L 11 KR 2111/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 3116/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 2111/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Anspruch auf Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung umfasste im Jahr 2013 auch eine Plasmapherese (Zusatzentgelt ZE36.02), wenn diese dazu diente, eine barrierefreie Transplantation zu ermöglichen.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 15.05.2019 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 29.532,61 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Im Streit steht noch die Rückforderung eines Zusatzentgelts für eine am 14.09.2013 durchgeführte Plasmapherese im Rahmen einer vollstationären Behandlung der bei der Klägerin versicherten K. B. (im Folgenden: Versicherte) im Krankenhaus des Beklagten.

Der Beklagte ist ein eingetragener Verein (Vereinsregister M. VR 3 ...), der als freigemeinnütziger Träger unter dem Namen "N. H." ein Krankenhaus betreibt, welches mit 53 Betten im Krankenhausplan des Landes Baden-Württemberg aufgenommen ist. Die 1960 geborene Versicherte litt unter einer erblichen Zystenniere und war ab dem 22.08.2012 bei terminalem Nierenversagen dialysepflichtig. Am 11.06.2013 wurden bei ihr beide Nieren operativ entfernt, um Platz für eine Spenderniere zu schaffen. Spender der Niere war ihr Ehemann. Die Versicherte wurde am 27.08.2013 zur Vorbereitung einer Lebendnierentransplantation im Krankenhaus des Beklagten stationär aufgenommen. Grund der stationären Behandlung war eine beabsichtigte Desensibilisierung der Versicherten gegen eine bestehende immunologische Barriere. Die Versicherte hat die Blutgruppe AB positiv, ihr Ehemann die Blutgruppe 0 positiv. Die Versicherte wies jedoch donor-spezifische IgG-Anti-HLA-Antikörper (DSA; donor-spezifische Antikörper) gegen ein HLA-Merkmal (HLA steht für Humane Leukozyten-Antigene) des Ehemanns auf (sog immunologische Barriere). Zwischen dem 28.08.2013 und dem 12.09.2013 wurden zehn Behandlungen mit Immunadsorption und am 14.09.2013 zwei Plasmapheresen durchgeführt. Am 16.09.2013 um 08:00 Uhr wurde die Versicherte nach erfolgreicher Desensibilisierung - die donor-spezifischen IgG-Anti-HLA-Antikörper gegen ein HLA-Merkmal des Ehemannes waren nicht mehr nachweisbar - zur Transplantation in die Chirurgische Universitätsklinik des Universitätsklinikums H. verlegt. Dort wurde bei der Versicherten ab 08:30 Uhr eine weitere Plasmapherese durchgeführt.

Der Beklagte forderte von der Klägerin mit Schlussrechnung vom 30.09.2013 (abzüglich der Eigenbeteiligung der Versicherten iHv 180 EUR) einen Betrag iHv 29.532,61 EUR. Als Fallpauschale rechnete er die DRG L60C (Niereninsuffizienz, mehr als ein Belegungstag, mit Dialyse oder äußerst schweren CC, ohne Kalziphylaxie) ab. Der Beklagte führte mehrere Prozeduren auf, darunter für den 14.09.2013 auch den OPS-Kode 8-820.01: Therapeutische Plasmapherese: Mit normalem Plasma: 2 Plasmapheresen. Für diese Prozedur rechnete der Beklagte das Zusatzentgelt 76ZE3602 (Plasmapherese: 2 Plasmapheresen) mit einem Betrag von 2.531,62 EUR ab.

Die Klägerin zahlte die geforderte Vergütung zunächst in vollem Umfang, leitete aber ein Prüfverfahren ein. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) fand in seinem Gutachten vom 24.07.2014 die Notwendigkeit der stationären Behandlung medizinisch nicht nachvollziehbar. Da keine Notfallsituation bestanden habe, hätte die Behandlung ambulant durchgeführt werden können. Auch Immunadsorption und Plasmapherese hätten nicht vollstationär durchgeführt werden müssen, da die Versicherte selbständig mobil und in gutem Allgemeinbefinden gewesen sei. Mit Schreiben vom 28.07.2014 forderte die Klägerin die Rückzahlung des gesamten Rechnungsbetrages und beauftragte den MDK auf den Widerspruch des Beklagten hin erneut mit einer Begutachtung. Im Gutachten vom 10.03.2016 kam der MDK zu demselben Ergebnis wie bereits im Gutachten vom 24.07.2014, weshalb die Klägerin erneut die Rückzahlung der Vergütung verlangte (Schreiben vom 11.03.2016 und 11.05.2016). Dieser Aufforderung kam der Beklagte nicht nach.

