnr. 9).

Die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung umfassen gemäß § 42 SGB XII u.a. auch den hier streitigen Mehrbedarf nach § 30 Abs. 5 SGB XII. Nach § 30 Abs. 5 SGB XII wird für Kranke, Genesende, behinderte Menschen oder von einer Krankheit oder von einer Behinderung bedrohte Menschen, die einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt. Nach der Parallelvorschrift im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten B. SozialgesetzB. (SGB II) wird bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt (§ 21 Abs. 5 SGB II). Damit wird zwar der Kreis der Anspruchsberechtigten in § 21 Abs. 5 SGB II und § 30 Abs. 5 SGB XII jeweils anders definiert, jedoch bestehen zwischen den beiden Normen keine inhaltlichen Unterschiede. Die Vorschriften sind gleich auszulegen (BSG, Urteil vom 10. Mai 2011 – B 4 AS 100/10 R – juris Rdnr. 18 ff.; Urteil vom 9. Juni 2011 – B 8 SO 11/10 R – juris Rdnr. 24). Voraussetzung für den Rechtsanspruch auf einen Mehrbedarf ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die eine besondere Ernährung erforderlich macht, deren Kosten höher sind als dies für Personen ohne eine solche Einschränkung der Fall ist (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. bspw. Urteil vom 14. Februar 2013 – B 14 AS 48/12 R – juris Rdnr. 12; BSG, Urteil vom 20. Februar 2014 – B 14 AS 65/12 R – juris Rdnr. 13 jeweils m.w.N.). Es muss ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer bestehenden oder einer drohenden Erkrankung oder Behinderung und der Notwendigkeit einer besonderen Ernährung vorliegen und diese besondere "Krankenkost" muss gegenüber der in der Bevölkerung üblichen, im Regelfall zum Ausdruck kommenden Ernährung kostenaufwändiger sein (BSG, Urteil vom 14. Februar 2013 - B 14 AS 48/12 R – juris Rdnr. 12). Der Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung aus medizinischen Gründen soll helfen, im Hinblick auf die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums eine Ernährung zu finanzieren, mit der der Verlauf einer (bestehenden) gesundheitlichen Beeinträchtigung durch Abmilderung von deren Folgen, Verhinderung oder Hinauszögern einer Verschlechterung oder deren (drohenden) Eintretens beeinflusst werden kann (BSG, Urteil vom 20. Februar 2014 – B 14 AS 65/12 R – juris Rdnr. 15). Dabei ist zu beachten, dass § 30 Abs. 5 SGB XII lediglich den Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung erfasst. Der notwendige Bedarf für Ernährung wird als ein Teil der Regelleistung bzw. des Regelbedarfs typisierend zuerkannt, wobei von der Deckung der laufenden Kosten eines typischen Leistungsberechtigten im Rahmen eines soziokulturellen Existenzminimums für eine ausreichend ausgewogene Ernährung im Sinne einer ausreichenden Zufuhr von Proteinen, Fetten, Kohlenhydraten, Mineralstoffen und Vitaminen ausgegangen wird (BSG, Urteil vom 20. Februar 2014 – B 14 AS 65/12 R – juris Rdnr. 13). Damit gilt im Ergebnis eine Vollkosternährung als vom Regelbedarf gedeckt, weil es sich hierbei um eine ausgewogene Ernährungsweise handelt, die auf das Leitbild des gesunden Menschen Bezug nimmt (statt vieler BSG, Urteil vom 10. Mai 2011 – B 4 AS 100/10 R – juris Rdnr. 24). Daher besteht eine kostenaufwändige Ernährung im Sinne des § 30 Abs. 5 SGB XII mithin nur bei einer aus medizinischen Gründen erforderlichen besonderen, von der Vollkost abweichenden Ernährungsform. Entscheidend ist der Bedarf im Einzelfall (vgl. BSG, Urteil vom 9. Juni 2011 – B 8 SO 11/10 R – juris Rdnr. 24). Als Orientierungshilfe können die Mehrbedarfsempfehlungen des Deutschen Vereins, bei denen es sich nicht um antizipierte Sachverständigengutachten handelt, herangezogen werden (vgl. dazu BSG, Urteil vom 14. Februar 2013 – B 14 AS 48/12 R – juris Rdnr. 16; Senatsurteil vom 1. Oktober 2015 - L 7 SO 118/14 - juris Rdnr. 62). Zunächst ist zu überprüfen, welches besondere Ernährungsbedürfnis ernährungsmedizinisch, d.h. durch die Erkrankung, begründet ist; erst wenn feststeht, welches medizinisch begründete Ernährungsbedürfnis im Einzelfall besteht, kommt es darauf an, ob hierdurch auch höhere Kosten entstehen (BSG, Urteil vom 14. Februar 2013 – B 14 AS 48/12 R – Rdnr. 15).

