L 7 R 592/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 1489/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 592/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 6. Februar 2019 im Rechtsstreit S 4 R 2015/18 abgeändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 16. März 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2018 verurteilt, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. September 2017 bis zum 31. Dezember 2022 zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 6. Februar 2019 im Rechtsstreit S 4 R 1489/18 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Klageverfahren S 4 R 2015/18 vor dem Sozialgericht Heilbronn sowie zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Rechtsstreit betrifft die Gewährung von Leistungen der medizinischen Rehabilitation sowie die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die Klägerin ist 1959 in der Türkei geboren und lebt seit ihrem 12. Lebensjahr im Bundesgebiet. Sie hat keinen Beruf erlernt. Sie war in der Bundesrepublik Deutschland vom 2. Mai 1974 bis 31. Januar 2000 mit Unterbrechung durch Zeiten der Arbeitsunfähigkeit und Arbeitslosigkeit vom 7. Dezember 2007 bis 31. Dezember 2008 und vom 4. November 2011 bis ca. Juli 2012 als Arbeiterin bzw. zuletzt als Verkäuferin in Teilzeit versicherungspflichtig beschäftigt. Seitdem ist sie arbeitsunfähig bzw. arbeitslos. Durch Teilabhilfebescheid vom 27. November 2013 stellte das Landratsamts L. bei der Klägerin einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 seit dem 10. Dezember 2012 sowie das Merkzeichen G fest. Die Voraussetzungen für die Merkzeichen H, aG und RF lägen nicht vor.

Bei der Klägerin wurde im Juli 2012 ein hochsitzendes Rektumkarzinom festgestellt. Es erfolgte am 17. Juli 2012 eine tiefe anteriore Rektumresektion mit End-zu-End Anastomose und Anlage eines protektiven Ileostomas. In der Folgezeit wurden zwölf Zyklen Chemotherapie durchgeführt. Der behandelnde Onkologe Dr. U. teilte am 28. März 2013 mit, dass keine Hinweise auf eine Metastasierung vorlägen. Am 18. April 2013 wurde das Ileostoma im Klinikum L. operativ rückverlagert. Die behandelnden Ärzte teilten in ihrem Bericht vom 3. Mai 2013 mit, dass bei persistierenden Durchfällen eine Wiedervorstellung in der Beckenbodensprechstunde jederzeit möglich sei.

Vom 26. Juli 2013 bis zum 16. August 2013 absolvierte die Klägerin eine stationäre onkologische Rehabilitationsmaßnahme in den W.klinik D ... Im Entlassbericht vom 16. August 2013 teilten die behandelnden Ärzte mit, dass sie über einen unregelmäßigen Stuhlgang berichtet habe, der aber in Konsistenz und Farbe unauffällig sei. Dies sei für die Klägerin psychisch besonders belastend. Es bestünde eine ausgeprägte Müdigkeit und eine Polyneuropathie an Händen und Füßen.

Am 28. November 2013 beantragte die Klägerin bei der Beklagten erstmals die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Sie gab an, dass sie aufgrund der mit dem Darmkrebs verbundenen Einschränkungen, Depression, Migräne, Wirbelsäulenleiden und Meniskusschäden erwerbsgemindert sei. Zu einer ärztlichen Untersuchung könne sie nicht kommen, da ihr ein langes Verlassen der Wohnung nicht möglich sei.

Am 24. Januar 2014 erstellte Dr. B. im Auftrag der Beklagten ein internistisches Gutachten zur Leistungsfähigkeit der Klägerin aufgrund einer ambulanten Untersuchung vom selben Tag. Dort schilderte die Klägerin, dass sie weiterhin an sehr häufigen Stuhlentleerungen in etwa fünfminütigen Abständen leide. Dies würde auch zu Entzündungen des Darmausgangs führen, welche sie mit Salben behandle, die aber nicht helfen würden. Gegenüber dem Zustand direkt nach der Darmrückverlagerung sei aber eine Besserung eingetreten. Bei der körperlichen Untersuchung habe sich die Analschleimhaut inspektorisch unauffällig gezeigt. Auch die neurologische Untersuchung habe keine Auffälligkeiten erbracht. Im psychischen Befund teilte Dr. B. mit, die Klägerin sei bewusstseinsklar und voll orientiert. Es bestünde eine leicht gedrückte Stimmungslage, aber weder inhaltliche noch formale Denkstörungen oder Störungen von Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Konzentration. Dr. B. teilte weiter mit, die Stuhlfrequenz von fünf Minuten sei nicht glaubhaft, da die Klägerin im Rahmen der über einstündigen Anamnese und Untersuchung nicht über Stuhldrang geklagt habe. Eine erhöhte Stuhlfrequenz sei nachvollziehbar, eine leistungsrelevante Inkontinenz läge aber nicht vor. Die von der Rehabilitationsklinik geschilderte erhebliche Polyneuropathie sei im Rahmen der Begutachtung nicht mehr nachvollziehbar gewesen. Dr. B. beurteilt das Leistungsvermögen der Klägerin mit wenigstens sechsstündig täglich für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts ohne besonderen Zeitdruck und ohne Nachtschicht.

Die Beklagte lehnte den Rentenantrag der Klägerin mit Bescheid vom 30. Januar 2014 ab. Im von der Klägerin angestrengten Widerspruchsverfahren legte sie ein Attest ihres behandelnden Internisten Dr. S. vom 6. März 2014 vor, in dem dieser angab, die Klägerin leide an einem Kurzdarmsyndrom mit dauerhaftem Durchfall und schmerzhaften Stuhlentleerungen mindestens fünf- bis sechsmal täglich, an einer Depression mit Zukunftsangst, an einer Schmerzerkrankung und an einer Polyneuropathie beider Beine nach Chemotherapie. Sie sei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht über zwei Stunden täglich vermittelbar. Nach Hinweis der Beklagten, dass der Widerspruch verfristet sei, aber als Überprüfungsantrag verstanden werde, nahm die Klägerin ihren Widerspruch zurück.

