L 13 R 4269/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 969/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 4269/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 29. Oktober 2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die geborene Klägerin ist ausgebildete Krankenschwester und war bis 31. März 2015 in diesem Beruf versicherungspflichtig beschäftigt. Seit April 2014 war sie arbeitsunfähig krank und bezog vom 21. Mai 2014 bis 21. September 2014 Krankengeld. Anschließend war sie arbeitslos gemeldet und bezog (mit Unterbrechung durch den Bezug von Übergangsgeld vom 20. Januar 2015 bis 17. März 2015) bis Februar 2016 Arbeitslosengeld.

Vom 20. Januar 2015 bis 17. März 2015 nahm die Klägerin an einer Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation in der Rehaklinik G. teil (Diagnosen gemäß Entlassungsbericht vom 23. März 2015: mittel- bis schwergradige ängstlich-depressive Episode bei rezidivierender Störung, residuale PTSD, chronisches Schmerzsyndrom mit somatischen und psychischen Faktoren, Impingement-Syndrom links, Epikondylitis beidseits, funktionell-statisches Wirbelsäulen-Syndrom, Asthma bronchiale, Hashimoto-Thyreoiditis; leichte körperliche Arbeiten könnten unter Berücksichtigung der genannten qualitativen Einschränkungen 6 Stunden und mehr täglich ausgeübt werden). Am 8. Mai 2015 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung und gab an, sie halte sich seit 1. Mai 2014 wegen Burnout, chronischen Depressionen, einem posttraumatischen Belastungssyndrom, Bandscheibenproblemen, einem chronischen Schmerzsyndrom, einem Wirbelsäulensyndrom, Asthma bronchiale, einer Hashimoto-Thyreoiditis und einem endogenen Ekzem (Neurodermitis) für erwerbsgemindert und könne keine Arbeiten mehr verrichten. Die Beklagte veranlasste zunächst eine sozialmedizinische Begutachtung durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie T ... Dieser nannte in seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 27. November 2015 als Diagnosen eine rezidivierende depressive Störung, derzeit mittelgradig, ein chronisches Schmerzsyndrom mit somatischen und psychischen Faktoren, eine residuale PTSD und ein Impingementsyndrom links, Wirbelsäulensyndrom. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei die Klägerin für leichte Tätigkeiten vollschichtig leistungsfähig unter Berücksichtigung der von der Rehaklinik dargelegten Einschränkungen bezogen auf die psychomentale Belastbarkeit und die orthopädischen Einschränkungen.

Darüber hinaus ließ die Beklagte die Klägerin von dem Facharzt für Orthopädie Dr. L. und von dem Internisten Dr. K. sozialmedizinisch begutachten. Dr. L. diagnostizierte in seinem Gutachten vom 13. Januar 2016 ein rezidivierendes Wirbelsäulensyndrom bei Verschleiß-Aufbraucherscheinungen und als Fremddiagnose ein chronisches Schmerzsyndrom bei somatischen/psychischen Faktoren. Seitens des Stütz- und Bewegungsapparates bestehe eine Einschränkung für erheblich wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten. Unter Fortführung einer ambulanten haus- bzw. fachärztlichen Behandlung könne die Klägerin weiterhin als Krankenschwester, auch vollschichtig, tätig sein.

Dr. K. diagnostizierte eine asymptomatische Cholecystolithiasis, ein asymptomatisches Asthma bronchiale unter Medikation und Immunthyreopathie Hashimoto unter Substitution. Die auf internistischem Fachgebiet festgestellten Befunde/Diagnosen bedingten keine Einschränkung der körperlichen Leistungsbreite (Gutachten vom 19. Januar 2016). Mit Bescheid vom 23. März 2016 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, weil die Klägerin die medizinischen Voraussetzungen für einen Rentenanspruch nicht erfülle.

In ihrem dagegen gerichteten Widerspruch brachte die Klägerin vor, vor allem die Erkrankungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet minderten auch ihre quantitative Leistungsfähigkeit auf unter sechs Stunden täglich, so dass ihr ein Anspruch auf Erwerbsminderungsrente zustehe. Der neurologisch-psychiatrische Gutachter beschreibe, dass sie trotz zweimaliger medizinischer Rehabilitation, andauernder psychotherapeutischer Behandlung und medikamentöser psychiatrischer Behandlung nicht remittiert sei. Die Kombination einer depressiven Erkrankung mit einer chronischen Schmerzstörung wirke sich leistungsmindernd aus und in der Gesamtschau müsse dann auch eine Beeinträchtigung vom orthopädischen Fachgebiet her berücksichtigt werden. Die Beklagte holte Befundberichte des Orthopäden/Chirotherapeuten Dr. L., der Neurologin N. und der Hausärztin Dr. W. ein und wies den Widerspruch - nach Einholung einer Stellungnahme ihrer Beratungsärztin Dr. P. - mit Widerspruchsbescheid vom 1. März 2017 zurück.

Dagegen hat die Klägerin am 31.März 2017 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben und auf die Widerspruchsbegründung verwiesen. Der Schwerpunkt der Erkrankung liege auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet. Hierzu hat die Klägerin auf den im Widerspruchsverfahren eingeholten Befundbericht der Neurologin und Psychiaterin N. verwiesen, die Einschränkungen der Konzentrationsfähigkeit, Schuldgefühle, Ängste, Verunsicherung, permanente Anspannung, Sorgen um die Familie, Grübeln, Schlafstörungen und Antriebslosigkeit beschrieben habe und woraus sich ein Hinweis darauf ergebe, dass auch ihr quantitatives Leistungsvermögen eingeschränkt sei. Hinsichtlich der Fibromyalgieerkrankung habe der Internist und Rheumatologe Dr. ST. am 1. Juli 2016 die entsprechende Diagnose gestellt.

Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. W. hat als Gesundheitsstörungen eine posttraumatische Belastungsstörung, ein chronisches Schmerzsyndrom, chronisch rezidivierende Episoden einer Depression, Asthma bronchiale und Hashimoto-Thyreoiditis angegeben und angegeben, die Klägerin könne derzeit eher nicht ohne Gefährdung ihrer Gesundheit eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch sechs Stunden verrichten, vermutlich bestehe eine Leistungsfähigkeit für unter zwei Stunden täglich aufgrund der chronischen Schmerzen und der verminderten Konzentrationsfähigkeit.

Der Arzt für Innere Medizin, Rheumatologie Dr. ST. hat über eine einmalige Untersuchung im Juni 2016 berichtet und seinen Arztbrief vom 27. Juni 2016 übersandt. Anamnestisch dürften die Beschwerden 1988 begonnen haben. Er könne nicht beurteilen, ob seit Dezember 2015 eine wesentliche Verschlechterung/Verbesserung im Gesundheitszustand der Klägerin eingetreten sei. Zu den übrigen Beweisfragen könne und wolle er sich nicht äußern, da er die Patientin nur einmal gesehen habe.

Der Arzt für Orthopädie Dr. L. hat mitgeteilt, von Anfang an hätten Schulterschmerzen und Teilsteife links vorgelegen. Er hat die von ihm mitgeteilten Befunde mitgeteilt. Bis zum 19. Juli 2016 habe er keine Verbesserung gesehen. Aus rein orthopädischer Sicht könne die Klägerin eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch sechs Stunden verrichten. Was die seelischen Leiden angehe, sei er skeptisch.

Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie N. hat angegeben, die Klägerin leide unter einem chronischen Schmerzsyndrom vom Fibromyalgie-Typ sowie einer rezidivierenden depressiven Erkrankung mit überwiegend mittelschweren Episoden und einer posttraumatischen Belastungsstörung. Mit Einschränkung könne die Klägerin noch leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 6 Stunden täglich verrichten, jedoch ohne Schichtarbeit, ohne Arbeit unter Zeitdruck, mit ausreichender Anleitung, ohne hohe eigene Verantwortung und ohne häufigen Kundenkontakt. Aufgrund des chronischen Schmerzsyndroms und der orthopädischen Beeinträchtigungen sei die Arbeit mit schwerem Heben, Überkopfarbeit bzw. Arbeit in Nässe und Kälte nicht zumutbar. Die Klägerin sei in der Lage, eine Wegstrecke zur Arbeit über 500 Meter zu Fuß zurückzulegen, Aufgrund ihrer zeitweise noch auftretenden leichteren Angstattacken und dem begleitenden Vermeidungsverhalten könne jedoch nicht sichergestellt werden, dass sie jederzeit in der Lage sei, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen.