Nach Anwendung dieser Maßstäbe konnte der Senat nicht feststellen, dass bei der Klägerin ein Anspruch auf die Anerkennung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung aus medizinischen Gründen besteht. Das SG hat in dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 20. Dezember 2017 unter der Darlegung der maßglichen Rechtsvorschriften sowie der festgestellten tatsächlichen Verhältnisse zutreffend entschieden, dass bei der Klägerin weitere Unverträglichkeiten als die Fructoseintoleranz nicht nachgewiesen werden konnten und die Fructoseintoleranz keine von einer Vollkost abweichende Ernährung und auch keinen erhöhten Kostenaufwand bedingt. Der Senat sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung der Klägerin insofern aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).

Lediglich ergänzend ist folgendes auszuführen:

Die Rüge der Klägerin, das SG habe zu Unrecht die Vorlage von Kassenzetteln verlangt, geht ins Leere, da dies für die Entscheidung des SG nicht entscheidungserheblich war. Das SG hat vielmehr entscheidend darauf abgestellt, dass die Notwendigkeit einer kostenaufwändigeren Ernährung aufgrund der eingeholten ärztlichen Äußerungen nicht bewiesen ist. Abgesehen davon ist das SG aber zu Recht davon ausgegangen, dass ein Leistungsempfänger, der einen Anspruch auf abweichende Regelsatzfestsetzung nach § 27a Abs. 4 SGB XII geltend macht, entsprechende Ausgaben zu belegen hat (vgl. Senatsurteil vom 23. Februar 2017 – L 7 SO 4789/14 – n.v.).

Der Senat kann – wie auch das SG – nicht feststellen, dass neben der Fructoseintoleranz weitere Erkrankungen vorliegen, die eine besondere Krankenkost bei der Klägerin erforderlich machen. Die Klägerin behauptet insoweit zu Unrecht, Dr. K. habe in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 16. Mai 2016 angegeben, eine Histaminintoleranz sei "wahrscheinlich". Das Gegenteil ist richtig: Dr. K. hat ausgeführt, es bestehe "ein geringe[r] Verdacht auf eine so genannte Histaminintoleranz" und nach dem serologischen Ergebnis liege "eine geringe Wahrscheinlichkeit" einer Histaminintoleranz vor; dies bedeutet, dass es gerade nicht wahrscheinlich ist, dass eine Histaminintoleranz vorliegt, zumal Dr. K. auch darauf hinweist, dass die von der Klägerin geschilderte Beschwerdesymptomatik nicht zu einer solchen Diagnose passen würde.

Entgegen der Darstellung der Klägerin hat Arzt für Allgemeinmedizin B. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 12. Juni 2016 auch nicht behauptet, dass eine Lactoseintoleranz vorläge. Er hat lediglich unter anderem ausgeführt, dass die Klägerin bei ihm wegen "Unverträglichkeit von Milch und Weißbrot" in Behandlung gewesen sei. Eine diesbezügliche Diagnostik hat der Arzt B. indes – hierauf hat bereits das SG hingewiesen – nicht durchgeführt. Eine Lactoseintoleranz hat die Klägerin im Übrigen selbst erst nach Vorlage der sachverständigen Zeugenaussage des Arztes B. – also während des laufenden erstinstanzlichen Verfahrens – behauptet (Schriftsatz vom 2. September 2016). Dr. von S. hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 12. Mai 2016 ausdrücklich mitgeteilt, dass eine von ihm durchgeführte ausführliche Labordiagnostik nur eine Fruchtzuckerintoleranz (Fructoseintoleranz) ergeben habe. Nach seiner Schilderung fanden sich Normalbefunde für die Blutfette, Blutzucker, Leberwerte, Knochen, Bauchspeicheldrüse, Nieren, Blutsalze, Gicht und die Schilddrüse. Eine Allergie im Sinne einer Mehlunverträglichkeit sei ausgeschlossen worden. Alle anderen technischen Untersuchungen hätten kein greifbares Krankheitsbild erbracht. Der Senat sieht sich auch nicht daran gehindert, die sachverständige Zeugenauskunft des Dr. von S. zu verwerten. Dieser hat an Hand der Ergebnisse objektiver Untersuchungsmethoden dargelegt, dass bei der Klägerin neben der Fructoseintoleranz keine weiteren Erkrankungen feststellbar sind und eine besondere Diät oder Zusatzkost hierbei nicht erforderlich ist. Die Klägerin hat keine Anhaltspunkte dafür aufgezeigt, die geeignet wären, die auf objektive medizinische Untersuchungsergebnisse gestützte Bewertung des Dr. von S. in Zweifel zu ziehen.

