L 13 AL 3882/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AL 853/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 3882/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 11. September 2017 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf eine Förderung der beruflichen Weiterbildung mit dem Bildungsziel Fremdsprachenkorrespondent Englisch (IHK) hat.

Der im Jahr geborene Kläger absolvierte eine abgeschlossene Berufsausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann. Danach war er bei verschiedenen Firmen tätig, zuletzt von Juli 2010 bis Juni 2011 bei der Versicherungsgruppe. Im Anschluss daran bezog er zeitweise Krankengeld, von der Beklagten bis zum 23. April 2014 Arbeitslosengeld und anschließend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), derzeit durch den Beigeladenen.

Beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) waren bereits Berufungsverfahren des Klägers wegen einer beruflichen Weiterbildung zum "Wirtschaftsfachwirt-IHK" (Az.: L 8 AL 3197/14) sowie einer beruflichen Weiterbildung mit dem Bildungsziel eines europäischen Computerführerscheins (ECDL), eines europäischen Wirtschaftsführerscheins Stufe A (EBC*), eines Kurses über Grundlagen der Buchhaltung sowie eines Kurses Business-Englisch mit den Schwerpunkten Wirtschaft und Technik (L 8 AL 3708/14) und einer beruflichen Weiterbildung mit dem Berufsziel eines Lehrgangs zur Betriebswirtschaftslehre (BWL), Ein-/Verkauf-/Marketing, Einkauf I bis III und Logistik I bis III (Az.: L 8 AL 3284/15) anhängig. Die genannten Klagebegehren des Klägers gegenüber der Beklagten und dem Beigeladenen (Jobcenter) blieben erfolglos. In den hierzu ergangenen Urteilen des 8. Senats des LSG vom 29. Januar 2016 wurde hierzu u.a. ausgeführt, ein Anspruch des Klägers auf Verurteilung zu der begehrten Förderung der beruflichen Weiterbildung bestehe nur, wenn die vom Leistungsträger zu treffende Ermessensentscheidung auf "Null" zu Gunsten des Klägers reduziert wäre, d.h. wenn keine andere Ermessensentscheidung als die Gewährung der Förderung der beruflichen Weiterbildung ermessensfehlerfrei getroffen werden könnte. Dies sei nicht der Fall. Der jeweils gestellte Hilfsantrag des Klägers, über die streitige Förderung der beruflichen Weiterbildung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden, sei ebenfalls nicht begründet, weil die Notwendigkeit der streitigen Weiterbildungsmaßnahme zur beruflichen Eingliederung nicht erwiesen sei. Eine Notwendigkeit in genannten Sinne könne nur bejaht werden, wenn ein Eingliederungserfolg mit hinreichender Sicherheit vorausgesagt werden könne. Hierzu gehöre auch die Prognose, ob der Teilnehmer für die Ausübung des angestrebten Berufs persönlich, d.h. unter Beachtung seiner intellektuellen Fähigkeiten, seiner Persönlichkeitsstruktur sowie etwaiger gesundheitlicher (physischer und psychischer) Beeinträchtigungen, geeignet sei. Nach den Aussagen derjenigen behandelnden Ärzte, für die der Kläger eine Entbindungserklärung von der ärztlichen Schweigepflicht erteilt habe, könne hiervon nicht ausgegangen werden.

Am 17. Juli 2013 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Förderung der beruflichen Weiterbildung mit dem Bildungsziel Fremdsprachenkorrespondent Englisch (IHK). Mit Bescheid vom 23. Juli 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. August 2013 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab. Auf die Gewährung der beantragten Leistungen nach § 81 SGB III bestehe kein Rechtsanspruch, denn das Gesetz habe die Gewährung der Leistung in das Ermessen der Beklagten gestellt. Die Beklagte hat hierzu u.a. ausgeführt, unter Berücksichtigung dessen, dass der Kläger auf kaufmännischem Gebiet eine abgeschlossene Berufsausbildung besitze und dort im Vergleich zu einem Fremdsprachenkorrespondenten bessere Integrationschancen gegeben seien, sei der Antrag abzulehnen.

Wegen der ablehnenden Entscheidung der Beklagten hat der Kläger am 9. September 2013 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Das SG hat mit Beschluss vom 29. Oktober 2013 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Es sollte der Ausgang der bereits anhängigen Klageverfahren bezüglich beruflicher Weiterbildung abgewartet werden. Am 15. März 2017 hat der Kläger das Verfahren wieder angerufen. Hierzu hat er ausgeführt, die begehrte Weiterbildung sei notwendig, um die jahrelange Arbeitslosigkeit abzuwenden. Schließlich sei festzustellen, dass die Prognose, ob er für die Ausübung des angestrebten Berufs persönlich geeignet sei, zu bejahen sei. Da der Anspruch auf Arbeitslosengeld mit Ablauf des 23. April 2014 geendet habe, komme der Anspruch auf Förderung der genannten Weiterbildung durch den Beigeladenen in Betracht.

