L 12 U 1795/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 4419/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 U 1795/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 14.05.2019 wird als unzulässig verworfen. Außergerichtlichen Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe des dem Kläger für den 04.02.2014 gewährten Verletztengeldes; vorrangig ist über die Statthaftigkeit der Berufung zu entscheiden.

Der am geborene Kläger, der sich seit 13.09.2011 in Haft befand, erlitt am 03.02.2014 einen von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfall in der Schreinerei der Justizvollzugsanstalt (JVA) U. und war wegen dieses Arbeitsunfalls am 04.02.2014 arbeitsunfähig. Am 05.02.2014 nahm er die Arbeit wieder auf.

Mit Bescheid vom 26.02.2014 gewährte die Beklagte dem Kläger für einen Tag (04.02.2014) Verletztengeld in Höhe von 3,24 EUR. Bei der Berechnung des Verletztengeldes legte sie ein im zuletzt abgerechneten Lohnabrechnungszeitraum vom 03.01.2014 bis 02.02.2014 erzieltes Arbeitsentgelt in Höhe von 107,37 EUR zugrunde. Hierin war eine Leistungszulage von fünf Prozent enthalten. Auf dieser Grundlage errechnete die Beklagte ein Regelentgelt von 4,05 EUR täglich.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger mit Schreiben vom 10.03.2014 Widerspruch und machte die Gewährung höheren Verletztengeldes geltend. Zur Begründung trug er vor, bei einem früheren Arbeitsunfall sei ein tägliches Regelentgelt von 9,53 EUR errechnet und auf dieser Grundlage Verletztengeld in Höhe von 7,62 EUR gewährt worden. Auf Anfrage der Beklagten teilte die JVA Ulm mit, die Leistungszulage betrage bei der im Fall des Klägers zugrunde zu legenden Lohnstufe 3 sechs und nicht fünf Prozent. Deshalb sei ein maßgebliches Arbeitsentgelt in Höhe von 108,41 EUR (statt 107,37 EUR) zu berücksichtigen (Schreiben der JVA Ulm vom 20.06.2014).

Mit Teilabhilfebescheid vom 01.10.2014 gewährte die Beklagte dem Kläger für den 04.02.2014 Verletztengeld in Höhe von 3,27 EUR. Der Berechnung legte sei das von der JVA U. im Schreiben vom 20.06.2014 mitgeteilte Arbeitsentgelt in Höhe von 108,41 EUR zugrunde.

Im Übrigen wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28.10.2014 zurück und entschied, dass die im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen des Klägers zur Hälfte erstattet würden. Zur Begründung erläuterte die Beklagte die Berechnung des Verletztengeldes und führte weiter aus, im Fall des Klägers sei das Verletztengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zutreffend errechnet worden. Der Widerspruchsbescheid vom 28.10.2018 wurde dem Kläger am 19.02.2015 persönlich überreicht.

Mit der am 02.03.2015 beim Sozialgericht Ulm erhobenen Klage (Aktenzeichen [Az.] S 1 U 687/15) hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Mit Beschluss vom 30.03.2015 hat sich das Sozialgericht Ulm für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Sozialgericht Freiburg (SG) verwiesen. Das Verfahren ist dort unter dem Az. S 9 U 1647/15 geführt worden.

Der Kläger hat vorgetragen, er halte die von der Beklagten vorgenommene Berechnung des Verletztengeldes für falsch. Zur Gefangenenvergütung gehörten auch Freistellungstage, die ersetzt werden müssten. Im Übrigen müsse bei Gefangenen, vergleichbar mit der fiktiven Bemessung des Arbeitslosengeldes nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch, ein fiktives Einkommen zugrunde gelegt werden. Darüber hinaus beantrage er eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 100,00 EUR täglich seit 03.02.2014. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Mit Beschluss vom 10.08.2015 hat das SG das Verfahren hinsichtlich des Antrags auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von täglich 100,00 EUR Schmerzensgeld seit 03.02.2014 abgetrennt und das abgetrennte Verfahren unter dem Az. S 10 SV 3097/15 geführt. Mit Gerichtsbescheid vom 10.08.2015 hat das SG die Klage unter Aufrechterhaltung der Kostenentscheidung der Beklagten für das Widerspruchsverfahren abgewiesen. Der Gerichtsbescheid ist dem Kläger gemäß Postzustellungsurkunde am 13.08.2015 zugestellt worden.

Am 18.08.2015 hat der Kläger beim SG einen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt. Mit Beschluss vom 14.06.2016 ist das Verfahren ausgesetzt worden; am 03.09.2018 hat der Kläger dessen Fortsetzung beantragt. Das Verfahren ist nun unter dem Az. S 9 U 1647/18 geführt und die Klage mit Urteil vom 14.05.2019 abgewiesen worden.

Gegen dieses ihm gemäß Postzustellungsurkunde am 21.05.2019 zugestellte Urteil richtet sich die am 29.05.2019 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegte Berufung des Klägers. Er trägt vor, die Vergütung des Gefangenen könne der Berechnung des Verletztengeldes nicht zugrunde gelegt werden, da der Anreiz, eine Arbeit aufzunehmen, in diesem Fall vor allem in der Gewährung von Vollzugslockerungen (Freistellungstage aus der Haft, Freistellungstage zur früheren Entlassung, bezahlter Urlaub) liege.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 14.05.2019 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 01.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.10.2014 zu verurteilen, ihm für den 04.02.2014 höheres Verletztengeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.

Sie hält ihre Entscheidung für rechtmäßig und das angegriffene Urteil des SG für zutreffend.

Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Ein besonderer Vertreter im Sinne des § 72 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist für den Kläger nicht zu bestellen. Der Kläger ist weder prozessunfähig, noch ist sein Aufenthaltsort so weit vom Sitz des LSG Baden-Württemberg entfernt, dass dies (ausnahmsweise) die Beiordnung eines besonderen Vertreters als geboten erscheinen lassen könnte.

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Die Berufung gegen das Urteil des SG vom 14.05.2019 ist nicht statthaft. Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Diese Regelung findet nur dann keine Anwendung, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Dieser Beschwerdewert wird vorliegend nicht erreicht; der Ausnahmetatbestand des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG liegt nicht vor.

Gegenstand der im Klageverfahrens S 9 U 4419/18 erhobenen kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage war der Bescheid der Beklagten vom 01.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.10.2014, mit dem die Beklagte dem Kläger für den 04.02.2014 Verletztengeld in Höhe von 3,27 EUR bewilligt hat. Mit diesem Bescheid hat die Beklagte dem Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 26.02.2014 teilweise abgeholfen und ihre ursprünglich getroffene Entscheidung über die Bewilligung von Verletztengeld für den 04.02.2014 vollständig ersetzt; der Bescheid vom 01.10.2014 ist deshalb gemäß § 86 SGG (allein) Gestand des Widerspruchs- und damit auch des nachfolgenden Klageverfahrens geworden.

Das Begehren des Klägers ist, sachdienlich ausgelegt, auf die Gewährung höheren Verletztengeldes gerichtet. Da die Arbeitsunfähigkeit lediglich an einem Tag (am 04.02.2014) vorgelegen hat, kommt ein Anspruch auf Verletztengeld von über 750,00 EUR ersichtlich nicht in Betracht; ein Wert des Beschwerdegegenstands in dieser Höhe wird deshalb nicht erreicht. Da das SG die Berufung nicht zugelassen hat, wäre die Berufung nur nach deren Zulassung durch Beschluss des LSG statthaft (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG). Die hierauf gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat der erkennende Senat jedoch mit Beschluss vom 24.01.2020 (L 12 U 1796/19 NZB) zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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