Am 13.10.2017 hat die Klägerin beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage erhoben und eine primäre Fehlbelegung geltend gemacht. Das SG hat den Nephrologen Dr. K. mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 31.08.2018 hat der Sachverständige die vollstationäre Behandlung für notwendig gehalten. Behandlungsziel sei die Beseitigung eines Risikos einer akuten und chronischen Abstoßung des Nierentransplantats durch Elimination von Antikörpern und Aufhebung der immunologischen Barriere (Desensibilisierung) sowie die Minimierung der Risiken aus der komplexen Behandlung mit Sicherstellung eines bestmöglichen Gesundheitszustandes punktgenau zum festgelegten Zeitpunkt der Transplantation gewesen. Die Desensibilisierung als ambitioniertes Behandlungsziel setze ein speziell geschultes ärztliches und pflegerisches Personal, ein spezialisiertes immunologisches Labor und die Infrastruktur eines Krankenhauses voraus. Beides stehe im Hause des Beklagten zur Verfügung, nicht aber in einer ambulanten Versorgung. Die Risiken der komplexen Behandlung hätten sich infolge der eng getakteten Frequenz der Maßnahmen potenziert. Die Versicherte sei zwar in gutem Allgemeinzustand aufgenommen worden. Dies beziehe sich jedoch auf die Vergleichsgruppe der Dialysepatienten und nicht einer gleichaltrigen gesunden Person. Sie habe Zeichen einer Überwässerung und die einschlägigen für Dialysepatienten charakteristischen Laborparameter aufgewiesen. Sie habe sich elf Wochen zuvor der großen Operation der Nephrektomie unterzogen. Hierdurch habe sie keine physiologische Möglichkeit der Regulierung ihres Flüssigkeitshaushaltes gehabt. Wegen der Immunadsorption sei eine komplexe Hemmung der Blutgerinnungsmittel Heparin und Citrat erforderlich gewesen. Die Immunadsorption führe regelmäßig zur Überwässerung innerhalb weniger Stunden, sichtbar an einer Zunahme von bis zu 1,9 kg oder 3 % des Sollgewichts, was zu einer unphysiologischen Belastung des Herz-Kreislauf-Systems führe. Die Behandlungen beeinträchtigten ausgeprägt die Homöostase der Immuneiweiße, was zu einem erhöhten Infektionsrisiko führe. Die Teilnahme am öffentlichen Leben einschließlich der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel sei medizinisch nicht geboten. Die langen Behandlungen seien erschöpfend, einhergehend mit dem Risiko schlechter Ernährung. Lange Transportwege seien kontraindiziert. Das Risiko für Blutungen und Kreislaufkomplikationen nach der Dialyse sei hier immer in die Abendstunden und die Nacht gefallen. Die Gefahr der Realisierung dieses Risikos habe die Infrastruktur des Krankenhauses und jederzeit präsente Ärzte sowie geschultes Personal erfordert. Dass die Risiken sich nicht realisiert hätten, sei nicht entscheidend für die ex-ante-Sicht der Ärzte. Zusätzlich liege ein Aspekt in der dienenden Funktion des Krankenhauses mit Unterkunft und Verpflegung. Den MDK-Gutachtern sei zuzustimmen, dass jede Maßnahme für sich bei bestimmten Krankheiten ambulant durchgeführt werden könne bei sehr viel größeren Abständen zwischen den Behandlungen. Die Gutachter verkennten jedoch das Behandlungsziel der Minimierung von Risiken infolge der komplexen Behandlung. Diesen habe jederzeit in der gebotenen Eile mit den spezifischen Mitteln des Krankenhauses begegnet werden müssen, auch bezüglich der Risiken der Erholungsphasen. Jede Realisierung eines Risikos hätte den Transplantationstermin gefährden können. Es habe gegolten, den relativ guten Allgemeinzustand der Versicherten trotz der strapaziösen Behandlung zu erhalten und punktgenau sicherzustellen. Dies sei durch teilstationäre, vor- oder nachstationäre oder ambulante Behandlung nicht sicherzustellen.