Das SG hat ferner von Amts wegen das neurologisch-psychiatrisch-schmerzmedizinische Gutachten des Prof. Dr. R. vom 13. Januar 2018 eingeholt. Dieser hat die Klägerin am 27. September 2017 ambulant untersucht und als Gesundheitsstörungen eine leichtgradige, anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine Dysthymia, eine leichte posttraumatische Belastungsstörung, eine leichte Schädigung der aus der Lendenwirbelsäule austretenden Nervenwurzel S 1 rechts und die von dem Sachverständigen T. erwähnten orthopädischen Diagnosen mitgeteilt. Das von dem Sachverständigen T. erwähnte Asthma bronchiale habe in Kenntnis der Ergebnisse der aktuellen allgemeinmedizinischen Untersuchung keinen Einfluss auf die quantitative berufliche Leistungsfähigkeit. Eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne die Klägerin ohne Gefährdung ihrer Gesundheit noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten, ohne Akkord- oder Fließbandtätigkeiten, ohne Heben und Tragen von Lasten mit einem Gewicht von mehr als 10 Kilogramm, vorzugsweise im Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen bzw. hilfsweise ständig im Sitzen, zeitweise im Stehen oder zeitweise im Gehen, unter Vermeidung von Zwangshaltungen der Wirbelsäule (Bücken oder kniende Tätigkeiten), ohne Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten, unter Vermeidung von Arbeiten unter der Exposition von Kälte, Wärme, Staub, Gasen, Dämpfen oder Nässe, ohne Nachtschicht. Treppensteigen sei noch zumutbar. Arbeiten an Büromaschinen oder an Computer-Tastaturen, Tätigkeiten in Früh- bzw. Spätschicht, mit durchschnittlicher Beanspruchung des Gehörs oder des Sehvermögens, mit besonderer geistiger Beanspruchung mit hoher oder erhöhter Verantwortung seien noch zumutbar, Tätigkeiten im Freien unter günstigen Witterungsbedingungen seien nicht grundsätzlich auszuschließen. Einschränkungen hinsichtlich der Fähigkeit der Klägerin, die üblichen Wege zu und von der Arbeitsstelle zurückzulegen, bestünden nicht.

Zum Gutachten des Prof. Dr. R. hat die Klägerin ausführlich kritisch Stellung genommen. Sie hat zahlreiche Angaben im Gutachten beanstandet, die unzutreffend seien oder ihre eigenen Angaben verzerrt wiedergäben. Sie habe auch die Fragebögen nicht selbst ausgefüllt und nicht gegengelesen. Während der Exploration sei es zu mehreren Dissoziationen gekommen, die im Gutachten überhaupt nicht erwähnt würden. Es sei zu befürchten, dass dies vom Gutachter, der sie und ihr Verhalten nicht schon seit längerem kenne, auch nicht wirklich wahrgenommen worden sei, weil sie ein "phasadäres" Verhalten gezeigt habe, d.h. nach außen hin funktioniere, aber ihre Gefühle vollkommen verschließe und innerlich vollkommen panisch sei. Es sei auch nicht richtig, dass es nicht zum Nachlassen der Konzentrationsfähigkeit und der Aufmerksamkeit gekommen sei, sondern ihr seien mehrere 10-minütige Pausen eingeräumt worden, weil ihre Konzentrationsfähigkeit mehrfach nachgelassen habe.

Nachdem sich die Klägerin vom 5. Dezember 2017 bis 27. Februar 2018 in stationärer Behandlung in der S. befunden hatte (Diagnosen laut Entlassungsbericht vom 27. Februar 2018: posttraumatische Belastungsstörung, rezidivierende depressive Episode, mittelgradig, chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, sonstige näher bezeichnete Hypothyreose, reine Hypercholesterinämie, Mischformen des Asthma bronchiale, sonstiges atopisches [endogenes] Ekzem, Impingement-Syndrom der Schulter links, allergische Rhinopathie, nicht näher bezeichnet; Entlassbefund: PTBS mit leichter Reduktion der Intrusion, allmählicher Aufgabe des Vermeidungsverhaltens, jedoch weiterhin bestehende Übererregung unter geschützten Bedingungen, Gesamtbeurteilung: in Teilremission) hat das SG die sachverständige Zeugenauskunft der Oberärztin Dr. E. und des leitenden Psychologen Dr. S. eingeholt. Daraus geht hervor, die Klägerin sei zu einer akut-stationären Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung in der S. gewesen und es seien daher keine speziellen oder umfassenden Erhebungen zu rehabilitativen Aspekten oder zur Leistungsbeurteilung vorgenommen worden. Als Folge der posttraumatischen Belastungsstörung bestünden deutliche qualitative Einschränkungen für die konkret zuletzt ausgeübte Tätigkeit und für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Auf kognitiver Ebene komme es gehäuft zu Dissoziationen und deutlichen Konzentrationsstörungen, d.h. die Klägerin besitze phasenweise eine eingeschränkte Realitätswahrnehmung. Emotional könnten starke Ängste mit nachfolgenden Dissoziationen oder Vermeidungsverhalten ausgelöst werden. Darüber hinaus bestehe eine emotionale Labilität und eine niedergedrückte Stimmung. Auf Verhaltensebene sei die posttraumatische Belastungsstörung verantwortlich für Vermeidungsverhalten. So stelle körperliche Nähe eine Triggersituation dar, die von der Klägerin vermieden werde. Dies habe bei ihrer zuletzt ausgeübten Tätigkeit zu maßgeblichen Einschränkungen geführt. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei die Klägerin unter Berücksichtigung der o.g. Funktionsdefizite durch die posttraumatische Belastungsstörung etwa halbschichtig (3-6 Stunden) belastbar. Weitere Funktionsdefizite ergäben sich aus den anderen Diagnosen, zu denen keine fundierte Beurteilung vorgenommen werden könne.

Zu den Einwendungen der Klägerin und der sachverständigen Zeugenauskunft der Dr. E. und des Dr. S. hat sich Prof. Dr. R. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 31. Juli 2017 geäußert und an seiner bisherigen Einschätzung festgehalten. Die Leistungseinschätzung der S. könne nicht nachvollzogen werden, weil ein ausführlicher psychischer Befund nicht referiert werde und eine differenzierte Analyse der noch verrichtbaren Alltagsaktivitäten fehle.

Mit Gerichtsbescheid vom 29. Oktober 2018 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei noch in der Lage, sechs Stunden am Tag zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben. Dabei hat sich das SG im Wesentlichen auf das Gutachten des Prof. Dr. R. gestützt. Eine gravierende schmerzbedingte Beeinträchtigung lasse sich genauso wenig belegen wie eine tiefgreifende psychische Störung. Die vom Gutachter aufgeführten Aktivitäten im Tagesablauf der Klägerin sprächen ebenfalls für ein erhaltenes quantitatives Leistungsvermögen hinsichtlich leichter Tätigkeiten. Die Einwendungen der Klägerin änderten – unter Berücksichtigung der überzeugenden ergänzenden Stellungnahme des Prof. Dr. R. - nichts an der Schlüssigkeit des Gutachtens. Die abweichenden Feststellungen der S. und des Dr. W. überzeugten nicht. Eine schwere spezifische Leistungseinschränkung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen sowie eine Einschränkung der Wegefähigkeit lägen nicht vor. Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit komme von vornherein nicht in Betracht, da die Klägerin nicht vor dem 2. Januar 1961 geboren sei.

Gegen den ihrer Prozessbevollmächtigten am 5. November 2018 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 29. November 2018 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Sie hat an ihrer Kritik an dem Gutachten des Prof. Dr. R. festgehalten. Dieser habe sie lediglich in einem einzigen Termin im Rahmen der Begutachtung erlebt. Ihm könnten daher die Verhaltensweisen und die Art und Weise, wie sie dissoziiere, nicht bekannt sein. Sie reagiere in diesen Momenten mit einem Redefluss und könne sich anschließend nicht mehr daran erinnern, was sie gesagt habe. Die Tatsache, dass sie unter häufigen Flashbacks, starken Anspannungszuständen und dissoziativen Zuständen leide, sei auch im Rahmen eines stationären Aufenthalts in der Psychosomatischen Klinik Campus B. in der Zeit vom 22. Januar 2019 bis 13. März 2019 festgestellt worden. Sie zeige ein "phasadäres" Verhalten. Sie funktioniere nach außen hin und verschließe ihre Gefühle vollkommen. Innerlich reagiere sie aber vollkommen panisch. Hierauf sei Prof. Dr. R. in seiner ergänzenden Stellungnahme nicht eingegangen, sondern er habe ausgeführt, dass er sie als kooperativ erlebt habe. Genau das kennzeichne dieses Verhalten, weil man ihr nach außen hin nichts anmerke. Bereits nach Auffassung der S. in B. bestehe auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt durch die mit der posttraumatischen Belastungsstörung einhergehenden Funktionsdefizite eine "etwa halbstündige" Belastbarkeit. Im beigefügten Entlassbrief der Psychosomatischen Klinik C. vom 24. Mai 2019 (Diagnosen: Posttraumatische Belastungsstörung, rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, Hypothyreose, nicht näher bezeichnet, Mischformen des Asthma bronchiale, Impingement-Syndrom der Schulter, allergische Rhinopathie; der Auslöser der jetzigen psychischen Dekompensation sei die Absage 07/2018 der S. B. für den geplanten Aufenthalt, weil man dort die Traumatherapie nicht mehr anbiete und sich die Klägerin perspektiv- und hoffnungslos gefühlt habe; die Klägerin wurde stabilisiert entlassen) sei ebenfalls festgehalten worden, dass die Entlassung als arbeitsunfähig erfolgt sei und eine stufenweise Wiedereingliederung keine Option sei.

Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 29. Oktober 2018 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 23. März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. März 2017 zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung, ab dem 1. Mai 2015 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat an ihrem bisherigen Standpunkt festgehalten und einen aktuellen Versicherungsverlauf vorgelegt, wonach die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente letztmals am 31. März 2018 erfüllt wären.

Die Berichterstatterin des Senats hat den Sachverhalt am 18. Juni 2019 mit den Beteiligten erörtert. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll verwiesen. Anschließend hat der Senat den Diplom-Psychologen S. schriftlich als sachverständigen Zeugen vernommen. Dieser hat mitgeteilt, es lägen eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode sowie eine (rezidivierende) Posttraumatische Belastungsstörung vor. Die Klägerin könne möglicherweise einige Stunden arbeiten, wobei er sich nicht dafür verbürgen könne, dass dies ohne negative Auswirkung auf ihre seelische Gesundheit und Stabilität bleiben werde. Es sei bisher der Therapie – und wiederholten Klinikaufenthalten – bestenfalls ansatzweise gelungen, ihr zu einer zumindest temporären Stabilität zu verhelfen. In der langen Zeit der Behandlung seien verschiedene Veränderungen sowohl in positiver wie in negativer Hinsicht eingetreten. Insgesamt habe die Klägerin eine vergleichsweise höhere Stabilität erreichen können als in den Jahren zuvor. Dennoch sei diese Stabilität immer wieder brüchig (in Dissoziationen), was erkennbar auch von situativen Faktoren abhänge.

Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI, wenn sie 1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch 1. Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können und 2. Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Nicht erwerbsgemindert ist gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist. Das Vorliegen einer rentenberechtigenden Leistungsminderung und auch der weiteren Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung muss im Vollbeweis objektiv nachgewiesen sein. Dies erfordert, dass die Tatsachen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen müssen (vgl. auch Bayerisches Landessozialgericht, Urteile vom 15. Januar 2009 – L 14 R 111/07 und vom 8. Juli 2010 – L 14 R 112/09). Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsache – hier der vollen oder teilweisen Erwerbsminderung begründenden Einschränkungen des beruflichen Leistungsvermögens – als erbracht angesehen werden kann. Eine bloße gewisse Wahrscheinlichkeit genügt nicht. Kann das Gericht das Vorliegen der den Anspruch begründenden Tatsachen trotz Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten nicht feststellen, geht dieser Umstand zu Lasten desjenigen, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleiten will, hier also zu Lasten der Klägerin.

Gemessen hieran ist die Klägerin weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheides unter Zugrundelegung der vorgenannten Anspruchsvoraussetzungen - im Wesentlichen gestützt auf das von Amts wegen eingeholte Gutachten des Prof. Dr. R. vom 13. Januar 2018 und dessen ergänzende Stellungnahme vom 31. Juli 2018 – zutreffend dargelegt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung hat, weil sie noch in der Lage ist, sechs Stunden am Tag zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben. Das SG hat hierbei die vom Sachverständigen erhobenen Befunde und Beobachtungen (während der Begutachtung wirkte die Klägerin auf den Gutachter aufmerksam, konzentriert und offen, im Verlauf der mehrstündigen Begutachtung wurde kein Nachlassen der Konzentrationsfähigkeit/Aufmerksamkeit beobachtet, die Antriebslage wirkte unauffällig, die Stimmungslage überwiegend subdepressiv, beim Besprechen angenehmer Themen kam es rasch zu einer Stimmungsaufhellung, die affektive Modulationsfähigkeit imponierte nicht eingeschränkt, der Selbsteinschätzungsbogen ergab nur schwache Hinweise auf eine Depression) sowie die vom Gutachter aufgeführten Aktivitäten im Tagesablauf der Klägerin berücksichtigt und die Einwendungen der Klägerin zum Gutachten des Prof. Dr. R. einbezogen und zu Recht darauf hingewiesen, dass die abweichende Beurteilung der behandelnden Ärzte in der S. und des Dr. W. nicht überzeugen können, weil sie nicht auf einem ausführlichen psychischen Befund basieren und sich nicht mit den von der Klägerin verrichteten Alltagstätigkeiten auseinandersetzen. Darüber hinaus hat das SG auch zutreffend dargelegt, dass die vom Sachverständigen Prof. Dr. R. genannten qualitativen Einschränkungen bereits vom Begriff der "leichten Tätigkeiten" umfasst sind und weder eine schwere spezifische Leistungseinschränkung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine Einschränkung der Wegefähigkeit vorliegen. Der Senat schließt sich dem nach eigener Überprüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin uneingeschränkt an und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gemäß § 153 Abs. 2 SGG zurück.

Insbesondere sind auch zur Überzeugung des Senats weder die von der Klägerin vorgebrachten Kritikpunkte zum Gutachten des Prof. Dr. R., noch die Einschätzung der Dr. E. bzw. des Dr. S. (S. Bad Staffelstein) geeignet, dessen Leistungsbeurteilung anzuzweifeln. In seiner ergänzenden Stellungnahme hat Prof. Dr. R. die gerügten Unstimmigkeiten (u.a. keine Operationsnarbe an der linken Halsseite, Darstellung des Freizeitverhaltens) teilweise berichtigt, zugleich aber auch schlüssig begründet, dass diese Unstimmigkeiten für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit nicht entscheidend sind, weil es z.B. nicht darauf ankommt, an welchem Tag die Klägerin die Sauna besucht, sondern dass sie überhaupt über die Fähigkeit und das Interesse für einen Saunabesuch verfügt. Zu den von der Klägerin beanstandeten Angaben in den Fragebögen hat der Sachverständige nachvollziehbar dargelegt, dass diese mit der Beschwerdeschilderung während der Befragung durch ihn übereingestimmt hätten, so dass sich keine wesentliche Inkongruenz ergeben habe. Auch zu der im Gutachten angegebenen Anamnese hat der Sachverständige schlüssig dargelegt, dass die Sozial-, Krankheiten-, Medikamenten- und vegetative Anamnese sowohl von einer Mitarbeiterin als auch von ihm selbst in (hand-) schriftlicher Form erhoben werde und wegen der Übereinstimmung mit den Angaben in der Aktenlage nicht von Unstimmigkeiten auszugehen gewesen sei. Bezüglich des von der Klägerin angesprochenen Nachlassens der Konzentrationsfähigkeit und der Aufmerksamkeit während der Begutachtung hat Prof. Dr. R. auf die gute Mitarbeit bei der psychischen Untersuchung und der Testung hingewiesen und auf das Ergebnis des Kurztestes für allgemeine Basisgrößen der Informationsverarbeitung (KAI) Bezug genommen, wo die Klägerin im Wiederholungstest das Lesetempo deutlich verlangsamte, was der Sachverständige in Kenntnis des erhobenen psychischen Befundes als mangelnde Anstrengungsbereitschaft bewertete, während sie im Untertest zur Bestimmung der Gegenwartsdauer ein identisches Ergebnis erzielte, so dass diese Befundkonstellation nach schlüssiger Erläuterung des Sachverständigen gegen eine krankheitsbedingte vorzeitige Erschöpfbarkeit der kognitiven Funktionen spricht. Darüber hinaus zeigte sich nach den Feststellungen des Prof. Dr. R. bis zum Schluss der vierstündigen Begutachtung keine vorzeitige Erschöpfbarkeit und auch zum Ende des Untersuchungstags nur eine leichte psychiatrische Störung. Demnach ist die Leistungsbeurteilung des Prof. Dr. R. auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin vorgebrachten Einwendungen überzeugend. Die von Dr. E. und Dr. S. vertretene Einschätzung, dass das zeitliche Leistungsvermögen nur zwischen drei und unter sechs Stunden täglich liege, vermag dagegen nicht zu überzeugen. Denn es fehlen – wie auch Prof. Dr. R. zutreffend dargelegt hat – ein ausführlicher psychischer Befund und eine Auseinandersetzung mit den noch verrichtbaren Alltagsaktivitäten, so dass die zeitliche Leistungseinschränkung nicht hinreichend nachvollziehbar ist. Die Klägerin ist deshalb nach den Feststellungen des Gutachtens des Prof. Dr. R. vom 13. Januar 2018 noch in der Lage, unter Berücksichtigung der dargelegten qualitativen Einschränkungen körperlich leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Eine Verschlechterung des Gesundheitszustands der Klägerin nach der Untersuchung durch Prof. Dr. R. (im September 2017), die zu einer Erwerbsminderung geführt hat, ist nicht nachgewiesen. Insbesondere sind die Angaben der Dr. E. und des Dr. S. – wie oben bereits dargelegt- nicht geeignet, die Leistungsbeurteilung des Prof. Dr. R. in Frage zu stellen und geben auch keine Anhaltspunkte für eine Verschlechterung seit der Begutachtung durch Prof. Dr. R ... Hierbei ist zu berücksichtigen, dass im Entlassungsbericht der S. B. vom 27. Februar 2018 (über die stationäre Behandlung vom 5. Dezember 2017 bis 27. Februar 2018) u.a. angegeben wird, die Klägerin habe den stationären Aufenthalt als hilfreich erlebt, sie habe engagiert Expositionen in vivo (z.B. bezüglich Menschenmengen, Joggen gehen) durchgeführt. Im Entlassbefund wird eine Teilremission sowie u.a. eine allmähliche Aufgabe des Vermeidungsverhaltens angegeben. Daraus lässt sich somit eher eine Verbesserung des Gesundheitszustands seit der Begutachtung durch Prof. Dr. R. im September 2017 ableiten.

Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren. Bezüglich der erneuten Kritik der Klägerin am Gutachten des Prof. Dr. R. kann in vollem Umfang auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Auch soweit die Klägerin beanstandet hat, Prof. Dr. R. sei in seiner ergänzenden Stellungnahme nicht auf ihr "phasadäres" Verhalten eingegangen, ergeben sich im Hinblick auf die Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Klägerin keine neuen Gesichtspunkte. Denn unabhängig davon, ob ein solches Verhalten während der Untersuchungssituation aufgetreten ist, sind damit nach den Feststellungen des Prof. Dr. R. zum psychologischen Befund, den Testergebnissen und den möglichen Freizeitaktivitäten jedenfalls keine so gravierenden negativen Einschränkungen verbunden, dass die Klägerin außerstande ist, körperlich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Darüber hinaus ergeben sich weder aus der im Berufungsverfahren eingeholten sachverständigen Zeugenauskunft des behandelnden Diplom-Psychologen S. noch aus dem von der Klägerin vorgelegten Entlassungsbrief der psychosomatischen Klinik B. vom 24. Mai 2019 (über die stationäre psychosomatische Behandlung vom 22. Januar bis 13. März 2019) Anhaltspunkte dafür, dass bei der Klägerin zu einem späteren Zeitpunkt nach der Begutachtung durch Prof. Dr. R. eine Erwerbsminderung eingetreten ist. Der Diplom-Psychologe S., bei dem die Klägerin aktuell seit Juni 2017 eine Psychotherapie durchführt, hat sich zu der Frage, ob die Klägerin noch in der Lage ist, mindestens sechs Stunden täglich körperlich leichte Tätigkeiten zu verrichten, nicht eindeutig geäußert und insbesondere keine – durch nähere Angaben und Befunde gestützte – Einschätzung dazu abgegeben, dass dies zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr der Fall gewesen ist. Er hat vielmehr mitgeteilt, dass die Klägerin eine vergleichsweise höhere Stabilität erreichen konnte als in den Jahren zuvor, so dass im Verlauf tendenziell eher eine Verbesserung eingetreten ist und der Senat keine Anhaltspunkte dafür hat, dass es zu einem bestimmten Zeitpunkt nach der Begutachtung durch Prof. Dr. R. zu einer dauerhaften Verschlechterung des Gesundheitszustands mit Auswirkung auf die zeitliche Leistungsfähigkeit gekommen ist. Auch soweit sich aus dem von der Klägerin vorgelegten Entlassbrief der Psychosomatischen Klinik B. vom 24. Mai 2019 ergibt, dass es im Zusammenhang mit der Absage der S. bezüglich einer geplanten Trauma-Therapie zu einer psychischen Dekompensation gekommen ist, lässt sich daraus eine mehr als sechs Monate anhaltende Verschlechterung des Gesundheitszustands mit Auswirkung auf das zeitliche Leistungsvermögen nicht ableiten, zumal der behandelnde Diplom-Psychologen S. – wie bereits dargelegt – keine dauerhafte Verschlechterung, sondern eher eine Stabilisierung in letzter Zeit beschrieben hat.

Schließlich weist der Senat ergänzend darauf hin, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen i.S. d. § 43 Abs. 1 Nr. 2 bzw. Abs. 2 Nr. 2 SGB VI SGB VI (in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit) letztmals am 31. März 2018 erfüllt wären. Denn die Klägerin hat nach dem von der Beklagten vorgelegten Versicherungsverlauf vom 11. Juli 2019 zuletzt im Februar 2016 einen Pflichtbeitrag geleistet und es sind auch keine Zeiten ersichtlich, welche den Zeitraum von 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängern könnten (§ 43 Abs. 4 SGB VI), so dass ausgehend hiervon in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 36 Monate mit Pflichtbeiträgen nur belegt wären, wenn die Erwerbsminderung spätestens am 31. März 2018 eingetreten wäre, weil die Klägerin auch nicht die in § 241 SGB VI genannten Voraussetzungen (Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit bereits vor dem 1. Januar 1984 oder Wartezeit bereits vor dem 1. Januar 1984 zurückgelegt und Belegung der Zeit vom 1. Januar 1984 bis zum Eintritt der Erwerbsminderung ohne Unterbrechung mit Pflichtbeiträgen, freiwilligen Beiträgen oder anderen sogenannten Anwartschaftserhaltungszeiten) erfüllt.

Demnach lässt sich weiterhin keine zeitliche Leistungseinschränkung und weder eine schwere spezifische Leistungseinschränkung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine Einschränkung der Wegefähigkeit zu einem Zeitpunkt nachweisen, in dem die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI erfüllt sind.

Die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin nicht vor dem 2. Januar 1961 geboren ist (§ 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI).

Da das SG somit zu Recht die Klage abgewiesen hat, weist der Senat die Berufung zurück.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass die Klägerin mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke/Berchtold, a.a.O., § 193 Rdnr. 8; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 12. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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