Auch der Hinweis auf das mit Schriftsatz vom 16. November 2017 erstinstanzlich vorgelegte, von der Klägerin selbst beschaffte ärztliche Attest des Dr. R. vom 25. Oktober 2016 greift nicht durch. Dr. R. schreibt hierin, dass bei der Klägerin eine massive Unverträglichkeit von Nahrungsmitteln gesichert auf Fructose, aber auch Gluten und Lactose bestehe und deswegen bei ihr eine Ernährung mit Lebensmitteln notwendig sei, die diese Stoffe ausschlössen. Abgesehen davon, dass dieses Attest keinerlei Begründung und auch keine Angaben zum diagnostischen Verfahren enthält, ergibt sich schon aus dem Attest selbst, dass eine Gluten- und Lactoseunverträglichkeit nicht gesichert ist. Entsprechend hat Dr. R. in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 2. Juli 2016 als Diagnose auch nur die Fructoseintoleranz aufgeführt und weder eine Gluten- noch eine Lactoseintoleranz genannt und auf diverse subjektive Umweltbelastungsstörungen verwiesen.

Hinsichtlich der Fructosemalabsorption hat das SG indes unter Hinweis auf die Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe (4. Aufl. 2014) ausgeführt, dass hieraus kein höherer Kostenaufwand für Ernährung folgt. Dem ist die Klägerin im Berufungsverfahren nicht substantiiert entgegengetreten. Ihr Hinweis, es bedürfe einer "angepassten Ernährung" sagt nichts über die damit verbundenen Kosten aus. Dr. von S. hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 12. Mai 2016 darauf hingewiesen, dass die Klägerin beschwerdefrei sein sollte, wenn sie Früchte mit einem hohen Zuckergehalt weglasse; eine darüberhinausgehende Diät oder Zusatzkosten seien nicht notwendig.

Soweit die Klägerin vorträgt, sie leide unter einem Reizdarmsyndrom, ergibt sich aus ihrem Vorbringen nicht, inwiefern sie dies zu kostenaufwändigerer Ernährung zwingt. Zwar wird die Diagnose eines Reizdarmssyndroms in der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage der Ärztin für Allgemeinmedizin von L. vom 19. Mai 2016 aufgeführt. Ausführungen zu dadurch bedingter kostenaufwändigerer Ernährung enthält diese Zeugenaussage indes nicht. Auch die Klägerin hat hierzu nichts Näheres vorgetragen. Eine kostenaufwändigere besondere Ernährung ist bei einem solchen Syndrom generell nicht erforderlich, da dies nicht mit einer Reduzierung des Allgemein- und Ernährungszustandes verbunden ist (vgl. LSG Bayern, Urteil vom 29. August 2013 – L 8 SO 157/10 – juris Rdnr. 39). Hinweise auf ein primär entzündliches Darmleiden im Sinne eines Morbus Crohn oder einer Colitis ulcerosa gibt es nicht. Auch bei diesen Erkrankungen ist im Übrigen die Vollkost die allgemein empfohlene Ernährungsform.

Auch soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, sie leide unter einer HPU ändert dies an dem gefundenen Ergebnis nichts, nachdem es sich hierbei schon nicht um eine schulmedizinisch anerkannte Diagnose handelt (vgl. hierzu Ostendorf, in MedSach – Heft 3/2019, 82; vgl. ferner Empfehlung des Robert-Koch-Instituts, Bundesgesundheitsblatt 2007, S. 1324 ff.). Zudem hat die Klägerin ärztliche Befundberichte hierzu nicht vorgelegt.

Zu der geltend gemachten Notwendigkeit, Nahrungsergänzungsmittel zu sich zu nehmen, hat das SG bereits zutreffende Ausführungen gemacht, denen die Klägerin im Berufungsverfahren nicht substantiiert entgegengetreten ist.

Insgesamt ist sonach nichts dafür ersichtlich, dass die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum einen besonderen medizinisch begründeten Ernährungsbedarf hatte, der über eine Vollkosternährung und den insoweit im Regelsatz enthaltenen Ernährungsanteil nicht hätte gedeckt werden können, sodass ein Anspruch auf einen Mehrbedarf gemäß § 30 Abs. 5 SGB XII in dieser Zeit nicht bestanden hat.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen nicht für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den sachverständigen Zeugenauskünften dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO)). Der Senat war auch nicht gehalten, ein medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen, wie von der Klägerin mit Schriftsatz vom 13. April 2019 beantragt und in der mündlichen Verhandlung am 9. Juli 2020 nochmals angeregt. Die durchgeführte Beweisaufnahme hat – wie bereits vom SG ausgeführt – keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass neben der Fructoseintoleranz weitere Unverträglichkeiten bei der Klägerin vorliegen. Entsprechendes haben die durch Dr. von S. durchgeführten Laboruntersuchungen vielmehr ausgeschlossen. Auch Dr. K. hat dies in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 16. Mai 2016 bestätigt. Keiner der befragten Ärzte hat zudem etwas anderes behauptet. Ärztliche Befundberichte, die die festgestellten Befunde erschütterten, wurden von der Klägerin nicht vorgelegt. Nachforschungen "ins Blaue hinein" sind jedoch durch die Amtsermittlungspflicht gerade nicht geboten (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urteil vom 3. April 2003 – B 13 RJ 39/02 R – juris Rdnr. 38; BSG, Urteil vom 7. Mai 1998 – B 11 AL 81/97 R – juris Rdnr. 20).

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

4. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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