L 10 U 1635/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 3171/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 1635/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Fehlt es in Bezug auf die begehrte gerichtliche Feststellung (Feststellungsklage) an einer anfechtbaren Verwaltungsentscheidung, ist die Feststellungsklage unzulässig (Aufgabe von LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.02.2013, L 10 U 176/11).
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 18.01.2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die gerichtliche Feststellung von Gesundheitsstörungen als Folgen eines Arbeitsunfalls.

Der am1986 geborene Kläger stolperte und stürzte bei seiner Tätigkeit als Winzer. Nachfolgend wurde am rechten Knie eine Patellaluxationsfraktur mit Retinaculumabriss diagnostiziert und operativ versorgt. In seinem von der Beklagten eingeholten unfallchirurgisch-orthopädischen Gutachten führte Prof. Dr. H. aus, dass beim Kläger am rechten Kniegelenk eine angeborene Fehlbildung in Form einer Patelladysplasie vorliege, bei der es unter Alltagsbelastungen zu Subluxationen und Luxationen kommen könne. Ein (vom Kläger angegebenes) Ausrutschen oder Stolpern bewirke am normal konfigurierten Kniegelenk keine Subluxation oder Luxation. Das Ereignis vom 05.10.2011 sei daher nicht als Unfall, sondern als Gelegenheitsursache zu werten. Nachdem der Beratungsarzt und Unfallchirurg Dr. S. dem zugestimmt hatte, erließ die Beklagte den Bescheid vom 09.05.2014, mit dem sie (Verfügung Nr. 1) den Unfall vom 05.10.2011, bei dem es zu einer Prellung des rechten Kniegelenkes gekommen sei, als Arbeitsunfall anerkannte, feststellte (Verfügung Nr. 2), dass unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit nicht vorlagen sowie feststellte (Verfügung Nr. 3), dass für die seit dem 05.11.2011 ärztlich behandelnden Beschwerden im Bereich des linken Kniegelenkes eine Entschädigung nicht gewährt werde, weil diese nicht Folgen des Arbeitsunfalls vom 05.10.2011 seien. In der hiervon räumlich abgesetzten und mit "Begründung" überschriebenen Textpassage legte sie dar, dass es bei dem Ereignis vom 05.10.2011 zwar zu einer Prellung des rechten Knies gekommen sei, es sich bei den anschließend festgestellten Beschwerden im rechten Knie jedoch nicht um Folgen des Unfalls handle. Wesentliche Ursache der Luxation und des Retinaculumabrisses sei die angeborene Patelladysplasie. Zur Feststellung des genauen Inhalts des Bescheides vom 09.05.2014 wird auf Bl. 201/2 f. VA Bezug genommen. Den auf die Verfügungssätze Nr. 2 und 3 beschränkten Widerspruch gegen diesen "Bescheid über die Ablehnung einer Entschädigung" (so die Umschreibung im Verfügungssatz des Widerspruchsbescheids) wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.10.2014 zurück und dokumentierte in der Begründung sinngemäß, dass der Verfügungssatz Nr. 3 des Bescheides das rechte Kniegelenk betreffe.

Hiergegen hat der Kläger am 24.11.2014 beim Sozialgericht Heilbronn mit dem Begehren Klage erhoben, die Beklagte zu verurteilen, für die Kosten der Behandlung der Prellung des rechten Knies aufzukommen, festzustellen, dass auf Grund des Arbeitsunfalls vom 05.10.2011 Arbeitsunfähigkeit bestand sowie die Beklagte zu verurteilen, für die Beschwerden im Bereich des linken Knies eine Entschädigung zu gewähren.

Das Sozialgericht hat dieses Verfahren S 3 U 4006/14 zu dem bereits anhängigen Rechtsstreit S 3 U 3171/14 (zunächst unter dem Az. S 3 LW 4714/17 angelegt), mit dem der Kläger unter Aufhebung des Bescheides vom 21.06.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.07.2014 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben begehrt hat, verbunden.

Nach entsprechender Sachaufklärung (orthopädisch-unfallchirurgisches Gutachten von Amts wegen bei Dr. T., der die Auffassung von Prof. Dr. H. bestätigt hat, und orthopädisches-sozialmedizinisches Gutachten auf Antrag und Kosten des Klägers bei Dr. A. , der einen wesentlichen Zusammenhang der Patellaluxation mit dem Ereignis vom 05.10.2011 bejaht hat) hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht in Bezug auf den Bescheid vom 09.05.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2014 an seinen ursprünglich gestellten Anträgen nicht mehr festgehalten, sondern ausschließlich die Feststellung beantragt, dass eine Herabsetzung der Trage- und Belastungsfähigkeit des rechten Beines, eine Muskelverschmächtigung, ein Unsicherheitsgefühl und eine Retropatellararthrose im rechten Kniegelenk Folgen seines Unfalls vom 05.10.2011 seien. Darüber hinaus hat er unter Aufhebung der entsprechenden Bescheide die Verurteilung der Beklagten beantragt, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu gewähren.

Mit Urteil vom 18.01.2017 hat das Sozialgericht die Klagen abgewiesen. Der Kläger habe zwar bei dem Unfall eine Patellaluxation erlitten und der Unfall sei auch ursächlich im naturwissenschaftlichen Sinn hierfür geworden. Allerdings beruhe diese Patellaluxation weit überwiegend auf anlagebedingten Faktoren. Es hat sich im Wesentlichen den Gutachten von Prof. Dr. H. und Dr. T. angeschlossen. Damit stehe dem Kläger auch kein Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu.

Gegen das ihm am 20.03.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20.04.2014 Berufung eingelegt und neben der Abänderung des angefochtenen Urteils (Nr. 1 des Antrages) und den Bescheid vom 09.05.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2014 aufzuheben (Nr. 2 des Antrages) weiterhin die Feststellung von Unfallfolgen (Antrag Nr. 3) sowie die Aufhebung der Bescheide über die Ablehnung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und die entsprechende Verurteilung der Beklagten (Nr. 4 des Antrages) beantragt, am Antrag Nr. 4 in der Folge aber nicht mehr festgehalten (Bl. 22 LSG-Akte).

Der Kläger beantragt (Bl. 24, 26 LSG-Akte),

unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Heilbronn vom 18.01.2017 sowie des Bescheides vom 09.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2014 als Folgen des Unfalls vom 05.10.2011 eine Herabsetzung der Trage- und Belastungsfähigkeit des rechten Beines, eine Muskelverschmächtigung, ein Unsicherheitsgefühl und eine Retropatellararthrose festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Gegenstand des Rechtsstreits ist - nachdem der Kläger sein Begehren auf Leistungen zur Teilhabe nicht mehr verfolgt, sondern die Berufung insoweit zurückgenommen hat - nur noch der Bescheid vom 09.05.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2014 mit dem prozessualen Begehren auf Abänderung dieser Bescheide und gerichtliche Feststellung von Unfallfolgen.

Die gegen diese Bescheide gerichtete Anfechtungsklage ist unzulässig.

Zulässig ist eine Anfechtungsklage nur, wenn der Kläger behaupten kann, durch den Verwaltungsakt beschwert zu sein (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Beschwert ist ein Kläger nach § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, wenn der Verwaltungsakt rechtswidrig ist. Zulässigkeitsvoraussetzung für die Anfechtungsklage ist somit, dass der Kläger behauptet, durch einen Verwaltungsakt beschwert zu sein, weil dieser Verwaltungsakt objektiv rechtswidrig sei und subjektiv in rechtlich geschützte Interessen des Klägers eingreife (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, § 54 Rdnrn. 7, 9 - so genannte Klagebefugnis -). An dieser Klagebefugnis fehlt es, wenn eine Verletzung subjektiver Rechte nicht in Betracht kommt, weil hinsichtlich des Klagebegehrens eine gerichtlich überprüfbare Entscheidung nicht vorliegt (BSG, Urteil vom 17.12.2015, B 2 U 2/14 R, zitiert - wie alle nachfolgenden höchstrichterlichen Entscheidungen - nach juris).

So liegt der Fall hier. Über das Vorliegen oder Nichtvorliegen von Unfallfolgen entschied die Beklagte im streitbefangenen Bescheid nicht in Form eines anfechtbaren Verfügungssatzes.

Bei der Auslegung von Verwaltungsakten, also Verfügungssätzen i.S. des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), ist in Anwendung der für Willenserklärungen maßgeblichen Grund-sätze (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) vom objektiven Sinngehalt ihrer Erklärungen auszugehen, wie sie Empfänger und ggf. Drittbetroffene bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalls objektiv verstehen mussten und durften (BSG, Urteil vom 03.04.2014, B 2 U 25/12 R, m.w.N.; Urteil vom 16.11.2005, B 2 U 28/04 R, jeweils auch zum Nachfolgenden). Maßgebend ist demnach der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten (§ 133 BGB), wobei alle Zusammenhänge zu berücksichtigen sind, die die Behörde erkennbar in ihre Entscheidung einbezog.

Auch für die Auslegung einer behördlichen Äußerung als Verwaltungsakt kommt es nicht auf das von der Behörde Gewollte, sondern auf das objektivierte Empfängerverständnis an (BSG, Urteil vom 16.11.2005, B 2 U 28/04 R). Ob die Erklärung einer Behörde als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist, richtet sich danach, wie der Adressat diese Erklärung bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalles zu deuten hatte (BSG, Urteil vom 29.10.1992, 10 RKg 4/92). Dabei ist auch die äußere Form zu berücksichtigen.

Der streitgegenständliche Bescheid vom 09.05.2014 enthält danach drei verschiedene Verfügungssätze, also Regelungen im Sinne § 31 Satz 1 SGB X, nämlich (Verfügungssatz Nr. 1) die Anerkennung des Ereignisses vom 05.10.2011 als Arbeitsunfall in Bezug auf das rechte Kniegelenk, das Nichtvorliegen von unfallbedingter Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit (Verfügungssatz Nr. 2) sowie (Verfügungssatz Nr. 3) die Ablehnung von Entschädigung im Sinne von ärztlicher Behandlung wegen der Gesundheitsstörungen am rechten Kniegelenk. Soweit die Beklagte im Verfügungssatz Nr. 3 das linke Kniegelenk anführte, stellte dies die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 24.10.2014 dahingehend klar (was den Bescheid entsprechend gestaltet, § 95 SGG), dass diese Ausführungen das rechte Kniegelenk betreffen.

Verfügungssatz Nr. 1 ist dem Kläger günstig und wird von ihm nicht - so die Beschränkung des Begehrens bereits im Widerspruchsverfahren (s. hierzu noch nachfolgend) - angefochten. Unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit, Arbeitsunfähigkeit (Verfügungssatz Nr. 2) und insbesondere eine Entschädigung für die ärztlich behandelten Beschwerden im Bereich des rechten Kniegelenks, also ärztliche Behandlung, (Verfügungssatz Nr. 3) macht der Kläger nicht mehr geltend. Die ursprünglich in der Klageschrift insoweit gestellten Anträge hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht nicht mehr aufrechterhalten, sondern - wie im Berufungsverfahren - nur noch die gerichtliche Feststellung von Unfallfolgen beantragt.

Eine Entscheidung über das Vorliegen oder Nichtvorliegen von Unfallfolgen enthält der Bescheid vom 09.05.2014 dagegen nicht.

Soweit in Verfügungssatz Nr. 3 (pauschal) die Beschwerden im Bereich des linken (richtig: rechten, s. Widerspruchsbescheid vom 24.10.2014) Knies erwähnt werden, erschöpft sich die Regelung in der (ausdrücklichen) Ablehnung einer Entschädigung in Bezug auf die erfolgte ärztliche Behandlung und damit die Ablehnung von entsprechender Heilbehandlung. Der nachfolgende Halbsatz, in dem die Beklagte ihre Auffassung zum Ausdruck bringt, die Beschwerden seinen nicht Folgen des Arbeitsunfalls, stellt hierzu allein die Begründung dar, wie sich zweifelsfrei aus dem den Halbsatz einleitenden "weil" ergibt.

Nichts Anderes gilt für die in Verfügungssatz Nr. 1 erwähnte Prellung des rechten Kniegelenkes. Dies ist die Begründung für die Anerkennung eines Unfalls, die die Entstehung wenigstens eines Gesundheitserstschadens (wenn auch "nur" in Form einer Prellung) erfordert, und damit für die in Verfügungssatz Nr. 1 erfolgte Anerkennung eines Arbeitsunfalls. Eine formelle Entscheidung über das Vorliegen oder Nichtvorliegen von (weiteren) Primärschäden war für diese Anerkennung gerade nicht erforderlich und die weiteren Beschwerden sind in diesem Verfügungssatz noch nicht einmal erwähnt (wohl in Verfügungssatz Nr. 3, allerdings - wie dargelegt - als Begründungselement). Soweit der Kläger auf die entsprechenden Hinweise des Senats ausführt, er greife den Satz der Verfügung an, in dem es heiße, dass "lediglich" eine Prellung entstanden sei, ist dies im Verfügungssatz Nr. 1 gerade nicht so formuliert und jene Textpassage mit der Abgrenzung zwischen unfallbedingter Prellung und nicht als unfallbedingt angesehenen weiteren Schäden am rechten Kniegelenk ist Teil der Begründung und gerade kein anfechtbarer Verfügungssatz.

In keinem der Verfügungssätze wird die Patellaluxation (oder gar die zur Anerkennung begehrten Gesundheitsstörungen) thematisiert, dies erfolgt ausschließlich in der Begründung. Damit wird auch in der Gesamtschau deutlich, dass die Beklagte allein über das Vorliegen eines Arbeitsunfalls und Leistungen entschied, nicht aber, auch nicht sinngemäß, die Anerkennung von Gesundheitserstschäden ablehnte. Dem entsprechend umschrieb die Beklagte im Verfügungssatz des Widerspruchsbescheids vom 24.10.2014 (dem nach § 95 SGG Gestaltungswirkung zukommt) den Gegenstand des (beschränkten, s. nachfolgend) Widerspruchs auch nur als "Bescheid über die Ablehnung einer Entschädigung".

Ohnehin ist Verfügungssatz Nr. 1 bestandskräftig geworden. Der Kläger legte hiergegen bereits keinen Widerspruch ein, sondern erklärte (Bl. 202/1 VA) ausdrücklich, der Widerspruch richte sich "gegen Ziffer 2 und Ziffer 3 des Bescheides". Selbst wenn also in diesem Verfügungssatz Nr. 1eine Entscheidung zur Frage unfallbedingter Gesundheitsstörungen gesehen würde, würde die vorliegende Klage an der Bestandskraft scheitern.

Damit ist auch die Feststellungsklage, mit der der Kläger die gerichtliche Feststellung von Unfallfolgen begehrt, unzulässig.

Zwar kann nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG die Feststellung begehrt werden, ob eine Gesundheitsstörung die Folge eines Arbeitsunfalls ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.

Vor Erhebung einer Feststellungsklage muss der Versicherte jedoch einen entsprechenden (Feststellungs-)Antrag an den Versicherungsträger gerichtet haben, mit dem er eine bestimmte Feststellung über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses begehrt, z.B. dass ein Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit vorliegt (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 27.06.2006, B 2 U 77/06 R, m.w.N.). Dies folgt schon aus Gründen der Prozessökonomie sowie dem für eine Feststellungsklage erforderlichen Feststellungsinteresse, welches fehlt, wenn der Versicherte nicht zunächst durch einen Antrag bei dem Versicherungsträger versuchte zu klären, ob das Rechtsverhältnis besteht oder nicht. Dementsprechend muss der Bürger, wenn um das Bestehen eines Rechtsverhältnisses gestritten wird, z.B. um die Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall oder einer Erkrankung als Berufskrankheit, zunächst eine entsprechende Verwaltungsentscheidung beantragen und diese abwarten. Erst anschließend kann er - abgesehen vom Fall des § 88 SGG - zulässigerweise eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage erheben. Regelfall ist also eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage, nur in dieser Kombination ist die Feststellungsklage im Regelfall zulässig (BSG, Urteil vom 27.06.2006, a.a.O.). Das für eine solche Feststellungsklage notwendige Feststellungsinteresse liegt also nur vor, wenn zuvor ein entsprechendes Verwaltungsverfahren durchgeführt wurde (BSG, a.a.O.; zu den eng begrenzten Ausnahmefällen: Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O, 12. Auflage, § 55 Rdnr. 3b). Die aus den o.g. Gründen unzulässige Anfechtungsklage zieht somit gleichsam die Unzulässigkeit der Feststellungsklage nach sich (BSG, Urteil vom 21.09.2010, B 2 U 25/09 R zur ähnlichen Situation bei der Leistungsklage).

An seiner Rechtsprechung zur Zulässigkeit einer isolierten Feststellungsklage (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21.02.2013, L 10 U 176/11, in juris) für den Fall, dass sich der Versicherungsträger - ohne hierüber dann förmlich zu entscheiden - mit dem Vorliegen von Unfallfolgen im Verwaltungsverfahren befasste, hält der Senat, wie er bereits angedeutet hat (Urteil vom 25.02.2016, L 10 U 2522/12), nicht fest.

Diese Rechtsprechung lässt sich entgegen früherer Erwartung nicht auf Ausnahmefälle begrenzen. Dass sich der Unfallversicherungsträger in Versicherungsfälle (§ 7 Abs. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches - SGB VII -: Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten) betreffenden Verwaltungsverfahren mit den gesundheitlichen Folgen des Versicherungsfalls befasst, ist der Regelfall. Der Verzicht auf eine förmliche Verwaltungsentscheidung über das Vorliegen oder Nichtvorliegen von Unfallfolgen würde dann zu einem unbeschränkten Zugang zu Gericht führen, und unabhängig von jeglichen Fristen, was mit der dargestellten Rechtsprechung des BSG unvereinbar wäre.

Auch die Tatsache, dass dem Versicherten ein Wahlrecht zwischen der Feststellungsklage, gerichtet auf die gerichtliche Feststellung von Unfallfolgen, und der Verpflichtungsklage, gerichtet auf die Verurteilung des Unfallversicherungsträgers zur Anerkennung von Unfallfolgen, eingeräumt wird (BSG, Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R, mit weiteren Ausführungen zur Anspruchsgrundlage), spricht gegen einen Verzicht auf eine vorherige Verwaltungsentscheidung für die Zulässigkeit der Feststellungsklage. Denn nach § 54 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 SGG ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gesetzlich ausdrücklich vorgegeben, die Verpflichtungsklage also erst zulässig, wenn der Unfallversicherungsträger die begehrte Anerkennung ablehnte (Keller, a.a.O., § 54 Rdnr. 20). Der Versicherte könnte damit durch die Ausübung des eingeräumten Wahlrechts diese prozessuale Voraussetzung umgehen.

Die Klage ist somit insgesamt unzulässig, weshalb die Berufung der Klägerin zurückzuweisen ist.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass das Sozialgericht zu Recht einen rechtlich wesentlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der Patellaluxation und dem Retinaculumabriss verneint und sich dabei im Wesentlichen auf die Ausführungen von Prof. Dr. H. und Dr. T., nicht aber auf die Beurteilung von Dr. A. gestützt hat. Der Senat sieht daher insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung gemäß § 153 Abs. 2 SGG aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Substantielle Einwendungen gegen die Ausführungen des Sozialgerichts bringt der Kläger nicht vor.

Soweit der Kläger das Gutachten von Dr. T. nicht für brauchbar hält, weil er nicht nachvollziehen könne, weshalb hier keine von außen einwirkende Kraft auf das rechte Bein vorhanden sei, übersieht er, dass sich das Sozialgericht auf diese Textpassage im Gutachten von Dr. T. gar nicht gestützt, sondern einen naturwissenschaftlichen Zusammenhang von Arbeitsunfall und Luxation sogar bejaht hat. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die vom Kläger in Bezug genommene Textpassage auf Seite 19 des Gutachtens mit den Ausführungen des Sachverständigen auf Seite 17 seines Gutachtens in Zusammenhang stehen, wonach bei entsprechender (und beim Kläger vorliegender Disposition) bereits eine alltägliche Streckbewegung zu einer Luxation führen kann und ein Sturz dann die Folge dieser Luxation ist, nicht deren Ursache. Nach dem vom Sachverständigen für seine Auffassung angeführten, vom Kläger selbst so beschriebenen biomechanischen Ablauf des Unfallereignisses stolperte der Kläger auf ebener Erde ohne erkennbare Ursache, sodass durchaus an eine habituelle Luxation als Ursache des Sturzes zu denken ist. Soweit der Kläger gegenüber Dr. A. und in der Berufung (ähnlich auch gegenüber Prof. Dr. H.: ausgerutscht) einen feuchten und rutschigen Boden behauptet, auf dem er ausgerutscht sei, ändert dies an der Folgerichtigkeit der Überlegungen von Dr. T., die auf einem anderen, aber von Kläger selbst geschilderten Unfallhergang beruhen, nichts. Im Übrigen hat Dr. T. bei seiner Beurteilung gerade nicht allein auf diesen Unfallhergang abgestellt, sondern auch weitere Umstände für seine Auffassung, das Ereignis sei nicht die rechtlich wesentliche Ursache gewesen, angeführt, so insbesondere den Umstand, dass die Patella von selbst reponierte, den Erstbefund und die radiologischen Befunde mit anlagebedingter deutlicher Dysplasie.

Für die vom Kläger angeregte weitere Begutachtung sieht der Senat keinen Anlass. Der Sachverhalt ist durch die im Wesentlichen übereinstimmenden Gutachten von Prof. Dr. H. und Dr. T. geklärt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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