Durch Bescheid vom 15. April 2014 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung erneut ab. Im Bescheid gab sie an, dass dieser aufgrund des Überprüfungsantrags vom 6. März 2014 ergangen sei. Gegen den Bescheid vom 15. April 2014 erhob die Klägerin am 13. Mai 2014 Widerspruch.

In einem von der Beklagten angeforderten Befundbericht des Dr. S. vom 6. Oktober 2014 teilte er mit, dass bei der Klägerin im Rahmen der letzten Untersuchung am 28. Juli 2014 eine Depression, schmerzhafte Bewegungseinschränkungen der Lendenwirbelsäule und im Nackenbereich, Gonarthrose in beiden Knien, ein diffuser Druckschmerz im Bauch sowie lebhafte Darmgeräusche festgestellt worden sei. Die Klägerin sei hauptsächlich an die Wohnung gebunden, allerdings in Begleitung ihres Ehemannes reisefähig mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Ob eine Besserung der Leistungsfähigkeit möglich sei, könne er nicht beurteilen. Er legte seinem Bericht einen Befundbericht des Psychiaters und Neurologen Dr. R. vom 10. März 2014 bei, der mitteilte, dass sich die Klägerin an diesem Tag nach drei Jahren wieder bei ihm vorgestellt hätte. Es bestünde eine Dysthymia und sich darauf in Form von Double Depression verschlechternde rezidivierende mittel- bis schwergradige depressive Episoden, derzeit eine mittelgradige. Die Klägerin müsse alle drei bis vier Stunden auf die Toilette und leide unter schmerzhaften Stuhlentleerungen mit häufigen Durchfällen, mindestens fünf bis sechsmal täglich. Außerdem legte Dr. S. den Befund der letzten Nachsorge-Rektoskopie vom 10. Juli 2014 vor, welche einen unauffälligen Befund zeigte. Dort wird eine wechselhafte Stuhlfrequenz und -qualität (bis zu zehnmal pro Tag) beschrieben, die Klägerin sei aber kontinent.

Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2014 zurück. Die Klägerin sei trotz ihrer Gesundheitsstörungen weiterhin in der Lage, leichte und mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes wenigstens sechs Stunden täglich zu verrichten.

Hiergegen erhob die Klägerin beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage (S 3 R 123/15). Sie legte unter anderem einen Antrag auf eine Rehabilitationsmaßnahme ihres behandelnden Psychiaters Dr. R. an die Beklagte vom 27. Januar 2015 vor. Darin teilt er mit, dass er durch eine Rehamaßnahme eine starke Besserung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen erwarte, allerdings nicht, dass die bisherige berufliche Tätigkeit wieder ausgeführt werden könne. Reisefähigkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln bestünde nicht.

Das SG befragte Dr. S. und Dr. R. als sachverständige Zeugen. Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. R. teilte unter dem 16. Februar 2015 mit, dass er die Klägerin seit 13. November 2007 etwa zwei- bis dreimal im Quartal behandle. Sie leide auf nervenärztlichem Fachgebiet an einer rezidivierenden depressiven Störung, z.Zt. mittelgradig, an einer Dysthymia und an einer sozialen Phobie. Aufgrund der schwerwiegenden körperlichen Erkrankungen (Kolonkarzinom-OP und Polyneuropathie) halte er die Klägerin für arbeitsunfähig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und habe zum Rentenantrag geraten. Zuvor sollte aber eine psychosomatische Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt werden. Aufgrund der sozialen Phobie verbunden mit der schweren Darmproblematik sei die Klägerin weder in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, noch Wegstrecken zu Fuß zurückzulegen. Dr. S. teilte unter dem 19. Februar 2015 mit, dass er die Klägerin seit dem 24. März 2003 hausärztlich/internistisch betreue. Sie leide an einem Verwachsungsbauch/Narbenschmerzen, Depression mit Zukunftsangst und multiplen Somatisierungsstörungen, einer Schlafstörung, Konzentrationsstörungen und innerlicher Unruhe. Außerdem bestünde ein chronisches Wirbelsäulensyndrom vorwiegend der Lendenwirbelsäule bei Hyperlordose mit spinaler Schmerzausstrahlung in beide Beine und Gonarthrose beidseits mit einer schmerzhaften Bewegungsstörung. Auf internistischem Fachgebiet lägen bei der Klägerin Adipositas, arterielle Hypertonie und Hashimoto Thyreoditis mit latenter Schilddrüsenunterfunktion vor. Sie leide aufgrund ihrer Erkrankungen an unkontrollierten Stuhlabgängen, Durchfällen, übelriechenden Blähbeschwerden, Schmerzen im Bauchbereich sowie fehlender Leistungsfähigkeit, Energieverlust, Müdigkeit und Schmerzen. Bei ihr sei daher kein berufliches Leistungsvermögen mehr gegeben. In qualitativer Hinsicht sei Arbeit gemeinsam mit anderen Menschen zu vermeiden, außerdem müsse eine Toilette in der Nähe sein. Schließlich dürften werden Konzentration noch Ausdauer oder körperliche Belastung vorausgesetzt werden. Die Klägerin sei auch nicht in der Lage, übliche Wege zu und von der Arbeitsstelle zurückzulegen. Ihre Gehstrecke betrage 100 Metern. Üblicherweise fahre ihr Ehemann sie zur Praxis.

Im Auftrag des SG erstellte Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie Dr. M. aufgrund einer ambulanten Untersuchung der Klägerin vom 2. Oktober 2015 ein Sachverständigengutachten vom 17. Oktober 2015. Im Rahmen der Anamnese teilt die Klägerin mit, sie leide an einer erhöhten Stuhlfrequenz mit zehn bis fünfzehn Stuhlgängen pro 24 Stunden. Typisch sei, dass es nach dem Aufstehen zu mehrfachen Entleerungen (drei- bis fünfmal) mit einer Dauer von 30 Minuten käme. Nach dem Frühstück käme es nach 30 bis 60 Minuten erneut zu repetitiven Entleerungen (drei- bis fünfmal), ebenso am Abend und nachts. Es kämen immer kleine Portionen, manchmal auch nur Luft. Außerdem bestünde ein Analekzem. Als Ergebnis der körperlichen Untersuchung teilte Dr. M. mit, dass die Bauchdecken weich und deutlich adipös seien. Die Palpation und die Narbenverhältnisse seien unauffällig, der After sei nicht gerötet. Im Hinblick auf die Psyche beschrieb er, dass die Klägerin zu Zeit, Ort, Person und Situation voll orientiert und kooperativ sei. Die Fragen würden prompt beantwortet, tendenziell würde die Symptomatik plakativ dargestellt, jedoch nicht übertrieben wirkend. Er teilte weiter mit, dass die therapeutischen Möglichkeiten begrenzt, aber bei der Klägerin nicht ausgeschöpft seien. Medikamentös seien Loperamid, Tinctura opii oder Colestyramin möglich. Operativ könne auch ein endständiges Stoma angelegt werden, was dazu führen würde, dass die Durchfälle aufhörten. Dies würde von der Klägerin aber kategorisch abgelehnt. Die Beschwerden der Klägerin seien plausibel und nachvollziehbar. Seiner Ansicht nach bestehe bereits seit der Ileostomarückverlegung eine vollständige Erwerbsminderung. Die Rente solle aufgrund der bestehenden Therapiemaßnahmen aber auf drei Jahre begrenzt werden. Auch seien die Durchfälle als recht unkontrollierbar einzuschätzen, so dass die Klägerin nicht in der Lage sei, den Arbeitsplatz zu erreichen. In einer ergänzenden Stellungnahme zu Einwendungen der Beklagten gab Dr. M. an, dass zwar die Therapiebemühungen nicht ausgeschöpft seien, aber es nicht zu erwarten sei, dass eine entscheidende Besserung eintrete. Die häufige Stuhlfrequenz müsse natürlich geglaubt werden. Er habe auch Patienten, die selbst bei schweren Durchfallsymptomatiken keine Hautprobleme im Perianalbereich hätten. Während der Untersuchung sei die Klägerin zweimal auf Toilette gewesen.

Sodann bestellte das SG Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. V. zum gerichtlichen Sachverständigen ein. In seinem Gutachten vom 2. Mai 2016 aufgrund einer ambulanten Untersuchung vom 20. April 2016 teilte Dr. V. mit, dass die Klägerin dort im Rahmen der Anamnese zehn bis zwanzig Stuhlgänge pro Tag beklagt habe. Sie müsse etwa eine Stunde nach der Nahrungsaufnahme mehrmals auf die Toilette. Sie könne das Haus aber nüchtern verlassen. Wenn sie in ein Restaurant gehe, müsse sie bald nach Hause, weil dann die Stuhlgänge einsetzen würden. Daher würde sie nur noch selten ein Café oder ein Restaurant aufsuchen. Einkäufe könnten nüchtern gemeinsam mit ihrem Ehemann erledigt werden. Die Schwiegereltern in Mannheim würden nur noch ein bis zweimal pro Jahr besucht. Im Rahmen der neurologischen Untersuchung stellte Dr. V. ein herabgesetztes Vibrationsempfinden an den Großzehengrundgelenken fest. Im Rahmen des psychischen Befunds beschrieb Dr. V., dass die emotionale Schwingungsfähigkeit eingeschränkt, aber nicht aufgehoben sei. Die Auffassung erscheine ungestört. Die Psychomotorik sei eher lebhaft, die Beschwerden würden wortreich geschildert. Konzentration und Gedächtnis seien ungestört. Es würden sich keine Hinweise auf kognitive und mnestische Defizite ergeben. Auch Ängste, Zwänge, Wahn- oder Ich-Störungen lägen nicht vor. Bei der Klägerin bestünde eine Anpassungsstörung mit Depressivität und Ängsten, eine Migräne ohne Aura und eine leichte Polyneuropathie. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht sei die Klägerin sowohl in ihrem zuletzt ausgeübten Beruf als Bäckereiverkäuferin als auch für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts vollschichtig leistungsfähig. Die psychische Erkrankung sei nicht ausreichend behandelt. Allerdings sei beim Einsatz der Klägerin zu beachten, dass Tätigkeiten mit Nachtschichten, im Akkord, mit besonderer Anforderung an die Stresstoleranz, an die Konzentrationsfähigkeit und an das Gedächtnis nicht mehr leidensgerecht seien.

Das SG wies die Klage im Rechtsstreit S 3 R 123/15 mit Urteil vom 23. Februar 2017 ab. Die Klägerin sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Aus den wechselhaften Angaben der Klägerin und der behandelnden Ärzte zum Stuhlgang der Klägerin werde deutlich, dass ein unkritisches Übernehmen der Angaben der Klägerin nicht angezeigt sei, da im Verlauf des Rentenverfahrens die Beschwerden immer schlimmer geschildert würden, obwohl noch nach eigener Angabe der Klägerin bei Dr. B. eine Besserung seit der Rückverlagerung des Ileostomas eingetreten sei. Aus der Anamnese des Dr. M. im Hinblick auf die Stuhlfrequenz und den Angaben der Klägerin zum Tagesablauf und ihren Einschränkungen bei Dr. V. ergebe sich eindeutig, dass eine quantitative Leistungsminderung nicht vorliege. Dr. M. beschreibe, dass es nach dem Aufstehen und nach dem Frühstück zu repetitiven Entleerungen komme, ebenso am Abend und nachts. Für die Kammer sei nicht ersichtlich, weshalb dann zwischen diesen repetitiven Entleerungen eine berufliche Tätigkeit nicht möglich sein sollte. Auch Dr. R. beschreibe in seinem Befundbericht vom 10. März 2014, dass die Klägerin alle drei bis vier Stunden auf die Toilette müsse, was ebenfalls einer Erwerbstätigkeit nicht entgegenstehe. Dr. M. erkläre nicht, weshalb dies in ihrem Falle ausgeschlossen sein sollte. Bei Dr. V. habe die Klägerin mitgeteilt, dass sie Einkäufe gemeinsam mit ihrem Mann ausführen könne, wenn sie nüchtern sei, und auch die Schwiegereltern in Mannheim könnten ein bis zweimal pro Jahr mit dem Auto besucht werden. Dabei dauere die Fahrt von Kornwestheim nach Mannheim wenigstens eineinhalb Stunden mit dem PKW. Auch insoweit sei bereits fraglich, weshalb Dr. S. bescheinige, dass nur maximal 30 Minuten mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt werden könnten. Aber selbst wenn lediglich über 30 Minuten eine Strecke zurückgelegt werden könne, ohne dass ein imperativer Stuhldrang auftrete, so widerspreche dies jedenfalls einer quantitativen Leistungseinschränkung. Denn in nahezu jedem Beruf sei es möglich, innerhalb von einer halben Stunde eine Toilette aufzusuchen. Die Klägerin sei kontinent, was das Gericht dem Bericht über die Nachsorge-Rektoskopie vom 10. Juli 2014 entnehme. Selbst wenn man unter Berücksichtigung der extremsten Angaben der Klägerin (20 mal Stuhlgang pro Tag im Abstand von fünf Minuten) eine derzeit bestehende quantitative Leistungsminderung annehmen würde, so wäre diese nicht dauerhaft. Denn Dr. M. mache deutlich, dass die Therapieoptionen bei der Klägerin keinesfalls ausgeschöpft seien. Er verweise auf drei alternative medikamentöse Behandlungsoptionen und insbesondere auch auf die Möglichkeit der Anlage eines Stomas, welches die Durchfälle beenden würde. Dies werde von der Klägerin abgelehnt, was bereits gegen einen erheblichen Leidensdruck ihrerseits spreche. Auch aus den Erkrankungen auf nervenärztlichem Gebiet resultiere keine dauerhafte quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin. Es besteht schließlich auch keine Einschränkung der Wegefähigkeit.

Am 14. September 2017 beantragte die Klägerin erneut Rente wegen Erwerbsminderung (zweiter Rentenantrag).

Im Auftrag der Beklagten erstellte die Ärztin für Chirurgie und Viszeral-Chirurgie Dr. B.-K. aufgrund einer Untersuchung der Klägerin vom 19. Februar 2018 ein ärztliches Gutachten. Sie diagnostizierte einen häufigen Stuhldrang mit gelegentlicher Inkontinenz nach Enddarmkrebsoperation im Juni 2012, ein starkes Übergewicht (BMI 42,5), eine verminderte Belastbarkeit der Lendenwirbelsäule bei mutmaßlich degenerativen Veränderungen ohne Hinweis auf Nervenwurzelirritation, verminderte Belastbarkeit des linken Kniegelenkes bei degenerativen Veränderungen ohne Funktionseinbußen und arteriellen Bluthochdruck (medikamentös am Untersuchungstag nicht vollständig ausreichend eingestellt) sowie eine vorbeschriebene Anpassungsstörung mit Depressivität und Ängsten, eine vorbeschriebene Migräne ohne Aura, eine vorbeschriebene leichte Polyneuropathie nach Chemotherapie, einen Zustand nach Carpaltunnelsyndromoperation links, Zustand nach Bauchdeckenstraffung 2011, Zustand nach Blinddarmentfernung, Zustand nach Spaltung eines Mamma-Abszesses links sowie Fehlsichtigkeit. Die Klägerin könne als Verkäuferin in einer Bäckerei nur noch unter drei Stunden täglich erwerbstätig sein. Leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könnten bei Beachtung von Einschränkungen des Bewegungs- und Haltungsapparates sechs Stunden und mehr täglich verrichtet werden. Ein erneutes stationäres Heilverfahren sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht indiziert.

Die Beklagte lehnte den (zweiten) Antrag der Klägerin auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung vom 14. September 2017 mit Bescheid vom 16. März 2018 ab. Die Klägerin könne noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein. Solche Tätigkeiten seien der Klägerin aufgrund ihres beruflichen Werdeganges auch zumutbar. Auch Berufsunfähigkeit liege daher nicht vor.

Gegen den Bescheid vom 16. März 2018 erhob die Klägerin am 3. April 2018 Widerspruch. Sie sei aufgrund der dauerhaften Folgen der im Juni 2012 vorgenommenen Enddarmoperation außerstande, unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Als bleibende Folge des besagten Eingriffs leide sie unter ständigem Stuhldrang und müsse nach jeder Mahlzeit im Abstand von 15 bis 30 Minuten die Toilette aufsuchen. Des Weiteren sei sie häufig für längere Zeit außerstande, das WC zu verlassen, weswegen eine geregelte Tätigkeit an einem Arbeitsplatz gleich welcher Art ausgeschlossen erscheine. Sie könne auch keine Strecken über 30 km und keine Fahrzeiten über 30 Minuten zurücklegen. Eine Änderung dieses Zustandes sei nach Auskunft der Ärzte nicht mehr zu erwarten (Vorlage eines entsprechenden ärztlichen Attests des Dr. S. vom 13. Juli 2015).

Bereits am 16. Februar 2015 hatte die Klägerin die Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation beantragt. Die Beklagte hatte den Antrag mit Bescheid vom 10. März 2015 abgelehnt. Eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation sei nicht erforderlich. Es bestehe auch aus anderen Gründen kein Rehabilitationsbedarf nach den Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX). Eine Krankenbehandlung im Rahmen der Krankenversicherung sei ausreichend. Gegen den Bescheid vom 10. März 2015 hat die Klägerin am 18. März 2015 Widerspruch erhoben. Einen weiteren Antrag der Klägerin auf Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation vom 12. Februar 2016 hatte die Beklagte mit Bescheid vom 3. August 2016 abgelehnt. Hiergegen hatte die Klägerin am 7. September 2016 Widerspruch erhoben.

Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 10. März 2015 (Reha-Leistungen) sowie den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 3. August 2016 (ebenfalls Reha-Leistungen) mit Widerspruchsbescheid vom 25. April 2018 zurück. Bei der Klägerin bestehe ein häufiger Stuhldrang mit gelegentlicher Inkontinenz nach Enddarmkrebsoperation im Juni 2012, starkes Übergewicht, eine verminderte Belastbarkeit der Lendenwirbelsäule bei mutmaßlich degenerativen Veränderungen ohne Hinweis auf Nervenwurzelirritationen, eine verminderte Belastbarkeit des linken Kniegelenkes bei degenerativen Veränderungen ohne Funktionseinbußen, arterieller Bluthochdruck (medikamentös am Untersuchungstag nicht vollständig ausreichend eingestellt), eine Anpassungsstörung mit Depressivität und Ängsten, Migräne ohne Aura sowie leichte Polyneuropathie nach Chemotherapie. Es ergäben sich keine Anhaltspunkte für eine erhebliche Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit. Aufgrund der vorliegenden Diagnosen bestehe ein sechs- und mehrstündiges Leistungsvermögen für leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten in überwiegend sitzender Körperhaltung mit Wechsel zu zeitweisem Gehen und Stehen. Ein erneutes Heilverfahren sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht indiziert. Eine Krankenbehandlung im Rahmen der Krankenversicherung sei ausreichend.

Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 16. März 2018 (Erwerbsminderungsrente) mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 2018 zurück. Unter Berücksichtigung aller Gesundheitsstörungen und der sich daraus ergebenden funktionellen Einschränkungen bei der Ausübung von Erwerbstätigkeiten seien keine Auswirkungen ersichtlich, die das Leistungsvermögen der Klägerin für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zeitlich einschränkten. Ihr seien daher noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung, mit überwiegendem Sitzen, ohne Schichtarbeit, ohne Publikumsverkehr, ohne Präsenzpflicht, ohne häufiges Bücken, ohne häufiges Hocken, ohne Zwangshaltungen der Wirbelsäule sowie ohne Schutzkleidung sechs Stunden und mehr täglich zumutbar. Als Bäckereiverkäuferin sei die Klägerin noch unter drei Stunden einsatzfähig. Die sozialmedizinisch relevante Gehstrecke von täglich viermal 500 Metern sei ihr zumutbar. Auch sei sie in der Lage, einen PKW zu nutzen, um einen Arbeitsplatz zu erreichen. Einschränkungen, die darin bestünden, dass die Klägerin aufgrund ihrer Erkrankung häufiger eine Toilette aufsuchen müsste, stünden einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu betriebsüblichen Bedingungen nicht entgegen.

Am 8. Mai 2018 hat die Klägerin Klage beim SG gegen die Bescheide vom 10. März 2015 und 3. August 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2018 erhoben (S 4 R 1489/18). Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Das SG hat behandelnde Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. R. hat unter dem 10. Juli 2018 die Diagnosen einer rezidivierenden depressiven Störung mittel- bis schwergradig, einer Dysthymia und einer sozialen Phobie auf seinem Fachgebiet mitgeteilt. Es bestünden weiterhin massive innere Unruhezustände, Schlafstörungen, Grübelzwang und starke Zukunftsängste, Antriebsstörungen, welche zusätzlich durch die Krebserkrankung verschärft würden, so dass keine Belastbarkeit mehr vorhanden sei. Aus fachärztlicher Sicht sei die Erwerbsfähigkeit der Klägerin äußerst gemindert, seines Erachtens seit 2017 auf dem Niveau "Null" angelangt. Eine stationäre Rehamaßnahme würde aus seiner Sicht keine Besserung der Leistungsfähigkeit garantieren. Ein von der Klägerin nach § 109 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beantragtes Gutachten bei Dr. L. konnte nicht erstellt werden, nachdem die Klägerin mitgeteilt hatte, dass sie aufgrund ihrer Stuhlkontinenz kaum noch aus dem Haus kommen könne, eine längere Wegstrecke als zehn bis fünfzehn Minuten ausgeschlossen sei und es ihr daher nicht möglich sei, zur Begutachtung nach F. anzureisen.

Am 2. Juli 2018 hat die Klägerin beim SG Klage gegen den Bescheid vom 16. März 2018 erhoben (S 4 R 2015/18). Als bleibende Folge der Enddarmoperation leide sie unter ständigem Stuhldrang und müsse nach jeder Mahlzeit von 15 bis 30 Minuten Toiletten aufsuchen. Des Weiteren sei sie häufig für längere Zeit außerstande, das WC zu verlassen, weswegen eine geregelte Tätigkeit an einem Arbeitsplatz gleichwelcher Art ausgeschlossen erscheine. Seit Abschluss des Verfahrens S 3 R 123/15 habe sich ihr Zustand deutlich verschlechtert. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat u.a. auf das Urteil des SG vom 23. Februar 2017 (S 3 R 123/15) verwiesen und eine sozialmedizinische Stellungnahme des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. N. vom 16. November 2018 vorgelegt.

Das SG hat die Klagen mit Gerichtsbescheiden vom 6. Februar 2019 abgewiesen. Aus den vorliegenden objektiven Befunden lasse sich eine Minderung oder Gefährdung der Erwerbsfähigkeit nicht ableiten, so dass ein Anspruch auf Rehabilitationsleistungen nicht bestehe. Auch ein Anspruch auf Erwerbsminderungsrente bestehe nicht. Die Klägerin sei noch in der Lage, eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne Gefährdung ihrer Gesundheit mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Es bestehe auch keine Berufsunfähigkeit. Sie sei zuletzt als Arbeiterin und Verkäuferin in einer Bäckerei versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Selbst bei Einordnung dieser Tätigkeit als einfache Angelernte der Stufe II müsse sie sich auf ungelernte Berufe der Stufe I verweisen lassen. Die Benennung einer Verweisungstätigkeit sei daher nicht erforderlich.

Die Klägerin hat am 20. Februar 2019 Berufung gegen den Gerichtsbescheid im Verfahren S 4 R 1489/18 eingelegt (L 7 R 592/19). Am 4. März 2019 hat die Klägerin zudem Berufung gegen den Gerichtsbescheid im Verfahren S 4 R 2015/18 eingelegt (L 7 R 746/19). Der Senat hat die Rechtsstreitigkeiten L 7 R 746/19 und L 7 R 592/19 mit Beschluss vom 8. April 2019 unter dem hiesigen Aktenzeichen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Die Klägerin trägt vor, sie sei unabhängig voneinander sowohl aufgrund ihres Kurzdarmsyndroms nach Ileostomarückverlegung mit chronischen Durchfällen als auch wegen der ausgeprägten Polyneuropathie an Händen und Füßen nicht in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Sie verweist auf das Gutachten des Dr. M ... Ihr Zustand habe sich seit Oktober 2018 derart verschlimmert, dass sie aufgrund der Stuhlinkontinenz kaum mehr als zehn bis fünfzehn Minuten aus dem Haus komme.

Die Klägerin beantragt,

die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Heilbronn vom 6. Februar 2019 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 10. März 2015 und vom 3. August 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2018 zu verurteilen, ihr Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu gewähren sowie die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 16. März 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2018 zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. September 2017 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Die Beklagte verweist auf ihr bisheriges Vorbringen sowie die erstinstanzlichen Gerichtsbescheide. Durch Dr. B.-K. sei am 19. Februar 2018 keine Wegeunfähigkeit bescheinigt worden. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass die Klägerin im Rahmen der Begutachtung noch angegeben habe, dass sie eine Fahrerlaubnis und ein Auto habe und auch selbst Auto fahre. Sie könne nüchtern aus dem Haus gehen, um z.B. nach Mannheim zu fahren, besuche auch Restaurants, gehe mit dem Ehemann bzw. der Tochter einkaufen. Im Gutachten von Dr. B.-K. werde bescheinigt, dass der Stuhlgang durch eine Steuerung der Nahrungsaufnahme beeinflusst werden könne. Medizinisch stehe eine Enddarmerkrankung im Vordergrund und keine Stuhlinkontinenz. Es sei nicht so, dass die Klägerin von einem Augenblick auf den anderen alles stehen- und liegenlassen müsse, um sofort und rechtzeitig auf die Toilette zu gelangen. Auch in den Gutachtenssituationen hätte sich kein Anhalt für eine Stuhlinkontinenz ergeben. Gegen eine Wegeunfähigkeit sprächen nicht nur die von den Gutachtern erhobenen Alltagsaktivitäten, sondern auch die Tatsache, dass die Klägerin durchaus in der Lage gewesen sei, die Strecken zur Begutachtung zurückzulegen. Des Weiteren habe die Klägerin im ersten Rentenantragsverfahren bzw. Klageverfahren im Rahmen der Anamnese bei Dr. R., Dr. M. und Dr. F. geschildert, dass die Beschwerden bezüglich des Stuhlgangs immer schlimmer geworden seien. Im Rahmen der Anamnese bei Dr. B. habe die Klägerin berichtet, dass seit der Rückverlagerung des Ileostomas eine Besserung eingetreten sei. Während der etwa einstündigen Anamneseerhebung und Untersuchung habe die Klägerin nicht über Stuhlgang geklagt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge, die Akte des SG im Verfahren S 3 R 123/15 sowie die beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die gemäß § 143 SGG statthaften und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegten Berufungen der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 124 Abs. 2 SGG), sind auch im Übrigen zulässig. Sie bedurften insbesondere nicht der Zulassung, da die Klägerin jeweils die Gewährung von Leistungen von mehr als 750,00 Euro begehrt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).

2. Die Berufung der Klägerin ist hinsichtlich des Rentenbegehrens auch weitgehend begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht insgesamt abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 16. März 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2018 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat ab dem 1. September 2017 (vgl. § 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI) einen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung, allerdings lediglich als Zeitrente (dazu nachfolgend unter 2.d)).

a) Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit eines Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle in zumutbarer Zeit aufsuchen zu können. Hat – wie hier – der Versicherte keinen Arbeitsplatz und wird ihm ein solcher auch nicht angeboten, bemessen sich die Wegstrecken, deren Zurücklegung ihm möglich sein müssen, – auch in Anbetracht der Zumutbarkeit eines Umzugs – nach einem generalisierenden Maßstab, der zugleich den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung trägt. Dabei wird angenommen, dass ein Versicherter für den Weg zur Arbeitsstelle öffentliche Verkehrsmittel benutzen und von seiner Wohnung zum Verkehrsmittel sowie vom Verkehrsmittel zur Arbeitsstelle und zurück Fußwege absolvieren muss. Eine (volle) Erwerbsminderung setzt danach grundsätzlich voraus, dass der Versicherte nicht vier Mal am Tag Wegstrecken von über 500 Metern mit zumutbarem Zeitaufwand (also jeweils innerhalb von 20 Minuten) zu Fuß bewältigen und ferner zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren kann (so – auch zum Folgenden – Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 79/11 R – juris Rdnr. 20 m.w.N.). Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen. Dazu gehört z.B. auch die zumutbare Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeuges.

b) Nach diesen Maßstäben steht zur Überzeugung des Senats fest, dass bei der Klägerin volle Erwerbsminderung jedenfalls seit dem 1. September 2017 aufgrund fehlender Wegefähigkeit vorliegt. Ob die Klägerin auch hinsichtlich der beruflichen Leistungsfähigkeit in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt ist, kann daher dahinstehen.

Aufgrund des Gesamtergebnisses der Beweisaufnahme, einschließlich der in den Verwaltungsverfahren und früheren Gerichtsverfahren eingeholten ärztlichen Äußerungen, die der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwerten kann (vgl. BSG, Beschluss vom 14. November 2013 – B 9 SB 10/13 B – juris Rdnr. 6; BSG, Urteil vom 5. Februar 2008 – B 2 U 8/07 R – juris Rdnr. 51), steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin in Folge der bereits im Jahr 2012 erfolgten, krebsbedingten Operationen unter einem Kurzdarmsyndrom leidet.

Dass die Klägerin unter häufigen Durchfällen leidet, zieht sich durch ihre Krankheitsgeschichte seit der Operation im Jahr 2012. Bereits im Arztbericht vom 3. Mai 2013 wird der Klägerin empfohlen, sich bei persistierenden Durchfällen in der Beckenbodensprechstunde vorzustellen. Im Reha-Entlassbericht vom 16. August 2013 wird über unregelmäßigen Stuhlgang berichtet. Im Rahmen des ersten Rentenantrages gab die Klägerin an, zu einer ärztlichen Untersuchung nicht kommen zu können, da ihr ein langes Verlassen der Wohnung nicht möglich sei. Gegenüber dem Gutachter Dr. B. schilderte die Klägerin am 24. Januar 2014, dass sie weiterhin an sehr häufigen Stuhlentleerungen in etwa fünfminütigen Abständen leide. Im von der Klägerin vorgelegten Attest des Dr. S. vom 6. März 2014 berichtet dieser von einem Kurzdarmsyndrom mit dauerhaftem Durchfall und schmerzhaften Stuhlentleerungen mindestens fünf bis sechs Mal täglich. Im Befundbericht des Dr. R. vom 10. März 2014 wird berichtet, dass die Klägerin alle drei bis vier Stunden auf die Toilette müsse. Im Befundbericht der Nachsorge-Rektoskopie vom 10. Juli 2014 wird eine wechselhafte Stuhlfrequenz und -qualität beschrieben. In seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 19. Februar 2015 berichtet Dr. S. unter anderem über unkontrollierte Stuhlabgänge und Durchfälle der Klägerin. Gegenüber den Sachverständigen Dr. M. gab die Klägerin am 2. Oktober 2015 an, unter einer erhöhten Stuhlfrequenz mit zehn bis fünfzehn Stuhlgänge pro 24 Stunden zu leiden. Gegenüber dem Sachverständigen Dr. V. berichtete die Klägerin am 20. April 2016 über zehn bis zwanzig Stuhlgänge pro Tag.

Hieraus folgt zur Überzeugung des Senats, dass die Klägerin regelmäßig unter häufigen und unkontrollierbaren Darmentleerungen leidet, die es erforderlich machen, sich stets in der Nähe einer Toilette aufzuhalten. Dass die Angaben der Klägerin zur Häufigkeit unkontrollierten Stuhldrangs im Laufe der Zeit wechselhaft waren, stellt entgegen der Auffassung der Beklagten deren Plausibilität nicht in Frage. Angesichts der – unstreitigen – operativen Darmverkürzung ist das geschildete Krankheitsgeschehen ohne Weiteres nachvollziehbar. Dass sich dieses nicht jeden Tag in exakt derselben Weise vollzieht und auch im langfristigen Verlauf Veränderungen unterliegt, ist dabei ebenso plausibel. Auch der Sachverständige Dr. M. hat in seinem Gutachten vom 17. Oktober 2015 die von der Klägerin geschilderten Beschwerden ausdrücklich für plausibel und nachvollziehbar erachtet; dem schließt sich der Senat an.

Der Senat ist daher überzeugt, dass es der Klägerin nicht in zumutbarer Weise möglich ist, eine Arbeitsstätte aufzusuchen. Angesichts der Notwendigkeit, jederzeit eine Toilette aufsuchen zu müssen, kann sie nicht auf die Verwendung öffentliche Verkehrsmittel verwiesen werden, da diese entweder (etwa Busse oder Straßenbahnen) gar keine Toiletten oder (etwa Regionalverkehrszüge) Toiletten nicht in quantitativ ausreichender und funktionell zuverlässiger Weise haben (vgl. Urteil des Senats vom 17. Mai 2018 – L 7 R 1029/16 – n.v.). Die Möglichkeit der Klägerin, eine Wegstrecke von 500 Metern zu Fuß zurückzulegen, reicht für die Wegefähigkeit nicht aus, da das Zurücklegen einer solchen Wegstrecke gerade nur dem Aufsuchen der nächsten Haltestelle öffentlicher Verkehrsmittel dient.

Die Klägerin kann auch nicht zumutbar auf die Nutzung eines Personenkraftwagens verwiesen werden. Die Notwendigkeit, dass die Klägerin jederzeit kurzfristig eine Toilette aufsuchen können muss, ist bei realistischer Betrachtung auch dann nicht gegeben, selbst wenn man etwa Toiletten bei Tankstellen mitberücksichtigt. Weder ist es gewährleistet, dass auf jedem Arbeitsweg in entsprechend notwendigen kurzen Abständen eine Tankstelle mit für die Öffentlichkeit zugänglicher Toilette verfügbar ist, noch dass diese von der Klägerin – auch unter Berücksichtigung der gerade in den Hauptberufsverkehrszeiten regelmäßigen Verkehrsstörungen – mit der notwendigen Zuverlässigkeit kurzfristig erreicht werden können (vgl. Urteil des Senats vom 17. Mai 2018 – L 7 R 1029/16 – n.v.).

Die Möglichkeit, durch symptombezogene Medikamente die Notwendigkeit zu reduzieren, kurzfristig eine Toilette aufsuchen zu müssen, besteht zur Überzeugung des Senats in dem für die Bejahung der Wegefähigkeit notwendigen Umfang nicht. Zwar mag in Einzelfällen die Einnahme entsprechender Medikamente erfolgreich und zumutbar sein, nicht aber in dem für die Wegefähigkeit notwendigen Ausmaß von fünf Tagen pro Woche jeweils für den Hin- und Rückweg von und zur Arbeitsstelle (vgl. Urteil des Senats vom 17. Mai 2018 – L 7 R 1029/16 – n.v.). Die Einnahme von Opioiden dürfte im Übrigen wegen der Suchtgefahr nicht zumutbar im Sinne des Rentenversicherungsrechts sein. Auch der Verzicht auf Nahrungsaufnahme vor Antritt des Weges zur Arbeitsstelle ist nicht zumutbar.

Die Einschränkung der Wegefähigkeit kann schließlich nicht durch den Verweis auf die Nutzung von Einlagen/Vorlagen beseitigt werden. Insofern ist für den Senat ohne Weiteres plausibel, dass die Nutzung von Einlagen/Vorlagen bei Stuhlinkontinenz – anders als unter Umständen etwa bei Harninkontinenz – einem Versicherten nicht zumutbar ist, zumal wenn er sich nicht etwa auf dem Weg nach Hause mit der Möglichkeit anschließender Hygienemaßnahmen, sondern auf dem Weg zur Arbeitsstätte befindet (Urteil des Senats vom 17. Mai 2018 – L 7 R 1029/16 – n.v.).

Nicht vertretbar ist die vom SG in den angefochtenen Gerichtsbescheiden wie auch schon im Urteil vom 23. Februar 2017 (S 3 R 123/15) vertretene Auffassung, die Klägerin könne sich (erneut) einen künstlichen Darmausgang legen lassen; dass sie dies ablehne, spreche gegen einen erheblichen Leidensdruck. Die operative Installierung eines künstlichen Darmausgangs ist ein schwerwiegender körperlicher Eingriff. Die damit verbundene Ausleitung des Stuhls aus einer künstlich angelegten Körperöffnung kann erhebliche Auswirkungen auf die Lebensqualität und die psychische Verfassung des Betroffenen haben. Ein solcher Eingriff gehört daher nicht zu den zumutbaren Therapieoptionen im Sinne des Rentenversicherungsrechts. Aus der Weigerung, einen solchen Eingriff vorzunehmen, können keine Rückschlüsse auf den Leidensdruck des Betroffenen gezogen werden. Abgesehen davon würde durch die Installation eines künstlichen Darmausgangs der Stuhldrang nicht beseitigt, sondern der Stuhl würde nur um- und anders ausgeleitet.

c) Die Klägerin hat die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3, Abs. 4 SGB VI erfüllt. Die Einschränkung der Wegefähigkeit und die dadurch bedingte Erwerbsminderung liegen seit der Ileostomarückverlagerung im April 2013 vor. Im danach maßgebenden Fünfjahreszeitraum hat die Klägerin 50 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt, wie der der von der Beklagten erstellten Wartezeitaufstellung vom 23. Dezember 2013 (Bl. 39 der Verwaltungsakten) entnommen werden kann.

d) Die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist lediglich als Zeitrente zu leisten.

aa) Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden gemäß § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI auf Zeit geleistet. Die Befristung erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn (§ 102 Abs. 2 Satz 2 SGB V). Sie kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn (§ 102 Abs. 2 Satz 3 SGB VI). Verlängerungen erfolgen für längstens drei Jahre nach dem Ablauf der vorherigen Frist (§ 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI). Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann; hiervon ist nach einer Gesamtdauer der Befristung von neun Jahren auszugehen (§ 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI).

bb) Nach diesen Maßstäben ist die Rente lediglich befristet zu gewähren. Die der Klägerin zustehende Rente ist zwar unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass hinsichtlich der die Erwerbsunfähigkeit begründenden Wegefähigkeit eine Besserung eintritt und die Klägerin - ggf. auch durch nicht duldungspflichtige Operationen - wieder in der Lage ist, die erforderlichen Wege zu einem Arbeitsplatz zurückzulegen. Da die Minderung der Erwerbsfähigkeit bereits im Zeitpunkt der Ileostomarückverlagerung im Jahr 2013 und damit mehr als sechs Monate vor dem Monat der Antragstellung eingetreten ist (vgl. § 101 Abs. 1 SGB VI zum Rentenbeginn bei befristeten Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit), bleibt für den Rentenbeginn die Regelung des § 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI maßgeblich, wonach eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet wird, in dem die Rente beantragt wird.

3. Die Berufung ist nicht begründet, soweit mit ihr die Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation geltend gemacht wird. Die Bescheide der Beklagten vom 10. März 2015 und vom 3. August 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. April 2018 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VI erbringt die Rentenversicherung u.a. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, um (1.) den Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und (2.) dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern. Die Leistungen können erbracht werden, wenn die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind (§ 9 Abs. 2 SGB VI). Nach § 10 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte die persönlichen Voraussetzungen für Leistungen zur Teilhabe erfüllt, (1.) deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und (2.) bei denen voraussichtlich (a) bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben abgewendet werden kann, (b) bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann, (c) bei teilweiser Erwerbsminderung ohne Aussicht auf eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit der Arbeitsplatz durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten werden kann.

Die Erwerbsfähigkeit der Klägerin ist, wie zuvor ausgeführt – gemindert. Sie kann durch Leistungen der medizinischen Rehabilitation nicht wesentlich gebessert oder wieder hergestellt werden. So hat auch der behandelnde Arzt Dr. R. in der sachverständigen Zeugenauskunft vom 10. Juli 2018 die Auffassung vertreten, dass durch Rehabilitationsmaßnahmen keine Besserung der Leistungsfähigkeit erzielt werden könne.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG und berücksichtigt das weitgehende Obsiegen der Klägerin.

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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