Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
12
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 2 SB 423/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 SB 2188/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 27.03.2019 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
1.
Streitig ist, ob der Beklagte zu Recht den gegen den Bescheid vom 13.09.2017 gerichteten Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 31.01.2018 als unzulässig zurückgewiesen hat oder in der Sache hätte entscheiden müssen.
Beim Kläger war mit Bescheid vom 09.01.2014 ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 sowie das Merkzeichen G seit dem 07.12.2004 festgestellt.
Der bereits damals schon anwaltlich vertretene Kläger beantragte am 25.04.2017 eine Erhöhung des GdB sowie die Prüfung eventuell in Frage kommender Merkzeichen.
Der Beklagte stellte nach Durchführung medizinischer Ermittlungen mit Bescheid vom 13.09.2017 den GdB mit 80 seit 25.04.2017, dem Tag der Antragstellung, sowie zusätzlich das Merkzeichen RF fest.
Mit dem hiergegen fristgemäß eingelegten Widerspruch machte der Kläger die Feststellung des GdB von 80 rückwirkend seit 2013 mit der Begründung geltend, die zur höheren Bewertung des GdB führenden gesundheitlichen Veränderungen hätten bereits seit 2013 vorgelegen.
Nachdem über diesen Widerspruch zunächst nicht entschieden wurde, erhob der Kläger am 02.01.2018 Untätigkeitsklage zum Sozialgericht (SG) Heilbronn, die er nach Erteilung des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2018 (siehe hierzu nachfolgend) für erledigt erklärte (S 5 SB 31/18). Auf den klägerischen Antrag hin wurden dem Beklagten mit Beschluss vom 16.03.2018 die außergerichtlichen Kosten bezüglich der Untätigkeitsklage auferlegt.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 31.01.2018 als unzulässig mit der Begründung zurück, es bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis. Die Feststellung eines GdB von 80 und das Merkzeichen RF seien nicht angegriffen, weshalb es an einer Beschwer fehle. Der erstmals in der Widerspruchsbegründung beantragten Feststellung des GdB von 80 ab 2013 stehe die Bestandskraft des Bescheides vom 09.01.2014 entgegen, mit dem ein GdB von 60 ab 13.08.2013 festgestellt worden sei. Über das vom Kläger insoweit geäußerte Begehren, das als Antrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gewertet werde, werde eine rechtsbehelfsfähige Entscheidung getroffen.
Hiergegen hat der Kläger am 06.02.2018 Klage zum SG erhoben. Er habe eindeutig gegen den Bescheid vom 13.09.2017 Widerspruch eingelegt und diesen damit begründet, dass der höhere GdB bereits ab 2013 festzustellen sei. Es liege eine formelle Beschwer vor, sodass der Widerspruch nicht als unzulässig abgewiesen werden könne.
Dem ist der Beklagte entgegengetreten. Die rückwirkende Zuerkennung eines höheren GdB sei im Verwaltungsverfahren mangels entsprechenden Antrages gemäß § 152 Abs. 1 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) nicht streitgegenständlich gewesen. Ermittlungen von Amts wegen hinsichtlich einer rückwirkenden Feststellung seien deshalb nicht durchgeführt worden, weshalb der Bescheid insoweit auch keine Entscheidung getroffen habe.
Das SG Heilbronn hat mit Urteil vom 27.03.2019 die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Klage sei bereits unzulässig, weil die für eine isolierte Anfechtung des Widerspruchsbescheides erforderliche Beschwer nicht ersichtlich sei. Insbesondere sei die Verletzung wesentlicher Verfahrensgrundsätze nicht ersichtlich. Vielmehr sei festzustellen, dass der Beklagte den Widerspruch des Klägers im Ergebnis zutreffend als unzulässig verworfen habe.
Gegen das ihm am 10.06.2019 zugestellte Urteil hat der Kläger am 04.07.2019 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Mit der Berufung begehrt er unter Hinweis auf das Urteil des SG Duisburg vom 26.04.2018 (S 49 AS 857/17) die Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2018. Zu Unrecht hätten sowohl der Beklagte als auch das SG Heilbronn keine Sachentscheidung getroffen.
Der Kläger beantragt wörtlich,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn 27.03.2019 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2018 zu verurteilen, eine Sachentscheidung zu treffen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass das SG zu Recht die isolierte Anfechtungsklage als unzulässig abgewiesen habe.
Der Senat hat unter dem 02.10.2019 angekündigt, über die Berufung durch Beschluss entscheiden zu wollen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten des Beklagten ergänzend Bezug genommen.
II.
Der Senat konnte über die Berufung nach § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden. Er hält die Berufung einstimmig für unbegründet. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats auch keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden.
Streitgegenstand der erhobenen kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist allein die Frage, ob der Widerspruchsbescheid vom 31.01.2018 aufzuheben ist und der Beklagte erneut über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 13.09.2017 zu entscheiden hat. Der Kläger begehrt inhaltlich hier demnach nur eine gerichtliche Entscheidung zu der Frage, ob der Widerspruch zulässig war. Die Höhe des GdB und der Zeitpunkt seiner Feststellung ist nicht Gegenstand des klägerischen Begehrens. An diesen vom anwaltlich vertretenen Kläger ausdrücklich gestellten eingeschränkten Antrag ist der Senat gebunden (vgl. hierzu Bundessozialgericht, (BSG), Urteil vom 16.02.2012, B 9 SB 48/11 B, juris). Die insoweit statthafte kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist zulässig (Zif. 1), jedoch nicht begründet (Zif. 2). Deshalb ist die Berufung des Klägers zurückzuweisen. Das klageabweisende Urteil des SG Heilbronn vom 27.03.2019 ist im Ergebnis zutreffend.
1. Entgegen der Ansicht des SG Heilbronn ist die Klage jedoch zulässig.
Nach § 95 SGG ist Klagegegenstand, sofern ein Vorverfahren stattgefunden hat, der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. § 95 SGG legt nicht den Streitgegenstand fest, sondern das Verhältnis zwischen Ausgangsbescheid und dem Widerspruchsbescheid für das sozialgerichtliche Verfahren. Ausgangsbescheid und Widerspruchsbescheid sind als prozessuale Einheit zu sehen (Meyer-Ladewig, SGG, 12. Aufl., § 95 Rn. 1). Grundsätzlich ist eine Anfechtungsklage, auch wenn diese mit anderen Klagen kombiniert ist, deshalb gegen den Ausgangsbescheid und den Widerspruchsbescheid zu richten.
Von diesem Grundsatz gibt es in entsprechender Anwendung von § 79 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) Ausnahmen, wenn ein berechtigtes Interesse an der isolierten Anfechtung des Widerspruchsbescheides besteht (Keller in Meyer-Ladewig, aaO, § 54 Rn. 4b). Ein berechtigtes Interesse des Klägers, also ein Rechtsschutzbedürfnis für die isolierte Anfechtung des Widerspruchsbescheides (vgl. zu dieser Voraussetzung Keller in Meyer-Ladewig, aaO, § 54 Rn. 4b), ist hinreichend dargelegt. Der Widerspruchsbescheid kann u.a. dann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein, wenn die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift vorliegt, sofern der Widerspruchsbescheid auf dieser Verletzung der Verfahrensvorschrift beruht (§ 79 Abs. 2 Satz 2 VwGO), was bei der vorliegenden Zurückweisung des Widerspruchs als unzulässig anstelle einer Sachentscheidung der Fall ist (BSG, Urteil vom 30.09.1996, 10 R Kg 20/95, juris; Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 11.10.1977, VII R 73/74, juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20.10.2013, L 12 AS 343/13, juris; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.09.2010, L 1 AL 122/09, juris; vgl. insgesamt zum Streitstand SG Duisburg, Urteil vom 26.04.2018, S 49 AS 857/17, juris).
2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 13.09.2017 mangels Beschwer als unzulässig verworfen. In diesem Bescheid wurde zutreffend der GdB mit 80 ab dem Zeitpunkt der Antragstellung am 25.04.2017 festgestellt. Diese Entscheidung entspricht der gesetzlichen Grundregel, wonach ein GdB im Normalfall erst ab dem Zeitpunkt der Antragstellung festgestellt werden darf. Diese Regelung hatte ab dem 30.12.2016 ihre Rechtsgrundlage in § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, seit dem 01.01.2018 in § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX (beide Vorschriften i.d.F. des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) vom 23.09.2016, BGBl. I S. 3234). Nur auf ausdrücklichen Antrag kann die Behörde eine rückwirkende Feststellung und unter Glaubhaftmachung eines besonderen Interesses treffen (§ 69 Abs. 1 Satz 2 bzw. § 152 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Einen solchen Antrag hat der anwaltlich vertretene Kläger indessen nicht gestellt. Ferner wurde im Bescheid vom 13.09.2017 eine ablehnende, den Kläger beschwerende Entscheidung für den Zeitraum vor dem 25.04.2017 nicht getroffen. Weder im Verfügungssatz noch in der Begründung finden sich Ausführungen, aus denen aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers zu ersehen gewesen wäre, dass die Feststellung eines GdB für die Vergangenheit abgelehnt werden sollte.
Im Übrigen steht der Feststellung des GdB seit 2013 die Bestandskraft des Bescheides vom 09.01.21014 entgegen. Insoweit müsste ein Verfahren nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) eingeleitet werden. Nur im Rahmen der behördlichen Erstfeststellung ist Rechtsgrundlage für die rückwirkende Festsetzung des GdB § 69 Abs. 1 Satz 2 bzw. § 152 Abs. 1 Satz 2 SGB IX. Diese Unterscheidung ist deshalb relevant, weil – anders als im Rahmen von § 44 Abs. 2 SGB X – für die behördliche Erstfeststellung, dass ein bestimmter GdB bereits zu einem Zeitpunkt vor Antragstellung vorgelegen hat, (nur) die Glaubhaftmachung eines besonderen Interesses erforderlich und nicht – wie im Rahmen von § 44 Abs. 2 SGB X – auf offensichtliche Fälle beschränkt ist (vgl. BSG, Urteil vom 16.02.2012, B 9 SB 1/11 R, Juris, Rn. 36). Über einen – wie hier – im Widerspruchsverfahren erstmals gestellten Antrag nach § 44 SGB X darf zudem nicht die Widerspruchsbehörde entscheiden, sondern ausschließlich die Ausgangsbehörde, die hierfür funktional und sachlich zuständig ist (BSG, Urteil vom 30.03.2004, B 4 RA 48/01 R, juris).
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Heilbronn vom 27.03.2019 war deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) hierfür nicht vorliegen.
Gründe:
1.
Streitig ist, ob der Beklagte zu Recht den gegen den Bescheid vom 13.09.2017 gerichteten Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 31.01.2018 als unzulässig zurückgewiesen hat oder in der Sache hätte entscheiden müssen.
Beim Kläger war mit Bescheid vom 09.01.2014 ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 sowie das Merkzeichen G seit dem 07.12.2004 festgestellt.
Der bereits damals schon anwaltlich vertretene Kläger beantragte am 25.04.2017 eine Erhöhung des GdB sowie die Prüfung eventuell in Frage kommender Merkzeichen.
Der Beklagte stellte nach Durchführung medizinischer Ermittlungen mit Bescheid vom 13.09.2017 den GdB mit 80 seit 25.04.2017, dem Tag der Antragstellung, sowie zusätzlich das Merkzeichen RF fest.
Mit dem hiergegen fristgemäß eingelegten Widerspruch machte der Kläger die Feststellung des GdB von 80 rückwirkend seit 2013 mit der Begründung geltend, die zur höheren Bewertung des GdB führenden gesundheitlichen Veränderungen hätten bereits seit 2013 vorgelegen.
Nachdem über diesen Widerspruch zunächst nicht entschieden wurde, erhob der Kläger am 02.01.2018 Untätigkeitsklage zum Sozialgericht (SG) Heilbronn, die er nach Erteilung des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2018 (siehe hierzu nachfolgend) für erledigt erklärte (S 5 SB 31/18). Auf den klägerischen Antrag hin wurden dem Beklagten mit Beschluss vom 16.03.2018 die außergerichtlichen Kosten bezüglich der Untätigkeitsklage auferlegt.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 31.01.2018 als unzulässig mit der Begründung zurück, es bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis. Die Feststellung eines GdB von 80 und das Merkzeichen RF seien nicht angegriffen, weshalb es an einer Beschwer fehle. Der erstmals in der Widerspruchsbegründung beantragten Feststellung des GdB von 80 ab 2013 stehe die Bestandskraft des Bescheides vom 09.01.2014 entgegen, mit dem ein GdB von 60 ab 13.08.2013 festgestellt worden sei. Über das vom Kläger insoweit geäußerte Begehren, das als Antrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gewertet werde, werde eine rechtsbehelfsfähige Entscheidung getroffen.
Hiergegen hat der Kläger am 06.02.2018 Klage zum SG erhoben. Er habe eindeutig gegen den Bescheid vom 13.09.2017 Widerspruch eingelegt und diesen damit begründet, dass der höhere GdB bereits ab 2013 festzustellen sei. Es liege eine formelle Beschwer vor, sodass der Widerspruch nicht als unzulässig abgewiesen werden könne.
Dem ist der Beklagte entgegengetreten. Die rückwirkende Zuerkennung eines höheren GdB sei im Verwaltungsverfahren mangels entsprechenden Antrages gemäß § 152 Abs. 1 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) nicht streitgegenständlich gewesen. Ermittlungen von Amts wegen hinsichtlich einer rückwirkenden Feststellung seien deshalb nicht durchgeführt worden, weshalb der Bescheid insoweit auch keine Entscheidung getroffen habe.
Das SG Heilbronn hat mit Urteil vom 27.03.2019 die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Klage sei bereits unzulässig, weil die für eine isolierte Anfechtung des Widerspruchsbescheides erforderliche Beschwer nicht ersichtlich sei. Insbesondere sei die Verletzung wesentlicher Verfahrensgrundsätze nicht ersichtlich. Vielmehr sei festzustellen, dass der Beklagte den Widerspruch des Klägers im Ergebnis zutreffend als unzulässig verworfen habe.
Gegen das ihm am 10.06.2019 zugestellte Urteil hat der Kläger am 04.07.2019 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Mit der Berufung begehrt er unter Hinweis auf das Urteil des SG Duisburg vom 26.04.2018 (S 49 AS 857/17) die Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2018. Zu Unrecht hätten sowohl der Beklagte als auch das SG Heilbronn keine Sachentscheidung getroffen.
Der Kläger beantragt wörtlich,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn 27.03.2019 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2018 zu verurteilen, eine Sachentscheidung zu treffen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass das SG zu Recht die isolierte Anfechtungsklage als unzulässig abgewiesen habe.
Der Senat hat unter dem 02.10.2019 angekündigt, über die Berufung durch Beschluss entscheiden zu wollen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten des Beklagten ergänzend Bezug genommen.
II.
Der Senat konnte über die Berufung nach § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden. Er hält die Berufung einstimmig für unbegründet. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats auch keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden.
Streitgegenstand der erhobenen kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist allein die Frage, ob der Widerspruchsbescheid vom 31.01.2018 aufzuheben ist und der Beklagte erneut über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 13.09.2017 zu entscheiden hat. Der Kläger begehrt inhaltlich hier demnach nur eine gerichtliche Entscheidung zu der Frage, ob der Widerspruch zulässig war. Die Höhe des GdB und der Zeitpunkt seiner Feststellung ist nicht Gegenstand des klägerischen Begehrens. An diesen vom anwaltlich vertretenen Kläger ausdrücklich gestellten eingeschränkten Antrag ist der Senat gebunden (vgl. hierzu Bundessozialgericht, (BSG), Urteil vom 16.02.2012, B 9 SB 48/11 B, juris). Die insoweit statthafte kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist zulässig (Zif. 1), jedoch nicht begründet (Zif. 2). Deshalb ist die Berufung des Klägers zurückzuweisen. Das klageabweisende Urteil des SG Heilbronn vom 27.03.2019 ist im Ergebnis zutreffend.
1. Entgegen der Ansicht des SG Heilbronn ist die Klage jedoch zulässig.
Nach § 95 SGG ist Klagegegenstand, sofern ein Vorverfahren stattgefunden hat, der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. § 95 SGG legt nicht den Streitgegenstand fest, sondern das Verhältnis zwischen Ausgangsbescheid und dem Widerspruchsbescheid für das sozialgerichtliche Verfahren. Ausgangsbescheid und Widerspruchsbescheid sind als prozessuale Einheit zu sehen (Meyer-Ladewig, SGG, 12. Aufl., § 95 Rn. 1). Grundsätzlich ist eine Anfechtungsklage, auch wenn diese mit anderen Klagen kombiniert ist, deshalb gegen den Ausgangsbescheid und den Widerspruchsbescheid zu richten.
Von diesem Grundsatz gibt es in entsprechender Anwendung von § 79 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) Ausnahmen, wenn ein berechtigtes Interesse an der isolierten Anfechtung des Widerspruchsbescheides besteht (Keller in Meyer-Ladewig, aaO, § 54 Rn. 4b). Ein berechtigtes Interesse des Klägers, also ein Rechtsschutzbedürfnis für die isolierte Anfechtung des Widerspruchsbescheides (vgl. zu dieser Voraussetzung Keller in Meyer-Ladewig, aaO, § 54 Rn. 4b), ist hinreichend dargelegt. Der Widerspruchsbescheid kann u.a. dann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein, wenn die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift vorliegt, sofern der Widerspruchsbescheid auf dieser Verletzung der Verfahrensvorschrift beruht (§ 79 Abs. 2 Satz 2 VwGO), was bei der vorliegenden Zurückweisung des Widerspruchs als unzulässig anstelle einer Sachentscheidung der Fall ist (BSG, Urteil vom 30.09.1996, 10 R Kg 20/95, juris; Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 11.10.1977, VII R 73/74, juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20.10.2013, L 12 AS 343/13, juris; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.09.2010, L 1 AL 122/09, juris; vgl. insgesamt zum Streitstand SG Duisburg, Urteil vom 26.04.2018, S 49 AS 857/17, juris).
2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 13.09.2017 mangels Beschwer als unzulässig verworfen. In diesem Bescheid wurde zutreffend der GdB mit 80 ab dem Zeitpunkt der Antragstellung am 25.04.2017 festgestellt. Diese Entscheidung entspricht der gesetzlichen Grundregel, wonach ein GdB im Normalfall erst ab dem Zeitpunkt der Antragstellung festgestellt werden darf. Diese Regelung hatte ab dem 30.12.2016 ihre Rechtsgrundlage in § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, seit dem 01.01.2018 in § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX (beide Vorschriften i.d.F. des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) vom 23.09.2016, BGBl. I S. 3234). Nur auf ausdrücklichen Antrag kann die Behörde eine rückwirkende Feststellung und unter Glaubhaftmachung eines besonderen Interesses treffen (§ 69 Abs. 1 Satz 2 bzw. § 152 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Einen solchen Antrag hat der anwaltlich vertretene Kläger indessen nicht gestellt. Ferner wurde im Bescheid vom 13.09.2017 eine ablehnende, den Kläger beschwerende Entscheidung für den Zeitraum vor dem 25.04.2017 nicht getroffen. Weder im Verfügungssatz noch in der Begründung finden sich Ausführungen, aus denen aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers zu ersehen gewesen wäre, dass die Feststellung eines GdB für die Vergangenheit abgelehnt werden sollte.
Im Übrigen steht der Feststellung des GdB seit 2013 die Bestandskraft des Bescheides vom 09.01.21014 entgegen. Insoweit müsste ein Verfahren nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) eingeleitet werden. Nur im Rahmen der behördlichen Erstfeststellung ist Rechtsgrundlage für die rückwirkende Festsetzung des GdB § 69 Abs. 1 Satz 2 bzw. § 152 Abs. 1 Satz 2 SGB IX. Diese Unterscheidung ist deshalb relevant, weil – anders als im Rahmen von § 44 Abs. 2 SGB X – für die behördliche Erstfeststellung, dass ein bestimmter GdB bereits zu einem Zeitpunkt vor Antragstellung vorgelegen hat, (nur) die Glaubhaftmachung eines besonderen Interesses erforderlich und nicht – wie im Rahmen von § 44 Abs. 2 SGB X – auf offensichtliche Fälle beschränkt ist (vgl. BSG, Urteil vom 16.02.2012, B 9 SB 1/11 R, Juris, Rn. 36). Über einen – wie hier – im Widerspruchsverfahren erstmals gestellten Antrag nach § 44 SGB X darf zudem nicht die Widerspruchsbehörde entscheiden, sondern ausschließlich die Ausgangsbehörde, die hierfür funktional und sachlich zuständig ist (BSG, Urteil vom 30.03.2004, B 4 RA 48/01 R, juris).
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Heilbronn vom 27.03.2019 war deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) hierfür nicht vorliegen.
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