L 13 R 3614/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 3315/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 3614/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. September 2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich im Zugunstenverfahren gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Beklagten, mit dem die Entscheidung über die ihr bewilligte große Witwenrente aufgehoben und ein Erstattungsbetrag in Höhe von 11.212,32 EUR (für die Zeit vom 24. März 2013 bis 30. Juni 2014) geltend gemacht wurde.

Die Klägerin und der bei der Beklagten versicherte R.L. (Versicherter) führten seit 1996 eine partnerschaftliche Beziehung. Bis zur rechtskräftigen Scheidung mit Urteil des Amtsgerichts Bruchsal vom 23. Februar 2010 war der Versicherte gleichzeitig mit seiner ersten Ehefrau verheiratet, wobei eine frühere Scheidung nach Angaben der Klägerin u.a. deshalb nicht möglich gewesen sei, weil sich der Versicherte und seine erste Ehefrau für ein Steuermodell entschieden hatten, das ihnen bei gemeinsamer Veranlagung Abschreibungen ermöglichte. Nach schriftlicher Bestätigung der Eheleute B. und R.M. machte der Versicherte der Klägerin am 10. März 2010 im Rahmen seiner Geburtstagsfeier einen Heiratsantrag, wobei ein genauer Hochzeitstermin nicht genannt worden sei, weil bei dem Versicherten noch eine OP angestanden habe.

Seit 1972 arbeitete der Versicherte beim damaligen Forschungszentrum K. (jetzt K.) am Institut für Verfahrenstechnik I. als Labortechniker und war dort mit der Urananreicherung befasst und giftigen Nickel- und Chloriddämpfen ausgesetzt.

Nach Angaben der Klägerin wurde bei dem Versicherten im Jahr 2008 ein Tumor an der Lendenwirbelsäule entfernt und der entsprechende Abschnitt der Wirbelsäule versteift. 2011/2012 erhielt er künstliche Kniegelenke mit anschließenden Kuraufenthalten.

Am 3. August 2012 wurde der Versicherte erstmals wegen Beschwerden behandelt, die in Verbindung zu einem später diagnostizierten Pleuramesotheliom standen (vgl. Schreiben des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. M vom 31. Oktober 2013 an die Unfallkasse B.). Wegen seit inzwischen seit 10 Wochen bestehenden unerträglichen Schmerzen, die durch ambulante Behandlungen nicht auf ein erträgliches Maß reduziert werden konnten, wurde der Versicherte vom 18. September bis 28. September 2012 im K.L. – stationär behandelt (Diagnosen: Wirbelsäulenmetastasen BWK 7-BWK 12 mit Myelonkompression, unklarer Primärtumor, Lumbalgie, Omarthrose, Spondylarthrose, lumbale Spinalkanalstenose, Z.n. Neurinom-OP LWK II 2008). In der am 28. September 2012 durchgeführten Ganzkörper-Skelett-Szintigraphie zeigten sich Wirbelkörpermetastasen (eines unbekannten Primärtumors) in Höhe von BWK 7-BWK 12 mit nach epidural einwachsendem Tumorgewebe in Höhe von BWK 9-11 und Ummauerung des Myelons und Befall der Bogenwurzeln, Querfortsätze und Dornfortsätze sowie der angrenzenden Anteile der entsprechenden Rippen. Der Versicherte wurde am 28. September 2012 auf eigenen Wunsch mit der Bitte entlassen, sich am 1. Oktober 2012 zur weiteren diagnostischen Abklärung in der neurochirurgischen Ambulanz des U.H. vorzustellen bzw. früher ins Krankenhaus zurückzukehren, falls Lähmungserscheinungen oder Harn- bzw. Stuhlinkontinenz aufträten.

Am 5. Oktober 2012 meldeten die Klägerin und der Versicherte ihre Eheschließung für den 12. Dezember 2012 beim Standesamt an. (vgl. Bescheinigung der Standesbeamtin B. vom 29.April 2015). Ab 11. Oktober 2012 befand sich der Versicherte in stationärer Behandlung des Universitätsklinikums H. (Nationales Centrum für Tumorerkrankungen H. – NCT), wo festgestellt wurde, dass die Metastasen in der Wirbelsäule von einem Primärtumor in der Lunge herrührten (vgl. Bericht der NCT – Pneumologie und Beatmungsmedizin vom 16. Oktober 2012 über den stationären Aufenthalt vom 11. bis 16. Oktober 2012 [Diagnose u.a.: NSCLC Stadium IV (zytologisch aus LK 11 L gesichert) bipulmonale RH, ossäre Metastasen BWK 9/10 mit starker Schmerzsymptomatik ED 09/2012; der Versicherte gab gegenüber den behandelnden Ärzten an, eine Labortätigkeit mit Exposition von Nickeldämpfen, Chloriddämpfen und Urananreicherung ausgeübt zu haben; er leide seit 20 Wochen an Schmerzen im Rücken, die sich seit ca. 3 Wochen massiv verstärkt hätten, die Schmerzstärke wurde mit 10 in einer Schmerzskala von 1-10 angegeben]). Während des weiteren Aufenthalts im NCT ab 7. November 2012 (ununterbrochen bis 11. Dezember 2012) wurden mehrere Operationen durchgeführt (u.a. videoassistierte Thorakoskopie rechts, partielle Pleurektomie, Talkpleurodese am 12. November 2012), wobei die Diagnose eines epitheloiden Pleuramesothelioms histologisch gesichert wurde, und es wurde der erste Zyklus einer Chemotherapie eingeleitet. Bei der Computertomographie am 7. Dezember 2012 ergab sich eine deutliche Progression zum Befund 10/2012 des wohl vom rechten Oberlappen ausgehenden Tumors und mittlerweile ein Verdacht auf Lebermetastasierung. Nach der (vorübergehenden) Entlassung aus der stationären Behandlung am 11. Dezember 2012 schlossen der Versicherte und die Klägerin am 12. Dezember 2012 die Ehe. Ab dem 20. Dezember 2012 wurde der Versicherte erneut stationär im Krankenhaus behandelt. Am 16. Januar 2013 zeigten die den Versicherten behandelnden Ärzte der Thoraxklinik H. gegenüber der Unfallkasse B.W. an, dass es sich bei dem Pleuramesotheliom wohl um eine Berufskrankheit (Nr. 4105) wegen der Exposition mit Chlorid- und Nickeldämpfen und Urananreicherung handele und die Beschwerden erstmals im Mai 2012 aufgetreten seien. Am 29. Januar 2013 fand zur Aufklärung über die Leistungen der Berufsgenossenschaft ein Gespräch mit der Unfallkasse B.W. und dem Versicherten sowie der Klägerin statt, in dessen Verlauf der Versicherte und die Klägerin Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung beantragten. Die Unfallkasse B.W. bejahte daraufhin ihre Zuständigkeit und vermerkte intern, dass hier zu prüfen sei, ob eine Versorgungsehe vorliege. Nach weiteren stationären Klinikaufenthalten des Versicherten mit erfolglosen Chemotherapieversuchen verstarb der Versicherte am 24. März 2013.

Am 10. Mai 2013 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer großen Witwenrente und gab u.a. an, der Tod des Versicherten sei nicht durch eine Berufskrankheit verursacht worden, bei der Eheschließung nicht vorhersehbar gewesen, die Eheschließung habe nicht der Betreuung oder Pflege des Versicherten gedient und sei vor dem 12. Dezember 2012 unmöglich gewesen, weil der Versicherte noch verheiratet gewesen sei.