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 11. September 2017 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe weder gegen den Beklagten noch gegen den Beigeladenen einen Anspruch auf Förderung der beruflichen Weiterbildung mit dem Bildungsziel Fremdsprachenkorrespondent Englisch (IHK). Auch ein Anspruch des Klägers, den Beigeladenen oder den Beklagten zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden, bestehe nicht. Maßgebliche Rechtsgrundlage des streitigen Anspruchs sei gegenüber der Beklagten § 81 SGB III und gegenüber dem Beigeladenen § 16 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 81 SGB III. Danach habe die Beklagte bzw. der Beigeladene eine Ermessensentscheidung zu treffen. Ein Anspruch käme daher nur in Betracht, wenn die zu treffende Ermessensentscheidung auf "Null" zu Gunsten des Klägers reduziert wäre, d.h. wenn keine andere Ermessensentscheidung als die Gewährung der beantragten Förderung ermessensfehlerfrei getroffen werden könne. Dies sei nicht der Fall. Dem Förderungsbegehren des Klägers stehe bereits entgegen, dass die Notwendigkeit der streitigen Weiterbildungsmaßnahme zur beruflichen Eingliederung nicht erwiesen sei. Dies sei aber unabdingbare Voraussetzung für die Förderung der Weiterbildungsmaßnahme. Der Kläger sei jedoch für die begehrte Weiterbildung nicht geeignet. Dies ergebe sich bereits aufgrund der medizinischen Ermittlungen in dem Berufungsverfahren L 8 AL 3284/15. In dem Urteil vom 29. Januar 2016 habe der dortige Senat festgestellt, dass beim Kläger eine rezidivierende depressive Störung neben sozialen Phobien sowie eine narzisstisch vulnerable Persönlichkeitsstruktur gegeben sei. Zwar habe der Kläger nun den Entlassungsbericht über die vom 8. September bis 13. Oktober 2015 durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme in der M.-Klinik M., vorgelegt, daraus ergäben sich jedoch weiterhin eine narzisstisch vulnerable Persönlichkeitsstruktur, das Vorliegen sozialer Phobien, eine rezidivierende depressive Störung (zum damaligen Zeitpunkt remittiert) und weitere körperliche Einschränkungen. Aufgrund der Erkrankungen bestünden Einschränkungen in der Fähigkeit zur Anpassung an Regeln und Routinen, in der Flexibilität und Umstellungsfähigkeit, in der Kontaktfähigkeit zu Dritten und der Gruppenfähigkeit, in der Fähigkeit zu intimen Beziehungen und der Fähigkeit zu spontanen Aktivitäten sowie der Steuerung dysfunktionaler Gedankengänge. Zwar sei der Kläger mit ausreichender Arbeitsfähigkeit als Sachbearbeiter und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entlassen worden, allerdings sprächen die zuvor getroffenen Feststellungen dagegen, dass der Kläger einer Weiterbildungsmaßnahme, die in Gruppen durchgeführt werde und die Anpassung an Regeln und Routinen sowie eine Umstellungsfähigkeit und die Kontaktfähigkeit zu Dritten sowie eine Gruppenfähigkeit erfordere, gewachsen sei. Weitere Ermittlungen des SG durch Befragung weiterer behandelnder Ärzte habe der Kläger dadurch unterbunden, dass er diese nicht von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden habe.

Gegen den dem damaligen Bevollmächtigten des Klägers am 18. September 2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 5. Oktober 2017 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat der Kläger seinen bisherigen Vortrag nochmals erläutert und vertieft. Er sei in der Lage, die Weiterbildung erfolgreich zu absolvieren. Das SG und bereits der 8. Senat des LSG in den vorausgegangenen Berufungsverfahren hätten zu Unrecht angenommen, er sei aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, die Weiterbildung erfolgreich zu absolvieren.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 11. September 2017 aufzuheben und die Beklagte, hilfsweise den Beigeladenen unter Aufhebung des Bescheids vom 23. Juli 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. August 2013 zu verurteilen, ihm eine berufliche Weiterbildung zum Fremdsprachenkorrespondenten Englisch (IHK) durch Übernahme der Weiterbildungskosten zu fördern, hilfsweise zu verpflichten, hierüber unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie der Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte über die Berufung des Klägers, der im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht anwesend oder vertreten war, verhandeln und entscheiden, da er auf diese Möglichkeit in der Terminmitteilung hingewiesen worden ist.

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Gerichtsbescheid ist nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 23. Juli 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. August 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Das SG hat die Klage zutreffend als weiterhin zulässig angesehen, obwohl der Kläger seit dem 24. April 2014 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, zuletzt vom Beigeladenen, bezieht. Insofern kommt aus prozessualen Gründen eine Verurteilung des Beigeladenen in Betracht (§ 75 Abs. 5 SGG).

Der Kläger hat jedoch weder gegenüber der Beklagten, noch gegenüber dem Beigeladenen einen Anspruch auf Förderung der beruflichen Weiterbildung mit dem Bildungsziel Fremdsprachenkorrespondent Englisch (IHK). Weder die Beklagte noch der Beigeladene haben (hilfsweise) über diesen geltend gemachten Anspruch unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Das SG hat die maßgeblichen Rechtsgrundlagen (§ 81 SGB III bzw. § 16 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 81 SGB III) korrekt dargelegt und deren Tatbestandsvoraussetzungen zutreffend verneint. Bei der vom Kläger erstrebten Förderungsmaßnahme handelt es sich nach § 81 Abs. 1 SGB III um eine Ermessensleistung. Sowohl das "ob" als auch der Umfang der Leistung stehen im Ermessen und begründen damit lediglich einen Rechtsanspruch darauf, dass der zuständige Leistungsträger seiner Pflicht zur Ermessensausübung pflichtgemäß nachkommt (vgl. u. a. Hassel in Brand, SGB III 8. Aufl. Rn. 45). Das SG hat daher zutreffend dargelegt, dass eine Verurteilung der Beklagten bzw. des Beigeladenen, die von ihm begehrte Weiterbildung zu fördern, nur in Betracht käme, wenn die zu treffende Ermessensentscheidung auf "Null" zu Gunsten des Klägers reduziert wäre. Hierfür sind keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich.

Im Übrigen ist die Notwendigkeit der erstrebten Maßnahme nicht gegeben. Hierbei hat das SG zutreffend berücksichtigt, ob eine persönliche Eignung des Klägers für die erstrebte berufliche Weiterbildungsmaßnahme besteht (vgl. hierzu LSG, Urteil vom 12. November 2015 – L 7 AS 5471/13, ferner die Entscheidungen des LSG vom 29. Januar 2016 in den vorangegangenen Berufungsverfahren des Klägers (u. a. L 8 AL 3284/15). Wie bereits der 8. Senat in den vorausgegangenen Berufungsverfahren hat auch das SG die Eignung des Klägers für die hier begehrte Weiterbildungsmaßnahme zutreffend nicht bejaht. Das SG hat entsprechend der vom Kläger ausdrücklich eingeschränkten Erklärung über die Befreiung von der ärztlichen Schweigepflicht zutreffend lediglich die fachärztlichen schriftlichen Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte des Klägers der vorangegangenen Klage- und Berufungsverfahren und den vom Kläger im anhängigen Klageverfahren vorgelegten Entlassungsbericht über die vom 8. September bis 13. Oktober 2015 durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme in der M.Klinik M., in seiner Beweiswürdigung berücksichtigen können und daraus für den Senat schlüssig und nachvollziehbar eine Eignung des Klägers für die begehrte Maßnahme verneint. Es hat zutreffend berücksichtigt, dass in dem genannten Entlassungsbericht eine narzisstisch vulnerable Persönlichkeitsstruktur, soziale Phobien, eine rezidivierende depressive Störung (aktuell remittiert) und rezidivierende HWS-, BWS- und LWS-Syndrome genannt werden. Die behandelnden Ärzte der Rehabilitationsmaßnahme haben ausgeführt, dass aufgrund der Erkrankungen Einschränkungen u.a. in der Fähigkeit zur Anpassung an Regeln und Routinen, in der Flexibilität und Umstellungsfähigkeit, in der Kontaktfähigkeit zu Dritten und der Gruppenfähigkeit, in der Fähigkeit zu spontanen Aktivitäten sowie der Steuerung eigener dysfunktionaler Gedankengänge bestehe. Das SG hat damit auch für den Senat überzeugend dargelegt, dass die begehrte Maßnahme den Kläger aus gesundheitlichen Gründen überfordern würde und für ihn nicht geeignet ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Überprüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens, auch im Berufungsverfahren, uneingeschränkt an und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück (§ 153 Abs. 2 SGG). Weitere medizinische Ermittlungen sind dem Senat verwehrt, weil der Kläger insoweit bereits erstinstanzlich ausdrücklich die Befreiung von der ärztlichen Schweigepflicht auf die Beiziehung des genannten Entlassungsberichts beschränkt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass der Kläger mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke/Berchtold, a.a.O., § 193 Rdnr. 8; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 12. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved