L 13 R 741/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 24 R 5274/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 741/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 28. Januar 2019 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung von Kinderziehungszeiten bzw. Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung im Ausland für den am 7. Januar 2011 geborenen Sohn der Klägerin. Die geborene Klägerin lebte mit ihrem Lebensgefährten H. und dem gemeinsamen, am 7. Januar 2011 geborenen Sohn H. bis 31. Oktober 2012 in Deutschland, wobei sie den überwiegenden Anteil der Kindererziehung übernahm. Von November 2012 bis März 2016 lebte die Familie gemeinsam in Thailand, nachdem der Lebensgefährte der Klägerin von seinem Arbeitgeber dorthin entsandt worden war (vgl. Entsendungsvertrag vom 25. Oktober 2012).

Am 28. Juni 2016 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Vormerkung von Kindererziehungs- bzw. Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für ihren Sohn N ... Mit Bescheid vom 18. Oktober 2016 merkte die Beklagte die Zeit vom 1. Oktober 2011 bis 31. Oktober 2012 als Kindererziehungszeit und die Zeit vom 1.Oktober 2011 bis 31. Oktober 2012 sowie vom 1. April 2016 bis 31. Mai 2016 als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung vor. Die Zeit vom 1. November 2012 bis 31. Januar 2014 könne nicht als Kindererziehungszeit und die Zeit vom 1. November 2012 bis 31. März 2016 nicht als Berücksichtigungszeit vorgemerkt werden, weil das Kind in dieser Zeit im Ausland erzogen worden sei. Dagegen legte die Klägerin am 26. April 2017 Widerspruch ein, den sie aufgrund des Hinweises der Beklagten, dass der Widerspruch verspätet nach Ablauf der Widerspruchsfrist erhoben worden sei, zurücknahm und als Überprüfungsantrag gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) weiterverfolgte. Sie übersandte drei beispielhafte Entgeltabrechnungen ihres Lebensgefährten als Bestätigung dafür, dass dieser während der gesamten Zeit des Aufenthalts in Thailand Beiträge zur deutschen Rentenversicherung gezahlt habe. Bevor sie sich für die Ausreise nach Thailand entschieden hätten, sei ihnen die Klärung der Auswirkungen auf die Rentenversicherung sehr wichtig und das durchgängige Zahlen der Beiträge in Deutschland eine wichtige Voraussetzung gewesen. Deswegen hätten sie dies auch im Vorfeld mit einem Mitarbeiter des Servicetelefons der Beklagten so besprochen. Die Klägerin betonte, dass ihr ihre Rente sehr wichtig sei, weil sie nicht verheiratet sei.

Mit Bescheid vom 10. Juli 2017 lehnte die Beklagte den Antrag auf Rücknahme des Bescheids vom 18. Oktober 2016 ab, weil weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Nach den vorliegenden Unterlagen und Angaben sei die Klägerin zum Zeitpunkt der Kindererziehung nicht mit dem Vater ihres Sohnes, Herrn H., verheiratet gewesen. Die Voraussetzungen des § 56 SGB VI bezüglich der Regelungen bei Kindererziehung im Ausland seien bei der Klägerin daher nicht gegeben. Eine Anerkennung von Kindererziehungszeiten/Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für den Sohn Nicholas für die Zeit vom 1. November 2012 bis 31. Januar 2014 könne somit nicht erfolgen.

In ihrem dagegen gerichteten Widerspruch brachte die Klägerin vor, sie habe in dieser Zeit ihr Kind im Ausland erzogen. Dies sei sogar genau der Grund gewesen, warum sie mit nach Thailand gegangen sei, wo sie nicht habe arbeiten können. Sie habe sich mit ihrem Kind im Ausland aufgehalten, sie habe dort ihren gewöhnlichen Wohnsitz gehabt, um als Familie mit ihrem Partner und Vater des Kindes zusammenleben zu können. Sie habe nicht nur vor der Geburt des Kindes, sondern auch nach der Geburt in Elternzeit bis zum Tag vor ihrer Ausreise nach Thailand ganz normal in Deutschland gearbeitet. Sie habe explizit mit der Beratungsstelle der Beklagten telefonisch im Vorfeld der Ausreise nach Thailand geklärt, ob genau dieser Sachverhalt im Sinne der Kindererziehungs-/Berücksichtigungszeiten angerechnet werden könne und eine positive Aussage erhalten. Diese habe sich auch darauf bezogen, dass sie nicht verheiratet seien, was damals schon klar gewesen sei. Die gleiche Aussage habe sie auch von der Rentenberatungsstelle vor Ort erhalten. Wesentlich sei in beiden Aussagen gewesen, dass ihr Partner regulär Beiträge in die Rentenversicherung eingezahlt habe und entsendet worden sei, was beides der Fall gewesen sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 18. September 2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Verzögen Eltern/eingetragene Lebenspartner zusammen mit dem Kind aus der Bundesrepublik Deutschland in einen Staat außerhalb der EU, könnten Erziehungszeiten nur bis zum Verlassen des Bundesgebiets angerechnet werden. Dies gelte auch dann, wenn unmittelbar vor der Geburt des Kindes Pflichtbeiträge für eine Beschäftigung im Inland gezahlt worden seien. Pflichtbeitragszeiten wegen einer zuvor in Deutschland ausgeübten Beschäftigung erfüllten nicht die Voraussetzungen für die Berücksichtigung der Erziehung von Kindern im Ausland. Erziehungszeiten im Ausland könnten auch dann berücksichtigt werden, wenn eine Entsendung des Erziehenden oder dessen Ehegatten/eingetragenen Lebenspartners vorliege. Eine Entsendung des Lebensgefährten der Klägerin und Kindsvaters sei zwar nachgewiesen worden. Voraussetzung einer Anerkennung nach § 56 SGB VI sei allerdings, dass eine Eheschließung/eingetragene Lebenspartnerschaft vorliege, was bei der Klägerin jedoch nicht der Fall sei.

Dagegen hat die Klägerin am 16. Oktober 2018 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Der Umstand, dass sie sich mit ihrem Kind nicht im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten habe, stehe der Anrechnung von Kindererziehungszeiten nach § 56 SGB VI nicht entgegen. Sie habe zwar in der Zeit ihres gewöhnlichen Aufenthaltes in Thailand während der Erziehung ihres Sohnes wegen einer dort ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit keine Pflichtbeitragszeiten in der Deutschen Rentenversicherung zurückgelegt. Einer Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland stehe aber auch gleich, wenn bei einem gemeinsamen Aufenthalt der Ehegatten im Ausland der andere, nicht erziehende Ehegatte wegen einer dort ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit Pflichtbeiträge entrichtet habe. Hier habe ihr Lebensgefährte und Vater des gemeinsamen Kindes während des gemeinsamen Aufenthaltes in Thailand Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet. In verfassungskonformer Auslegung sei § 56 Abs. 3 Satz 3 SGB VI auch dahin anzuwenden, dass eine Pflichtbeitragszeit wegen Kindererziehung im Ausland auch dann vorgemerkt werden müssen, wenn nicht der Erziehende , sondern wie hier der andere Elternteil Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichte und damit in einer hinreichend engen Beziehung zum inländischen Arbeits- und Erwerbsleben gestanden und somit in das inländische Rechts-, Wirtschafts- und Sozialsystem integriert geblieben sei (vgl. Urteil des BSG vom 10. November 1998 – B 4 RA 39/98 R). Eine Beschränkung von Kindererziehungszeiten bei Auslandsaufenthalt auf Ehepaare verstoße gegen Art. 6 GG. Eine Ungleichbehandlung von nicht verheirateten Eltern mit Kindern und verheirateten Eltern mit Kindern sei in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht geboten. Der verfassungsrechtliche Schutz von Art. 6 GG gelte in gleicher Weise für Gemeinschaften von Eltern und Kindern und erfasse auch die Lebensgemeinschaft nichtehelicher Kinder mit ihren nicht miteinander verheirateten Eltern. Zwar spreche der Wortlaut des § 56 Abs. 3 SGB VI nur von einem gemeinsamen Aufenthalt von Ehegatten im Ausland. Es entspreche aber nicht Sinn und Zweck der Regelung, die Anerkennung von Kindererziehungszeiten auf Ehegatten zu beschränken. Der Gesetzgeber habe bei Schaffung der Kindererziehungszeiten die Situation von Familien, bei denen die Eltern in nichtehelicher Lebensgemeinschaft mit ihren Kindern zusammenlebten, nicht ausreichend berücksichtigt. Soweit das Gesetz eine sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierung vornehme, sei diese gesetzliche Lücke im Wege der verfassungskonformen Auslegung zu schließen. Ihr Auslandsaufenthalt als erziehender Elternteil stehe mit der Grundwertung des Gesetzes in Einklang. Sie habe sich nicht in die ausländische Arbeitsorganisation integriert und sich nicht dauerhaft von der deutschen Rentenversicherung gelöst. Der Auslandsaufenthalt ihres Lebensgefährten sei zeitlich begrenzt gewesen, so dass für sie und ihren Lebensgefährten eine fortbestehende Inlandsintegration bejaht werden könne. Für ihren Lebensgefährten habe ein Rumpfarbeitsverhältnis für den inländischen Arbeitgeber im Sinne der Rechtsprechung des BSG bestanden.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat auf den Widerspruchsbescheid verwiesen. Die Beklagte sei als Körperschaft des öffentlichen Rechts verpflichtet, den Vorgaben des Gesetzgebers Folge zu leisten (Art. 20 Abs. 3 GG). Es stehe allein dem Bundesverfassungsgericht zu, die beanstandeten Vorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz zu überprüfen.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 28. Januar 2019 abgewiesen. Bei Erlass des Bescheides vom 18. Oktober 2016 habe die Beklagte weder das Recht unrichtig angewandt noch sei sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erwiesen habe. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Vormerkung der Zeit vom 1. November 2012 bis 31. Januar 2014 als Kindererziehungszeit sowie der Zeit vom 1. November 2012 bis 31. März 2016 als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung. Die Voraussetzungen des § 56 Abs. 3 SGB VI lägen nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift nicht vor. Die Erziehung des Sohnes der Klägerin im Ausland sei nicht der Erziehung im Inland gleich zu setzen. Die Klägerin sei nicht in Thailand erwerbstätig und währenddessen nach deutschem Recht versicherungspflichtig gewesen (§ 56 Abs. 3 S. 2 SGB VI). Ihr Lebensgefährte sei zwar aufgrund seiner Entsendung in Deutschland rentenversicherungspflichtig, jedoch könne die Klägerin davon nicht profitieren, weil sie nicht mit ihm verheiratet sei und deshalb nicht Ehegattin im Sinne von § 56 Abs. 3 S. 3 SGB VI sei. Die Erziehung des gemeinsamen Kindes bei dem gemeinsamen Aufenthalt im Ausland stehe damit nicht der Erziehung im Inland gleich. Entgegen der Ansicht der Klägerin könnten Elternteile, die nicht miteinander verheiratet seien, nicht in § 56 Abs. 3 S. 3 SGB VI einbezogen werden. Dies gelte auch im Lichte von Art. 6 Abs. 1 GG, der unter anderem die Beziehung eines Elternteils zum Kind schütze. Art. 6 Abs. 1 GG könne hier jedoch den nicht ehelichen Elternteil nicht begünstigen, weil das gesetzliche Anknüpfungsmerkmal (der Auslandsaufenthalt) seine kausale Veranlassung nicht in der Familiengemeinschaft des nicht nach deutschem Recht versicherten Elternteils mit dem Kind, sondern in der – verfassungsrechtlich nicht geschützten – eheähnlichen Lebensgemeinschaft habe. Der Gesetzgeber könne in § 56 Abs. 3 SGB VI eine Differenzierung im Sinne einer Begünstigung der Ehegatten und ihnen rechtlich gleichgestellten Personen im Rahmen des ihm zuzugestehenden weiten Regelungsermessens vornehmen. Für eine, zumal verfassungswidrige, Regelungslücke bestünden keine Anhaltspunkte. Es sei gerade wegen des Schutzes, den die eheliche Verbindung durch Art. 6 Abs. 1 GG erfahre, verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn gesetzliche Regelungen verheiratete Bürger und damit auch verheiratete Elternteile im sozialrechtlichen Bereich besserstellten als unverheiratete Paare eheähnlicher Partnerschaften, weil sich die Partner eheähnlicher Gemeinschaften gerade zu einem Zusammenleben unter Vermeidung der mit Vor- und Nachteilen verbundenen rechtlichen Bindungen einer förmlichen Ehe entschlossen hätten. Eine verfassungsrechtliche Verpflichtung zur Gleichbehandlung auch der Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ergebe sich auch nicht aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung aus Art. 6 Abs. 5 GG, wonach nichtehelichen Kindern gleiche Lebensbedingungen wie ehelichen Kindern zu schaffen seien, weil diese Norm nur nichteheliche Kinder, aber nicht deren Eltern begünstige.

Gegen den ihrer Prozessbevollmächtigten am 1. Februar 2019 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 1. März 2019 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt und ihr Begehren, im Wesentlichen unter Wiederholung und Vertiefung des bisherigen Vortrags, weiterverfolgt.

Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 28. Januar 2019 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 10. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. September 2018 und Abänderung des Bescheids vom 28. Oktober 2016 zu verurteilen, die Zeiten vom 1. November 2012 bis 31. Januar 2014 als Kindererziehungszeiten und die Zeiten vom 1. November 2012 bis 31. März 2016 als Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung vorzumerken.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheids verwiesen. Elternteile, die nicht miteinander verheiratet seien, könnten nicht in § 56 Abs. 3 Satz 3 SGB VI einbezogen werden.

Der mit Beschluss vom 9. August 2019 vom Senat beigeladene Lebensgefährte der Klägerin und Vater des Kindes, hat keinen Antrag gestellt.

Er hat sich der Argumentation der Klägerin im Wesentlichen angeschlossen und ergänzend dargelegt, dass der Umzug der gesamten Familie nach Thailand voraussichtlich nicht stattgefunden hätte, wenn die gravierenden Nachteile für die Rentensituation der Klägerin bekannt gewesen wären. Die Unterscheidung des Gesetzes zwischen verheirateten und nichtverheirateten Paaren hätte daher im konkreten Fall Konsequenzen für seinen Sohn gehabt, weil entweder die Familie entzwei gerissen worden wäre oder er Nachteile für seine berufliche Entwicklung hätte hinnehmen müssen, was sich wahrscheinlich nicht positiv auf die Familie ausgewirkt hätte. Ein Kind habe keinen Einfluss darauf, ob seine Eltern verheiratet seien und sollte im Vergleich zu Kindern verheirateter Paare in der wichtigen Frage, ob einer der Elternteile sich intensiv um seine Erziehung kümmern könne, nicht benachteiligt werden.

Die Berichterstatterin hat am 30. Juli 2019 einen Erörterungstermin durchgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll verwiesen.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Prozessakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist nicht begründet.

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Vormerkung der Zeiten vom 1. November 2012 bis 31. Januar 2014 als Kindererziehungszeiten und der Zeiten vom 1. November 2012 bis 31. März 2016 als Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung unter Aufhebung des Bescheids vom 10. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. September 2018 und Abänderung des Bescheids vom 28. Oktober 2016.

Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Beklagte hat bei Erlass des Bescheids vom 28. Oktober 2016 weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen.

Anspruchsgrundlage für die begehrte Vormerkung ist § 149 Abs. 5 Satz 1 SGB VI. Nach dieser Vorschrift stellt der Versicherungsträger, nachdem er das Versicherungskonto geklärt hat, die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, durch Bescheid fest (sog. Vormerkungsbescheid). Der Versicherungsträger ist befugt, wenn auch nicht verpflichtet, auf Antrag auch solche geklärten Daten durch Bescheid festzustellen, die noch keine sechs Jahre zurückliegen. Denn die Beschränkung der Feststellungspflicht soll ihm lediglich ermöglichen, im Versicherungsverlauf enthaltene, aber noch nicht bescheidmäßig festgestellte Daten ohne Bindungen durch Vertrauensschutzerwägungen (vgl. § 45 SGB X) erleichtert zu berichtigen (vgl. etwa BSG Urteile vom 28.Februar1991 - 4 RA 76/90 - BSGE 68, 171, 174 = SozR 3-2200 § 1227a Nr. 7 S 14; vom 23.10.2003 - B 4 RA 15/03 R - BSGE 91, 245 = SozR 4-2600 § 56 Nr. 1, Rn. 5 und vom 18.Oktober 2005 - B 4 RA 6/05 R - SozR 4-2600 § 56 Nr. 3 Rn. 12; Polster in Kasseler Kommentar, Stand September 2007, SGB VI § 149 Rn. 14). Entscheidet er indessen - wie hier - über Kindererziehungs- und -berücksichtigungszeiten, die noch keine sechs Jahre zurückliegen, muss er einen inhaltlich zutreffenden Vormerkungsbescheid erlassen (vgl. BSG Urteil vom 11. Mai 2011 – B 5 R 22/10 R mwN).

Streitgegenständlich ist im vorliegenden Fall die begehrte Vormerkung der Kindererziehungszeiten (§ 56 SGB VI) in der Zeit vom 1. November 2012 bis 31. Januar 2014 und der Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung in der Zeit vom 1. Dezember 2012 bis 31. März 2016 (§ 57 SGB VI).

Gemäß § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VI sind Kindererziehungszeiten Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren. Für einen Elternteil (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und 3 Erstes Buch) wird eine Kindererziehungszeit angerechnet, wenn 1. die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist, 2. die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht und 3. der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist. Gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 SGB VI ist eine Erziehungszeit dem Elternteil zuzuordnen, der sein Kind erzogen hat. Eine Erziehung ist im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt, wenn der erziehende Elternteil sich mit dem Kind dort gewöhnlich aufgehalten hat (§ 56 Abs. 3 S. 1 SGB VI). Gemäß § 56 Abs. 3 S. 2 SGB VI steht einer Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gleich, wenn der erziehende Elternteil sich mit seinem Kind im Ausland gewöhnlich aufgehalten hat und während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes wegen einer dort ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten hat. Dies gilt bei einem gemeinsamen Aufenthalt von Ehegatten oder Lebenspartnern im Ausland auch, wenn der Ehegatte oder Lebenspartner des erziehenden Elternteils solche Pflichtbeitragszeiten hat oder nur deshalb nicht hat, weil er zu den in § 5 Abs. 1 und 4 genannten Personen gehörte oder von der Versicherungspflicht befreit war (§ 56 Abs. 3 S. 3 SGB VI). Nach § 57 Satz 1 SGB VI ist die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem 10. Lebensjahr bei einem Elternteil eine Berücksichtigungszeit, soweit die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit nach § 56 SGB VI auch in dieser Zeit vorliegen.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids unter Zugrundelegung der vorgenannten Anspruchsvoraussetzungen zutreffend dargelegt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Vormerkung der o.g. Kindererziehungszeiten bzw. Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung hat, weil die Voraussetzungen des § 56 SGB VI nicht erfüllt sind. Das SG hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Klägerin nicht in Thailand erwerbstätig und währenddessen nach deutschem Recht versicherungspflichtig war und es nicht ausreicht, dass ihr Lebensgefährte aufgrund seiner Entsendung in Deutschland rentenversicherungspflichtig war, weil es entscheidend darauf ankommt, dass er nicht ihr Ehegatte war (vgl. § 56 Abs. 3 S. 3 SGB VI), so dass die Erziehung des Kindes im Ausland nicht gemäß § 56 Abs. 3 Sätze 2, 3 SGB VI der Erziehung im Inland gleichstand. Darüber hinaus hat das SG auch schlüssig unter Einbeziehung von Nachweisen in Literatur und Rechtsprechung begründet, dass Elternteile, die nicht miteinander verheiratet sind, nicht in § 56 Abs. 3 S. 3 SGB VI einbezogen werden und dies auch im Lichte des Art. 6 GG nicht im Wege der verfassungskonformen Auslegung geboten ist. Hierzu hat das SG zutreffend dargelegt, dass Art. 6 Abs. 1 GG zwar die Beziehung eines Elternteils zum Kind schützt, aber nicht den nichtehelichen Elternteil begünstigt, weil das gesetzliche Anknüpfungsmerkmal (der Auslandsaufenthalt) seine kausale Veranlassung nicht in der Familiengemeinschaft des nicht nach deutschem Recht versicherten Elternteils mit dem Kind, sondern in der – verfassungsrechtlich nicht geschützten – eheähnlichen Lebensgemeinschaft hat, die in § 56 Abs. 3 SGB VI vom Gesetzgeber vorgenommene Begünstigung der Ehegatten und ihnen rechtlich gleichgestellten Personen sich im Rahmen des ihm zustehenden weiten Regelungsermessens hält und sich auch keine verfassungsrechtliche Verpflichtung zur Gleichbehandlung auch der Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft aus Art. 6 Abs. 5 GG ergibt, weil diese Norm nur nichteheliche Kinder und nicht deren Eltern begünstigt. Der Senat schließt sich dem nach eigener Überprüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin uneingeschränkt an und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gemäß § 153 Abs. 2 SGG zurück.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der von der Klägerin vertretenen Ansicht, es handele sich bei der Beschränkung des § 56 Abs. 3 S. 3 SGB VI auf "Ehepartner" lediglich um ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers, weil nichts dafür spreche, dass der Gesetzgeber speziell Ehepartner begünstigen wollte, nicht gefolgt werden kann. Denn der Gesetzgeber hat durch Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsgesetzes - LPartÜAG - vom 15. Dezember 2004 in Absatz 3 mit Wirkung vom 1. Januar 2005 Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft (Lebenspartner) den Ehegatten gleichgestellt. Er hätte in diesem Zusammenhang die Möglichkeit gehabt, auch nichteheliche heterosexuelle Partnerschaften den Ehegatten gleichzustellen, was er aber nicht getan hat. Vielmehr ist das Schweigen des Gesetzgebers zu nichtehelichen Partnerschaften als bewusste Entscheidung zu Gunsten von Ehegatten zu bewerten, die – wie bereits oben dargelegt – keinen Verstoß gegen Art. 6 GG darstellt. Es liegt auch kein Verstoß gegen Art. 3 GG vor. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Das Grundrecht ist daher vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 55, 72 (88); 74, 9 (24); 87, 1 (36)). Im Rahmen seines Gestaltungsauftrags ist der Gesetzgeber grundsätzlich frei bei seiner Entscheidung, an welche tatsächlichen Verhältnisse er Rechtsfolgen knüpft und wie er von Rechts wegen zu begünstigende Personengruppen definiert. Eine Grenze ist jedoch dann erreicht, wenn durch die Bildung einer rechtlich begünstigten Gruppe andere Personen von der Begünstigung ausgeschlossen werden und sich für diese Ungleichbehandlung kein in angemessenem Verhältnis zu dem Grad der Ungleichbehandlung stehender Rechtfertigungsgrund finden lässt (vgl. BVerfGE 82, 126 (146) m.w.N.). Dabei ist die Eigenart des zu regelnden Sachverhalts dafür ausschlaggebend, was sachlich vertretbar oder sachfremd ist (BVerfGE 6, 84 (91); 75, 108 (157); 90, 226 (239)). Im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit unterliegt die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers. Gemessen hieran bewegt sich der Gesetzgeber bei der Begünstigung von Ehegatten und den ihnen rechtlich weitgehend gleichgestellten eingetragenen Lebenspartnern innerhalb seines Gestaltungsspielraums. Hier ist auch zu berücksichtigen, dass - wie schon das SG dargelegt hat – die Ehe durch Art. 6 Abs. 1 GG explizit unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung steht, so dass es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, wenn Ehepartner vom Gesetzgeber in bestimmten Bereichen (auch des Sozialrechts) begünstigt werden, zumal sich Partner bewusst für oder gegen eine Ehe mit entsprechenden rechtlichen Vor- und Nachteilen entscheiden können. Demnach liegt weder eine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke vor, noch kann § 56 Abs. 3 S. 3 SGB VI unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten so ausgelegt werden, dass eine Vormerkung von Kindererziehungs- bzw. Berücksichtigungszeiten auch dann erfolgen kann, wenn nicht der Ehegatte, sondern der nichteheliche Partner die dort genannten Voraussetzungen erfüllt. Der Senat folgt daher nicht der gegenteiligen Auffassung des SG Hamburg im Urteil vom 4. Juni 2003 – S 10 RA 174/01).

Ein Anspruch der Klägerin auf Vormerkung der begehrten Kindererziehungs- bzw. Berücksichtigungszeiten ergibt sich auch nicht aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzt nach ständiger Rechtsprechung des BSG auf der Tatbestandsseite eine dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnende Pflichtverletzung voraus, durch welche dem Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden entstanden ist (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 – B 1 KR 19/14 R - juris, Rn. 16; BSG, Urteil vom 11. Dezember 2014 – B 11 AL 2/14 R – juris, Rn. 39 m.w.N.; BSG, Urteil vom 4. September 2013 – B 12 AL 2/12 R – juris, Rn. 19). Rechtsfolge des Bestehens eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches ist der Anspruch gegen die Behörde auf Vornahme einer rechtlich zulässigen Amtshandlung, durch den der Zustand wiederhergestellt werden könnte, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre (vgl. etwa BSG, Urteil vom 11. Dezember 2014 – B 11 AL 2/14 R – juris, Rn. 39; BSG, Urteil vom 3. April 2014 – B 5 R 5/13 R – juris, Rn. 37; BSG, Urteil vom 11. März 2004 – B 13 RJ 16/13 R – juris Rn. 24). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Es kann dahinstehen, ob die Klägerin im Vorfeld der Ausreise nach Thailand von der Beklagten falsch im Hinblick auf die Anerkennung von Kindererziehungs- bzw. Berücksichtigungszeiten beraten wurde, was im Übrigen von ihr nachzuweisen wäre. Denn im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kann zwar eine rechtmäßige Amtshandlung fingiert werden. Der Herstellungsanspruch ist auf die Herstellung der Situation gerichtet, die bei einer fehlerfreien Beratung des Betroffenen eingetreten wäre. Bei einer (möglichen) Falschberatung der Klägerin über die Voraussetzungen der Anerkennung von Kindererziehungs- bzw. Berücksichtigungszeiten besteht jedoch keine Möglichkeit, durch Vornahme einer rechtmäßigen Amtshandlung den Zustand wiederherzustellen, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre. Denn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung von Kindererziehungs- bzw. Berücksichtigungszeiten sind im Fall der Klägerin nicht erfüllt und können durch den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nicht fingiert werden. Schließlich liegt auch keine Zusicherung im Sinne des § 34 SGB X vor, auf die sich die Klägerin mit Erfolg berufen könnte. Denn eine Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt (hier die Vormerkung von Kindererziehungs- bzw. Berücksichtigungszeiten) später zu erlassen, bedarf gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form. Daher kann sich die Klägerin auf eine evtl. mündliche Zusage durch Mitarbeiter der Beklagten nicht berufen. Da das SG somit zu Recht die Klage abgewiesen hat, weist der Senat die Berufung zurück.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass die Klägerin mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke/Berchtold, a.a.O., § 193 Rdnr. 8; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 12. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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