L 13 R 4499/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 2816/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 4499/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 15. November 2018 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. August 2016.

Die geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt und war zuletzt ab April 2005 als Hauswirtschaftshilfe in einem Pflegeheim beschäftigt. Seit 27. Mai 2016 ist die Klägerin arbeitsunfähig krank geschrieben worden und erhielt ab 22. Juli 2016 Krankengeld (Schreiben der AOK Baden-Württemberg vom 19. August 2016, Bl. 27 der Verwaltungsakten der Beklagten). Vom 11. bis 23. Juni 2016 befand sich die Klägerin zur stationären Behandlung in der Klinik für Neurologie im Diakonie-Klinikum H. H ... Nach dem Entlassungsbericht vom 23. Juni 2016 konnten klinisch neurologische Defizite nicht festgestellt werden. Mittels CT-Angiographie der Hirnvenen wurde eine Sinusthrombose des Sinus sagittalis superior, Sinus rektus und Sinus transversus rechts diagnostiziert. Anschließend befand sich die Klägerin vom 30. Juni bis 21. Juli 2016 in der ACURA Waldklinik Dobel. Im Entlassungsbericht vom 26. Juli 2016 gelangten die behandelnden Ärzte zu der Auffassung, dass die Klägerin arbeitsunfähig entlassen werde, aber von einer weiteren guten Rekonvaleszenz unter konsequenter ambulanter Behandlung und in 5-6 Wochen von einem vollschichtigen Leistungsvermögen für die Tätigkeit als Hauswirtschaftshelferin sowie für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auszugehen sei. Defizite bestünden noch im kognitiven Bereich bei der Aufmerksamkeit sowie physisch beim Gleichgewicht.

Am 10. August 2016 beantragte die Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beratungsärztin der Beklagten G. führte unter dem 17. August 2016 aus, dass gemäß dem Entlassungsbericht vom 26. Juli 2016 ab Mitte September 2016 mit einem vollschichtigen Leistungsvermögen auch im ausgeübten Beruf zu rechnen sei. Hierauf lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 19. August 2016 ab. Am 14. September 2016 hob die Klägerin Widerspruch. Die Beklagte ließ weitere Unterlagen, insbesondere den Entlassungsbericht vom 23. Juni 2016 und radiologische Berichte (Computertomographie [CT] des Schädels vom 19. Dezember 2007, Kernspintomographie des Schädels vom 13. Juli 2009, CT des Schädels vom 15. September 2010, CT des Schädels vom 27. März 2014, 28. Oktober 2014 und 5. Dezember 2016) durch Dr. H. auswerten, der zu der Auffassung gelangte, die Klägerin sei nur drei bis unter 6 Stunden leistungsfähig; der Entlassungsbericht vom 26. Juli 2016 sei zu positiv. Da die Beklagte davon ausging, dass die Klägerin das Beschäftigungsverhältnis entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit reduzieren könne (siehe Bl. 35 der Verwaltungsakten der Beklagten), bewilligte sie mit Rentenbescheid vom 1. Juni 2017 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 1. August 2016 längstens bis zum 31. Oktober 2023 (Monat des Erreichens der Regelaltersgrenze). Mit Widerspruchsbescheid vom 4. August 2017 wies sie den Widerspruch im Übrigen zurück. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Am 4. September 2017 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Sie hat eine Aussage des Arztes für Allgemeinmedizin K. in einem Schwerbehindertenverfahren vor dem SG (S 2 SB 300/17) vorgelegt, wonach die Klägerin mehr als 50 % behindert und weniger als 3 Stunden täglich "erwerbsfähig" sei. Das SG hat von der behandelnden Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. eine schriftliche Zeugenaussage vom 13. November 2017 eingeholt, wonach die Klägerin lediglich am 2. Dezember 2014 und 11. November 2016 vorgesprochen habe, ihr eine Beurteilung des Leistungsvermögens nicht möglich sei. Sie hat die diesbezüglichen Berichte an den Hausarzt sowie ihre sachverständige Zeugenaussage vom 15. Mai 2017 im Schwerbehindertenverfahren vorgelegt. Der ebenfalls befragte Neurochirurg Steffen hat lediglich seinen bereits aktenkundigen Bericht vom 27. Oktober 2016 übersandt, wonach wegen der Bandscheibenprotrusion L4/5 bei fehlender Ausfallssymptomatik sicher keine Indikation zur Operation bestehe und Krankengymnastik rezeptiert worden sei. Die Beklagte hat eine beratungsärztliche Stellungnahme der Fachärztin für Urologie Dr. W- vom 2. Februar 2018 vorgelegt, wonach von einem sechs- und mehrstündigen Leistungsvermögen auszugehen sei. Auf neurologischem Fachgebiet lägen keine leistungseinschränkenden Befunde vor.

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG hat das SG ein Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie PD Dr. S. vom 3. Juli 2018 eingeholt. Er hat eine sonstige organische Persönlichkeits-und Verhaltensstörung aufgrund einer Krankheit, Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns und eine organische affektive Störung aufgrund einer Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns oder einer körperlichen Krankheit sowie fachfremd eine vaskuläre Encephalopathie, einen Zustand nach Sinusvenenthrombose sowie eine arterielle Hypertonie diagnostiziert. Die Klägerin könne nur noch unter 3 Stunden täglich tätig sein, da sie eine schwere pathologische Schädigung des Gehirns aufweise und daraus deutliche Einschränkungen der kognitiven Funktionen, exekutiven Funktionen resultierten. Durch die vorhandenen mikroangiopathischen Läsionen der Hirnbahnen und die weiter bestehende arterielle Hypertonie bestehe ein nicht zu unterschätzendes Risiko für einen Schlaganfall und für das Auftreten einer vaskulären Demenz.

Die Beklagte hat eine beratungsärztliche Stellungnahme des Psychiaters und Facharztes für Psychotherapie Dr. N. vom 25. Juli 2018 vorgelegt, wonach der gerichtliche Sachverständige eine Gedächtnisstörung nicht mehr habe feststellen können, so dass gegenüber dem Entlassungsbericht aus der Rehabilitation sogar eine Besserung eingetreten sei. Es sei auch zweifelhaft, wie der Sachverständige ohne Kenntnis der Primärpersönlichkeit eine Persönlichkeitsveränderung nach der Sinusthrombose habe einschätzen können. Es werde auch kein Befund genannt, der an eine Persönlichkeits- und/oder Verhaltensstörung denken lassen würde. Die Klägerin hat einen Bericht des Diakonie-Klinikums H. H., Klinik für Neurologie, vom 2. Juli 2018 vorgelegt.

Das SG hat eine ergänzende gutachtliche Stellungnahme des gerichtlichen Sachverständigen PD Dr. S. eingeholt, wonach er an seiner Einschätzung festgehalten und auf den deutlichen pathologischen Hirnbefund hingewiesen hat. Die Klägerin habe ein allgemeines normales kognitives Funktionsniveau, sei aber bei den komplexen exekutiven Funktionen sehr stark eingeschränkt. Die Beklagte hat eine beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. N. vom 25. September 2018 vorgelegt, wonach die erheblichen Zweifel an der Aussagekraft des Gutachtens durch die ergänzende Stellungnahme des gerichtlichen Sachverständigen verstärkt worden seien. Es sei nicht nachvollziehbar, warum das quantitative Leistungsvermögen gemindert sein solle, wenn ein normales allgemeines kognitives Funktionsniveau vorliege, lediglich komplexe exekutive Funktionen sehr stark eingeschränkt seien. Zudem kontrastierte die Einschätzung zum Befundbericht des Diakonie-Klinikums vom 2. Juli 2018, der keine auffälligen neurologischen Befunde beschreibe.

Mit Urteil vom 15. November 2018, berichtigt durch Beschluss vom 14. März 2019, hat das SG die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 19. August 2016 und 1. Juni 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. August 2017 verurteilt, der Klägerin ab 1. August 2016 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. Das SG hat sich hierbei auf das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen gestützt. Da unwahrscheinlich sei, dass die Erwerbsminderung behoben werden könne, sei die Rente auf Dauer zu gewähren.

Gegen das der Beklagten am 28. November 2018 zugestellte Urteil hat sie am 17. Dezember 2018 Berufung eingelegt und geltend gemacht, eine quantitative Leistungsminderung sei nicht nachgewiesen. Die Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen PD Dr. S. sei weder schlüssig noch nachvollziehbar. Eine Einschränkung bei komplexen exekutiven Funktionen bedinge keine quantitative Leistungsminderung, sondern finde ihre Berücksichtigung bei der qualitativen Leistungsfähigkeit. Schließlich habe der Sachverständige auch die verwendeten Tests nicht näher bezeichnet, weshalb nicht nachvollzogen werden könne, inwieweit diese auf subjektiven Angaben der Klägerin beruhten. Auf vorhandene Inkonsistenzen sei der gerichtliche Sachverständige auch nicht eingegangen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 15. November 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung einer schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage des behandelnden Nervenarztes Dr. R. vom 28. Mai 2019. Hiernach sei die Klägerin nach den dort erhobenen Befunden in der Lage, eine leichte, einfache, vollschichtige Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes durchzuführen. EEG und Demenz-Testungen seien zweimal unauffällig geblieben. Aufgrund der unauffälligen Befunde sei der Verdacht auf eine Depression geäußert worden, zu deren Behandlung es aber nicht gekommen sei.

Der Senat hat schließlich noch ein nervenärztliches Gutachten des Prof. Dr. B. vom 8. Juli 2019 eingeholt. Hiernach liege bei der Klägerin ein leicht ausgeprägtes Wirbelsäulen-Syndrom ohne aktuelle Nervenwurzelreizsymptome und ohne auf die Wirbelsäule beziehbare segmentale sensible oder motorische neurologische Defizite sowie eine Dysthymie vor. Aus dem Wirbelsäulen-Syndrom resultierten lediglich qualitative Leistungseinschränkungen dahingehend, dass nur leichte und vorübergehend mittelschwere körperliche Arbeiten zugemutet werden können, wohingegen schwere und dauernd mittelschwere körperliche Arbeiten, Arbeiten mit häufigem Sich-Bücken, Sich-Drehen und Sich-Wenden, Arbeiten in häufiger Zwangshaltung, Arbeiten mit häufiger Über-Kopf-Haltung und Arbeiten in Kälte und Nässe ohne entsprechende Schutzkleidung nicht zumutbar seien. Die von der Klägerin angegebenen Einschränkungen im Sinne einer Dysthymie verblieben allein im subjektiven Bereich und führten zu keinen objektivierbaren Leistungseinbußen, und zwar sowohl in der Untersuchungssituation hier feststellbar als auch aus ihren eigenen Angaben ableitbar. Die bildmorphologisch beschriebenen Hirnveränderungen, die als vaskuläre Encephalopathie interpretiert worden seien, bestünden bereits seit vielen Jahren in konstanter Ausprägung, also auch schon zu einem Zeitpunkt, als die Klägerin noch berufstätig gewesen sei. Wenn es sich bei den genannten Veränderungen tatsächlich um kleine Hirninfarkte handeln sollte, dann müsste man bei einem Verlauf von nahezu zehn Jahren eine Befundprogredienz und zentrale neurologische Defizite erwarten, die aber nicht vorlägen. Die Klägerin hat noch Atteste des behandelnden Arztes für Allgemeinmedizin K. vom 7. August und 6. September 2019 vorgelegt (s. Bl. 127 f. der Gerichtsakten des Senates).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. Denn die Klägerin ist in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes bei Beachtung quantitativer Einschränkungen vollschichtig auszuüben. Der Rentenbescheid vom 1. Juni 2017, mit dem der Klägerin Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bewilligt worden ist, ist deshalb rechtswidrig, verletzt aber nicht die Klägerin in ihren Rechten. Der Bescheid vom 19. August 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. August 2017 ist rechtmäßig.

Hinsichtlich der Rechtsgrundlagen für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch verweist der Senat auf die Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil. Ergänzend ist auf § 43 Abs. 3 SGB VI hinzuweisen, wonach nicht erwerbsgemindert ist, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist. Genau dies ist bei der Klägerin der Fall.

Die Klägerin leidet unter einem leicht ausgeprägten Wirbelsäulen-Syndrom, wie der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. B. schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt hat. Aus diesem Syndrom resultieren aber lediglich qualitative Leistungseinschränkungen dahingehend, dass der Klägerin nur leichte und vorübergehend mittelschwere körperliche Arbeiten zugemutet werden können, wohingegen ihr schwere und dauernd mittelschwere körperliche Arbeiten, Arbeiten mit häufigem Sich-Bücken, Sich-Drehen und Sich-Wenden, Arbeiten in häufiger Zwangshaltung, Arbeiten mit häufiger Über-Kopf-Haltung und Arbeiten in Kälte und Nässe ohne entsprechende Schutzkleidung nicht zugemutet werden können. Darüber hinaus hat Prof. Dr. B. überzeugend dargelegt, dass lediglich eine Dysthymie vorliegt, die jedoch im subjektiven Bereich verbleibt und zu keinen objektivierbaren Leistungseinbußen führt und lediglich eine ambulante Psychotherapie angezeigt erscheint, welche jedoch nicht durchgeführt wird. Prof. Dr. B. hat eine stets bewusstseinsklar und hinsichtlich Ort, Zeit, Person und Situation vollorientierte Klägerin vorgefunden. Ihre Wahrnehmung und Auffassung waren ungestört; sie konnte den Kern der an sie gerichtete Fragen stets sofort erfassen und zielgerichtet in adäquater Geschwindigkeit beantworten. Die Gedächtnisleistungen waren sowohl im Langzeit-und auch Kurzzeitbereich ungestört, daran ablesbar, dass sie ihre Biografie mit vielen Details in ein sinnvolles Zeitgitter einordnen konnte und dass sie auch kurz zurückliegende Einzelheiten erinnerte. Im Rahmen der längeren Explorationssituation war sie auch in der Lage, an initial angerissene Themenbereiche anzuknüpfen und vergessene Einzelheiten später nachzutragen. Merkfähigkeitsstörungen waren demnach auszuschließen. Die Antriebssituation war ungestört. Weder war eine Antriebshemmung noch eine Antriebsreduktion festzustellen, es bestand jedoch auch keine Antriebssteigerungen; die Klägerin konnte ruhig auf ihrem Stuhl sitzend der Untersuchung folgen, ohne Nachlassen ihrer Konzentrationsfähigkeit und ohne erhöhte Ablenkbarkeit. Aufgrund ihrer exakten Auffassungsgabe, ihrer guten Verbalisationsfähigkeit und ihres erhaltenen Abstraktionsvermögens gab es keine Hinweise auf eine globale intellektuelle Beeinträchtigung. Das Denkvermögen war unter formalen Gesichtspunkten in sich zusammenhängend, logisch aufgebaut, vom Hörer nachvollziehbar, ohne Gedankenabreißen, ohne Gedankensprünge, ohne Neigung, am Thema zu haften, und ohne Wiederholungsneigung bei regelrechter Denkgeschwindigkeit ohne Denkverlangsamung und ohne Denkbeschleunigung. Es gab auch keine Hinweise auf überwertige Ideen, Zwangsgedanken oder gar Wahngedanken; auch produktive Wahrnehmungsstörungen wie Halluzinationen und so genannte Ich-Störungen wie Fremdbeeinflussungserlebnisse war nicht zu erheben. Prof. Dr. B. konnte einen guten Rapport zu ihr herstellen und keine durchgängige Verschiebung der Grundstimmung in einen deprimiert-gehemmten oder ängstlichen Modus feststellen. Die Klägerin war aber auch nicht dysphorisch-gereizt oder inadäquat euphorisch. Auch freudige Affekte mit lachen und schmunzeln waren nicht ausgespart. Die affektive Modulationsfähigkeit war damit voll erhalten. Typische depressive Symptome, wie gedrückte Stimmung, Interessenverlust, Unfähigkeit, sich zu freuen, Verminderung des Antriebs, erhöhte Ermüdbarkeit und Aktivitätseinschränkungen, vermindertes Konzentration-und Aufmerksamkeitsvermögen, ein vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen, Schuldgefühle und Gefühle von Wertlosigkeit, negative und pessimistische Zukunftsperspektiven, Gedanken über oder tatsächlich erfolgte schwerwiegende Selbstverletzungen oder Suizidhandlungen, Schlafstörungen und verminderter Appetit ließen sich bei der Klägerin weder im Querschnittsbefund in relevantem Umfang feststellen noch ließen sich solche Symptome über längere Zeiträume hinweg aus der längsschnittlichen Betrachtung ihrer eigenen anamnestischen Angaben und der Aktenlage ableiten. Demzufolge hat der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. B. überzeugend auch aufgrund der fehlenden Rückzugstendenzen, des fehlenden Verlustes der Tagesstrukturierung und Interessenspektrums eine psychiatrische Krankheit klinisch-relevanten Ausmaßes ausgeschlossen. Nicht folgen konnte der Senat dem gerichtlichen Sachverständigen PD Dr. S ... Er hat für den Senat nicht schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, weshalb die Klägerin selbst einfache und leichte körperliche Tätigkeiten nicht mehr vollschichtig verrichten kann. Die Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass aus der Einschränkung für komplexe exekutive Funktionen nicht schlüssig folgt, dass das quantitative Leistungsvermögen für leichte und einfache Tätigkeiten eingeschränkt ist. PD Dr. S. hat für das Gericht auch nicht schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, welche Testungen er durchgeführt hat, welche Ergebnisse diese erbracht haben und wie diese mit den selbst erhobenen Befunden in Übereinstimmung zu bringen sind. Schließlich fehlt für den Senat auch eine Konsistenzprüfung, da testpsychologische Erhebungen objektiviert werden müssen. Somit hat PD Dr. S. bereits nicht den Nachweis von Hirnfunktionsstörungen erbracht. Prof. Dr. B. hat zudem überzeugend darauf hingewiesen, dass die bildmorphologisch beschriebenen Hirnveränderungen, die als vaskuläre Encephalopathie interpretiert wurden, bereits seit 2007 bestehen und einer Berufstätigkeit nicht entgegenstanden. Wenn es sich bei diesen Veränderungen tatsächlich um kleine Hirninfarkte handeln sollte, dann müsste nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. B. eine Verschlechterung der Befunde wie auch zentrale neurologische Defizite zu erwarten sein. Solche zentralen neurologischen Defizite sind aber weder im Entlassungsbericht vom 26. Juli 2016 noch im Entlassungsbericht des Diakonie-Klinikums H. H. vom 23. Juni 2016 oder in einem anderen Bericht beschrieben. Schließlich bleibt noch darauf hinzuweisen, dass auch der behandelnde Nervenarzt Dr. R. eine leichte Tätigkeit vollschichtig für zumutbar erachtet hat. Auch Dr. R. hatte keinen Anhalt dafür, dass die Beschwerden auf einen hirnorganischen Prozess zurückzuführen waren, zumal die Ergebnisse des bei ihm durchgeführten DEMTECT-Tests mit 15 Punkten im altersgemäßen Normbereich lagen und ein erhebliches kognitives Defizit ausgeschlossen werden konnte (s. auch seinen Bericht vom 1. Februar 2016, Blatt 55 der Gerichtsakten des Senates). Auch die behandelnde Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. hat neurologisch keine Auffälligkeiten feststellen können (s. ihre Berichte vom 4. Dezember 2014 und 14. November 2016, Blatt 32, 33 der SG-Akten).