Die Klägerin ist dem Gutachten entgegengetreten. Abstrakte Risiken begründeten nicht die Erforderlichkeit stationärer Behandlung. Transplantationen erforderten keine stationären Behandlungen im Vorfeld.

Das SG hat den Rechtsstreit am 15.05.2019 mündlich verhandelt. Die Klägerin hat dort vortragen lassen, wenn - wie vom Gutachter angenommen - die enge Taktung der Maßnahmen den stationären Aufenthalt erforderlich gemacht habe, hätten diese in größerem Abstand erfolgen können. Prof. Dr. M. (damals Ltd Oberarzt im Krankenhaus des Beklagten, heute stellvertretende ärztliche Leitung des Nierenzentrums) hat darauf hingewiesen, dass die Vorbereitung zu einer Transplantation immer innerhalb kurzer Zeit durchgeführt werden müsse, weil sich sonst die Antikörper neu bildeten.

Mit Urteil vom 15.05.2019 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ua ausgeführt, der geltend gemachte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch in Höhe von 29.532,61 EUR stehe der Klägerin nicht zu, denn die ursprüngliche Zahlung sei nicht ohne Rechtsgrund erfolgt. Der Beklagte habe einen Vergütungsanspruch gegen die Klägerin für die Behandlung seiner Versicherten vom 27.08.2013 bis 16.09.2013 gehabt. In dem streitgegenständlichen Behandlungsfall sei zur Überzeugung des SG die vollstationäre Behandlung erforderlich gewesen. Dies habe das schlüssige Gutachten des Nephrologen Dr. K. bestätigt. Die komplexe Behandlung habe nicht auf einen längeren Zeitraum verteilt werden können, um die körperliche Anstrengung für die Versicherte zu minimieren und die Maßnahmen ambulant durchführen zu können. Das Urteil ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 29.05.2019 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden.

Am 28.06.2019 hat die Klägerin Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt und zunächst ihre bisherige Auffassung weiter vertreten. Ferner hat sie den MDK erneut mit einer Begutachtung beauftragt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 27.01.2020 die von ihm bisher vertretene Auffassung vor allem im Hinblick darauf, dass der Versicherten bereits beide Nieren entfernt worden waren, revidiert und eine primäre Fehlbelegung verneint. Zur Durchführung der Plasmapherese wird in dem Gutachten ua ausgeführt, unabhängig davon, dass es noch kein allgemein anerkanntes Vorgehen im Hinblick auf die zeitgleiche Immunsuppression gebe, zeigten einige auch randomisiert kontrollierte Studien, dass der Einsatz in der vorliegenden Konstellation einen klinischen Benefit bringen könne. Der Nutzen der Plasmapheresen in der hier vorliegenden Konstellation nach Desensibilisierung bei HLA-Inkompatibilität vor Lebendnierentransplantation sei nicht durch qualitativ hochwertige randomisiert kontrollierte Studien abgesichert. Ein einheitlicher Konsens in den Fachgesellschaften diesbezüglich sei nicht auszumachen. Ob es sich bei der vorliegenden Konstellation um eine gleichzustellende Erkrankung im Sinne § 2 Abs 1 a SGB V handele, sei nicht geklärt. Da es sich allerdings um einen durch Dialyse passager kompensierbaren Verlust handele, wäre die juristische Zuordnung als Erkrankung im Sinne § 2 Abs 1a SGB V aus medizinischer Sicht eher nicht zu erwarten. Zudem sei im vorliegenden Fall nicht plausibel dargelegt, weshalb nach erfolgreicher Desensibilisierung (siehe hierzu Befund Labor Prof. S.) nach 10-maliger lmmunadsorption auf eine Behandlung mit zweimaliger Plasmapherese umgestellt worden sei und weshalb die Plasmapheresebehandlung von den behandelnden Ärzten als notwendig erachtet worden sei, nachdem vor Plasmapherese sowohl am 09.09.2013 als auch am 11.09.2013 keine DSA (Lurninex) nach Desensibilisierung hätten nachgewiesen werden können (ELISA und lymphozytotoxischer Test seien zuvor immer negativ gewesen).

Mit Schriftsatz vom 01.04.2020 hat die Klägerin die Klage in Höhe von 27.000,99 EUR zurückgenommen. Die Rücknahme berücksichtige die Ausführungen des MDK in seinem Gutachten vom 27.01.2020 zur Notwendigkeit der stationären Behandlung. Hinsichtlich des OPS 8-820.01 und des sich daraus ableitenden Zusatzentgelts ZE36.02 bleibe die Klage ausdrücklich aufrechterhalten. Der verbleibende Betrag iHv 2.531,62 EUR entspreche insoweit dem Erstattungsanspruch der Klägerin. Die durchgeführten Plasmapheresebehandlungen seien vorliegend nach dem medizinischen Gutachten des MDK vom 23.03.2020 nicht erforderlich gewesen und gingen über den Umfang des medizinisch Notwendigen hinaus. Hervorzuheben sein vor allem, dass vor Durchführung der Plasmapherese sowohl am 09.09.2013 als auch am 11.09.2013 keine DSA mehr hätten nachgewiesen werden können. Erfolge die Transplantation – wie hier - innerhalb einer Woche nach erfolgreicher Desensibilisierung, bedürfe es keiner zusätzlichen Plasmapherese mehr.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 15.05.2019 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 2.531,62 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.04.2016 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Der Beklagte trägt im Wesentlichen vor, trotz fehlenden DSA-Nachweises seien die Plasmapheresen durchgeführt worden, weil • so die Antikörperbefunde nicht am selben Tag vorhanden seien, überbrückend bis zum Erhalt der Ergebnisse, und bis zur Transplantation weiter Antikörper eliminiert werden müssten, um einen Rebound zu verhindern; • durch die Plasmapherese die Gerinnung optimiert werden könne, die durch die Immunadsorptionen eventuell in Mitleidenschaft gezogen wurde, um so das operative Ergebnis zu verbessern; • mit der Plasmapherese zusätzlich IgM-Antikörper effektiv eliminiert würden, die bei herkömmlichen Antikörpertests teilweise übersehen werden könnten. Aus diesen Gründen sowie um den Transplantationserfolg keinesfalls zu gefährden, würden - nicht nur seitens des Beklagten, sondern von allen einschlägigen Zentren - Plasmapheresen durchgeführt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig (§§ 143, 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG), sie ist in der Sache aber nicht begründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist nur noch der von der Klägerin geltend gemachte Erstattungsanspruch in Höhe von 2.531,62 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.04.2016. Dieser Anspruch betrifft die am 14.09.2013 bei der Versicherten durchgeführten Plasmapheresen. Mit Schriftsatz vom 01.04.2020 hat die Klägerin die Klage in Höhe von 27.000,99 EUR zurückgenommen. Insoweit ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt (§ 102 Abs 1 Satz 2 SGG). Ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch (zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch bei Überzahlung von Krankenhausentgelten vgl eingehend BSG 25.10.2016, B 1 KR 9/16 R, SozR 4-5562 § 11 Nr 2; 01.07.2014, B 1 KR 24/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 2) besteht nicht. Der Beklagte hat zu Recht für die stationäre Behandlung der Versicherten unter Ansatz des OPS 8-820.01 und des sich daraus ableitenden Zusatzentgelts ZE36.02 einen Gesamtbetrag iHv 29.532,61 EUR abgerechnet.

Die Klägerin hat mit der erhobenen (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG die richtige Klageart gewählt (dazu nur BSG 14.10.2014, B 1 KR 25/13, juris; BSG 14.10.2014, B 1 KR 26/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr 3). Es handelt sich um einen sog Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und eine Klagefrist nicht zu beachten ist (BSG 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R, SozR 4-5562 § 9 Nr 5).

Der Vergütungsanspruch des Krankenhauses entsteht unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus erfolgt und iSv § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist (st Rspr BSG 16.12.2008, B 1 KN 1/07 R, BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13; BSG 08.11.2011, B 1 KR 8/11 R, BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2). Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 7 KHEntgG und § 9 KHEntgG (beide idF des Gesetzes vom 15.07.2013, BGBl I 2423) sowie § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG; ebenfalls idF vom 15.07.2013) und die Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2013 (Fallpauschalenvereinbarung 2013 - FPV-2013) einschließlich der Anlagen 1 bis 6 sowie dem durch Entscheidung der Landesschiedsstelle vom 21.09.2005 festgesetzten Vertrag nach § 112 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V über "Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung" zwischen der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft und den Verbänden der Krankenkassen mit Ausnahme der vom Bundessozialgericht (BSG) beanstandeten Regelung in § 19 Abs 2 (BSG 13.11.2012, B 1 KR 27/11 R, BSGE 112, 156 = SozR 4-2500 § 114 Nr 1). Nach § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 2 KHEntgG umfasst der Vergütungsanspruch auch die Zusatzentgelte nach dem gemäß § 9 KHEntgG auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog. Nach der Anlage 2 Zusatzentgelte-Katalog iVm mit der Anlage 5 zur FPV 2013 ergibt die zwei Plasmapheresen umfassende Prozedur OPS 8-820.01 das Zusatzentgelt ZE36.02 mit einem Betrag von 2.531,62 EUR.

Der Zahlungsanspruch des Krankenhauses korrespondiert in aller Regel mit dem Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung. Demgemäß müssen beim Versicherten bei der Aufnahme in das Krankenhaus grundsätzlich die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung sowie Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vorliegen, wobei unter Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit ein Krankheitszustand zu verstehen ist, dessen Behandlung den Einsatz der besonderen Mittel eines Krankenhauses erfordert (BSG 17.05.2000, B 3 KR 33/99 R; 13.05.2004, B 3 KR 18/03 R). Eine Krankenkasse ist nach § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V verpflichtet, die vereinbarten Entgelte zu zahlen, wenn eine Versorgung im Krankenhaus durchgeführt und iSv § 39 SGB V erforderlich (gewesen) ist. Konkret umfasst die Krankenhausbehandlung nach § 39 Abs 1 Satz 3 SGB V alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung eines Versicherten im Krankenhaus notwendig sind, insbesondere ärztliche Behandlung, Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, Unterkunft und Verpflegung. Dabei müssen Qualität und Wirksamkeit der im Krankenhaus durchgeführten Maßnahmen den in § 2 Abs 1 Satz 3, § 12 Abs 1 und § 28 Abs 1 SGB V festgelegten Qualitätskriterien, insbesondere dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen.

Der Anspruch der Versicherten auf Krankenhausbehandlung umfasste auch die am 14.09.2013 vorgenommene Plasmapherese. Die Apherese ist ein Verfahren der Blutreinigung außerhalb des Körpers, bei dem das Blut in seine zellulären und plasmatischen Komponenten (rote Blutzellen, weiße Blutzellen, Blutplättchen und Plasma) getrennt wird und Teile davon aus dem Blut entfernt werden. Der medizinische Nutzen der Plasmapherese ist hier vor dem Hintergrund der konkreten gesundheitlichen Situation der Versicherten zu beurteilen. Die Versicherte hatte sich für eine Nierentransplantation entschieden, obwohl ein Spenderorgan für eine sog barrierefreie Transplantation nicht zur Verfügung stand. Eine barrierefreie Transplantation ist durch eine Blutgruppenverträglichkeit und die Abwesenheit von Antikörpern gegen HLA-Merkmale des Spenders gekennzeichnet. Die letztgenannte Voraussetzung war im Falle der Versicherten nicht erfüllt. Die Versicherte wies donor-spezifische IgG-Anti-HLA-Antikörper gegen ein HLA-Merkmal des Ehemanns auf. Dies entnimmt der Senat dem MDK-Gutachten vom 27.01.2020. Da auch bei der hier vorhandenen HLA-Inkompatibilität eine Lebendnierentransplantation medizinisch möglich war, musste sich die Versicherte nicht darauf verweisen lassen, statt einer Transplantation eine Dialyse in Anspruch zu nehmen und möglicherweise jahrelang auf eine passende Spenderniere zu warten. Die Nierentransplantation stellt die beste Behandlung einer terminalen Niereninsuffizienz dar. Die Überlebensraten, die Gesundheit und die Lebensqualität transplantierter Patienten sind deutlich besser als die von Dialysepatienten. Zudem herrscht in Deutschland ein großer Mangel an Spenderorganen. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des MDK vom 27.01.2020. Deshalb hat die Krankenkasse alle Leistungen zu erbringen, die bei einer Transplantation bei vorhandener immunologischer Barriere medizinisch notwendig sind.

Ziel der im Krankenhaus des Beklagten vom 27.08. bis 16.09.2013 durchgeführten stationären Behandlung, deren Notwendigkeit von der Klägerin inzwischen anerkannt wird, war nach dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. K., dem sich der Senat anschließt, die Beseitigung eines Risikos einer akuten und chronischen Abstoßung eines Nierentransplantats durch Elimination von Antikörpern und dadurch die Aufhebung einer immunologischen Barriere und die Minimierung der Risiken aus der komplexen Behandlung mit Sicherstellung eines bestmöglichen Gesundheitszustands punktgenau zum festgelegten Zeitpunkt der Transplantation. Beide Ziele entsprechen dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V.

Ob die vom Beklagten durchgeführte Plasmapherese im Behandlungsjahr 2013 unabhängig von der konkret zu beurteilenden Transplantation auch dem Qualitätsgebot des § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V entsprach, bedarf hier keiner Entscheidung. Nach der genannten Vorschrift haben Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Nach § 2 Abs 1a SGB V können jedoch Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Das Bundessozialgericht (BSG) hat die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Beschluss vom 06.12.2015 (1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25) gemachten verfassungsrechtlichen Vorgaben zur grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungsrechts näher konkretisiert und dabei in die grundrechtsorientierte Auslegung auch Erkrankungen einbezogen, die mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung wertungsmäßig vergleichbar sind, wie etwa der nicht kompensierbare Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion (vgl zuletzt BSG 19.03 2020, B 1 KR 22/18 R mwN). Diese zur grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungsrechts ergangene Rechtsprechung des BSG gilt auch für die Auslegung von § 2 Abs 1a SGB V.

Der drohende Verlust der kompletten Nierenfunktion beim Empfänger einer Spenderniere durch eine Abstoßung des Transplantats ist eine Erkrankung, die einer lebensbedrohlichen Erkrankung wertungsmäßig vergleichbar ist. Ein Wegfall der Nierenfunktion (Herausfiltern ua von Stoffwechselprodukten und Flüssigkeit aus dem Blut und Ausscheiden des Filtrats als Urin) kann zwar idR durch eine Dialyse kompensiert werden. Die im MDK-Gutachten vom 27.01.2020 vertretene Ansicht, dass der Versicherten deshalb als Alternative zur Lebendnierentransplantation eine Leichennierentransplantation nach Wartezeit und bis dahin eine Dialyse zur Verfügung gestanden hätten, teilt der Senat nicht. Auch Patienten, bei denen eine Lebendspende über eine Barriere realisiert wird, haben nicht nur eine verbesserte Lebensqualität, sondern auch einen Überlebensvorteil gegenüber Patienten, die an der Dialyse verbleiben. Dies entnimmt der Senat der Stellungnahme des Prof. Dr. M. vom 29.12.2017 (Bl 54 ff der SG-Akte). Diese Aussage wird auch vom MDK nicht in Frage gestellt. Im Gutachten vom 27.01.2020 wird ebenfalls darauf hingewiesen, dass die Überlebensraten, die Gesundheit und die Lebensqualität transplantierter Patienten deutlich besser sind als die von Dialysepatienten. Insoweit ist das Gutachten des MDK auch in sich widersprüchlich, weil es auf der anderen Seite die stationäre Durchführung des komplexen Verfahrens der Desensibilisierung vor Lebendnierentransplantation bei Vorliegen von donor-spezifischen HLA-Antikörpern - und damit das Behandlungsziel - in vollem Umfang als nachvollziehbar wertet. Hat die Versicherte aber einen Anspruch auf eine Transplantation trotz bestehender immunologischer Barriere, kann ihr als Alternative zu der im Zusammenhang mit dieser Behandlung erfolgten Plasmapherese nicht der Verzicht auf eine Lebendnierentransplantation empfohlen werden.