Die Beklagte prüfte am 24. Mai 2013 intern (Vermerk des Dezernatsmanagers, dass keine Versorgungsehe vorliege), ob eine Versorgungsehe vorliege. Mit Bescheid vom 10. Juli 2013 bewilligte die Beklagte der Klägerin eine große Witwenrente ab dem 24. März 2013. Die Unfallkasse B.W. teilte der Beklagten mit Schreiben vom 18. Oktober 2013 mit, dass der Tod des Versicherten wohl eine Folge seiner Berufskrankheit sei und äußerte mit Schreiben vom 11. November 2013 die Einschätzung, dass es sich bei der Ehe mit der Klägerin wohl um eine Versorgungsehe handele. Mit Bescheid vom 19. Februar 2014 erkannte die Unfallkasse B.W. die Berufskrankheit Nr. 4105 aus der Berufskrankheitenliste für den Versicherten an. Die Gewährung einer großen Witwenrente lehnte sie ab, weil eine Versorgungsehe vorliege.

Nach Anhörung der Klägerin mit Schreiben vom 28. Mai 2014, hob die Beklagte – gestützt auf § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) - mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 27. Juni 2014 den Bescheid vom 10. Juli 2013 vollständig auf und machte die Erstattung eines Betrags in Höhe von 11.212,32 EUR für die Zeit vom 24. März 2013 bis 30. Juni 2014 geltend. Die Witwenrente sei zu Unrecht bewilligt worden, weil die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert habe und die Klägerin im Hinblick auf die erst nachträglich bekannt gewordene Todesursache die Vermutung einer Versorgungsehe nicht widerlegt habe. Die Widerlegung der Rechtsvermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI erfordere nach §§ 202 SGG, 292 ZPO den vollen Beweis des Gegenteils. Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass der Grund der Hinterbliebenenversorgung nicht allein oder überwiegend die Begründung einer Hinterbliebenenversorgung gewesen sei. Die Aussage der Klägerin, sie habe schon längere Zeit mit dem Verstorbenen eheähnlich zusammengelebt und die Heirat sei nur aus gesundheitlichen Gründen aufgeschoben worden, sei nicht geeignet, die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe zu widerlegen. Die zeitliche Nähe der Heirat zum Bekanntwerden der Berufskrankheit weise darauf hin, dass es der Klägerin auch auf sozialrechtliche Folgen angekommen sei. Die Klägerin könne sich auch nicht auf Vertrauen in den Bestand des Rentenbescheides berufen, weil an der Herstellung des rechtmäßigen Zustands ein überwiegendes öffentliches Interesse bestehe und ihr Vertrauen in den Bestand des Bescheides nicht schutzwürdig sei (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X in Verbindung mit § 60 SGB I). Sie habe alle Angaben verneint, die Ermittlungen zur Todesursache bzw. mittleren Lebenserwartung nach Diagnosestellung ermöglicht hätten und insbesondere verschwiegen, dass es sich um eine Berufskrankheit gehandelt habe, so dass auch ein sachaufklärerischer Austausch mit der Berufsgenossenschaft unterbunden worden sei. Die Bescheidrücknahme sei auch im Wege des Ermessens gerechtfertigt. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein und brachte vor, die Heirat sei während einer positiven Entwicklungsphase der Krankheit erfolgt und bei der Heirat sei der Tod des Versicherten nicht absehbar gewesen. Eine stationäre Behandlung des Versicherten habe erst in den letzten Wochen seines Lebens geschehen müssen. Sein Tod sei plötzlich und unvorhersehbar eingetreten. Dies werde auch durch den beigefügten Befundbericht des behandelnden Arztes Dr. M vom 22. Januar 2015 bestätigt, wonach der rasante Krankheitsverlauf nicht vorhersehbar gewesen sei. Die Heirat sei schon lange geplant gewesen und der Versicherte habe der Klägerin auch Heiratsanträge gemacht, aber die erste Ehefrau des Versicherten habe die Scheidung lange verweigert und nach der Scheidung habe der schlechter werdende Gesundheitszustand des Versicherten keine sofortige Heirat zugelassen. Die Klägerin legte zur weiteren Begründung des Widerspruchs die Bestätigung der später als Zeugin vernommenen C.L. und ihres Lebensgefährten D.K. vom 3. Mai 2015 vor, wonach es der langjährige Herzenswunsch des Versicherten gewesen sei, die Klägerin aus Liebe zu heiraten und der Versicherte ihrem Lebensgefährten bereits im März 2011 erzählt habe, dass der Hochzeitstermin auf das Glücksdatum 12.12.2012 geplant sei und sie und ihr Lebensgefährte sich diesen Termin freihalten sollten. Auch auf ihrer Geburtstagsfeier im April 2012 habe der Versicherte freudestrahlend daran erinnert, dass die Hochzeit wie geplant im Dezember 2012 stattfinden solle und ihm bis dahin noch genügend Zeit bleibe, um seine damaligen Erkrankungen (Rückenschmerzen, Knieschmerzen) auszukurieren und die Hochzeit finanzieren zu können. Die Klägerin hat ferner die Bestätigung ihrer Kinder C. und A.S. vom 23. April 2015 vorgelegt, wonach der Versicherte, der seit 1996 mit der Klägerin in einer Lebensgemeinschaft gelebt habe, sie erzogen und für sie gesorgt habe.

Die Beklagte holte die sozialmedizinische Stellungnahme der Beratungsärztin Dr. H.G. vom 3. August 2015 ein, wonach die schwerwiegende, lebensbedrohliche Erkrankung (vgl. Diagnose der Wirbelsäulenmetastasen am 29. September 2012 [gemeint: 28. September 2012] mit ausführlicher Befundbesprechung) bei der Eheschließung bekannt gewesen sei und dies auch äußerlich für einen Laien feststellbar gewesen sei, weil der Versicherte seit Oktober 2012 unter massivem Gewichtsverlust gelitten habe und längeres Sitzen und Stehen - entsprechend der Angaben des Versicherten während des Krankenhausaufenthalts im September 2012 - kaum möglich gewesen und er in seiner Lebensqualität stark eingeschränkt gewesen sei und seine alltäglichen Arbeiten kaum habe verrichten können.

Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe könne nicht widerlegt werden und die Gewährung der großen Witwenrente sei von Beginn an rechtswidrig gewesen. Die von der Klägerin zitierten Urteile des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg seien nicht vergleichbar und der Argumentation hinsichtlich der bereits länger geplanten Eheschließung am 12. Dezember 2012 könne nicht gefolgt werden, da der verstorbene Versichere bereits am 23. Februar 2010 geschieden worden sei und eine frühere Eheschließung jederzeit möglich gewesen sei. Der Bescheid beruhe auf Angaben, die die Klägerin grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht habe, weil sie in ihrem Rentenantrag alle Angaben verneint habe, die Ermittlungen zur Todesursache bzw. der mittleren Lebenserwartung des Versicherten nach Diagnosestellung ermöglicht und notwendig gemacht hätten. Sie habe insbesondere verschwiegen, dass eine Berufskrankheit vorgelegen habe. Auch im Wege des Ermessens sei nicht von der Bescheidrücknahme abzusehen.

