L 12 U 3761/19 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 8 U 3186/19 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 U 3761/19 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 14.10.2019 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.

I. Anerkennung der Berufskrankheiten nach Nr. 2112 und 2102 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BK 2112 und BK 2102)

Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, insbesondere wäre auch in der Hauptsache die Berufung zulässig, da die Berufungssumme von 750,00 EUR überschritten würde (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG). Die Beschwerde hat aber in der Sache keinen Erfolg; das Sozialgericht Heilbronn (SG) hat den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zu Recht abgelehnt.

Die begehrte Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes richtet sich hier, wie das SG zutreffend entschieden hat, nach § 86b Abs. 2 SGG, denn der Antragsteller begehrt die vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Berufskrankheiten (BK) 2112 und 2102 (vorläufig) anzuerkennen, mithin den Erlass einer Regelungsanordnung im Sinne des § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG. Nach dieser Vorschrift ist eine einstweilige Anordnung (auch) zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG).

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der angestrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 25.07.1996, 1 BvR 638/96; BVerfG, Beschluss vom 22.11.2002, 1 BvR 1586/02; BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05, alle in juris). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Aufl. 2017, § 86b Rn. 42). Die Eilbedürftigkeit der erstrebten Regelung ist regelmäßig zu verneinen, soweit Ansprüche für bereits vor Stellung des einstweiligen Rechtsschutzantrags abgelaufene Zeiträume erhoben werden (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 22.11.2011, L 12 AS 5199/11 ER-B; Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.08.2005, L 7 AS 2875/05 ER-B, juris).

Dabei müssen die Gerichte die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.11.2002, 1 BvR 1586/02; BVerfG, Beschluss vom 29.07.2003, 2 BvR 311/03, beide in juris), wenn das einstweilige Rechtsschutzverfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht. Entschließen sich die Gerichte zu einer Entscheidung auf dieser Grundlage, so dürfen sie die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller eines Eilverfahrens nicht überspannen. Die Anforderungen haben sich vielmehr am Rechtsschutzziel, das der Antragsteller mit seinem Begehren verfolgt, und dessen Bedeutung insbesondere im Hinblick auf Fragen des Grundrechtsschutzes zu orientieren. Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.11.2002, a.a.O.).

Unter Berücksichtigung der o.g. Gesichtspunkte war der Antrag abzulehnen. Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass der Antrag unbegründet war, da u.a. kein Anordnungsgrund i.S. einer besonderen Eilbedürftigkeit geltend gemacht wurde. Zwar trägt der Antragsteller vor, dass er ohne die geltend gemachte Anerkennung der BK 2112 und der BK 2102 die Umschulung abbrechen müsse; dies wird aber nicht ausreichend substantiiert. Es ist schon nicht klar, welche Vorteile der Antragsteller sich durch die vorläufige Anerkennung der BK erhofft, da die Anerkennung allein keine Leistungen mit sich bringt. Hierzu müssten weitere Voraussetzungen wie z.B. der Umfang der Minderung der Erwerbsfähigkeit geprüft werden. Darüber hinaus ist der Lebensunterhalt des Klägers im Rahmen der seitens der Deutschen Rentenversicherung gewährten Leistungen zur Teilhabe gesichert.

II. KfZ-Hilfe

Soweit der Antragsteller im Beschwerdeverfahren (erstmals) die Gewährung einer KfZ-Hilfe fordert, ist die Beschwerde unzulässig. Nach § 172 Abs. 1 SGG sind Beschwerden u.a. zulässig gegen Entscheidungen der Sozialgerichte. Über die Gewährung von KfZ-Hilfe zulasten der Antragsgegnerin hat SG jedoch nicht entschieden. Dies hatte der Antragsteller in 1. Instanz auch nicht beantragt. Das Begehren, ihm KfZ-Hilfe zu gewähren, kann auch nicht im Wege der Antragserweiterung geltend gemacht werden, denn eine solche ist weder sachdienlich, noch hat die Antragsgegnerin einem geänderten Antrag zugestimmt (vgl. § 99 SGG).

Der Sachdienlichkeit einer Antragsänderung steht entgegen, dass das LSG Baden-Württemberg für eine Entscheidung instanziell nicht zuständig ist. Eine Erweiterung des Gegenstandes des einstweiligen Rechtsschutzes entbindet das Gericht nicht von der Verpflichtung, die Zulässigkeit des erweiterten Antrages zu prüfen. Daher müssen für einen solchen Antrag sämtliche Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen; hierzu gehört auch die instanzielle Zuständigkeit des angerufenen Gerichts (Bayerisches LSG, Beschluss vom 27.11.2013, L 16 AS 717/13 B ER, juris m.w.N.). An dieser fehlt es vorliegend, denn nicht das LSG Baden-Württemberg, sondern das SG ist für eine mögliche Klage zuständiges Gericht der Hauptsache; diesen Streitgegenstand betreffend ist deshalb auch für einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes das SG erstinstanzlich zuständig.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 Abs. 1 SGG.

Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved