L 7 R 2949/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 16 R 3941/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 2949/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 24. Juli 2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1965 in der Türkei geborene Kläger zog im November 1992 in die Bundesrepublik Deutschland zu. Er war von Februar 1993 bis November 2004 als Bauarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. In der Zeit vom 1. Januar 2009 bis zum 28. Mai 2012 war der Kläger - mit Unterbrechung durch Zeiten der Arbeitsunfähigkeit - versicherungspflichtig als Bauhelfer beschäftigt. Seitdem ist er arbeitsunfähig bzw. arbeitslos.

Bei dem Kläger wurde ein Grad der Behinderung (GdB) in Höhe von 70 und ab März 2012 von 80 sowie das Merkzeichen "G" festgestellt. Die Pflegekasse erbringt ab Januar 2017 Leistungen der Pflegekasse nach Pflegegrad 2. In der Zeit vom 2. Juli 2007 bis zum 17. September 2007 erlangte er eine Qualifizierung im Lagerwesen.

Am 2. November 2004 erlitt der Kläger in Folge eines schweren Verkehrsunfalls ein Polytrauma mit Schädel-Basis- und Kalottenfraktur mit traumatischem Subduralhämatom mit intracranieller Drucksteigerung und hirnorganischem Psychosyndrom, Acetabulumfraktur mit Hüftluxation links, offene transcondyläre Humerusfraktur links mit Ruptur der Tricepssehne, Mehrfragmentfraktur des os mecacarpale rechts, Unterarmschaftfraktur links, multiple Mittelgesichtsfrakturen, Thoraxtrauma mit Rippenfraktur links sowie Irisverletzung. Die akutstationäre Behandlung fand vom 2. November 2004 bis zum 16. Dezember 2004 im Universitätsklinikum F. statt.

Der Facharzt für Orthopädie Dr. P. verneinte in seinem Gutachten vom 27. Juni 2005 (für die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft L.) auffällige kognitive Störungen, wesentliche posttraumatische Migränebeschwerden und sah keine posttraumatische Belastungsstörung. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. sah in seinem für die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft L. erstatteten Gutachten vom 4. Juli 2006 keine Anhaltspunkte für depressive Symptome bei anamnestisch bekannter depressiver Störung im Rahmen eines leichtgradigen hirnorganischen Psychosyndroms.

Am 17. Januar 2006 beantragte der Kläger bei der Beklagten Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte veranlasste eine orthopädische Begutachtung. Der Orthopäde Dr. R. gelangte in seinem Gutachten vom 7. Juni 2006 - unter Berücksichtigung der Diagnosen: Zustand nach Arbeitsunfall vom 26. April 2004 mit Fersenbeinfraktur rechts, Zustand nach Polytrauma am 2. November 2004 - zu der Einschätzung, dass der Kläger vorübergehend bis zum 1. Januar 2007 nicht belastbar sei. Die Beklagte bewilligte für die Zeit vom 1. Juni 2005 bis 31. Dezember 2006 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Nachdem der Kläger einen Fortzahlungsantrag gestellt hatte, veranlasste die Beklagte eine erneute Begutachtung. Der Orthopäde Dr. R. gelangte in seinem Gutachten vom 21. November 2006 - unter Berücksichtigung der Diagnosen: Zustand nach Arbeitsunfall vom 26. April 2004 mit zwischenzeitlich knöchern konsolidierter Fersenbeinfraktur rechts und Zustand nach Polytrauma vom 2. November 2004 - zu der Einschätzung, dass der Kläger leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, zeitweise im Stehen und Gehen, überwiegend im Sitzen sechs Stunden und mehr verrichten könne. Auffälligkeiten im Bereich der Psyche stellte er nicht fest. Daraufhin lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung über den 31. Dezember 2006 ab (Bescheid vom 15. Dezember 2006).

Am 12. September 2008 beantragte der Kläger erneut Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte veranlasste eine nervenärztliche Begutachtung. Die Ärztin für Nervenheilkunde, Sozialmedizin und Rehabilitationswesen B. gelangte in ihrem Gutachten vom 16. Dezember 2008 - unter Berücksichtigung der Diagnosen: Läsion des Nervus peroneus communis links, anamnestisch leichtgradiges hirnorganisches Psychosyndrom - zu der Einschätzung, dass der Kläger mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr verrichten könne. Sie fand keine Hinweise für eine depressive Symptomatik. Bei der Anamneseerhebung fiel ihr auf, dass der Kläger Angaben und Details habe reproduzieren können, weshalb sie eine höhergradige Gedächtnisstörung für wenig wahrscheinlich hielt. Im Hinblick auf die anamnestisch berichteten leichten hirnorganischen Beeinträchtigung sollten Nachtschicht und sehr hoher Zeitdruck vermieden werden. Der Orthopäde Dr. R. diagnostizierte in seinem Gutachten vom 30. Dezember 2008 einen Zustand nach Arbeitsunfall vom 26. April 2004 mit zwischenzeitlich knöchern konsolidierter Fersenbeinfraktur rechts, einen Zustand nach Polytrauma vom 12. November 2004 sowie eine Läsion des Nervus peroneus communis links. Der Kläger sei in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr zu verrichten. Die Beklagte lehnte den Rentenantrag durch Bescheid vom 8. Januar 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Juli 2009 ab.

Am 20. April 2012 stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung, den die Beklagte durch Bescheid vom 1. Juni 2012 ablehnte.

Am 14. November 2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte veranlasste erneut eine orthopädische Begutachtung. Dr. R. gelangte in seinem Gutachten vom 15. Januar 2013 zu der Einschätzung, dass für die Zeit vom 30. Januar 2012 bis zum Ende einer geplanten medizinischen Rehabilitation lediglich eine Leistungsfähigkeit für leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter drei Stunden vorliege. Bei der komplexen Problematik sei aktuell eine wesentliche Belastbarkeit der linken unteren Gliedmaße nicht gegeben. Die Wegefähigkeit könne aktuell nicht attestiert werden. Eine erneute sozialmedizinische Beurteilung sei nach Abschluss der geplanten Rehabilitationsbehandlung erforderlich. Daraufhin bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. August 2012 bis zum 31. März 2013.

Der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. P. führte in seinem fachorthopädischen-unfallchirurgischen Bericht vom 14. Dezember 2012 für die Berufsgenossenschaft Verwaltung u.a. aus, dass die durch den Verkehrsunfall am 2. November 2004 erlittene Schädelbasis- und Kalottenfraktur mit traumatischem Subduralhämatom ohne verbliebene Funktionsausfälle der Hirnnerven vollständig ausgeheilt sei. Das seinerzeit beschriebene hirnorganische Psychosyndrom im Sinne eines kurzfristigen Durchgangssyndroms habe zu keiner verbliebenen posttraumatischen Hirnleistungsstörung geführt.

Am 5. März 2013 beantragte der Kläger die Weitergewährung der Erwerbsminderungsrente über den 31. März 2013 hinaus. Die Beklagte verlängerte die Rentengewährung bis zum 30. Juni 2013.

Dr. R. nahm unter dem 3. Juli 2013 dahingehend Stellung, dass am 29. Mai 2013 eine Metallentfernung linke Tibia stattgefunden habe. Ab dem 9. Juli 2013 solle eine stationäre medizinische Rehabilitation zu Lasten der Unfallversicherung durchgeführt werden. Es könne davon ausgegangen werden, dass nach der medizinischen Rehabilitation für zumindest leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ein sechsstündiges Leistungsvermögen gegeben sei. Er empfahl, die derzeitige Rente bis zum Ende der Rehabilitationsmaßnahme weiter zu gewähren. Daraufhin verlängerte die Beklagte die Rentengewährung bis zum 31. August 2013.

In der Zeit vom 9. Juli 2013 bis zum 30. Juli 2013 absolvierte der Kläger auf Kosten des Unfallversicherungsträgers eine stationäre Rehabilitation im P-Klinikum B. (Entlassbericht des Dr. P. vom 30. Juli 2013). Danach seien Folgen des Verkehrsunfalls vom 2. November 2004:

- Röntgenologisch in anatomisch korrekter Stellung knöchern verheilte ehemalige Acetabulumfraktur links mit reizlos einliegendem Osteosynthesematerial, ohne Nachweis einer posttraumatischen Coxarthrose links, ohne verbliebene Funktionseinschränkung der linken Hüfte, - Röntgenologisch in akzeptabler Stellung knöchern verheilte transkondyläre Humerusfraktur links mit gebesserter Tricepssehnenfunktion links, mit noch vorhandener Kraftminderung für Ellenbogenstreckung, röntgenologisch ohne Nachweis einer posttraumatischen Ellenbogengelenksarthrose, funktionell 10° Streckdefizit linkes Ellenbogengelenk, - Röntgenologisch in anatomisch guter Stellung knöchern verheilte ehemalige Unterarmschaftfraktur ohne Funktionsbeeinträchtigungen des angrenzenden linken Handgelenkes, - In akzeptabler Stellung knöchern verheilte ehemalige Mittelhandfraktur V rechter Hand mit einliegenden Kleinfragmentschrauben, funktionell ohne Beeinträchtigung der Kleinfingerfunktion, mit intakter Grob- und Feinmotorik der rechten Hand, mit seitengleich kraftvollem Faustschluss, ohne Beeinträchtigung der Armumwendbewegung, mit freier Funktion des rechten Handgelenks für Extention und Flexion, - Röntgenologisch Zeichen einer beginnenden medialen Gonarthrose linkes Knie Grad I bis II, - Röntgenologisch zwischenzeitlich entferntes Osteosynthesematerial, posttraumisch neuropathische Schmerzsymptomatik linkes Knie im Innervationsbereich des ramus infrapatellaris links, endgradige Bewegungseinschränkung verbliebene muskulär nicht kompensierte hintere Kreuzbandinsuffizienz mit Instabilität Grad II links, - Weitgehend folgenlos ausgeheilte ehemalige Rippenserienfraktur links, - Verbliebene Teilparese des Nervus peronaeus superficialis links, posttraumatisch weitgehend komplette Parese des Nervus peronaeus profundus, - Noch einliegendes Osteosynthesematerial, ohne verbliebene Asymmetrie des Gesichtsschädels, fortlaufende augenärztliche Behandlung nach Irisverletzung rechtes Auge mit noch vorhandenen Makulaödem, begrenzte Visusprognosen, - Zustand nach Schädelbasis- und Kalottenfraktur ohne verbliebene Funktionsausfälle der Hirnnerven, hirnorganisches Psychosyndrom (kurzfristiges Durchgangssyndrom) ohne verbliebene posttraumische Hirnleistungsstörung. Zu empfehlen sei eine Rückkehr an den bisherigen Arbeitsplatz mit sofortiger vollschichtiger Arbeitsfähigkeit als Bauhelfer ab dem 31. Juli 2013 für mittelschwere und gelegentlich schwere Tätigkeiten ohne Zwangshaltung der Kniegelenke, ohne Arbeiten auf Gerüsten und Leitern. Leidensgerecht seien bodengebundene mittelschwere körperliche Arbeiten.

Am 30. Juli 2013 beantragte der Kläger die Weitergewährung der Erwerbsminderungsrente über den 31. August 2013 hinaus. In dem Gutachten nach Aktenlage vom 29. August 2013 schloss sich der Orthopäde Dr. R. der Leistungseinschätzung des Dr. P. an; dem Kläger seien mittelschwere körperliche Arbeiten überwiegend im Stehen, Gehen oder Sitzen in Früh- und Spätschicht arbeitstäglich sechs Stunden und mehr möglich.

Daraufhin lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 9. September 2013 den klägerischen Antrag auf Weiterzahlung der Rente wegen Erwerbsminderung für die Zeit ab 1. September 2013 ab. Dagegen legte der Kläger am 24. September 2013 Widerspruch ein. Die Ärztin für Nervenheilkunde B. führte in ihrer Stellungnahme vom 12. März 2014 aus, dass der Schwerpunkt der Symptomatik eindeutig auf orthopädisch-chirurgischem Fachgebiet liege. Aus nervenärztlicher Sicht sehe sie keine wesentlichen neuen Gesichtspunkte gegenüber ihrem Gutachten aus dem Jahr 2008. Der Facharzt für Orthopädie Dr. R. gelangte in seinem im Auftrag der Beklagten verfassten Gutachten vom 22. Mai 2014 - unter Berücksichtigung der Diagnosen: Zustand nach Arbeitsunfall vom 26. April 2004 mit zwischenzeitlich knöchern konsolidierter Fersenbeinfraktur rechts, Zustand nach Polytrauma vom 2. November 2004, posttraumatische Läsion des Nervus peroneus communis links, anamnestisch leichtgradiges hirnorganisches Psychosyndrom, degeneratives Wirbelsäulensyndrom - zu der Einschätzung, dass der Kläger leichte bis mittelschwere Tätigkeiten, überwiegend im Stehen, Gehen und Sitzen, in Früh- und Spätschicht sechs Stunden und mehr verrichten könne. Zu vermeiden seien Zwangshaltungen, Arbeiten in der Hocke, auf Leitern und Gerüsten. Bezüglich der Unfallfolgen des Polytraumas zeige sich eine leichte Bewegungseinschränkung des linken Ellenbogens, eine leichte Bewegungseinschränkung der linken Hüfte sowie eine fast komplette Parese des Nervus peroneus links, versorgt mit Fußheberorthese, ohne wesentliche funktionelle Einschränkungen. An der Wirbelsäule hätten sich alterstypische degenerative Veränderungen gezeigt. Ein neurologisches Defizit habe nicht vorgelegen.

Daraufhin wies die Beklagte den klägerischen Widerspruch gegen den Bescheid vom 9. September 2013 als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2014). Ausweislich eines Absendevermerks wurde der Bescheid am 21. Juli 2014 zur Post aufgegeben.

Dagegen hat der Kläger am 21. August 2014 Klage zum Sozialgericht F. (SG) (S 16 R 3941/14) erhoben.

Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen einvernommen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Stellungnahmen des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. F. vom 10. Dezember 2014 (Blatt 23/43 der SG-Akten), des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie und Rehabilitation Dr. J. vom 18. Dezember 2014 (Blatt 44/47 der SG-Akten), des Augenarztes Dr. R. vom 22. Dezember 2014 (Blatt 48/59 der SG-Akten) und des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. G. vom 23. März 2015 (Blatt 71/80 der SG-Akten) verwiesen. Dazu hat die Beklagte eine sozialmedizinische Stellungnahme der Fachärztin für Innere Medizin, Sozialmedizin und Rettungsmedizin Dr. P. vom 4. Februar 2015 (Blatt 66 der SG-Akten) vorgelegt.

In der Zeit vom 16. April 2015 bis zum 21. April 2015 hat eine ambulante medizinische Rehabilitation in der Reha-Tagesklinik F. stattgefunden, die der Kläger vorzeitig abgebrochen hat. In dem Entlassbericht vom 24. April 2015 hat Dr. S. eine rezidivierende Lumbalgie bei Spondylarthrose L3/4 und L5/S1, einen Zustand nach Polytrauma November 2004, eine residuelle Peronaeuparese links, mit einer Orthese versorgt, diagnostiziert und den Verdacht auf Dysthymia geäußert. Der Kläger habe die Rehabilitation nicht in der Einrichtung in F. durchführen wollen, weil der Verkehrsunfall auch im November 2004 auf dem Weg in dieselbe Einrichtung stattgefunden habe.

In der Zeit vom 27. Mai 2015 bis zum 23. Juni 2015 hat der Kläger eine ambulante Maßnahme der medizinischen Rehabilitation der Reha in F. durchgeführt, aus der er arbeitsunfähig entlassen worden ist. Dr. S. hat in dem Entlassbericht vom 24. Juni 2015 (Blatt 104/110 der SG-Akten) ein Facettensyndrom L3/4, L5/S1, Lumbalgien und Lumboischialgien links, eine hintere Kreuzbandinstabilität links sowie eine Peroneusparese links mit Fuß- und Zehenheberparese links und Tricepslähmung links diagnostiziert. Der Kläger könne leichte körperliche Arbeiten überwiegend im Stehen, Gehen und Sitzen drei bis unter sechs Stunden arbeitstäglich verrichten. Unzumutbar seien rückenbelastende Zwangshaltungen, kniebelastende Zwangshaltungen, Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten, mit erhöhter Unfallgefährdung, auf unebenen Flächen sowie unter Einfluss von Nässe, Kälte und Zugluft. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien ihm aus orthopädischer Sicht noch leichte Tätigkeiten mit wechselnden Körperhaltungen ohne rückenbelastende Zwangshaltungen und kniebelastende Zwangshaltungen sechs Stunden und mehr möglich. Die hinzugezogene Psychologin gehe von einem halbschichtigen Leistungsvermögen unter Annahme eines psychologischen Unfalltraumas aus.

Die Beklagte hat unter Vorlage der sozialmedizinischen Stellungnahmen der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie Dr. E. vom 9. Juni 2015 (Blatt 100 der SG-Akten) sowie vom 8. Juli 2015 (Blatt 113 der SG-Akten) an ihrer Leistungsbeurteilung festgehalten.

Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens. Der Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. S. hat in seinem Gutachten vom 15. Februar 2016 (Blatt 132/158 der SG-Akten) Angst und depressive Störung, gemischt, Restparese des peronealen Anteils des Nervus ischiadicus links nach Unfall vom 2. November 2004, Polytrauma mit Schädel-Hirn-Trauma am 2. November 2004, Schlafapnoe-Syndrom und Augenerkrankung mit Makulaödem diagnostiziert. Mit Sicherheit könne die Diagnose eines organischen Psychosyndroms nach Schädel-Hirn-Trauma nach Auswertung der medizinischen Unterlagen nicht gestellt werden. Zu gravierenden Einschränkungen der geistigen Leistungsbreite sei es nicht gekommen. Auch die Fähigkeit zur sozialen Interaktion und Kommunikation, das Sozialverhalten und die Gemeinschaftsfähigkeit seien nachweislich nicht gravierend beeinträchtigt. Die Kopfschmerzen würden erst in den letzten Jahren geklagt und zudem nicht durchgängig. Posttraumatische Kopfschmerzen seien bei dieser Sachlage eher unwahrscheinlich. Es falle auf, dass durch die behandelnden Ärzte das nach dem Unfall als Durchgangssyndrom diagnostizierte Psychosyndrom einfach fortgeschrieben worden sei. Ähnlich verhalte es sich bei der immer wieder angeführten Peroneusparese, eine Nervenlähmung am linken Bein. Der Kläger könne das linke Bein und die linke Fußhebung so aktivieren und einsetzen, dass keine Abnahme der Muskelmasse mehr bestehe. Eine Restlähmung bestehe jedoch nach wie vor. Psychiatrisch könne auch eine leichte depressive Episode ausgeschlossen werden. Das Störungsbild lasse sich im Langzeitverlauf am besten als Angst und depressive Störung gemischt einstufen. Bei der Begutachtung sei ein Verdeutlichungsverhalten mit der Herausstellung körperlicher und auch psychischer Beeinträchtigungen aufgefallen. Die diagnostischen Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung seien bei dem Kläger nicht erfüllt. Aus neurologischer Sicht sollten aufgrund der Restlähmung der Fußhebung links eine Tätigkeit auf Leitern und Gerüsten unterbleiben. Wegen der leichten psychischen Störung seien Akkordarbeiten, Arbeiten mit häufig wechselnder Schicht sowie mit besonderer geistiger Beanspruchung und besonderer Verantwortung unzumutbar. Im Übrigen könne der Kläger leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr nachgehen. Einschränkung der Wegefähigkeit bestünde nicht. Unübliche Arbeitspausen oder besondere Arbeitsbedingungen seien nicht notwendig.

In der ergänzenden Stellungnahme vom 23. Februar 2017 (Blatt 298/300 der SG-Akten) hat Dr. S. an seiner Leistungseinschätzung festgehalten und sich mit den Einwendungen des Klägers auseinandergesetzt. Die Beklagte hat an ihrer Leistungseinschätzung unter Vorlage der sozialmedizinischen Stellungnahme des Sozialmediziners Dr. S. vom 17. Mai 2017 (Blatt 313/314 der SG-Akten) festgehalten.

Nachdem das SG das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen Richter am Sozialgericht R. durch Beschluss vom 19. Juli 2017 zurückgewiesen hatte (Blatt 323 der SG-Akten), hat das SG durch Gerichtsbescheid vom 24. Juli 2017 die Klage - gestützt auf das Gutachten des Dr. S. sowie den Entlassbericht des Dr. P. vom 5. August 2013 - abgewiesen.

Gegen den seinem Bevollmächtigten am 26. Juli 2017 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich der Kläger mit seiner am 27. Juli 2017 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegten Berufung, mit der er sein Rentenbegehren weiterverfolgt. Er - der Kläger - habe nach dem Unfall im November 2004 vier Wochen im Koma gelegen. Er könne deshalb nicht leistungsfähig sein und sei auch nicht leistungsfähig. Das Gutachten des Dr. S. sei nicht nachvollziehbar.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 24. Juli 2017 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 9. September 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Juli 2014 zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 1. September 2013 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen einvernommen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Stellungnahmen des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. H. vom 11. Juli 2018 (Blatt 97/98 der Senats-Akten), des Facharztes für Neurologie Dr. A. vom 10. Juli 2018 (Blatt 99/101 der Senats-Akten), der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. F. vom 12. Juli 2018 (Blatt 103/167 der Senats-Akten), des Prof. Dr. S. vom 12. Juli 2018 (Blatt 168/171 der Senats-Akten) und des Facharztes für HNO-Heilkunde Dr. R. vom 23. Juli 2018 (Blatt 173/174 der Senats-Akten) Bezug genommen. Dazu hat die Beklagte die sozialmedizinische Stellungnahme des Sozialmediziners Dr. S. vom 18. September 2018 (Blatt 184/185 der Senats-Akten) vorgelegt.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens. Der Nervenarzt und Facharzt für Psychotherapie Prof. Dr. S., Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Zentrums für Psychotherapie (ZfP) Süd-Württemberg, hat in seinem Gutachten vom 10. Januar 2019 (Blatt 222/246 der Senats-Akten) Angst und depressive Störung, gemischt, Spannungskopfschmerzen, eine partielle Schädigung des Nervus peroneus links und des Nervus radialis links, ein Lumbalsyndrom bei degenerativen Wirbelsäulenveränderungen, Gangbehinderung und Funktionsbehinderung des linken Oberarms, ein Schlafapnoe-Syndrom und Bluthochdruck beschrieben. Die festgestellten psychischen Störungen seien leichterer Art und nicht funktionsrelevant. Die psychischen Funktionsstörungen bedingten eine Minderung der Leistungsbreite im Hinblick auf geistig und psychisch anspruchsvolle Tätigkeiten. Besondere Arbeitsbedingungen seien nicht erforderlich. Einschränkungen der Wegefähigkeit bestünden aus psychiatrischer Sicht nicht. Der Kläger sei in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr zu verrichten.

Mit Schreiben vom 8. Februar 2019 hat Prof. Dr. S. mitgeteilt, dass der Kläger offenbar nach Erhalt des Gutachtens in seinem Sekretariat angerufen und seine Sekretärin massiv unter Druck gesetzt habe. Er habe mehrmals verkündet, dass er sich umbringen werde. Die insoweit geschulte Sekretärin habe versucht, den Kläger zu beruhigen, und ihn gefragt, ob jemand bei ihm sei, was dieser wiederholt verneint habe. Nach Rücksprache mit seinem Stellvertreter habe seine Sekretärin daraufhin die Polizei verständigt, die bei dem Kläger erschienen sei. Tatsächlich sei der Kläger in Begleitung seiner Ehefrau angetroffen worden. Ob eine Klinikeinweisung stattfinden solle, habe die Polizei von der Beurteilung eines Arztes abhängig gemacht.

In der Zeit vom 7. Februar 2019 bis zum 8. Februar 2019 hat sich der Kläger stationär im ZfP E. befunden. Der Assistenzarzt G. hat als Diagnose in dem Entlassbericht vom 8. Februar 2019 Anpassungsstörungen genannt und mitgeteilt, dass bei fehlenden Rückhaltegründen im Sinne einer Eigen- oder Fremdgefährdung der Kläger in stabilem Zustand entlassen worden sei.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat ein neurologisches Gutachten eingeholt. Der Facharzt für Neurologie Dr. K. hat in seinem Gutachten vom 10. Januar 2020 zusammenfassend ausgeführt, dass als Folge der stattgehabten unfallbedingten Kopfverletzung im Jahr 2004 mit hoher Wahrscheinlichkeit eine diffuse traumatische Hirnverletzung mit besonderer Betonung der frontalen Hirnregionen vorliege. Hieraus resultiere eine Persönlichkeitsveränderung mit vermehrter Reizbarkeit und Beeinträchtigung der Impulskontrolle. Die aus seiner Sicht erforderlichen neurologischen oder neurochirurgischen Untersuchungen des Klägers nach dem Unfall im November 2004 seien offensichtlich unterblieben. Aufgrund der beschriebenen Schädelverletzung mit massiver Gewalteinwirkung, der anfänglichen Befunde sowie des Verlaufs und des aktuellen Zustandes könne bei dem Kläger eine diffuse axonale Schädigung mit fokalen Marklagerzerreißungen an der Mark-Rinden-Grenze zutreffen. An der unzureichenden Aktenlage lasse sich nichts mehr ändern, eine weitere differenzierte Diagnostik erfordere eine umfassende neuropsychologische Diagnostik in der Muttersprache, die aber nicht verfügbar sein dürfte. Des Weiteren bestehe eine traumatische Läsion des Nervus peronaeus links in Höhe des Kniegelenks mit konsekutiver Schwäche der Fuß- und Zehenhebermuskulatur. Dadurch sei die psychophysische Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit sowie die zur Ausübung einer regelmäßigen Erwerbsfähigkeit notwendige Stresstoleranz erheblich eingeschränkt. Unter diesen Bedingungen erscheine eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von mehr als drei Stunden arbeitstäglich konkurrenzfähig kaum möglich. Auch sei die Wegefähigkeit nachträglich eingeschränkt. Dies werde durch die Anerkennung des Merkzeichens "G" dokumentiert.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten (2 Bände) sowie die Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Sie wurde gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt.

2. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist der Bescheid vom 9. März 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Juli 2014 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab 1. September 2013 abgelehnt hat. Dagegen wendet sich der Kläger statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklagte (§§ 54 Abs. 1 und 4, 56 SGG) und begehrt die Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit macht der Kläger - zu Recht - nicht geltend, weil er 1965 geboren ist und damit von vorherein keinen Berufsschutz im Sinne des § 240 Sozialgesetzbuch (SGG) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) genießt.

3. Die Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Das SG hat einen Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung zutreffend verneint. Der Bescheid der Beklagten vom 9. September 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Juli 2014 stellt sich als rechtmäßig dar und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

a. Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI (in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung gemäß Gesetz vom 20. April 2007 [BGBl. I, S. 554]) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind auch Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt (§ 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI). Versicherte haben nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn neben den oben genannten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen eine teilweise Erwerbsminderung vorliegt. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Die Tatsachengerichte der Sozialgerichtsbarkeit haben von Amts wegen (§ 103 SGG) mit Hilfe (medizinischer) Sachverständiger (§ 106 Abs. 3 Nr. 5 SGG) zu ermitteln und festzustellen, a) Art, Ausprägung und voraussichtliche Dauer der Krankheit(en) oder Behinderung(en), an denen der Versicherte leidet, b) Art, Umfang und voraussichtliche Dauer der quantitativen und qualitativen Leistungseinschränkungen (Minderbelastbarkeiten, Funktionsstörungen und -einbußen) sowie den c) Ursachenzusammenhang ("wegen") zwischen a) und b) (z.B. BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 - B 5 R 68/11 R - juris Rdnr. 13).

b. Der Kläger hat die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren sowie die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen im Zeitpunkt der Rentenantragstellung erfüllt, was auch zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Der Senat ist jedoch nicht davon überzeugt, dass der Kläger erwerbsgemindert ist. Bei der Beurteilung seiner beruflichen Leistungsfähigkeit stehen im Vordergrund seine Gesundheitsstörungen auf orthopädischem und nervenärztlichem Fachgebiet, mit denen er sein Begehren in erster Linie begründet hat. Diese sind jedoch nicht von einer solchen Schwere, dass sie das Leistungsvermögen des Klägers in zeitlicher Hinsicht einschränken. Vielmehr genügen qualitative Einschränkungen, um seinen Leiden gerecht zu werden. Der Senat stützt sich hierbei insbesondere auf die vom Senat sowie dem SG bei Prof. Dr. S. und Dr. S. eingeholten Gutachten, die im Verwaltungsverfahren erstatteten Gutachten des Dr. R., des Dr. R. sowie der Ärztin B ...

Die bei dem Kläger vorliegenden somatischen Erkrankungen begründen keine Leistungseinschränkung in quantitativer Hinsicht. Dies entnimmt der Senat den Rentengutachten des Dr. R. sowie des Dr. R. und dem Entlassbericht des Dr. S., die der Senat im Rahmen des Urkundenbeweises zu verwerten hat (BSG, Beschluss vom 29. Juni 2015 - B 8 V 45/14 B - juris Rdnr. 6; Beschluss vom 26. Mai 2000 - B 2 U 90/00 B - juris Rdnr. 4). Dr. S. hat in dem Entlassbericht vom 24. Juni 2015 aufgrund der ambulanten Rehabilitation vom 27. Mai 2015 bis zum 23. Juni 2015 in Einklang mit den klinischen Untersuchungsbefunden ein Facettensyndrom L3/4 und L5/S1, Lumbalgien und Lumboischialgien links, eine hintere Kreuzbandinstabilität links sowie eine Peroneusparese links mit Fuß- und Zehenheberparese links und Tricepslähmung links beschrieben. Im Rahmen der Rehabilitation zeigte der Kläger, der Rechtshänder ist, eine links hinkendes Gangbild, ein zügiges Auskleiden, eine eingeschränkte Beweglichkeit der linken Schulter, eine freie Beweglichkeit der Hand- und Fingergelenke, einen kräftigen Faustschluss, eine schmerzfreie Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule, einen Reklinations- und Vorbeugeschmerz der Lendenwirbelsäule ohne Wurzelreizsymptomatik, eine Bewegungseinschränkung der linken Schulter, insbesondere in die Abduktion mit Kraftminderung der Beweglichkeit der Schulter sowie eine deutliche Kraftminderung der Ellenbogenstreckung links, eine hintere Kreuzbandinstabilität des linken Kniegelenkes sowie eine Peroneus-Läsion linksseitig. Dr. S. hat - in Einklang mit den Rentengutachtern Dres. R. und R. - das berufliche Leistungsvermögen dahingehend beurteilt, dass der Kläger jedenfalls leichte Tätigkeiten mit wechselnden Körperhaltungen ohne rücken- und kniebelastende Zwangshaltungen, Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten, mit erhöhter Unfallgefährdung, auf unebenen Flächen sowie unter Einfluss von Nässe, Kälte und Zugluft noch sechs Stunden und mehr verrichten könne. Lediglich im Hinblick auf die Ausführungen der hinzugezogenen Psychologin ist Dr. S. von einem Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden ausgegangen.

Bereits im Juli 2013 hatte Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. P., Chefarzt der SKlinik Orthopädie B., auf Grundlage einer stationären medizinischen Rehabilitation zu Lasten des Unfallversicherungsträgers darauf hingewiesen, dass die Folgen des schweren Verkehrsunfalls im November 2004 weitgehend ausgeheilt waren und eine Kraftminderung für Ellenbogenstreckung mit einem Streckdefizit des linken Ellenbogens, eine posttraumatische Schmerzsymptomatik des linken Knies, eine endgradige Bewegungseinschränkung sowie eine verbliebene muskulär nicht kompensierte hintere Kreuzbandinsuffizienz mit Instabilität, eine Teilparese des Nervus peroneus superficialis links sowie eine komplette Parese des Nervus peroneus profundus verblieben waren. Dr. P. ging im Juli 2013 von einer vollschichtigen Arbeitsfähigkeit sogar für mittelschwere und gelegentlich schwere Tätigkeiten ohne Zwangshaltung der Kniegelenke sowie ohne Mitarbeit auf Gerüsten und Leitern aus. Dieser Einschätzung hat sich der Rentengutachter Dr. R., der den Kläger bereits aus diversen Begutachtungen kannte, in seiner sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung vom 29. August 2013 angeschlossen. Der Rentengutachter Dr. R. hat in seinem Gutachten vom 22. Mai 2014 in Einklang mit den klinischen und radiologischen Untersuchungsbefunden sowie den aktenkundigen Vorbefunden den Kläger noch in der Lage gesehen, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in einem zeitlichen Umfang von arbeitstäglich mindestens sechs Stunden und mehr auszuüben. Auch er hat darauf hingewiesen, dass die Unfallfolgen des Polytraumas von November 2004 sich seinerzeit auf eine leichte Bewegungseinschränkung des linken Ellenbogens und der linken Hüfte beschränkt haben. Die fast komplette Parese des Nervus peroneus links war mit einer Fußheberorthese versorgt und führte zu keinen wesentlichen funktionellen Einschränkungen. Das degenerative Wirbelsäulensyndrom hat auf alterstypischen degenerativen Veränderungen beruht; neurologische Defizite, die auf eine Wurzelkompressionssymptomatik hindeuten, konnte er nicht feststellen. Prof. Dr. G. hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 23. März 2015 im Hinblick auf den stationären Krankenhausaufenthalt in der Zeit vom 10. Dezember 2014 bis zum 20. Dezember 2014 im Wesentlichen diese Gesundheitsstörungen bestätigt und ist von einem vollschichtigen Leistungsvermögen ausgegangen. In der Folgezeit ist eine richtungweisende Verschlechterung des orthopädischen Befundes nicht eingetreten (vgl. Berichte des Prof. Dr. S. vom 14. Februar 2017, 22. Mai 2017 und 12. Juli 2018 sowie der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. F. vom 12. Juli 2018).

Auch die bei dem Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichem Fachgebiet rechtfertigen keine Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit des Klägers in zeitlicher Hinsicht. Prof. Dr. S. hat in seinem aktuellen Gutachten vom 10. Januar 2019 auf Grundlage einer ausführlichen Untersuchung und einer sorgfältigen Anamnese sowie in Auswertung der aktenkundigen Vorbefunde eine gravierende neurologische und psychiatrische Erkrankung ausgeschlossen. Im Rahmen der körperlichen Untersuchung hat Prof. Dr. S. u.a. folgende Befunde erhoben: eine zwangslose und freie Körperhaltung ohne Vermeidungshaltungen oder Entlastungsbewegungen, einen altersgemäßen normalen Allgemeinzustand, ein weitgehend symmetrisches Muskelrelief, eine leicht vorn übergebeugte Körperhaltung, einen leicht linksseitig hinkenden Gang, eine Abduktion des linken Arms bis 90 Grad, einen vollständigen Schürzengriff, einen vollständigen Nackengriff rechts, links nicht durchgeführt, eine ausreichende Hüftbeugung beim Bücken ohne Schmerzangabe, eine regelrecht geschwungene Wirbelsäule, eine frei bewegliche Halswirbelsäule und Lendenwirbelsäule ohne Wurzeldehnungszeichen, einen Armhalteversuch beidseits ohne Absinktendenz, bei differenzierter Prüfung der einzelnen Muskelgruppen im Bereich der linken Fuß- und Großzehenhebung nur angedeutete Bewegung, Parese von Kraftgrad II/V, Zehen- und Fersenstand rechts möglich, links nicht möglich, beidseits kräftiger Faustschluss sowie eine segmental abgrenzbare Sensibilitätsstörung im Bereich des Nervus peroneus links. Auf neurologischem Fachgebiet ist Prof. Dr. S. von einer partiellen Schädigung des Nervus peroneus links und des Nervus radialis links mit Peroneus- und Tricepsparese ausgegangen. Psychiatrisch hat er folgenden Befund erhoben: bereitwillige Kontaktaufnahme, freundlich, Gespräch ganz überwiegend über die Dolmetscherin, dabei sehr aufmerksam, emotional durchaus resonant, wach, kein Hinweis auf qualitative oder quantitative Bewusstseinsveränderungen, zur Zeit, zum Ort, zur eigenen Person und Situation vollständig orientiert, gute Auffassung und gutes Verständnis für Nachfragen, inhaltlich angemessene, sachgerechte und prompte Antworten auf Fragen im Gespräch, keine erhöhte Ablenkbarkeit, keine Hinweise auf schwere Konzentrationsstörungen, intaktes Zeiterleben, situations- und persönlichkeitsangemessene Wiedergabe der biographischen Daten, Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis ohne globale Minderung oder Lücken, Zeitgitter ohne Störung, Intelligenz im Normbereich, ausgeglichene und situationsadäquate Stimmung, gewisse Breite der affektiven Ausdrucksfähigkeit, keine negativen Stimmungsauslenkungen wie Weinen oder Gereiztheit, auch nicht zum Beispiel bei hartnäckig insistierenden Nachfragen und Konfrontation mit Widersprüchen, situations- und persönlichkeitsadäquate Gestik, Mimik und Ausdrucksverhalten, keine Minderung des Antriebs, geordneter formaler Gedankengang, inhaltlich keine Fixierung auf ausschließlich beschwerdebezogene Inhalte, keine Grübelzwänge oder sonstige Zwänge, keine phobischen oder psychotischen Ängste, keine überwertigen Ideen, kein Wahn oder sonstige psychotische Symptome, keine Derealisations- oder Depersonalisationserlebnisse, keine Flash-Bags, keine Halluzinationen, passive Versorgungsrolle in der Familie. Prof. Dr. S. hat sich insbesondere mit den Folgen des schweren Verkehrsunfalls im November 2004 auseinandergesetzt. Er hat überzeugend in Einklang mit den Befunden darauf hingewiesen, dass im Wesentlichen eine Nervenschädigung am linken Unterschenkel und am linken Oberarm mit entsprechenden Funktionseinschränkungen zurückgeblieben ist. Zwar war es im November 2004 zu einem Schädelbruch sowie zu einem Bruch der Schädelbasis mit einem traumatischen Subdural-Hämatom mit sogenannten Einklemmungserscheinungen gekommen. In dieser Situation ist ein steigender Druck auf das Gehirn entstanden, welcher nicht ausweichen kann und, wenn die Situation nicht behoben wird, im Bereich des verlängerten Rückenmarks als Schädelausgang "einklemmt". Diese Situation wurde im Rahmen der stationären Versorgung erkannt und die Blutung ausgeräumt. Damit wurde die seinerzeit bestehende lebensbedrohliche Situation behoben. Eine Hirnquetschung war bei dem traumatischen Subdural-Hämatom nicht zu erwarten und wurde auch nicht dokumentiert. Vielmehr haben die seinerzeit Behandelnden von einem Durchgangssyndrom berichtet. Dabei sind die Betroffenen wach, aber psychomotorisch verändert und etwas verwirrt und können sich später an diesen Zustand nicht mehr erinnern. Entgegen der Behauptung des Klägers hat er sich während des gesamten Aufenthalts im Uniklinikum F. wegen des Verkehrsunfalls nicht im Koma befunden. Nach den akutstationären Behandlungen sowie eine Rehabilitation konnte der Kläger zudem an seine Arbeitsstelle wieder zurückkehren und mehrere Jahre in seinem Beruf arbeiten. Eine relevante kognitive oder eine emotionale Beeinträchtigung im Sinne einer Depression hat Prof. Dr. S. nicht festgestellt. Das vom Kläger immer wieder in den Vordergrund gerückte organische Psychosyndrom nach Schädelhirntrauma konnte Prof. Dr. S. nicht bestätigen. Vielmehr war der Kläger bei seiner Untersuchung stets ausgesprochen aufmerksam, konzentriert um Klärung bemüht, emotional resonant und wirkte nicht gereizt, am Ende auch nicht ermüdet und erschöpft, was eine schwere hirnorganische Störung nahezu ausschließt. Weiterhin hat Prof. Dr. S. die im Rahmen der ambulanten Rehabilitation durch eine dort tätige Psychologin angenommene posttraumatische Belastungsstörung überzeugend verneint, weil die Diagnosekriterien einer solchen Erkrankung nicht vorliegen. Schließlich hat Prof. Dr. S. nachvollziehbar eine Depression relevanter Ausprägung verneint und überzeugend ausgeführt, dass den psychischen Funktionsstörungen durch qualitative Leistungseinschränkungen im Hinblick auf geistig und psychisch anspruchsvolle Tätigkeiten Rechnung getragen werden kann. Zur gleichen Leistungseinschätzung wie Prof. Dr. S. sind bereits die Nervenärztin B., Dr. S. und die behandelnden Ärzte Prof. Dr. G. sowie Dr. J. gelangt.

Der Senat folgt nicht der Leistungseinschätzung des Facharztes für Neurologie Dr. K ... Dr. K. hat in seinem auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG unter dem 10. Januar 2020 - und damit erst ca. sechs Monate nach der ambulanten Untersuchung - verfassten Gutachten in der Sache lediglich den Verdacht einer diffusen traumatischen Hirnverletzung mit besonderer Betonung der frontalen Hirnregionen geäußert und daraus eine Persönlichkeitsveränderung mit vermehrter Reizbarkeit und Beeinträchtigung der Impulskontrolle abgeleitet. Er hat selbst eingeräumt, dass die aktenkundigen Behandlungsunterlagen über die vielfältigen stationären Aufenthalte nach dem Verkehrsunfall im November 2004 keine qualifizierten neurologischen und neurochirurgischen Befunde enthalten, denen ein Beleg für eine gravierende Hirnverletzung entnommen werden kann. Dokumentiert ist - worauf zuletzt Dr. S. und Prof. Dr. S. hingewiesen haben - lediglich ein hirnorganisches Psychosyndrom als Durchgangssyndrom. Weiterhin hat Dr. K. eingeräumt, dass eine weiterführende neuropsychologische Diagnostik nicht mehr durchführbar bzw. nicht verfügbar ist. Eine neurologische Untersuchung der kognitiven Basisfunktionen hielt er wegen der Sprachbarriere nicht für möglich. Auch der durch den Neurologen Dr. K. - teilweise fachfremd und zudem unvollständig - erhobene psychiatrische Befund (zunächst verunsichert und angespannt, letztendlich angepasst und situationsadäquat, im Affekt ausgeglichen, vermehrt gereizt und ungehalten mit zunehmender Mimik, ohne durchgehende depressive Stimmung, umständlich im Denken, aber nicht verlangsamt, oftmals wenig präzise, teilweise weitschweifig und unkonzentriert, kooperativ, keine Hinweise für Aggravation und zielgerichtete Verdeutlichungstendenzen sowie keine Wahrnehmungsstörungen) stützt seine Leistungsbeurteilung nicht.

Der Senat folgt ferner nicht der Leistungseinschätzung des zuletzt behandelnden Nervenarztes Prof. Dr. H., der diese maßgeblich auf die Diagnose eines hirnorganischen Psychosyndroms nach mehrwöchigem Koma gestützt hat. Denn offensichtlich hat Prof. Dr. H. diese Diagnose unkritisch übernommen und geht von einem mehrwöchigen Koma nach dem Unfall am 2. November 2004 aus, das jedoch in den Behandlungsunterlagen gerade nicht belegt ist (vgl. z.B. Bericht des Prof. Dr. S. vom 10. Februar 2005; Konsiliarbericht des Dr. Reinhard vom 23. November 2004). Zudem hat er mehrfach eingestanden, dass eine Anamnese und die Erhebung eines psychopathologischen Befundes wegen der Sprachbarriere nur schwer bzw. eingeschränkt möglich war (z.B. Schreiben vom 23. April 2018 und 11. Juli 2018), sodass es seiner Leistungsbeurteilung an einer validen Basis fehlt. Dagegen wurde der Kläger durch Dr. S. und Prof. Dr. S. mit Hilfe eines Dolmetschers exploriert und untersucht. Auch die Leistungseinschätzung durch den Hausarzt Dr. F. überzeugt nicht, weil er diese u.a. auf eine beginnende Demenz, Folgezustände nach dem Polytrauma 2004 sowie eine Depression stützt. Wie bereits dargestellt, resultieren aus dem Verkehrsunfall im November 2004 jedoch keine krankheits- bzw. behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen, die das berufliche Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in zeitlicher Hinsicht einschränken. Ebenso wenig haben Dr. S. und Prof. Dr. S. eine leistungsrelevante depressive Störung festgestellt.

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger in der hier maßgeblichen Zeit ab 1. September 2013 noch in der Lage ist, mindestens sechs Stunden täglich jedenfalls eine körperlich leichte Tätigkeit im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen mit Ausnahme von Tätigkeiten mit rückenbelastenden und kniebelastenden Zwangshaltungen, Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten, mit erhöhter Unfallgefährdung, auf unebenen Flächen, unter Einfluss von Nässe, Kälte und Zugluft, in Akkord, mit häufig wechselnder Schicht sowie mit besonderer geistiger Beanspruchung und besonderer Verantwortung zu verrichten. Der Senat folgt dabei den überzeugenden Leistungseinschätzungen der mit der Begutachtung des Klägers befassten Ärzte B., Dr. R., Dr. R., Dr. S., Prof. Dr. S. sowie der behandelnden Ärzte Dr. J., Dr. R., Prof. Dr. G. und Dr. S., nach denen der Kläger jedenfalls leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Einschränkungen ausüben kann.

Steht das krankheits- bzw. behinderungsbedingte (Rest-)Leistungsvermögen fest, ist im nächsten Prüfungsschritt die Rechtsfrage zu klären, ob der Versicherte damit außerstande ist, "unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts" tätig zu sein (dazu BSG, a.a.O. Rdnr. 17 ff. m.w.N.) Diese Frage ist hier zu verneinen. "Bedingungen" sind dabei alle Faktoren, die wesentliche Grundlage des Arbeitsverhältnisses sind. Hierzu gehört vor allem der rechtliche Normrahmen, wie etwa Dauer und Verteilung der Arbeitszeit, Pausen- und Urlaubsregelungen, Beachtung von Arbeitsschutzvorschriften sowie gesetzliche Bestimmungen und tarifvertragliche Vereinbarungen. Die Bedingungen sind "üblich", wenn sie nicht nur in Einzel- oder Ausnahmefällen anzutreffen sind, sondern in nennenswertem Umfang und in beachtlicher Zahl. Der Arbeitsmarktbegriff erfasst alle denkbaren Tätigkeiten, für die es faktisch "Angebot" und "Nachfrage" gibt. Das Adjektiv "allgemein" grenzt den ersten vom zweiten - öffentlich geförderten - Arbeitsmarkt, zu dem regelmäßig nur Leistungsempfänger nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende - und dem Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - Zugang haben, sowie von Sonderbereichen ab, wie beispielsweise Werkstätten für behinderte Menschen und andere geschützte Einrichtungen.

Der Kläger kann - wie dargelegt - an fünf Tagen in der Woche mindestens sechs Stunden arbeiten. Sieht man davon ab, dass ihm (Nacht-)Schichtarbeiten krankheitsbedingt nicht mehr zugemutet werden dürfen, benötigt er im Hinblick auf Dauer und Verteilung der Arbeitszeit keine Sonderbehandlung, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unüblich wäre. Er hat auch keinen erhöhten, betriebsunüblichen Pausen- oder Urlaubsbedarf und ist in einem Betrieb, also außerhalb geschützter Einrichtungen, einsetzbar. Dabei ist der Senat der Auffassung, dass der Kläger über die für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit notwendigen kognitiven Grundfähigkeiten verfügt. Nach der Rechtsprechung des BSG werden unter den Begriff der üblichen Bedingungen "auch tatsächliche Umstände" verstanden, wie z.B. die für die Ausübung einer Verweisungstätigkeit allgemein vorausgesetzten Mindestanforderungen an Konzentrationsvermögen, geistige Beweglichkeit, Stressverträglichkeit und Frustrationstoleranz, mithin ausschließlich kognitive Grundfähigkeiten (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 - B 13 R 78/09 R - juris Rdnr. 29). Wie dargelegt, liegt bei dem Kläger kein Leiden vor, das leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausschließt. Die angesprochenen kognitiven Grundfähigkeiten sind nicht betroffen.

Die gesundheitlichen Einschränkungen sind weder in ihrer Art noch in ihrer Summe geeignet, die Gefahr der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes zu begründen (dazu BSG, a.a.O. Rdnr. 24 ff.). Im Regelfall kann davon ausgegangen werden, dass ein Versicherter, der nach seinem verbliebenen Restleistungsvermögen noch in der Lage ist, körperlich leichte und geistige einfache Tätigkeiten - wenn auch mit qualitativen Einschränkungen - mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen erwerbstätig sein kann. Denn dem Versicherten ist es mit diesem Leistungsvermögen in der Regel möglich, diejenigen Verrichtungen auszuführen, die in ungelernten Tätigkeiten regelmäßig gefordert werden, wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw. (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. zuletzt Urteil vom 19. Oktober 2011 - B 13 R 79/09 R - BSGE 109, 189; Urteil vom 11. Dezember 2019 - B 13 R 7/18 R - juris). Der Senat ist der Überzeugung, dass das Restleistungsvermögen des Klägers es diesem erlaubt, die oben genannten Verrichtungen oder Tätigkeiten, die in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden, auszuüben. Es liegt weder eine spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Der Senat ist weiter mit Dr. R., Dr. R., Dr. S., Dr. S. und Prof. Dr. S. aufgrund der dokumentierten objektiv-klinischen Untersuchungsbefunde davon überzeugt, dass bei dem Kläger die erforderliche Wegefähigkeit vorliegt (vgl. dazu BSG, Urteil vom 12. Dezember 2011 - B 13 R 79/11 R - BSGE 110, 1). Die Auffassung des Dr. K., die Wegeunfähigkeit sei durch das Merkzeichen "G" belegt, verkennt im Ansatz die unterschiedlichen rechtlichen Voraussetzungen für die Annahme der rentenrechtlichen Wegeunfähigkeit und des Merkzeichens "G" im Schwerbehindertenrecht.

Mit dem festgestellten Leistungsvermögen ist der Kläger weder voll noch teilweise erwerbsgemindert im Sinne des § 43 SGB VI. Somit hat die Berufung keinen Erfolg.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

5. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved