L 12 U 810/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 3073/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 U 810/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 05.02.2019 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Feststellung weiterer Unfallfolgen und die Zuerkennung einer Verletztenrente.

Der am 1971 geborene Kläger war im Jahr 2017 bei der Firma A-H-W-GmbH, einem Mitgliedsunternehmen der Beklagten, beschäftigt. Am 05.01.2017 rutschte er während der Arbeit auf nassem Boden aus und fiel mit Hinterkopf und Rücken auf den Betonboden. Dabei zog er sich eine Schädelprellung mit kurzer Bewusstlosigkeit zu. Anlässlich der stationären Behandlung in der BG-Unfallklinik L. (05.01.2017 bis 07.01.2017) wurden folgende Diagnosen gestellt: • eine okzipitale Schädelprellung, • eine BWS- und LWS-Prellung und • ein erstgradiges Schädel-Hirn-Trauma. Hinzu kamen noch • ein Vertigo (Schwindel) mit Verdacht auf Commotio Labyrinthi und Tinnitus rechts (Hals-Nasen-Ohren-Arztbericht, Dres. Z. und Kollegen, vom 11.01.2017) • eine Sehstörung auf dem rechten Auge (Augen-Arztbericht Dr. W., vom 13.01.2017) sowie • ein Zahnschaden (Dr. K., vom 10.2.2017). Eine neurochirurgische Untersuchung in der Universitätsklinik H. am 15.01.2017 ergab keine Anhaltspunkte für eine strukturelle Schädigung im Bereich der HWS. Im Anschluss an die Untersuchung wurde der Kläger bis 17.01.2017 stationär aufgenommen, die zunächst vermutete Vertebralisdisektion konnte jedoch nicht bestätigt werden. Die MRT des Schädels vom 18.01.2017 erbrachte einen unauffälligen Befund. Schließlich wurde am 04.02.2017 noch eine MRT der HWS durchgeführt, wobei linksseitige kleine thoracale Bandscheibenvorfälle mit Einengung der cervicalen Neuroforamina durch eine Retrospondylose festgestellt wurden.

Vom 05.02.2017 bis 10.02.2017 wurde dem Kläger im Krankenhaus-S. (H.) während eines stationären Aufenthalts die Gallenblase entfernt.

Am 22.02.2017 musste sich der Kläger wegen des Verdachts auf eine Koronare-Herzkrankheit einer Koronarangiographie unterziehen, bei der keine Stenosen festgestellt wurden.

Wegen anhaltender Beschwerdesymptomatik wurde der Kläger am 28.02.2017 zur Durchführung einer komplexen Rehabilitation stationär in die BG-Unfallklinik in L. aufgenommen. Aufgrund der am 29.03.2017 diagnostizierten Beinvenenthrombose des linken Unterschenkels mit kleiner Lungenembolie (rechts) erfolgte eine Verlegung in das Krankenhaus z. G.-H. in L. verlegt. In dem Bericht dieser Klinik ist vermerkt, dass anamnestisch der Verdacht auf eine Thrombose zu einem früheren Zeitpunkt bestanden habe, zudem habe es in der Familie des Klägers Todesfälle durch Gefäßerkrankungen gegeben.

Im Abschlussbericht vom 05.05.2017 gab die BG-Unfallklinik an, beim Kläger liege eine ausgeheilte HWS-Distorsion sowie eine Prellung der BWS und der LWS nach Sturz am 05.01.2017 vor, neurologische Unfallfolgen seien auszuschließen. Das unfallmedizinische Heilverfahren könne abgeschlossen werden. Folgen des Sturzes vom 05.01.2017 lägen jetzt nicht mehr vor, die weitere Behandlung bzw. Arbeitsunfähigkeit gehe zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigendem Ausmaß werde nicht verbleiben.

Mit Bescheid vom 24.05.2017 erkannte die Beklagte das Ereignis vom 05.01.2017 als Arbeitsunfall an. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit habe bis 04.05.2017 vorgelegen. Die darüberhinausgehende Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit beruhe auf diversen unfallunabhängigen Erkrankungen (tiefe Beinvenenthrombose mit Lungenembolie, Hoden- bzw. Nebenhodenentzündung, Beschleunigung des Puls, Angina Pectoris, lumbale Bandscheibenvorfälle, unklare Raumforderung der Lunge). Ein Anspruch auf Verletztenrente bestehe nicht.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.09.2017 zurück. Der Sturz vom 05.01.2017 habe nicht zu bleibenden Gesundheitsschäden geführt. Die über den 04.05.2017 hinaus bestehenden Gesundheitsstörungen stellten lediglich degenerative, also schicksalsmäßige Veränderungen dar und könnten nicht mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall vom 05.01.2017 zurückgeführt werden. Über den 04.05.2017 hinaus bestehe kein Anspruch auf Heilbehandlung. Da keine Unfallfolgen verblieben seien, bestehe auch kein Anspruch auf Rente.

Am 10.10.2017 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Er sehe die am 29.03.2017 während der unfallbedingten Rehabilitation festgestellte "tiefe Beinvenenthrombose mit Lungenembolie" wegen der er bis in den November 2017 hinein arbeitsunfähig gewesen sei, als (mittelbare) Folge des Arbeitsunfalls vom 05.01.2017 an. Er hat die Anerkennung der tiefen Beinvenenthrombose als Folge des Arbeitsunfalls sowie die Gewährung einer Rente beantragt.

Das SG hat die Fachärztin für Innere Medizin und an Angiologie Dr. Kr. als sachverständige Zeugin befragt. Mit Schreiben vom 18.12.2017 hat sie berichtet, dass der Kläger anamnestisch vor dem Arbeitsunfall vom 05.01.2017 noch keine Thrombose bzw. Lungenembolie erlitten habe. Im Rahmen der Thrombophilie-Diagnostik sei ein "harter Thromboserisikofaktor" ausgeschlossen worden; es habe sich lediglich eine Erhöhung des LPa sowie eine leichte Hyper-Homocysteinämie gezeigt. Nach ihrer Kenntnis sei in der Familie des Klägers eine Häufung von Gefäßerkrankungen und diesbezüglichen Risikofaktoren nicht bekannt. Als Ursache der im März 2017 erlittenen Thrombose mit Lungenembolie könne deshalb eine Immobilisierung im Rahmen des Arbeitsunfalls bzw. im Verlauf der Rehabilitation "nicht sicher ausgeschlossen werden". Allerdings entziehe es sich ihrer Kenntnis, ob die im März diagnostizierte Thrombose "frischer Genese" sei oder sich bereits "zu einem früheren Zeitpunkt ausgebildet" habe. Letzteres würde die verzögerte, bis heute inkomplette Rekanalisation unter der oralen Antikoagulation erklären.

Das SG hat zudem auf Antrag des Klägers ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beim Facharzt für Neurologie Prof. Dr. G. eingeholt. Dieser hat nach umfassender klinischer und technischer Untersuchung des Klägers unter Einbeziehung eines elektrophysiologischen Zusatzgutachtens und einer Neurosonographie unter dem 30.07.2018 zusammenfassend ausgeführt, der Kläger habe sich am 05.01.2017 ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma ersten Grades zugezogen. Auf neurologischem Fachgebiet lägen keine objetivierbaren funktionellen Beeinträchtigungen vor. Die vorgebrachten Beschwerden seien mit Sicherheit nicht auf das leichte Schädel-Hirn-Trauma zurückzuführen. Die Verletzung des Klägers sei "schlechterdings nicht geeignet", die hier in Rede stehende Thrombose bzw. Embolie, welche am 29.03.2017 festgestellt worden sei, "wesentlich zu verursachen". Auf der anderen Seite bestehe kein erhöhtes Thromboserisiko, da der Kläger nicht an einer vererbbaren Gerinnungsstörung leide. Gleichwohl könne der dreitägige stationäre Aufenthalt zur Behandlung der Unfallfolgen (Januar 2017) nicht als Ursache der Thrombose bzw. Embolie angesehen werden. Denn insofern fehle der "Nachweis eines Primärschadens in Form einer substantiellen Hirnschädigung", welche als wesentliche Ursache zu einer tiefen Beinvenenthrombose hätte beitragen können.

Mit Urteil vom 05.02.2019, dem Kläger zugestellt am 07.02.2019, hat das SG die Klage abgewiesen. Die tiefe Beinvenenthrombose sei nach der Lehre der rechtlich wesentlichen Ursache nicht auf den Unfall zurückzuführen. Zwar könne eine Immobilisierung das Thromboserisiko erhöhen, jedoch könne zum einen schon nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger während des Rehabilitationsaufenthalts in Lu. bettlägerig gewesen sei, zum anderen lägen beim Kläger weitere Risikofaktoren vor. Eine Beiladung der Krankenkasse sei nicht erfolgt, da die Zahlung von Krankengeld von weiteren Faktoren abhänge.

Gegen das Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 07.03.2019 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegten Berufung. Das SG habe lediglich vermutet, dass er während des Reha-Aufenthalts nicht bettlägerig gewesen sei.

Der Kläger beantragt,

Das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 05.02.2019 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 24.05.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.09.2017 zu verurteilen, die tiefe Beinvenenthrombose mit Lungenembolie als Folge des Arbeitsunfalls vom 05.01.2017 anzuerkennen und Verletztenrente in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Auf Nachfrage des Senats hat die Unfallklinik L. mitgeteilt, der Kläger sei in ein multimodales Therapiekonzept bestehend aus intensiver Physio- und Ergotherapie eingebunden gewesen.

Wegen der Einzelheiten im Sachverhalt sowie im Vorbringen der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Der Senat konnte die Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss zurückweisen, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Gründe für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurden von den Beteiligten nicht vorgebracht und liegen auch nicht vor.

Die nach §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 und 2 SGG) erhoben, jedoch nicht begründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 24.05.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.09.2017. Der Kläger begehrt - neben der Gewährung von Verletztenrente - die Verurteilung der Beklagten, die im Verfügungssatz des angefochtenen Bescheids die Feststellung weiterer Gesundheitsstörungen als Unfallfolge abgelehnt hatte, die Beinvenenthrombose mit Lungenembolie als Folge des Arbeitsunfalls anzuerkennen. Dieses Begehren verfolgt der Kläger zulässigerweise im Wege der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG (zum Wahlrecht zwischen Verpflichtungs- und Feststellungsklage: Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 15.05.2012, B 2 U 31/11 R, juris unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R, juris).

1. Feststellung weiterer Unfallfolgen

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII).

Nach der Rechtsprechung des BSG ist für einen Arbeitsunfall im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen (innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang) ist sowie diese Verrichtung wesentlich ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) verursacht (Unfallkausalität) und das Unfallereignis wesentlich einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat (BSG, Urteil vom 31.01.2012, B 2 U 2/11 R, juris, unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 29.11.2011, B 2 U 10/11 R, juris; BSG, Urteil vom 18.01.2011, B 2 U 9/10 R, juris; BSG, Urteil vom 18.11.2008, B 2 U 27/07 R, juris).

Bei der objektiven Verursachung kommt es darauf an, dass die versicherte Verrichtung für das Unfallereignis und dadurch für den Gesundheitserstschaden oder den Tod eine (Wirk-)Ursache war. (Wirk-)Ursachen sind nur solche Bedingungen, die erfahrungsgemäß die infrage stehende Wirkung ihrer Art nach notwendig oder hinreichend herbeiführen. Insoweit ist Ausgangspunkt die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie, nach der schon jeder beliebige Umstand als notwendige Bedingung eines Erfolgs gilt, der nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Ob die versicherte Verrichtung eine Wirkursache in diesem Sinne war, ist eine rein tatsächliche Frage. Sie muss aus der nachträglichen Sicht (ex post) nach dem jeweils neuesten anerkannten Stand des Fach- und Erfahrungswissens über Kausalbeziehungen beantwortet werden. Steht die versicherte Tätigkeit als eine der (Wirk-) Ursachen fest, muss sich auf der zweiten Stufe die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller weiteren auf der ersten Stufe festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen als Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr darstellen. Bei dieser reinen Rechtsfrage nach der Wesentlichkeit der versicherten Verrichtung für den Erfolg der Einwirkung muss entschieden werden, ob sich durch das versicherte Handeln ein Risiko verwirklicht hat, gegen das der jeweils erfüllte Versicherungstatbestand gerade Schutz gewähren soll (BSG, Urteil vom 04.12.2014, B 2 U 18/13 R, juris, unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 26.06.2014, B 2 U 4/13 R, juris; BSG, Urteil vom 13.11.2012, B 2 U 19/11 R, juris; BSG, Urteil vom 24.07.2012, B 2 U 9/11 R, juris).

Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs beziehungsweise Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen. Dass der Begriff der "Gelegenheitsursache" durch die Austauschbarkeit der versicherten Einwirkung gegen andere alltäglich vorkommende Ereignisse gekennzeichnet ist, berechtigt jedoch nicht zu dem Umkehrschluss, dass bei einem gravierenden, nicht alltäglichen Unfallgeschehen oder besonderen Problemen in der anschließenden Heilbehandlung, ein gegenüber einer Krankheitsanlage rechtlich wesentlicher Ursachenbeitrag ohne Weiteres zu unterstellen ist. Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache beziehungsweise dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens – eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war –, weiterhin Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, den Befunden und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie der gesamten Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein. Wenn auch die Theorie der wesentlichen Bedingung im Unterschied zu der an der generellen Geeignetheit einer Ursache orientierten Adäquanztheorie auf den Einzelfall abstellt, bedeutet dies nicht, dass generelle oder allgemeine Erkenntnisse über den Ursachenzusammenhang bei der Theorie der wesentlichen Bedingung nicht zu berücksichtigen oder bei ihr entbehrlich wären. Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Das schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R, juris).

Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung, dass das Unfallereignis sowie die Gesundheitsschäden im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen müssen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge zwischen dem Unfallereignis und den als Unfallfolgen geltend gemachten Gesundheitsstörungen ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit erforderlich; die bloße Möglichkeit genügt insoweit nicht (BSG, Urteil vom 04.07.2013, B 2 U 11/12 R, juris, unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 29.11.2011, B 2 U 26/10 R, juris; BSG, Urteil vom 15.09.2011, B 2 U 25/10 R, juris; BSG, Urteil vom 15.09.2011, B 2 U 22/10 R, juris; BSG, Urteil vom 02.04.2009, B 2 U 30/07 R, juris; BSG, Urteil vom 02.04.2009, B 2 U 9/08 R, juris). Es gelten die allgemeinen Regeln der materiellen Beweislast. Danach trägt derjenige, der ein Recht für sich beansprucht, nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Ermittlung die materielle Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen dieses Rechts (BSG, Urteil vom 18.11.2008, B 2 U 27/07 R, juris). So darf nicht aus einem rein zeitlichen Zusammenhang und der Abwesenheit konkurrierender Ursachen automatisch auf die Wesentlichkeit der einen festgestellten naturwissenschaftlich-philosophischen Ursache geschlossen werden (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R, juris).

Dem Kläger gelingt es nicht, den Ursachenzusammenhang zwischen der tiefen Beinvenenthrombose sowie der Lungenembolie und dem Arbeitsunfall vom 05.01.2017 hinreichend wahrscheinlich zu machen. Zwar erkennt der Senat grundsätzlich an, dass eine Immobilisierung, also die Ruhigstellung des Körpers (Bettruhe) oder eines größeren Gliedmassenabschnitts (Gipsverband) das Thromboserisiko erhöhen kann (zur Entstehung einer Thrombose vgl. Schönberger/ Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, Seiten 632 ff.). Insoweit ist es – wenn auch aufgrund der langen zeitlichen Latenz sehr fraglich – möglich, dass die stationäre Behandlung der Unfallfolgen vom 05.01.2017 zur Entstehung der tiefen Beinvenenthrombose links mit Lungenembolie beigetragen haben könnte. In Bezug auf den Aufenthalt des Klägers der BG-Unfallklinik L. zur stationären Rehabilitation (März 2017) ist dies aber schon aus tatsächlichen Gründen sehr zweifelhaft. Während dieser Zeit war der Kläger gerade nicht bettlägerig, er war vielmehr in ein multimodales Konzept aus Physio- und Ergotherapie eingebunden. Dabei hat er nach Auskunft der BG-Unfallklinik sowohl Maßnahmen in Gruppen- als auch in Einzeltherapie besucht. Es sind Bewegungsbäder der Wirbelsäule, Ganzkörpertraining, medizinische Ganzkörpertherapie sowie physio- und ergotherapeutische Einzelbehandlungen zur Anwendung gekommen. Des Weiteren hat der Kläger an Therapien im Rahmen der Wirbelsäulengruppe teilgenommen. Er war folglich gerade nicht immobil im Bett. Daneben lagen weitere unfallunabhänige Thromboserisikofaktoren vor. So wurde der Kläger vor der Aufnahme in die BG-Unfallklinik in L. nochmals im Februar fünf Tage stationär aufgenommen, als seine Gallenblase entfernt worden war. Außerdem besteht beim Kläger nach Auskunft seiner behandelnden Angiologin Dr. Kr. eine leichtgradige Thrombophilie. Hinzu kommt noch die ebenfalls unfallunabhängige Koronare-Herzkrankheit des Klägers. Somit ist es letztlich nicht möglich, selbst unter Berücksichtigung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabes eine verlässliche Aussage zur Ursache der "tiefen Beinvenenthrombose mit Lungenembolie" zu treffen. Somit kann sich der Senat nicht davon überzeugen, dass die tiefe Beinvenenthrombose mit Lungenembolie mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis vom 05.01.2017 zurückzuführen ist. Dies wird auch, für den Senat plausibel und nachvollziehbar, von der behandelnden Angiologin bestätigt, die angegeben hat, dass die verzögerte Rekanalisation unter der oralen Antikoagulation eher gegen eine frische (und damit unmittelbar oder mittelbar durch den Sturz vom 05.01.2017 bedingte) Thrombose spricht. Auch Prof. Dr. G. hat in seinem Gutachten den Kausalzusammenhang ausgeschlossen.

Weitere neurologische Beeinträchtigungen als Unfallfolge macht der Kläger nicht geltend. Darüber hinaus hat auch Prof. Dr. G. nachvollziehbar weitere neurologische Unfallfolgen verneint. Der Senat hat keinen Anlass an den Ausführungen im Gutachten von Prof. Dr. G. zu zweifeln. Er hat den Kläger ausführlich befragt und untersucht und kommt auf dieser Basis zu nachvollziehbaren Schlussfolgerungen.

2. Anspruch auf Verletztenrente

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Verletztenrente. Gemäß § 56 SGB VII wird eine Verletztenrente gewährt, wenn der Verletzte in Folge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus wenigstens um 20 v. H. in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert ist. Dies ist beim Kläger nicht der Fall. Da die Thrombose nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 05.01.2017 zurückgeführt werden kann und auch keine weiteren neurologischen Beeinträchtigungen vorliegen, liegen keine über die 26. Woche hinausgehenden Folgen des Versicherungsfalles vor.

3. Beiladung

Eine Beiladung der Barmer Ersatzkasse erfolgt nicht, da weder ein Fall der notwendigen noch der einfachen Beiladung vorliegt. Nach § 75 Abs. 1 Satz 1 SGG kann das Gericht von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren berechtigte Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen (einfache Beiladung). Nach § 75 Abs. 2 SGG sind Dritte beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann oder wenn sich im Verfahren ergibt, dass bei der Ablehnung des Anspruchs ein anderer Versicherungsträger als leistungspflichtig in Betracht kommt (notwendige Beiladung). Eine (echte) notwendige Beiladung nach § 75 Abs. 2, 1. Fall SGG ist nicht erforderlich, da der Inhalt der Entscheidung nicht unmittelbar in die Rechtssphäre der Krankenkassen eingreift (BSG, Urteil vom 08.10.2019, B 1 A 3/19 R, juris). Nicht ausreichend ist, dass die Entscheidung gegenüber der Krankenkasse logisch notwendig einheitlich ergehen muss, vielmehr müssten die Rechte der Krankenversicherung aktiv gestaltet werden (BSG, Urteil vom 05.09.2019, B 8 SO 15/18 R). Eine (unechte) notwendige Beiladung nach § 75 Abs. 2, 2. Fall SGG kommt ebenfalls nicht Betracht, da der Kläger lediglich Verletztenrente beantragt hat. Eine solche Leistung hat im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, im Gegensatz zum Verletztengeld, keine Entsprechung, so dass eine Verurteilung der Krankenkasse nicht möglich ist (anders zum Verletztengeld: BSG, Urteil vom 30.11.2018, B 3 KR 38/17). Eine einfache Beladung nach § 75 Abs. 1 SGG erachtet der Senat als nicht zweckmäßig, da der Kläger die Gewährung von Verletztengeld nicht beantragt hat.

Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG gegeben ist.
Rechtskraft
Aus
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