In Anbetracht der überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. B. konnten die nachfolgenden eingereichten Atteste des Hausarztes K. nicht überzeugen, zumal die postulierte starke Einschränkung der Konzentrationsfähigkeit, der Merkfähigkeit sowie der körperlichen und geistigen Belastbarkeit nicht schlüssig und nachvollziehbar belegt worden sind. Rentenrelevante Erkrankungen auf anderem medizinischen Fachgebiet liegen nicht vor. Der Hausarzt K. hat in seinen aktuellen ärztlichen Attesten lediglich auf nervenärztliche Beschwerden Bezug genommen, so dass sich von Amts wegen kein weiterer Ermittlungsbedarf aufdrängte, zumal Prof. Dr. B. weitere Begutachtungen nicht für erforderlich gehalten hat. Die Klägerin kann hiernach leichte körperliche Tätigkeiten vollschichtig verrichten. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen liegt damit nicht vor; der Klägerin sind beispielsweise einfache Bürotätigkeiten oder einfache Sortier-, Montier- oder Verpackungstätigkeiten mit leichten Industrie- und Handelskammer (vergleiche BSGE, Urteil vom 24. Februar 1999,B 5 RJ 30/98 R, juris) vollschichtig möglich, so dass sich Bereiche des allgemeinen Arbeitsmarktes beschreiben lassen, weshalb es der Benennung einer Verweisungstätigkeit nicht bedarf. Auch ist die Wegefähigkeit (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991, 13/5 73/90, juris) nicht rentenrelevant eingeschränkt, da weder die freie Wegstrecke noch die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel reduziert ist, wie Prof. Dr. B. schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass die Klägerin mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur KlaG.hebung gegeben hat.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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