L 4 KR 438/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 3 KR 4366/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 438/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Zur Durchsetzung eines Anspruchs aufgrund eines Schiedsspruchs nach §132a Abs. 2 Satz 6 SGB V (in der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung; seither: § 132a Abs. 4 Satz 9 SGB V) steht dem Gläubiger allein die allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zu.
2. Solange der Schiedsspruch noch nicht fertiggestellt ist oder während eines sich daran anschließenden gerichtlichen (Ersetzungs- bzw. Feststellungs-)Verfahrens kann eine betroffene Forderung weder außergerichtlich noch gerichtlich geltend gemacht werden.
3. Die gerichtliche Überprüfung des Schiedsspruchs hat zur Folge, dass die Fälligkeit der betroffenen Forderung erst mit Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung beginnt (BGH, Urteil vom 04. Juli 2013 – III ZR 52/12). Diese in der zivilgerichtlichen Judikatur entwickelten und von der verwaltungs-rechtlichen Rechtsprechung (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. Februar 2016 – 5 S 1098/15) übernommenen Grundsätze sind auf Schiedssprüche nach § 132a Abs. 2 Satz 6 SGB V (in der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung; seither: § 132a Abs. 4 Satz 9 SGB V) vollumfänglich übertragbar.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 18. Dezember 2019 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens auch im Berufungsverfahren.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 20.396,25 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist eine vergütungsrechtliche Forderung wegen Dauerbeatmung einer Versicherten der Beklagten aus einem Schiedsspruch im Bereich der häuslichen Krankenpflege nach § 132a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) streitig.

Die Klägerin ist Mitglied im Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V. und betreibt im Landkreis E. eine vollstationäre Pflegeeinrichtung in K. Hierbei handelt es sich um eine zugelassene Pflegeeinrichtung im Sinne von § 43 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI). Zu den Leistungen zählen unter anderem palliative und Beatmungsleistungen. Im Zeitraum vom 24. August 2011 bis 9. Mai 2012 befand sich die bei der Beklagten Versicherte I.-J. M. (im Folgenden: die Versicherte) in vollstationärer Pflege bei der Klägerin. Aufgrund ärztlicher Verordnungen erhielt die Versicherte (Pflegestufe II) bei der Klägerin eine 24-stündige Dauerbeatmung im Rahmen von häuslicher Krankenpflege gemäß § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V. Hierzu wurde täglich ein von den Pflegedienstleistenden unterschriebenes Beatmungskontrollblatt mit medizinischen und behandlungstechnischen Angaben gefertigt. Am 9. Mai 2012 verstarb die Versicherte.

Für die im Rahmen der Dauerbeatmung erbrachten Leistungen berechnete die Klägerin gegenüber der Beklagten 82 EUR pro Tag als "Mehraufwand im vollstationären Bereich", ohne dass dies die Beklagte zuvor gesondert genehmigt hatte. Entsprechende Zahlungsaufforderungen der Klägerin in Höhe von insgesamt 21.238 EUR blieben in der Folge erfolglos.

Mit Schreiben vom 18. September 2015 beantragte die Klägerin bei der Schiedsperson (M. Z.) im Rahmen eines Schiedsverfahrens gemäß § 132a SGB V - wegen der Versorgung der Versicherten - gegenüber der Beklagten eine zusätzliche Pflegevergütung in Höhe von 21.238 EUR nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz jährlich seit dem 10. Mai 2012 festzusetzen. Zur Begründung gab die Klägerin an, die Beklagte verweigere zu Unrecht den Abschluss eines Vertrages über die Versorgung ihrer Versicherten mit Dauerbeatmung, indem sie von ihr (der Klägerin) den Nachweis einer separaten Beatmungsstation fordere. Eine solche Station könne nur dann wirtschaftlich betrieben werden, wenn die Krankenkassen sie regelmäßig mit dauerzubeatmenden Versicherten belege, was nicht der Fall sei. Die Versicherte habe aufgrund der Dauerbeatmung täglich mindestens fünf Stunden zusätzlich versorgt werden müssen, was Lohn- und Lohnnebenkosten i.H.v. 105 EUR pro Tag mit sich gebracht habe. Nach Anrufung des Sozialgerichts Stuttgart (SG) habe die Beklagte sich bereit erklärt, einen Vertrag abzuschließen. Hierzu sei es jedoch nicht gekommen, so dass ein Schiedsverfahren erforderlich sei.

Die Beklagte trat dem Antrag entgegen und beantragte, keine zusätzliche Vergütung für die medizinische Behandlungspflege der Versicherten festzusetzen. Die Klägerin habe ihre Preisvorstellung nicht in der gebotenen Weise anhand der Gestehungskosten begründet. Zudem gehe man davon aus, dass das ohnehin anwesende Pflegepersonal die Pflege aufwandsneutral habe erbringen können und somit über die Pflege nach dem SGB XI bereits finanziert sei.

Mit Schiedsspruch vom 5. April 2016 legte die Schiedsperson nach § 132a SGB V nach mündlicher Verhandlung am 11. Februar 2016 die folgende "vertragliche Festlegung" fest (vgl. Bl. 32-40 der SG-Akte):

"Die B. G., vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden Dr. med. C. St., dieser vertreten durch die Landesgeschäftsstelle Baden-Württemberg [ ] entrichtet an das PZK Pflegezentrum K. GmbH [ ] für die im Zeitraum vom 20. August 2011 bis 9. Mai 2012 durchgeführte Dauerbeatmung der Versicherten der B. G., Frau J. M., eine Vergütung von 20.396,25 EUR. Der Betrag ist mit Zugang des Schiedsspruchs bei der B. GEK fällig."

Mit Schreiben vom 11. April 2016 wurde der Schiedsspruch an die Beklagte übersandt. Am 10. August 2016 (Eingang beim SG; Schreiben der Beklagten vom 5. August 2016) erhob die Beklagte hiergegen beim SG Klage (Az.: S 18 KR 4297/16) und beantragte, den Schiedsspruch wegen offensichtlicher Unbilligkeit aufzuheben und die Bestimmung des Schiedsspruchs durch Urteil nach billigem Ermessen zu ersetzen, hilfsweise festzustellen, dass der Schiedsspruch unwirksam sei.

Am 12. August 2016 erhob die Klägerin beim SG Klage (Az.: S 3 KR 4366/16), mit der sie die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs vom 5. April 2016, hilfsweise die Zahlung von 20.396,25 EUR für die im Zeitraum vom 25. August 2011 bis 9. Mai 2012 durchgeführte Dauerbeatmung der Versicherten begehrte. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs durch das SG sei gemäß § 198 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 794 Abs. 1 Nr. 4a Zivilprozessordnung (ZPO) zulässig. Hilfsweise werde Leistungsklage erhoben im Umfang desjenigen Betrages, den die Schiedsperson für angemessen erklärt habe, nämlich 20.396,25 EUR (259 Pflegetage x drei Euro je Tag durchschnittlichem Zeitaufwand x 26,25 EUR Stundensatz). Den Ausführungen des Schiedsspruchs werde vollumfänglich gefolgt. Der Schiedsspruch sei richtig, nachvollziehbar begründet und insbesondere in keiner Weise unbillig oder gar offensichtlich unbillig. Nach § 319 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) könne eine Ersetzung des Schiedsspruchs nur bei offensichtlicher Unbilligkeit erfolgen. Damit könne in einer sozialgerichtlichen Entscheidung von den Feststellungen des Schiedsspruchs nicht abgewichen werden. Der Schiedsspruch treffe vereinbarungsgemäß eine Leistungsbestimmung analog § 317 BGB. Hinzu komme, dass ein nunmehriges Vorgehen der Beklagten gegen den Schiedsspruch verfristet sei. Gemäß dem analog anzuwendenden § 318 Abs. 2 Satz 2 BGB sei die Anfechtung einer getroffenen Bestimmung nur unverzüglich möglich.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und führte aus, gegen den Schiedsspruch vom 5. April 2016 sei "am 5. August 2016" Klage beim SG erhoben worden. Hierdurch stehe die Verbindlichkeit des Schiedsspruchs in Frage, so dass er auch nicht für vollstreckbar erklärt werden könne. Im Übrigen sei § 794 Abs. 1 Nr. 4 a ZPO nicht anwendbar, da es sich vorliegend nicht um einen Schiedsspruch im Sinne der Norm handele. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ((BSG); Bezugnahme auf Urteil vom 29. Juni 2017 - B 3 KR 31/15) entspreche das Schiedsverfahren im Bereich der häuslichen Krankenpflege dem im Zivilrecht üblichen Schlichtungsmodell nach § 317 BGB, so dass der Schiedsspruch ein Schiedsgutachten im weiteren Sinne und keine Schiedsabrede im Sinne von § 1029 Abs. 1 ZPO sei. Auch der hilfsweise gestellte Leistungsantrag sei zurückzuweisen, da der Schiedsspruch die Wirkung eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils habe, so dass einer gleichlautenden Leistungsklage das Rechtsschutzbedürfnis fehle.

Am 15. November 2017 führte das SG in den Verfahren S 18 KR 4297/16 und S 3 KR 4366/16 einen gemeinsamen Erörterungstermin durch; insoweit wird auf die Niederschrift vom 15. November 2017 Bezug genommen (Bl. 66-68 der SG-Akte S 3 KR 4366/16).

Mit Urteil vom 18. Dezember 2019 wies das SG die Klage in dem hier streitigen Verfahren S 3 KR 4366/16 ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die Klage sei teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet. Der Hauptantrag der Klägerin, den Schiedsspruch vom 5. April 2016 für vorläufig vollstreckbar zu erklären, sei unbegründet. Die von der Klägerin begehrte Erklärung der vorläufigen Vollstreckbarkeit des Schiedsspruchs vom 5. April 2016 sehe das Gesetz für den Bereich des Sozialrechts nicht vor. Nach § 198 Abs. 1 SGG gelte für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung (mithin die §§ 704 bis 959 ZPO), soweit sich aus dem SGG nichts Anderes ergebe. Schiedssprüche würden indes nach § 1064 ZPO und somit nach dem Zehnten Buch der ZPO für vollstreckbar erklärt werden und seien bereits insofern nicht von der Verweisung des § 198 SGG erfasst. Darüber hinaus bestimme Abs. 2 der Norm ausdrücklich, dass die Vorschriften über die vorläufige Vollstreckbarkeit nicht anzuwenden seien. Diese Regelung stehe insofern auch einer Anwendung über die Verweisungsnorm des § 202 SGG entgegen. Für die von der Klägerin begehrte Erklärung der vorläufigen Vollstreckbarkeit bestehe somit keine sozialrechtliche Anspruchsgrundlage, weshalb der Hauptantrag als unbegründet abzuweisen gewesen sei. Die Klägerin habe den rechtskräftigen Abschluss des ebenfalls beim SG anhängigen Klageverfahrens S 18 KR 4297/16 abzuwarten. Die hilfsweise erhobene Leistungsklage sei in Ermangelung eines allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses bereits unzulässig. Die Klägerin habe nicht etwa wegen Fehlens eines Schiedsspruchs verfrüht geklagt. Vielmehr habe sie das Schiedsverfahren durchlaufen und einen für sie positiven Schiedsspruch erhalten, der seinerseits Gegenstand einer von der Beklagten erhobenen Ersetzungs- bzw. Feststellungsklage vor dem SG sei und mit der die Beklagte die Unbilligkeit des Schiedsspruchs geltend mache. Die Klägerin verfüge insoweit bereits über einen gleichlautenden Schiedsspruch, der ihr genau den Betrag zuspreche, den sie im Rahmen der vorliegenden Leistungsklage erneut geltend mache. Ein besonderes Interesse an einer gleichlautenden sozialgerichtlichen Feststellung sei insoweit nicht ersichtlich. Vor diesem Hintergrund stelle sich die Klage im hiesigen Verfahren als unzulässig dar. Insbesondere könne die Klägerin über den hilfsweise gestellten Antrag nicht die Tatsache umgehen, dass eine vorläufige Vollstreckbarerklärung durch das SG nicht vorgesehen sei. Ob die von der Schiedsperson getroffene Regelung einer gerichtlichen Unbilligkeitskontrolle standhalte, sei Gegenstand des Verfahrens S 18 KR 4297/16. Klarstellend werde darauf hingewiesen, dass auch ein Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des Schiedsspruchs nach § 86b Abs. 1 Nr. 1 SGG nicht in Betracht käme, da ein Verwaltungsakt, dessen sofortige Vollziehbarkeit festgestellt oder angeordnet werden könne, nicht vorliege. Die Vorschriften des § 89 SGB V über das Schiedsamt seien nicht entsprechend anwendbar. Die besondere Stellung des Schiedsamtes sei nicht auf die Schiedsperson nach § 132a Abs. 2 SGB V und deren Entscheidungen übertragbar. Vielmehr sehe § 319 Abs. 1 BGB bei einer offenbar unbilligen Bestimmung deren Unverbindlichkeit vor, wobei die Bestimmung in diesem Fall durch Urteil erfolgen solle. Ein entsprechendes Urteil des SG in dem Verfahren S 18 KR 4297/16 stehe noch aus. Auch eine einstweilige Anordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG, die im Übrigen beim Gericht des Hauptsacheverfahrens (hier: S 18 KR 4297/16) zu beantragen wäre, habe die Klägerin nicht begehrt, zumal ein besonderes Eilbedürfnis insoweit auch nicht ersichtlich sei.

Gegen das ihr am 30. Dezember 2019 zugestellte Urteil richtet sich die am 29. Januar 2020 beim SG zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegte Berufung der Klägerin, mit der diese zunächst die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs vom 5. April 2016 sowie hilfsweise die Zahlung von 20.396,25 EUR begehrt hat.

Nach Hinweis des Senats, dass nach der Rechtsprechung des BSG der Schiedsspruch ein "Schiedsgutachten im weiteren Sinne" darstelle und des Bundesgerichtshofs (BGH) die Fälligkeit der Forderung bis zur Rechtskraft eines Gerichtsurteils hinausgeschoben werde (Bezugnahme auf BGH, Urteil vom 4. Juli 2013 - III ZR 52/12), hat die Klägerin mit Schreiben vom 16. März 2020 mitgeteilt, dass "die Berufung hinsichtlich des geltend gemachten Hilfsantrags weiter[verfolgt]" werde. Es sei nicht richtig, dass die Fälligkeit der Forderung bis zur Rechtskraft der Entscheidung in der Sache "S 3 KR 4366/16" (gemeint: S 18 KR 4297/16) hinausgeschoben werde. Auch fehle dem weiterverfolgten Hilfsantrag nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Die vom Senat zitierte Entscheidung des BGH betreffe Schiedsgutachten im engeren Sinne und andererseits eine Situation, in der noch gar keine Leistungsbestimmung vorgelegen habe und eine solche durch das Gericht habe getroffen werden müssen. Eine solche Situation liege hier nicht vor. Bereits im Frühjahr 2016 sei eine Leistungsbestimmung einer Schiedsperson getroffen worden. Ferner trete die Fälligkeit eines Anspruchs dann ein, wenn der Gläubiger die Leistung verlangen könne. Dies sei dann gegeben, wenn eine Leistungsbestimmung getroffen worden sei und dem Schuldner kein Leistungsverweigerungsrecht mehr zustehe. Dass die Fälligkeit erst mit Rechtskraft des Urteils eintrete, könne nur in den Fällen des § 319 Abs. 1 Satz 2 BGB gelten, in denen erst eine Bestimmung durch das Gericht erfolge. Auch habe eine Ersatzbestimmung durch das Gericht im Zweifel eine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Leistungsbestimmung und damit auch auf den Zeitpunkt der Fälligkeit zur Folge. Wenn eine Leistungsbestimmung bis zur Ersetzung durch das Gericht bindend sei, könne die Forderung konsequenterweise vorher nicht als nicht fällig bezeichnet werden. Sofern sich die Beklagte auf ein Leistungsverweigerungsrecht wegen angeblicher Unbilligkeit berufen wolle, stehe ihr ein solches Recht nicht zu. Eine Leistungsbestimmung und damit auch deren Fälligkeit sei so lange bindend, wie diese nicht durch ein Gericht ersetzt werde. Die Ersetzungsklage in dem Verfahren "S 3 KR 4366/16" (gemeint: S 18 KR 4297/16) sei aufgrund ihrer Rechtsnatur als gestalterische und feststellende Kassationsklage zu verstehen. Hingegen sei der hier weiterverfolgte Hilfsantrag auf Leistung gerichtet. Insofern bestehe auch ein Rechtsschutzbedürfnis. Insbesondere wenn sich die Beklagte dem Anspruch dadurch entziehen wolle, dass sie eine Kassationsklage erhebe, müsse sie (die Klägerin) das Recht haben, eine Leistungsklage zu erheben. In Anbetracht der Rechtsnatur der Ersetzungsklage und des Grundsatzes der Subsidiarität stelle sich vielmehr die Frage, ob die Ersetzungsklage nicht mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig geworden sei. Im Übrigen dürfe das Gericht nur grobe Unbilligkeit prüfen. Schließlich stehe ihr ein Vergütungsanspruch zu. Durch die Beatmung der Versicherten habe sie ihre öffentlich-rechtliche Leistungspflicht als Pflegeeinrichtungen erfüllt. Sie habe daher einen in § 132a Abs. 4 Satz 1 SGB V (bis 31. Dezember 2016: § 132a Abs. 2 Satz 1 SGB V) vorausgesetzten Vergütungsanspruch erworben. Das Schiedsgutachten sei in der Lage, einen Versorgungsvertrag zu ersetzen und eine Einzelfallvergütung zu regeln. Soweit die Beklagte davon ausgehe, dass sich aus dem Wortlaut des § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB ergebe, dass der getroffenen Leistungsbestimmung bis zur richterlichen Ersatzleistungsbestimmung keine Rechtskraft zukomme, missachte sie die Konkretisierung in § 319 Abs. 1 Satz 2 BGB, wonach die Leistungsbestimmung durch eine Ersetzungsklage neu zu treffen sei. Die Bestimmung bleibe daher zunächst wirksam und binde die Vertragsparteien so lange, bis im Klageweg die getroffene Bestimmung durch eine anderweitige richterliche Bestimmung ersetzt worden sei.

Die Klägerin beantragt zuletzt (sachdienlich gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 18. Dezember 2019 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 20.396,25 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21. April 2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Bereits am 10. August 2016 sei beim SG die Klage im Hinblick auf die Wirksamkeit des Schiedsspruchs (Az.: S 18 KR 4297/16) eingegangen, so dass diese Frage bereits anhängig gewesen sei, als die Klägerin ihren Hilfsantrag gestellt habe. Auch insofern fehle ihr daher das Rechtsschutzbedürfnis. Der Schiedsspruch sei im Übrigen am 5. April 2016 von der Schiedsperson unterschrieben worden und mit Schreiben vom 11. April 2016 an sie übersandt worden. Der Schiedsspruch betreffend die Versorgung der Versicherten in der Zeit vom 25. August 2011 bis 9. Mai 2012 umfasse neun Seiten. Unter dem 5. August 2016 habe man dann Klage erhoben. Die Behauptung der Klägerin, man sei sehr lange untätig gewesen, treffe daher nicht zu. Nachdem die Klägerin ihren Klageantrag mit Schriftsatz vom 16. März 2020 zurückgenommen habe und nur noch den Hilfsantrag weiterverfolge, verkenne die Klägerin, dass eine Fälligkeit nicht eingetreten sei. Denn innerhalb einer angemessenen Frist sei Klage auf gerichtliche Leistungsbestimmung erhoben worden. Gegen die Auffassung, dass bis zur Rechtskraft einer gerichtlichen Neubestimmung vorläufig die Bestimmung des Schiedsgutachters maßgebend sei, sprächen bereits die Legalüberschrift ("Unwirksamkeit der Bestimmung") sowie der Wortlaut des § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB ("nicht verbindlich"). Zudem sei auf die Parallele zur Unverbindlichkeit nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB hinzuweisen. Anders als dort gelte bei § 319 BGB die Unverbindlichkeit für die Vertragsschließenden, also für beide Parteien, da die Leistungsbestimmung von einem Dritten komme. Die betreffende Forderung werde erst mit der Rechtskraft des Urteils fällig. Die Ausführungen der Klägerin zum Rechtsschutzbedürfnis seien nicht nachvollziehbar. Im Übrigen habe das BSG abweichend von § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht darauf abgestellt, ob die durch die Schiedsperson getroffene Bestimmung "offenbar unbillig" sei, sondern habe die einfache Unbilligkeit als Voraussetzung für die Ersetzung des Schiedsspruchs durch die Entscheidung des Gerichts genügen lassen (Bezugnahme auf Urteile des BSG vom 25. November 2010 - B 3 KR 1/10 R und vom 23. März 2016 - B 3 KR 26/15 R).

Mit Urteil vom 2. Juli 2020 hat das SG in dem Verfahren S 18 KR 4297/16 festgestellt, dass der Schiedsspruch vom 5. April 2016 unwirksam sei und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die im Hauptantrag erhobene Ersetzungsklage sei zulässig, aber unbegründet. Der Schiedsspruch sei zwar unwirksam, das Gericht könne den Schiedsspruch aber nicht ersetzen, so dass sie Ersetzungsklage abzuweisen gewesen sei. Die hilfsweise erhobene Feststellungsklage sei hingegen zulässig und begründet. Zutreffende Klageart für den Fall, dass die Vertragspartner mit dem Schiedsspruch über Einzelheiten der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a Abs. 4 SGB V nicht einverstanden seien, sei die Ersetzungsklage nach § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V in Verbindung mit §§ 317 Abs. 1, 319 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Ersetzungsklage sei nicht verfristet. Die Frist des § 318 Abs. 2 Satz 2 BGB (analog) beziehe sich lediglich auf den Fall der Anfechtung des Schiedsspruches. Die (dortige) Klägerin begehre aber eine Billigkeitskontrolle analog § 319 BGB, für welche keine unverzügliche Geltendmachung gefordert werde. Auch eine etwaige Verwirkung komme vorliegend nicht in Betracht. Der Schiedsspruch sei unwirksam. Denn die Schiedsperson habe keinen Versorgungsvertrag geschaffen, sondern nur eine Zahlungspflicht festgesetzt. Dem liege die Annahme durch die Schiedsperson zu Grunde, dass täglich drei Stunden Zeitaufwand für eine Beatmung der Versicherten tatsächlich angefallen seien. Bei dieser Feststellung handle es sich um eine tatsächliche Feststellung. Dies obliege jedoch nicht der Schiedsperson, sondern im Streitfall dem Gericht. Die Schiedsperson habe nämlich nicht zu prüfen, ob die Vertragsvoraussetzungen im konkreten Fall erfüllt seien. Sie habe vielmehr den abstrakten Vertragsinhalt zu bestimmen. Eine Ersetzung des Schiedsspruchs durch das Gericht könne vorliegend jedoch nicht erfolgen. Denn derzeit fehle vollständig eine Tatsachengrundlage, aufgrund derer eine neue vertragliche Vereinbarung getroffen werden könne. Zudem sei eine vertragliche Vereinbarung auch nicht gewollt. Solange die Schiedsperson noch keinen Schiedsspruch erlassen habe, der auf einer von den Beteiligten nach den Grundsätzen eines fairen Verfahrens beizubringenden, ausreichenden Tatsachengrundlage basiere, komme eine gerichtliche Ersetzung nicht in Betracht. Die Feststellungsklage sei begründet, da der Schiedsspruch unwirksam sei. Die Berufung der Klägerin gegen dieses Urteil ist unter dem Az. L 5 KR 2097/20 beim LSG anhängig.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die gemäß § 143 SGG statthafte und nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere bedurfte sie nicht der Zulassung, da über eine Vergütungsforderung i.H.v. 20.396,25 EUR gestritten wird, so dass der Beschwerdewert von 750,00 EUR (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) überschritten wird.

2. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist allein noch die Vergütungsforderung der Klägerin für die im Zeitraum vom 20. August 2011 bis 9. Mai 2012 durchgeführte Dauerbeatmung der Versicherten der Beklagten, Frau J. M., i.H.v. insgesamt 20.396,25 EUR. Den Antrag auf Erklärung der vorläufigen Vollstreckbarkeit des Schiedsspruchs vom 5. April 2016 hat die Klägerin zuletzt nicht weiterverfolgt (vgl. Schriftsatz der Klägerin vom 16. März 2020) und die Berufung insoweit zurückgenommen (§ 156 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Die Klägerin verfolgt die Vergütungsforderung mit einer echten Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG. Ein Verwaltungsakt hatte hier von der Beklagten nicht zu ergehen, da Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Vergütung für die erbrachten Dauerbeatmungsleistungen der Versicherten der Beklagten - mangels eines konsensualen, öffentlich-rechtlichen vertraglichen Vergütungsanspruchs - nur der Schiedsspruch vom 5. April 2016 sein kann (vgl. Schneider, in: jurisPK-SGB V, Stand Juni 2020, § 132a Rn. 10, 70; Engelmann, in: Schnapp/Düring, Handbuch des sozialrechtlichen Schiedsverfahrens, 2. Aufl. 2016, S. 160 Rn. 272). Im Übrigen fehlt es an einem Über-/Unterordnungsverhältnis, das Voraussetzung für den Erlass eines Verwaltungsakts nach § 31 SGB X ist (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juni 2017 – B 3 KR 31/15 R – juris, Rn. 15 m.w.N.).

Die formelle Beschwer der Klägerin liegt darin, dass sie geltend macht, die Vergütung für die vom 20. August 2011 bis 9. Mai 2012 durchgeführte Dauerbeatmung der Versicherten der Beklagten i.H.v. insgesamt 20.396,25 EUR nicht erhalten zu haben. Ein Anspruch auf Vergütung kann nicht offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise ausgeschlossen werden.

Entgegen der Auffassung des SG fehlt der Klägerin für die erhobene Leistungsklage nicht das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis, weil sie bereits über einen Schiedsspruch in der geltend gemachten Höhe verfügt. Auch das Argument, die Klägerin könne damit die fehlende vorläufige Vollstreckbarkeit des Schiedsspruchs umgehen, trägt nicht. Nach der Gesamtkonzeption des § 132a Abs. 2 SGB V (hier in der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung (a.F.); seither in § 132a Abs. 4 SGB V geregelt) sollen Verträge als Rechtsgrundlage die Beziehungen zwischen den Krankenkassen und Leistungserbringer im Bereich der häuslichen Krankenpflege regeln (Schneider, a.a.O, Rn. 10). Wird keine konsensuale Einigung erzielt, wird nach dem im Bereich der häuslichen Krankenpflege von § 132a Abs. 2 SGB V a.F. normierten Konfliktlösungsmodell der Schiedsperson als von den Vertragspartnern bestimmter Schlichter bzw. Vertragshelfer die Befugnis eingeräumt, die Leistung (z.B. Vergütung oder Preise) oder eine Leistungsmodalität (z.B. Beginn oder Ende der Laufzeit des Vertrags) zu bestimmen und so den Vertragsinhalt rechtsgestaltend zu ergänzen bzw. zu ersetzen (BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 – B 3 KR 26/15 R – juris, Rn. 23; Föllmer, in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, Stand März 2020, § 132a SGB V Rn. 34). Wie bereits dargelegt, stellt der Schiedsspruch nach seinem Erlass die Rechtsgrundlage für Forderungen zwischen den Leistungserbringern und der Krankenkasse dar. Zur Durchsetzung hierauf gestützter Forderungen steht dem Gläubiger allein die allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zu. Denn als eigenständiger Akt der Vertragsgestaltung ersetzt der Schiedsspruch diesen und hat die Rechtswirkungen einer öffentlich-rechtlichen vertraglichen Vereinbarung (vgl. Engelmann, a.a.O.). Für Klagen auf Erfüllung vertraglicher Ansprüche aus einem öffentlich-rechtlichem Vertrag ist jedoch die allgemeine Leistungsklage statthaft (vgl. nur Nielsson in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, Stand April 2018, § 53 SGB X, Rn. 154). Für Schiedssprüche nach § 132a Abs. 2 Satz 6 SGB V a.F. gilt nichts Anderes.

3. Die Klage ist jedoch derzeit nicht begründet, denn die hier streitige Vergütungsforderung i.H.v. insgesamt 20.396,25 EUR ist noch nicht fällig geworden.

Soweit die Entscheidung des SG im Berufungsverfahren noch angefochten ist, erweist sie sich nur im Ergebnis als zutreffend. Denn die Leistungsklage, mit der die Vergütung geltend gemacht wird, ist entgegen der Ansicht des SG nicht mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, sondern nur derzeit unbegründet. Sie ist im Hinblick auf die fehlende Fälligkeit der geltend gemachten Vergütungsforderung verfrüht erhoben worden und ist deshalb "als zur Zeit unbegründet" abzuweisen (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juni 2017 – B 3 KR 31/15 R – juris, Rn. 22; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 13. Aufl. 2020, § 54 Rn. 42b m.w.N.). Insofern trifft auch die Ansicht der Beklagten, wonach das Rechtsschutzbedürfnis für die hier anhängige allgemeine Leistungsklage der Klägerin fehle, weil sie in zeitlicher Hinsicht (am 12. August 2016) nach Eingang der Klage der Beklagten in dem Verfahren S 18 KR 4297/16 (am 10. August 2016) erhoben worden sei, nicht zu.

Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist § 132a Abs. 2 Satz 6 SGB V a.F. in Verbindung mit dem Schiedsspruch vom 5. April 2016. Nach § 132a Abs. 2 Satz 1 SGB V a.F. schließen die Krankenkassen Verträge mit den Leistungserbringern über die Einzelheiten der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege (§ 37 SGB V), über die Preise und deren Abrechnung und die Verpflichtung der Leistungserbringer zur Fortbildung. Im Falle der Nichteinigung wird der Vertragsinhalt durch eine von den Vertragspartnern zu bestimmende unabhängige Schiedsperson innerhalb von drei Monaten festgelegt (§ 132a Abs. 2 Satz 6 SGB V a.F.). Im vorliegenden Fall beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 18. September 2015 bei der Schiedsperson (M. Z.) im Rahmen eines Schiedsverfahrens gemäß § 132a SGB V - wegen der Versorgung der Versicherten der Beklagten - gegenüber der Beklagten, eine zusätzliche Pflegevergütung in Höhe von 21.238 EUR nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz jährlich seit dem 10. Mai 2012 festzusetzen. Mit Schiedsspruch vom 5. April 2016 wurde die Beklagte verpflichtet, an die Klägerin für die im Zeitraum vom 20. August 2011 bis 9. Mai 2012 durchgeführte Dauerbeatmung der Versicherten der Beklagten, Frau J. M., eine Vergütung von 20.396,25 EUR zu zahlen. Darüber hinaus wurde bestimmt, dass der Betrag mit Zugang des Schiedsspruchs an die Beklagte fällig werde. Dies entnimmt der Senat dem Tenor des Schiedsspruchs vom 5. April 2016. Nach den eigenen Angaben der Beklagten ist ihr der Schiedsspruch mit Schreiben vom 11. April 2016 übersandt worden. Die Beklagte hat zwar nicht mitgeteilt, wann genau ihr der Schiedsspruch zugegangen ist. Hierauf kommt es aber nicht, weil der Schiedsspruch vom 5. April 2016 aufgrund der Ersetzungs- bzw. Feststellungsklage der Beklagten und des noch anhängigen Berufungsverfahrens L 5 KR 2097/20 noch nicht wirksam ist.

Der Schiedsspruch nach § 132a Abs. 2 Satz 6 SGB V a.F. stellt rechtstechnisch ein "Schiedsgutachten im weiteren Sinne" dar, weil der Schiedsperson die Befugnis eingeräumt wird, die Leistung (z.B. Vergütung) oder eine Leistungsmodalität (z.B. Beginn, Dauer, Höhe) zu bestimmen und dadurch den Vertragsinhalt rechtsgestaltend zu ergänzen (BSG, Urteil vom 29. Juni 2017 – B 3 KR 31/15 R – juris, Rn. 20). Allerdings erzeugt nur ein wirksames Schiedsgutachten materiell-rechtliche Wirkung (BSG, a.a.O., Rn. 21). Wird der Schiedsspruch einer Schiedsperson - wie hier im Klageverfahren S 18 KR 4297/16 bzw. nunmehr im Berufungsverfahren L 5 KR 2097/20 - wegen der Unbilligkeit des Schiedsspruchs zur gerichtlichen Überprüfung gestellt, dann kann dieses Klageziel (wie bereits dargelegt) nur durch eine Ersetzungsklage nach § 132a Abs. 2 Satz 6 SGB V a.F. in Verbindung mit § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V und § 317 Abs. 1, § 319 Abs. 1 Satz 2 BGB oder - wenn das Gericht die Festlegungen im Schiedsspruch nicht ersetzen kann - durch eine Feststellungsklage erreicht werden (BSG, Urteil vom 25. November 2010 – B 3 KR 1/10 R – juris, 30; Urteil vom 23. Juni 2016 – B 3 KR 26/15 R – juris, Rn. 17; Urteil vom 29. Juni 2017 – B3 KR 31/15 R – juris, Rn. 25 m.w.N). Prozessual handelt es sich bei der Ersetzungsklage um eine Sonderform der Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG. Bei einer solchen Klage sind die Vertragspartner die richtigen Klagegegner. Die Beklagte hat eine solche Ersetzungsklage am 10. August 2016 beim SG erhoben und zuletzt auch die Feststellung der Unwirksamkeit des Schiedsspruchs vom 5. April 2016 beantragt. Mit Urteil vom 2. Juli 2020 hat das SG in dem Verfahren S 18 KR 4297/16 festgestellt, dass der Schiedsspruch vom 5. April 2016 unwirksam sei und im Übrigen die Klage abgewiesen. Das Berufungsverfahren der Klägerin beim LSG ist noch anhängig.

Solange das Schiedsgutachten noch nicht fertiggestellt ist oder während eines sich daran anschließenden gerichtlichen (Ersetzungs- bzw. Feststellungs-)Verfahrens kann eine betroffene Forderung aber weder außergerichtlich noch gerichtlich geltend gemacht werden (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 2013 – III ZR 52/12 – juris, Rn. 28). Dies verkennt die Klägerin. Auch können keine Fälligkeits-, Verzugs- oder Prozesszinsen geltend gemacht werden (Völzmann, in: jurisPK-BGB, Stand Februar 2020, § 319 Rn. 18). Die Auffassung der Klägerin, wonach die Fälligkeit eines Anspruchs dann eintrete, wenn eine Leistungsbestimmung getroffen worden sei und dem Schuldner kein Leistungsverweigerungsrecht mehr zustehe, trifft nicht zu. Denn die gerichtliche Überprüfung des Schiedsspruchs hat zur Folge, dass die Fälligkeit der betroffenen Forderung erst mit Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung beginnt (BGH, a.a.O., Rn. 33 m.w.N.; ebenso Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. Februar 2016 – 5 S 1098/15 – juris, Rn. 15; Würdinger, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2019, § 319 Rn. 24). Diese in der zivilgerichtlichen Judikatur entwickelten und von der verwaltungsrechtlichen Rechtsprechung übernommenen Grundsätze sind auf Schiedssprüche nach § 132a Abs. 2 Satz 6 SGB V a.F. vollumfänglich übertragbar. Denn das BSG hat in seiner Entscheidung vom 29. Juni 2017 (B 3 KR 31/15 R) ausdrücklich darauf hingewiesen und klargestellt, dass der Schiedsspruch nach § 132a Abs. 2 Satz 6 SGB V a.F. rechtstechnisch ein "Schiedsgutachten im weiteren Sinne" darstellt (a.a.O., Rn. 20). Das Schiedsverfahren im Bereich der häuslichen Krankenpflege entspricht mithin einer im Zivilrecht üblichen Schlichtung, in der sich die Vertragsparteien auf die Leistungsbestimmung durch einen Dritten (§ 317 BGB) einigen. Solange aber die Wirksamkeit des Schiedsspruchs wegen gerichtlich geltend gemachter Unbilligkeit noch nicht feststeht (§ 319 Abs. 1 Satz 2 BGB), wird die hierdurch betroffene Forderung (noch) nicht fällig. Denn das Gericht ist zur subsidiären Ersatzleistungsbestimmung nach § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 319 Abs. 1 Satz 2 BGB verpflichtet, wenn die durch die Schiedsperson festgesetzte primäre Leistungsbestimmung unbillig ist. Der Ausspruch des Gerichts tritt dann an die Stelle der Leistungsbestimmung durch diese Person (BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 – B 3 KR 26/15 R – juris, Rn. 21). Erst mit dem Eintritt der Rechtskraft der Gerichtsentscheidung wird die betroffene Forderung fällig. Soweit die Klägerin meint, die Erwägungen und Ausführungen des BGH in seiner Entscheidung vom 04. Juli 2013 (III ZR 52/12) zur (aufgeschobenen) Fälligkeit seien bei Schiedssprüchen nach § 132a Abs. 2 Satz 6 SGB a.F. nicht anwendbar, weil dem Verfahren des BGH ein "Schiedsgutachten im engeren Sinne" zugrunde gelegen habe, verkennt sie, dass die ständige Rechtsprechung des BGH zur (aufgeschobenen) Fälligkeit gerade "Schiedsgutachten im weiteren Sinne" betrifft (BGH, a.a.O., Rn. 33 mit zahlreichen Nachweisen zur Rechtsprechung). Diese Rechtsprechung hat er im genannten Urteil auf "Schiedsgutachten im engeren Sinne" ausgedehnt (BGH, a.a.O., Rn. 34 ff.). Die Klägerin dringt auch mit ihrem Argument, die Beklagte sei zunächst untätig geblieben und habe mithin verspätet Klage erhoben, nicht durch. Denn eine Frist für die Klageerhebung besteht nicht (vgl. allg. Stadler, in: Jauernig, Kommentar zum BGB, 17. Aufl. 2018, § 319 Rn. 319 Rn. 8, § 315 Rn. 12). Als Grenze kommt bei illoyaler Verzögerung der Klageerhebung nur eine Verwirkung in Betracht (Würdinger, a.a.O., § 319 Rn. 23, § 315 Rn. 48). Eine Verwirkung des Klagerechts der Beklagten ist vorliegend aber nicht eingetreten. Nach ihren eigenen Angaben wurde ihr der Schiedsspruch mit Schreiben vom 11. April 2016 zugesandt. Mit Schreiben vom 5. August 2016 (Eingang beim SG: 10. August 2016), d.h. innerhalb von vier Monaten, hat sie gegen den Schiedsspruch Klage erhoben. Eine illoyale Verzögerung der Klageerhebung kann hierin nicht erblickt werden.

Etwaige andere Abreden (etwa zur vorzeitigen Fälligkeit trotz gerichtlicher Überprüfung des Schiedsspruchs wegen geltend gemachter Unbilligkeit) zwischen den Beteiligten wurden hier ausweislich des Schiedsspruchs vom 5. April 2016 nicht getroffen.

An diesem Ergebnis ändert auch die teilweise in der Rechtsprechung und Literatur vertretene Auffassung, wonach die Klage gegen einen Schiedsspruch keine aufschiebende Wirkung nach § 86a SGG habe (SG Stuttgart, Urteil vom 6. September 2012 – S 9 KR 5302/10 – juris, Rn. 55; Föllmer, a.a.O., § 132a SGB V Rn. 41), nichts. Denn der Anwendungsbereich von § 86a SGG (Widersprüche und Anfechtungsklagen) ist schon nicht eröffnet. Bei einer Klage gegen einen Schiedsspruch wegen geltend gemachter Unbilligkeit scheidet eine Anfechtungs-, Verpflichtungs- oder Neubescheidungsklage (§ 54 Abs. 1, § 131 Abs. 2 und 3 SGG) aus. Zutreffende Klageart ist - wie bereits dargelegt - die Ersetzungs- (§ 54 Abs. 5 SGG) bzw. Feststellungsklage (§ 55 SGG; vgl. BSG, Urteil vom 29. Juni 2017 – B 3 KR 31/15 R – juris, Rn. 25 m.w.N; Urteil vom 23. Juni 2016 – B 3 KR 26/15 R – juris, Rn. 17 f.; Engelmann, a.a.O., S. 160 Rn. 274.). Soweit der 6. Senat des BSG bei einem Schiedsspruch, mit dem eine Schiedsperson den Inhalt eines Vertrags zur hausarztzentrierten Versorgung festsetzt hatte, davon ausging, dass durch den Schiedsspruch ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zustande gekommen sei (Urteil vom 25. März 2015 – B 6 KA 9/14 R – juris, Rn. 36) und die Festsetzung der Schiedsperson bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens (vorbehaltlich seiner Nichtigkeit, vgl. § 58 SGB X) umzusetzen sei (a.a.O.), mithin die Pflicht zur Umsetzung des Vertrags nur durch eine einstweilige Anordnung des Gerichts nach § 86b Abs. 2 SGG beseitigt werden könne (a.a.O.), führt auch dies vorliegend zu keinem anderen Ergebnis. Denn der 3. Senat hat in Kenntnis der genannten Entscheidung des 6. Senats (vgl. nur Urteil vom 23. Juni 2016 – B 3 KR 26/15 R – juris, Rn. 27) in seinem Urteil vom 29. Juni 2017 (B 3 KR 31/15 R – juris, Rn. 20) ausdrücklich dargelegt, dass der Schiedsspruch nach § 132a Abs. 2 Satz 6 SGB V a.F. rechtstechnisch ein "Schiedsgutachten im weiteren Sinne" darstellt. Der an sich konsensual zu schließende Vertrag wird hierdurch ersetzt, sodass dessen Wirksamkeit nicht anhand der §§ 53 ff. SGB X, sondern anhand von § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. §§ 317 Abs. 1, 319 Abs. 1 Satz 2 BGB zu prüfen ist.

Mangels Fälligkeit der Klageforderung bestehen zur Zeit auch weder Ansprüche auf Verzugszinsen (§§ 288, 286 Abs. 1 Satz 1 BGB) noch auf Prozesszinsen (§ 291 BGB).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 2, 155 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

5. Die Revision wird gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

6. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 197a Abs. 1 Satz1 Halbsatz 1 SGG in Verbindung mit § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz endgültig auf 20.396,25 EUR festgesetzt.
Rechtskraft
Aus
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