Der Senat ist ferner davon überzeugt, dass bei einer HLA-inkompatiblen Lebendnierentransplantation durch die im Anschluss an die Immunadsorption vorgenommene Plasmapherese eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Auch dies folgt ua aus dem bereits mehrmals erwähnten Gutachten des MDK. Dort wird zusammenfassend ausgeführt, dass es zwar noch kein allgemein anerkanntes Vorgehen im Hinblick auf die zeitgleiche Immunsuppression gebe, jedoch einige, auch randomisiert kontrollierte Studien zeigten, dass der Einsatz in der vorliegenden Konstellation einen klinischen Benefit bringen könne. Dies genügt für die Annahme einer nicht ganz entfernt liegenden Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf in Form eines verminderten Risikos einer Abstoßungsreaktion. Dem steht nicht entgegen, dass bereits nach dem Abschluss der Immunadsorption am 11. oder 12.09.2013 keine Kontraindikation gegen die Transplantation mehr bestand. Das Fehlen einer Kontraindikation schließt die Aussicht auf eine nochmals verminderte Abstoßungsreaktion durch die Vornahme einer Plasmapherese nicht aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm §§ 154 Abs 2, 155 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), da weder Klägerin noch Beklagter zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG). In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 53 Abs 2 Nr 4 iVm § 52 Abs 1 GKG). Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs 3 Satz 1 GKG). Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers (§ 47 Abs 1 Satz 1 GKG). Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung maßgebend, die den Rechtszug einleitet (§ 40 GKG). Die Klägerin wandte sich mit ihrer Berufung gegen ein Urteil des Sozialgerichts, in dem der von ihr geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von 29.532,61 EUR abgewiesen wurde. Dieser Betrag ist deshalb als Streitwert festzusetzen.

Dem Umstand, dass sich der Rechtsstreit durch eine Rücknahme der Klage während des Berufungsverfahrens teilweise erledigt hat, ist nicht durch eine zeitlich gestaffelte Streitwertfestsetzung für die Gerichtsgebühren Rechnung zu tragen. Die Streitwertfestsetzung dient lediglich der Bemessung der Gerichtsgebühren. Mit der durch das 1. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (vom 05.05.2004, BGBl I 835) abgeschlossenen Einführung des Pauschalgebührensystems für die Gerichtsgebühren ist das gesamte Verfahren durch eine pauschale Verfahrensgebühr abgegolten, neben der Entscheidungsgebühren nicht mehr erhoben werden. Eine Ermäßigung der pauschalen Verfahrensgebühr tritt nur ein, wenn das gesamte Verfahren zB durch Klagerücknahme, Anerkenntnis oder Vergleich endet (vgl BT-Drs 15/1971 S 141). Nach dieser Systematik gibt es kein Bedürfnis mehr für eine zeitlich gestaffelte Streitwertfestsetzung nach GKG. In Fällen unterschiedlicher Gegenstandswerte für die anwaltliche Tätigkeit bleibt es den Beteiligten überlassen, das Antragsverfahren nach § 33 Abs 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) anzustreben, anstatt von Amts wegen im Rahmen der Streitwertfestsetzung für die Gerichtsgebühren diese Besonderheiten zu berücksichtigen. Der Senat hat daher seine früher im Beschluss vom 15.03.2016, L 11 R 5055/15 B geäußerte Auffassung aufgegeben (Beschluss vom 13.08.2020, L 11 KR 1639/20 B mwN).
Rechtskraft
Aus
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