Dagegen erhob die Klägerin am 29. Dezember 2015 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) (S 10 R 4305/15). Die Versorgung sei nicht der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen. Sie und der Versicherte seien bereits seit rund 18 Jahren ein Paar gewesen und hätten schon lange vor dessen Erkrankung, seit 14 Jahren in einem gemeinsamen Hausstand gelebt. Der Versicherte sei zu ihr und ihren Töchtern in U. eingezogen und habe seit Beginn der Beziehung die Kinder mit erzogen und unterhalten. Er sei zwar offiziell erst am 2. November 2012 zu ihr gezogen und habe bis zu diesem Datum in U. seinen Zweitwohnsitz gehabt, tatsächlich aber schon zuvor bei ihr gewohnt. Sie hätten schon immer vorgehabt zu heiraten, jedoch habe die erste Ehefrau des Versicherten lange die Scheidung verweigert und dies sei auch nicht früher möglich gewesen, weil sich die Ehegatten früher für ein Steuermodell entschieden hätten, das ihnen Abschreibungen ermöglich hätte, was nach der Scheidung nicht mehr möglich gewesen wäre. Der Versicherte habe ihr schon lange vor seiner Krebserkrankung im Jahr 2011 einen Heiratsantrag gemacht. Er habe jedoch nicht sofort nach der langwierigen und schmerzhaften Scheidung wieder heiraten wollen. Außerdem habe er sich zwei Operationen an beiden Knien mit anschließender Rehabilitation unterziehen müssen und nicht mit Krücken zum Standesamt gewollt. Es sei ihr Wunsch gewesen, am 12. Dezember 2012 zu heiraten. Bereits im März 2011 hätten sie die Absicht, am 12. Dezember 2012 zu heiraten, öffentlich gemacht und auf einer Geburtstagsfeier am 9. April 2012 wiederholt. Das Vorliegen einer konkreten Heiratsabsicht bereits vor Auftreten der tödlich verlaufenden Erkrankung spreche gegen die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe.

Die Beklagte hielt an ihrem Standpunkt fest.

Das SG vernahm in der mündlichen Verhandlung am 14. September 2016 die Mutter der Klägerin M.H. und die Freundin der Klägerin C.L. als Zeugen.

Die Zeugin H. sagte u.a. aus, die Klägerin habe den Versicherten kennengelernt, als ihre Kinder zwei bzw. vier Jahre alt gewesen seien und dieser sei bald in die gemeinsame Wohnung in U. gezogen. Die Klägerin, der Versicherte und die Kinder hätten sich wie eine Familie angefühlt und der Versicherte habe immer von "seiner Frau" gesprochen. Eine Eheschließung sei zunächst nicht erfolgt, weil der Versicherte mit seiner ersten Ehefrau über ein gemeinsam erworbenes Objekt verfügt habe. Nach der Scheidung habe ihr der Versicherte im Café der Reha-Klinik B.B. mitgeteilt, dass er beabsichtige, die Klägerin zu heiraten. Auf Nachfrage des Klägervertreters hat die Zeugin klargestellt, dies müsse 2012 gewesen sein, weil der Versicherte im Jahr 2013 gestorben sei. Sie sei sicher, dass es in der D.-Klinik gewesen sei. Sie wisse aber nicht mehr genau, ob sich der Versicherte wegen einer Kniebehandlung oder einer Rückenbehandlung im Krankenhaus befunden habe, als er von seiner Heiratsabsicht berichtet habe.

Die Zeugin L. sagte u.a. aus, sie sei mit der Klägerin und dem Versicherten befreundet gewesen. Diese hätten für lange Jahre ein eheähnliches Verhältnis gehabt und der Versicherte habe immer wieder zu ihr gesagt, dass sie heiraten wollten. Der Versicherte habe zunächst gesagt, dass er erstmal geschieden sein müsse, aber die Klägerin jedenfalls früher oder später heiraten wolle. Auf ihrer (der Zeugin) Geburtstagsfeier am 9. April 2012 habe er gesagt, dass es nun ernst werde mit den Heiratsplänen und als Wunschtermin der 12.12.2012 als Glückszahl anvisiert sei. Der Versicherte habe damals allerdings schwere Rückenprobleme gehabt, derentwegen er sich in der Folgezeit auch in einer Schmerzklinik aufgehalten habe. Auch vor der Geburtstagsfeier sei schon über Hochzeitspläne gesprochen worden. Sie wisse jedoch nicht, weshalb die Eheleute gerade das Hochzeitsdatum 12.12.2012 und nicht den 11.11.2011 oder den 01.03.2013, den 01.04.2014 oder den 10.10.2010 ausgesucht hätten. Bei der Eheschließung sei sie nicht dabei gewesen, da diese im engsten Kreis stattgefunden habe und sie selbst auch gesundheitlich angeschlagen gewesen sei. Die Klägerin und der Versicherte hätten seit einer halben Ewigkeit, etwa 13, 15 oder 17 Jahre einen gemeinsamen Haushalt geführt. Von einem Zweitwohnsitz des Versicherten habe sie nichts gewusst. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift vom 14. September 2016 verwiesen.

Mit Urteil vom 14. September 2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 27. Juni 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Dezember 2015 sei rechtmäßig. Der Bewilligungsbescheid über die Gewährung der großen Witwenrente vom 10. Juli 2013 sei bereits zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig gewesen, weil der Anspruch auf eine große Witwenrente gemäß § 46 Abs. 2a SGB VI im Fall einer Versorgungsehe ausgeschlossen sei. Die Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten habe nur drei Monate und zwölf Tage gedauert und es lägen keine besonderen Umstände vor, aufgrund derer trotz der kurzen Ehedauer die Annahme nicht gerechtfertigt sei, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Die Klägerin habe keine glaubhaften Angaben über die inneren Zustände bei der Eheschließung gemacht, weil ihr Vorbringen im krassen Widerspruch zu den tatsächlichen Verhältnissen stehe. Im Gegensatz zu der Behauptung der Klägerin, dass die Heirat während einer positiven Entwicklungsphase der Krankheit erfolgt sei und der Tod des Versicherten plötzlich und unvorhersehbar gekommen sei, habe der sozialmedizinische Dienst ausgeführt, dass bereits bei Entlassung aus dem Krankenhaus am 28. September 2012 eine positive Kenntnis von der Lebensbedrohlichkeit der Krebserkrankung vorgelegen haben müsse. Der Versicherte sei auch erst einen Tag vor der Heirat aus seinem weiteren fünfwöchigen Krankenhausaufenthalt entlassen worden, wobei nach Abschluss des ersten Zyklus der Chemotherapie festgestellt worden sei, dass die Tumore in der Lunge stark nachgewachsen und zudem neue Metastasen in der Leber aufgetaucht waren. Auch andere Einlassungen der Klägerin seien wahrheitswidrig. Es sei unrichtig, dass sie den Versicherten erst am 12. Dezember 2012 habe heiraten können, weil dessen Scheidung von seiner ersten Ehefrau bereits seit dem 23. Februar 2010 rechtskräftig gewesen sei. Auch die Angaben der Klägerin, dass der Tod des Versicherten nicht durch eine Berufskrankheit verursacht worden sei, seien falsch gewesen, zumal die Exposition mit giftigen Nickel- und Chloriddämpfen und die Befassung mit Urananreicherung bereits Gegenstand der Berufsanamnese während des fünfwöchigen Krankenhausaufenthalts gewesen sei und am 29. Januar 2013 ausführlich mit dem Versicherten und der Klägerin mit der Berufsgenossenschaft erörtert worden sei, woraufhin ausdrücklich Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung wegen der Berufskrankheit des Versicherten beantragt worden seien. Da die Angaben der Klägerin unglaubhaft seien, seien bei der Ermittlung der maßgeblichen Heiratsmotive nur die nach außen tretenden objektiven Tatsachen zu berücksichtigen. Danach habe der Versicherte sowohl zum Zeitpunkt der Anmeldung der Eheschließung als auch im Zeitpunkt der Eheschließung an einer offenkundig lebensbedrohlichen Krankheit gelitten. Ferner habe der Versicherte bei der Frage einer Scheidung von seiner ersten Ehefrau jahrelang wirtschaftliche Belange besonders stark berücksichtigt und mit der Klägerin jahrelang ohne Trauschein als Paar zusammengelebt, so dass dem Zusammenleben die Grundentscheidung zugrunde gelegen habe, eben nicht zu heiraten und den vielfältigen gesetzlichen Regelungen, die für Eheleute gelten, zu unterliegen. Das Bestehen einer innigen Liebesbeziehung und die wiederholte Äußerung von Heiratsabsichten reiche für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung nicht aus. Vielmehr müsse sich die Heirat als konsequente Verwirklichung eines bereits vor Erlangung der Kenntnis von der lebensbedrohlichen Krankheit bestehenden Entschlusses darstellen. Dergleichen sei hier nicht ersichtlich, zumal konkrete Schritte zur Eheschließung erstmals am 5. Oktober 2012 mit der Anmeldung der Eheschließung beim Standesamt erfolgt seien. Die Klägerin sei mit dem Versicherten auch keine Pflegeehe eingegangen, wie sie bei der Antragstellung am 10. Mai 2013 selbst angegeben habe und darüber hinaus komme eine Pflegeehe nur in Betracht, wenn das Ableben des Versicherten aufgrund seines gesundheitlichen Zustands zur Zeit der Eheschließung nicht in absehbarer Zeit zu erwarten war, was hier nicht der Fall gewesen sei. Da die gesetzliche Fiktion des § 46 Abs. 2a SGB VI nicht widerlegt sei, sei von einer Versorgungsehe auszugehen, so dass ein Anspruch auf eine Witwenrente nicht bestanden habe. Auch die sonstigen Voraussetzungen für eine Aufhebung des Bescheides vom 10. Juli 2013 gemäß § 45 SGB X hätten vorgelegen. Die Bewilligung der Witwenrente beruhe auf der irrigen Annahme, dass keine Versorgungsehe vorliege, was den vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtigen oder unvollständigen und arglistig täuschenden Angaben der Klägerin, welche die Rechtswidrigkeit der Rentenbewilligung gekannt habe, geschuldet sei. Die diesbezügliche Absicht der Klägerin folge aus der offensichtlichen Diskrepanz ihrer Angaben gegenüber der Beklagten und den tatsächlichen Verhältnissen, welche geeignet gewesen seien, eine rechtswidrige Bereicherung ihrer selbst um monatlich knapp 1000 EUR bzw. in Anbetracht ihres Lebensalters um einen 6-stelligen Betrag zu bewirken.

Am 14. Februar 2017 beantragte die Klägerin – ohne nähere Begründung - bei der Beklagten die Überprüfung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids vom 27. Juni 2014 gemäß § 44 SGB X.

Mit Bescheid vom 14. Juni 2017 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheids vom 27. Juni 2014 ab. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein, wobei erneut keine Begründung erfolgte. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. September 2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Da der Widerspruch nicht begründet worden und neue Tatsachen nicht vorgetragen worden seien, sei eine Überprüfung nur noch der bekannten Sachlage möglich gewesen. Hiernach sei der Bescheid nicht zu beanstanden.

Dagegen hat die Klägerin am 28. September 2017 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Sie hat vorgebracht, die Ehe sei nicht nur bzw. überwiegend zu dem Zweck geschlossen worden, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Sie habe bei der Eheschließung nichts vom lebensbedrohlichen Ausmaß der Krebserkrankung des Versicherten gewusst und erst recht nicht ahnen können, dass er nur noch wenige Monate zu leben habe. Selbst wenn der Versicherte davon gewusst habe, könne daraus nicht auf eine Kenntnis bei ihr selbst geschlossen werden, woran auch die längeren Krankenhausaufenthalte nichts änderten, zumal sie auch erst ab der Eheschließung am 12. Dezember 2012 Angehörige des Versicherten gewesen sei und zuvor mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von den Ärzten keine Auskünfte erhalten habe. Ihre Angabe, dass sich die Krankheit im Zeitpunkt der Eheschließung in einer positiven Entwicklungsphase befunden habe, habe von der Beklagten nicht widerlegt werden können, zumal eine festgestellte Krebserkrankung nicht automatisch besage, dass keine Heilungschancen bestünden. Bei § 46 Abs. 2a SGB VI handele es sich nicht um eine gesetzliche Vermutung, sondern um ein gewöhnliches Regel-Ausnahme-Verhältnis, so dass es keines Vollbeweises bedürfe, dass keine Versorgungsehe vorgelegen habe. Die Beklagte habe vor Bewilligung der Witwenrente auch keine Ermittlungen durchgeführt, sondern sei offenbar davon ausgegangen, dass entweder der Vollbeweis zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung erbracht sei oder es einer solchen Widerlegung gar nicht bedürfe. Deshalb könne sie rund ein Jahr später nicht mit dem Argument gehört werden, die Klägerin habe den Vollbeweis zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung nicht erbracht, obwohl sich die zugrunde liegenden Verhältnisse in der Zwischenzeit gar nicht geändert hätten. Im Zeitpunkt der Antragstellung habe darüber hinaus noch nicht festgestanden, dass eine anerkannte Berufskrankheit vorliege. Ein entsprechender Anerkennungsbescheid sei erst am 19. Februar 2014 ergangen, so dass sie im Rahmen des Rentenantrags gar nicht habe angeben können, dass eine Berufskrankheit für den Tod des Versicherten ursächlich gewesen sei. Die Beklagte habe außerdem medizinische Befundberichte über den Krankheitsverlauf des Versicherten bei der Klägerin anfordern können, ohne dass es der Einschaltung der Berufsgenossenschaft bedurft hätte. Selbst wenn man eine Versorgungsehe im Sinne des § 46 Abs. 2a SGB VI unterstelle, sei ihr Vertrauen schutzwürdig gewesen, nachdem sie die erhaltene Rentenleistung auch bereits verbraucht habe. Sie habe – bis auf die Angabe, dass eine Heirat aufgrund der vorherigen Ehe des Versicherten erst am 12. Dezember 2012 möglich gewesen sei, keine unrichtigen oder unvollständigen Angaben gemacht. Bei unterstellter Rechtswidrigkeit des Rentenbescheids vom 10. Juli 2013 beruhe die Rechtswidrigkeit allenfalls auf den unzureichenden Ermittlungen der Beklagten und nicht auf fehlerhaften Angaben im Rentenantrag. Auch fehle es an einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung

Das SG hat die Akten des Verfahrens S 10 R 4305/15 beigezogen und die Beteiligten auf die Bindungswirkung seines Urteils vom 14. September 2016 hingewiesen sowie zu einer beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.

Hierzu hat die Klägerin vorgebracht, die Beteiligten seien im Falle eines Überprüfungsantrags nach § 44 SGB X nicht an die Rechtskraft eines Urteils zum überprüften Verwaltungsakt gebunden, weil das Gebot der materiellen Gerechtigkeit dem Prinzip der Rechtssicherheit vorgehe, ohne dass sich die Prüfung auf neu vorgebrachte Argumente beschränke.

Die Beklagte hat sich auf den Inhalt der Verwaltungsakte und der angefochtenen Bescheide sowie das Vorbringen im Verfahren S 10 R 4305/15 und die Entscheidungsgründe des Urteils vom 14. September 2016 im o.g. Verfahren bezogen.

Mit Gerichtsbescheid vom 25. September 2018 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rücknahme des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids vom 27. Juni 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Dezember 2015, weil dieser rechtmäßig sei. Dies folge aus dem Urteil des SG vom 14. September 2016 (S 10 R 4305/15), mit dem die Anfechtungsklage der Klägerin gegen die hier streitgegenständliche Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung abgewiesen worden sei. Eine nochmalige Prüfungskompetenz des erneut angerufenen Gerichts bestehe nicht, weil das rechtskräftige Urteil gemäß § 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG die Beteiligten binde, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden sei. Die Klägerin könne auch nicht mit Erfolg einwenden, die Beteiligten seien im Fall eines Überprüfungsantrags nach § 44 SGB X nicht an die Rechtskraft eines Urteils zum überprüften Verwaltungsakt gebunden, weil das Gebot der materiellen Gerechtigkeit dem Prinzip der Rechtssicherheit vorgehe, ohne dass sich die Prüfung auf die neu vorgebrachten Argumente beschränke. Eine inhaltliche Überprüfung des unanfechtbaren Verwaltungsaktes nach § 44 SGB X könne nach der jüngeren Rechtsprechung des BSG nur erfolgen, wenn konkrete Prüfungsinhalte durch den Antragsteller bezeichnet würden. Dazu müssten erstens der zur Überprüfung gestellte Bescheid konkret benannt werden und zweitens Anhaltspunkte vorgetragen werden, aus denen sich die Rechtswidrigkeit jenes Verwaltungsaktes ergeben soll. Es könne deshalb offen bleiben, ob der angefochtenen Entscheidung tatsächlich eine inhaltliche Prüfung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheids vom 27. Juni 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Dezember 2015 durch die Beklagte vorangegangen sei. Denn jedenfalls habe eine Überprüfung nach § 44 SGB X schon deshalb nicht erfolgen können, weil weder im Verwaltungsverfahren noch im anschließenden Widerspruchsverfahren von der Klägerin irgendwelche Anhaltspunkte vorgetragen worden seien, aus denen sich die Rechtswidrigkeit des zur Überprüfung gestellten Bescheids ergeben sollte, da sich die Begründungen jeweils in der Behauptung der Rechtswidrigkeit bzw. der Verletzung klärgereigener Rechte erschöpft habe. Da auch von Amts wegen keinerlei Gesichtspunkte ersichtlich seien, aufgrund derer dem Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X stattzugeben gewesen wäre, wäre eine inhaltliche Prüfung durch die Beklagte jedenfalls zu Unrecht erfolgt.

Gegen den ihr am 4. Oktober 2018 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 10. Oktober 2018 Berufung beim Landessozialgericht B.W. (LSG) eingelegt. Die angefochtene Entscheidung des SG sei bereits verfahrensrechtlich problematisch, weil sie von demselben Richter getroffen worden sei, der bereits das Urteil im vorangegangenen Verfahren (S 10 R 4305/15) gesprochen habe. Gemäß § 60 Abs. 1 SGG i.V.m. § 41 Nr. 6 Zivilprozessordnung (ZPO) sei ein Richter in Sachen, in denen er in einem früheren Rechtszug oder im schiedsrichterlichen Verfahren bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt habe, kraft Gesetzes von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen. Ein Ablehnungsgesuch sei nur deshalb nicht angebracht worden, weil bei dem vorliegenden Kammerwechsel weder bekannt, noch erkennbar war, um wen es sich bei dem neuen Kammervorsitzenden handele. Auch aus materiell-rechtlicher Sicht könne die erstinstanzliche Entscheidung keinen Bestand haben.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. September 2018 sowie den Bescheid vom 14. Juni 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. September 2017 aufzuheben und den Bescheid vom 27. Juni 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Dezember 2015 zurückzunehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat an ihrem bisherigen Standpunkt festgehalten und sich auf die überzeugenden erstinstanzlichen Entscheidungen vom 14. September 2016 und vom 25. September 2018 bezogen.

Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

Der angefochtene Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. September 2018 ist nicht zu beanstanden, weil derselbe Kammervorsitzende im vorliegenden Verfahren und im vorangegangenen Verfahren S 10 R 4305/15 erstinstanzlich mit der Angelegenheit befasst war. Gemäß §§ 60 Abs. 1 SGG i.V.m. § 41 Nr. 6 ZPO ist ein Richter von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen in Sachen, in denen er in einem früheren Rechtszug oder im schiedsrichterlichen Verfahren bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, sofern es sich nicht um die Tätigkeit eines beauftragen oder ersuchten Richters handelt. Die Vorschrift gilt nur für die Rechtsmittelinstanz, nicht z.B. für die Wiederaufnahme (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 60 Rn. 4e). Im vorliegenden Verfahren ist streitgegenständlich die Entscheidung der Beklagten über den Überprüfungsantrag der Klägerin gemäß § 44 SGB X im Hinblick auf den Bescheid vom 27. Juni 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Dezember 2015. Dabei handelt es sich um ein neues Überprüfungsverfahren, über das vom SG erstinstanzlich und nicht in der Rechtsmittelinstanz entschieden wurde, so dass die Voraussetzungen für einen Ausschluss kraft Gesetzes des bereits im vorangegangenen Verfahren S 10 R 4305/15 befassten Kammervorsitzenden gemäß §§ 60 Abs. 1 SGG i.V.m. § 41 Nr. 6 ZPO nicht vorliegen.

Im Übrigen käme eine Aufhebung des angefochtenen Gerichtsbescheids und Zurückverweisung der Sache an das SG gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG nur in Betracht, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Im vorliegenden Fall wurden von der Klägerin keinerlei neuen Gesichtspunkte vorgetragen, die eine weitere Beweisaufnahme erforderlich machen, so dass die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung an das SG schon deshalb nicht erfüllt sind.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung des Bescheids vom 24. Juni 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. September 2017 und Rücknahme des Bescheids vom 27. Juni 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Dezember 2015.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Rücknahme des Bescheides der Beklagten vom 27. Juni 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Dezember 2015 ist § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X). Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Im vorliegenden Fall ist bei Erlass des Bescheides vom 27. Juni 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Dezember 2015 weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden. Die Beklagte hat zu Recht den Bescheid vom 10. Juli 2013, mit dem der Klägerin eine großen Witwenrente für die Zeit ab 24. März 2013 bewilligt wurde, aufgehoben und einen Erstattungsbetrag in Höhe von 11.212,32 EUR für die Zeit vom 24. März bis 30. Juni 2014 geltend gemacht.

Zutreffend hat die Beklagte ihre Entscheidung auf § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gestützt. Gemäß § 45 Abs. 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X regelt, dass ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden darf, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (§ 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X). Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit 1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, 2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat oder 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte, grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X).

Der Bescheid vom 10. Juli 2012, mit dem die Beklagte der Klägerin eine große Witwenrente ab dem 24. März 2012 gewährte, war von Anfang an rechtswidrig. Gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Ein Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente besteht gemäß § 46 Abs. 2 S. 1 SGB VI nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, wenn Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, 1. ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen, 2. das 47. Lebensjahr vollendet haben oder 3. erwerbsgemindert sind. Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 S. 1 SGB VI, weil sie nach dem Tod des Versicherten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hatte, nicht wieder geheiratet und das 47. Lebensjahr vollendet hatte. Gemäß § 46 Abs. 2a SGB VI haben Witwen oder Witwer jedoch keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Die Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten hat vom 12. Dezember 2012 bis 24. März 2013 und damit weniger als ein Jahr gedauert. Entscheidend ist daher, ob "besondere Umstände" vorliegen, aufgrund derer trotz der kurzen Ehedauer die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Der Begriff der "besonderen Umstände" i.S.v. § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, welcher der vollen richterlichen Kontrolle unterliegt (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 3.September 1986, 9a RV 8/84, BSGE 60, 204 = SozR 3100 § 38 Nr. 5 m.w.N.).Was unter den besonderen Umständen des Falles zu verstehen ist, ist gesetzlich nicht näher definiert. Da § 46 Abs. 2a SGB VI jedoch vom Gesetzgeber bewusst den entsprechenden Vorschriften in der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 65 Abs. 6 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch) und der Kriegsopferversorgung (§ 38 Abs. 2 Bundesversorgungsgesetz) nachgebildet ist, kann an die bisherige Rechtsprechung des BSG zum Begriff der "besonderen Umstände" in diesen Bestimmungen angeknüpft werden (BSG 05.05.2009, B 13 R 55/08 R, BSGE 103, 99 = SozR 4-2600 § 46 Nr. 6 unter Hinweis auf BT-Drucks 14, 4595 S 44). Danach sind als besondere Umstände i.S.v. § 46 Abs. 2a SGB VI alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalls anzusehen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen. Dabei kommt es auf die (gegebenenfalls auch voneinander abweichenden) Beweggründe (Motive, Zielvorstellungen) beider Ehegatten an. Die Annahme des anspruchsausschließenden Vorliegens einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von nicht mindestens einem Jahr ist nach dem Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder - da der Wortlaut auf den "alleinigen oder überwiegenden Zweck der Heirat" abhebt - zumindest gleichwertig sind. Es ist daher auch nicht zwingend, dass bei beiden Ehegatten andere Beweggründe als Versorgungsgesichtspunkte für die Eheschließung ausschlaggebend waren. Vielmehr sind die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe in ihrer Gesamtbetrachtung auch dann noch als zumindest gleichwertig anzusehen, wenn nachweislich für einen der Ehegatten der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung keine Rolle gespielt hat (BSG, Urteil vom 5. Mai 2009, aaO). Lediglich wenn der Hinterbliebene keine - glaubhaften - Angaben über die inneren Umstände macht, darf sich die Ermittlung, welche Gründe für die Eheschließung ausschlaggebend waren, und die Prüfung, ob es sich dabei um (anspruchsbegründende) besondere Umstände i.S. des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI handelt, auf nach außen tretende objektive Tatsachen beschränken. Ansonsten sind auch die vom hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat zu betrachten und vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in die Gesamtwürdigung, ob die Ehe mit dem Ziel der Erlangung einer Hinterbliebenenversorgung geschlossen worden ist, mit einzubeziehen (BSG 05.05.2009, aaO). Eine gewichtige Bedeutung kommt hierbei stets dem Gesundheits- bzw. Krankheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung zu. Litt der Versicherte zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit, ist in der Regel der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI nicht erfüllt (BSG 5. Mai 2009, aaO). Auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der Ehegatten ist indes der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet (überwiegend oder zumindest gleichwertig) aus anderen als aus Versorgungsgründen geheiratet wurde. Allerdings müssen dann bei der abschließenden Gesamtbewertung diejenigen besonderen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen war. Dementsprechend steigt mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die von diesem für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe bei einem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres nach Eheschließung angeführt werden (BSG, Urteil vom 5. Mai 2009, aaO). Die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung fordert nach § 202 SGG i.V.m. § 292 Zivilprozessordnung (ZPO) den vollen Beweis des Gegenteils und damit einen der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit. Die nur denkbare Möglichkeit reicht nicht aus (BSG, Urteil vom 3.September 1986, aaO). Eine Tatsache ist danach bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falls nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (BSG 28.06.2000, b 9 VG 3/99 R, SozR 3-3900 § 15 Nr. 3; BSG, Urteil vom 6. Februar 2003, B 7 AL 12/02 R, juris). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen besonderer Umstände als ein den Anspruch begründender Umstand und damit auch die Folgen eines nicht ausreichenden Beweises trägt nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast derjenige, der den Witwen-/Witwerrentenanspruch geltend macht (BSG, Urteil vom 3. September 1986, aaO).

Vorliegend litt der Versicherte zum Zeitpunkt der Heirat am 12. Dezember 2012 offenkundig an einer weit fortgeschrittenen lebensbedrohlichen Erkrankung. Dies ergibt sich bereits aus dem Bericht des Klinikums L. – Klinik Bad B. vom 18. September 2012, in dem erstmals Wirbelsäulenmetastasen erwähnt werden. Darüber hinaus befand sich der Versicherte ab 11. Oktober 2012 in stationärer Behandlung des Universitätsklinikums H. (Nationales Centrum für Tumorerkrankungen H. – NCT), wo festgestellt wurde, dass die Metastasen in der Wirbelsäule von einem Primärtumor in der Lunge herrühren (vgl. Bericht der NCT – Pneumologie und Beatmungsmedizin vom 16. Oktober 2012 über den stationären Aufenthalt vom 11. bis 16. Oktober 2012 [Diagnose u.a.: NSCLC Stadium IV (zytologisch aus LK 11 L gesichert) bipulmonale RH, ossäre Metastasen BWK 9/10 mit starker Schmerzsymptomatik ED 09/2012; der Versicherte gab gegenüber den behandelnden Ärzten an, eine Labortätigkeit mit Exposition von Nickeldämpfen, Chloriddämpfen und Urananreicherung ausgeübt zu haben; er leide seit 20 Wochen an Schmerzen im Rücken, die sich seit ca. 3 Wochen massiv verstärkt hätten; die Schmerzstärke wurde mit 10 in einer Schmerzskala von 1-10 angegeben]). Während des weiteren Aufenthalts im NCT ab 7. November 2012 (ununterbrochen bis 11. Dezember 2012) wurden mehrere Operationen durchgeführt (u.a. videoassistierte Thorakoskopie rechts, partielle Pleurektomie, Talkpleurodese am 12. November 2012), wobei die Diagnose eines epitheloiden Pleuramesothelioms histologisch gesichert wurde, und es wurde der erste Zyklus einer Chemotherapie eingeleitet. Bei der Computertomographie am 7. Dezember 2012 ergab sich eine deutliche Progression zum Befund 10/2012 des wohl vom rechten Oberlappen ausgehenden Tumors und mittlerweile ein Verdacht auf Lebermetastasierung. Aus diesen Unterlagen aus der Zeit vor der Eheschließung ergibt sich zur Überzeugung des Senats eindeutig, dass die Diagnose einer bereits fortgeschrittenen Erkrankung mit Metastasierung beiden Eheleuten bei der Eheschließung bekannt war. Durch die genannten Unterlagen ist auch nachgewiesen, dass sich der Versicherte – entgegen der Behauptung der Klägerin - bereits vor der Eheschließung seit Mitte September 2012 vielfach in stationärer Behandlung befand, wo der Befund ausführlich erörtert und die Diagnose gefestigt wurde. Es erscheint lebensfremd, dass die Klägerin als langjährige Partnerin, die mit dem Versicherten nach eigenen Angaben in einer eheähnlichen Gemeinschaft zusammenlebte, hiervon keine Kenntnis gehabt haben soll, zumal der Versicherte nach eigenen Angaben während der Klinikaufenthalte bereits seit September 2012 unter massiven Schmerzen litt und deutliche Einschränkungen im Alltag beschrieben hat. Auch wenn sehr gut nachvollziehbar ist, dass die Eheleute darauf hofften, dass die Krankheit geheilt oder durch entsprechende Therapien jedenfalls in ihrem Fortschritt aufgehalten oder hinausgezögert werden kann, musste ihnen unter Berücksichtigung der oben genannten Unterlagen bewusst sein, dass eine lebensbedrohliche Erkrankung des Versicherten vorliegt. Dieser Einschätzung steht auch nicht der Befundbericht des behandelnden Arztes Dr. M vom 22. Januar 2015 entgegen, der angegeben hat, der rasante Krankheitsverlauf sei nicht absehbar gewesen. Denn unabhängig vom konkreten Krankheitsverlauf, der in jedem Einzelfall unterschiedlich sein kann, war ab der Diagnosestellung - und damit vor der Eheschließung - bekannt, dass eine fortgeschrittene Tumorerkrankung lebensbedrohlichen Ausmaßes vorlag.

Nach den oben dargestellten Grundsätzen müssen daher besonders gewichtige innere und äußere Umstände vorliegen, die im Rahmen der Gesamtabwägung gegen eine Versorgungsehe sprechen. Derartige Umstände sind zur Überzeugung des Senats nicht nachgewiesen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das Bestehen einer langjährigen Partnerschaft keinen solchen Umstand darstellt (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 20. Februar 2013, L 1 R 304/11, juris; LSG B.W., Urteil vom 5. November 2013, L 11 R 1216/12). Vielmehr spricht - wie schon das SG im Urteil vom 14. September 2016 (S 10 R 4305/15) zutreffend dargelegt hat - gerade die Tatsache, dass die Klägerin und der Versicherte bereits seit vielen Jahren ein Paar waren und keine Heirat erfolgte, dafür, dass die Klägerin und der Versicherte mit einer Partnerschaft ohne Trauschein zufrieden waren, zumal es für den Versicherten über viele Jahre hinweg wichtiger war, die erste Ehe wegen finanzieller (steuerlicher) Vorteile fortzusetzen, was einer Eheschließung zwischen der Klägerin und dem Versicherten entgegen stand. Einem langjährigen Zusammenleben ohne Trauschein liegt aber die Grundentscheidung zugrunde – egal aus welchen Gründen - eben nicht zu heiraten und damit nicht den vielfältigen gesetzlichen Regelungen, die für Eheleute gelten, zu unterliegen. Zwar ist der Wunsch, der beiderseitigen Liebesbeziehung nach langjährigem eheähnlichen Zusammenleben mit dem Versicherten den "offiziellen Segen" zu geben und sie damit auch formal und rechtlich zu manifestieren, nicht von vornherein – losgelöst von dem Umständen des konkreten Einzelfalls – ungeeignet, einen besonderen Umstand anzunehmen (BSG, Urteil vom 6. Mai 2010, B 13 R 134/08 R, juris). Allein das Bestehen einer innigen Liebesbeziehung und die wiederholte Äußerung von Heiratsabsichten reichen für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung aber nicht aus (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 8. April 1999 - L 3 U 99/97), sondern die Heirat muss sich als konsequente Verwirklichung eines bereits vor Erlangung der Kenntnis von der lebensbedrohlichen Krankheit bestehenden Entschlusses darstellen (LSG B.W., Urteile vom 22. Juni 2012, L 11 R 1116/08, 16. Oktober 2012 - L 11 R 392/11, juris und vom 19. September 2013 – L 11 R 4929/12). Lediglich abstrakte Pläne zur Heirat reichen, noch ohne entsprechende Vorbereitungen und ohne definitiv ins Auge gefassten Termin, nicht aus (vgl. LSG B.W. Urteil vom 7. Dezember 2007, L 4 R 2407/05).

Demnach reicht es im vorliegenden Fall nicht aus, dass eine Heirat nach den Angaben der Klägerin und den in der mündlichen Verhandlung im Verfahren S 10 R 4305/15 gehörten Zeugen schon seit längerer Zeit im Gespräch war bzw. entsprechende Pläne auch gegenüber der Familie geäußert wurde. Denn bis zur Scheidung der ersten Ehe des Versicherten im Februar 2010 war eine Eheschließung gar nicht möglich, was die Klägerin und der Versicherte viele Jahre lang in Kauf genommen haben, und auch nach der rechtskräftigen Scheidung der ersten Ehe sind zunächst keine konkreten Schritte im Hinblick auf eine Eheschließung eingeleitet worden. Die vorgetragenen Gründe, warum es nicht zu einer Heirat kam, lassen sich kaum mit einer ernsthaften Heiratsabsicht in Einklang bringen. So erscheint es nicht nachvollziehbar, dass der Versicherte, der nach dem klägerischen Vortrag jahrelang von finanziellen Vorteilen wegen der fortbestehenden ersten Ehe profitiert hat und diese offenbar zumindest auch deshalb aufrecht erhalten hat, gleichzeitig aber schon seit vielen Jahren mit der Klägerin in eheähnlicher Gemeinschaft – getrennt von seiner ersten Ehefrau – lebte, wegen schmerzlicher Erfahrungen im Zusammenhang mit der Ehescheidung vor einer zeitnahen zweiten Eheschließung zurückschreckte, obwohl er nach dem klägerischen Vortrag schon seit langer Zeit geäußert hatte, er wolle die Klägerin aus Liebe heiraten bzw. weshalb seine Bedenken dann zu einem späteren Zeitpunkt plötzlich ausgeräumt waren. Auch die vorgetragenen gesundheitlichen Probleme (orthopädische Probleme mit Operationen und anschließenden Rehaaufenthalten), sind nicht geeignet, nachvollziehbar zu begründen, weshalb eine frühere Hochzeit nicht erfolgte, zumal sie nach dem eigenen Vortrag der Klägerin erst 2011/2012 und damit lange nach der Scheidung im Februar 2010 aufgetreten sind. Eine konkrete - vor Bekanntwerden der lebensbedrohlichen Erkrankung des Versicherten vorhandene - Heiratsabsicht zum 12. Dezember 2012 lässt sich auch unter Berücksichtigung der im Verfahren S 10 R 4305/15 gehörten Zeugen H. und L. nicht nachweisen. Die Zeugin H. hat ausgesagt, dass der Versicherte ihr gegenüber während eines Klinikaufenthalts geäußert habe, dass er die Klägerin heiraten wolle. Sie konnte jedoch weder genau angeben, in welchem Jahr dieses Gespräch stattfand, noch ergibt sich aus ihrer Aussage ein konkret geplanter Termin für die Eheschließung. Soweit die Zeugin L. ausgesagt hat, anlässlich ihrer Geburtstagsfeier im April 2012 habe der Versicherte geäußert, dass es jetzt ernst werde mit den Heiratsabsichten und der 12. Dezember 2012 als Wunschtermin anvisiert sei, ist festzuhalten, dass sich aus der Aktenlage keinerlei Anhaltspunkte für eine konkrete Hochzeitsvorbereitung (vor der Erkrankung des Versicherten) zu diesem Termin ergeben. Erst nach Bekanntwerden der Erkrankung (Dokumentation der Wirbelsäulenmetastasen und ausführliche Befundbesprechung am 28. September 2012) am 5. Oktober 2012 ist der Termin beim Standesamt vereinbart worden. Nachdem die Eheleute in der Vergangenheit offensichtlich keine Eile mit der Hochzeit hatten und die Eheschließung auch nach der Scheidung des Versicherten aus verschiedenen Gründen hinausgeschoben haben (gesundheitliche Gründe, finanzielle Gründe, schwierige Scheidung von der ersten Ehefrau) erscheint es naheliegend, dass der Versorgungsaspekt im Vordergrund gestanden hat, als sich die Eheleute trotz der massiven gesundheitlichen Probleme des Versicherten nun tatsächlich zur Heirat entschlossen haben, die – nach den Angaben der Zeugin L. – nur im engsten Kreis stattfand.

Schließlich ist die Klägerin mit dem Versicherten auch keine "Pflegeehe" eingegangen. Hat die Ehe offenkundig den Zweck, die häusliche Pflege des Versicherten sicherzustellen, kann eine solche Ehe in der Regel nicht als Versorgungsehe angesehen werden (BSG, Urteil vom 3. September 1986, a.a.O.; Hessisches LSG, Urteil vom 17. November 2006, L 5 R 19/06 - juris). Dies gilt jedoch nach der Rechtsprechung des BSG nur dann, wenn das Ableben des Versicherten aufgrund seines gesundheitlichen Zustands zur Zeit der Eheschließung nicht in absehbarer Zeit zu erwarten ist, also die tödliche Folge der Krankheit nicht vorhersehbar war. Dies war hier jedoch nicht gegeben, weil – wie bereits dargelegt – im Zeitpunkt der Eheschließung nach objektiven Kriterien bereits erkennbar war, dass der Versicherte an einer tödlichen Erkrankung leidet.

In der Gesamtschau der zu beurteilenden objektiven und subjektiven Umstände des Falles gelangt der Senat daher zu der Einschätzung, dass die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe nicht widerlegt ist. Damit war die Entscheidung über die Gewährung einer großen Witwenrente mit Bescheid vom 10. Juli 2013 von Anfang an rechtswidrig.

Die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Bescheids vom 10. Juli 2013 nach § 45 SGB X sind erfüllt. Die Entscheidung der Beklagten über die Bewilligung einer großen Witwenrente ab dem 24. März 2013 beruhte auf Angaben, welche die Klägerin vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Die Klägerin hat zunächst unrichtig angegeben, dass die Eheschließung mit dem Versicherten vor dem 12. Dezember 2012 unmöglich gewesen sei, weil der Versicherte noch verheiratet gewesen sei. Diese Behauptung ist nachweislich falsch, weil der Versicherte bereits seit dem 23. Februar 2010 rechtskräftig geschieden war. Die Klägerin hat dies im Übrigen auch eingeräumt. Darüber hinaus war auch die Angabe falsch, dass der Tod des Versicherten bei der Eheschließung nicht vorhersehbar gewesen sei. Wie bereits oben dargelegt, war schon bei der Entlassung des Klägers aus der stationären Behandlung am 28. September 2012, als die Metastasen festgestellt wurden, objektiv erkennbar, dass es sich um eine lebensbedrohliche Erkrankung gehandelt hat. Auch wenn die Klägerin und der Versicherte darauf gehofft haben, dass die Erkrankung geheilt oder zumindest aufgehalten werden kann, ist die Angabe der Klägerin unter Berücksichtigung der vorliegenden medizinischen Befunde objektiv nicht haltbar, so dass die Klägerin mit ihren Angaben im Rahmen der Antragstellung die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt und damit grob fahrlässig gehandelt hat. Auch die Angabe der Klägerin, dass der Tod des Versicherten nicht durch eine Berufskrankheit verursacht worden sei, war objektiv falsch. Hier kann aufgrund des nach Aktenlage bereits am 29. Januar 2013 stattgefundenen Kontakts des Versicherten und der Klägerin mit der Unfallkasse B.W., in dessen Verlauf eine Aufklärung über die Leistungen der Berufsgenossenschaft stattfand und der Versicherte und die Klägerin Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung beantragten, davon ausgegangen werden, dass die Klägerin schon bei der Antragstellung am 10. Mai 2013 Kenntnis davon hatte, dass eine Berufskrankheit zumindest in Betracht kommt, wenn auch der Anerkennungsbescheid der Berufsgenossenschaft erst am 19. Februar 2014 ergangen ist. Bei dieser Sachlage das Vorliegen einer Berufskrankheit zu verneinen, stellt damit jedenfalls grob fahrlässiges Verhalten dar.

Demnach steht für den Senat fest, dass die Bewilligung der großen Witwenrente auf zumindest grob fahrlässig falschen Angaben der Klägerin im Rahmen der Antragstellung beruhte. Es kommt nicht entscheidend darauf an, dass die Beklagte Ermittlungen zu der Frage, ob eine Versorgungsehe vorliegt, von Amts wegen unterlassen hat, obwohl sich diese bei der gegebenen Sachlage hätten aufdrängen müssen. Denn dies ändert nichts daran, dass die falschen Angaben der Klägerin im Rahmen der Antragstellung ursächlich für die Rentenbewilligung waren, weil die Beklagte hiervon ausgehend ihrer Entscheidung einen anderen Sachverhalt als objektiv gegeben zugrunde gelegt hat. Schließlich hat die Beklagte auch ihr Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt und insbesondere das öffentliche Interesse an der Herstellung des rechtmäßigen Zustands in die Erwägungen einbezogen.

Auch die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X, die mit der Anhörung am 28. Mai 2014 beginnt, ist eingehalten.

Gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, so dass die Klägerin den erhaltenen Betrag in Höhe von insgesamt 11.212,32 EUR für die Zeit vom 24. März 2013 bis 30. Juni 2014 zu erstatten hat.

Aus alledem ergibt sich, dass bei Erlass des Bescheids vom 27. Juni 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Dezember 2015 weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erwiesen hat.

Da das SG somit im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen hat, weist der Senat die Berufung zurück.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass die Klägerin mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke/Berchtold, a.a.O., § 193 Rdnr. 8; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 12. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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