L 12 AL 4560/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AL 3319/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 4560/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 21.11.2018 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen gemäß § 2 Abs. 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX).

Der 1962 geborene Kläger hat den Beruf des Flaschners erlernt und ist seit 1989 bei der Firma K. im Siebdruck beschäftigt. Hierbei handelt es sich um eine Tätigkeit in geschlossenen Räumen, die u.a. ständiges Stehen voraussetzt.

Mit Bescheid des Landratsamtes H. vom 12.05.2015 wurde dem Kläger seit dem 17.03.2015 ein Grad der Behinderung von 30 v.H. zuerkannt (zugrundeliegende Funktionsbeeinträchtigungen: Funktionsstörung durch Fußfehlform, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Kopfschmerzsyndrom). Mit Bescheid vom 21.06.2017 wurde ein GdB von 40 seit 28.10.2016 zuerkannt.

Am 03.02.2017 beantragte der Kläger bei der Beklagten, die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen nach § 2 Abs. 3 SGB IX. Er benötige die Gleichstellung u.a., damit ein anderer leistungsgerechter Arbeitsplatz geschaffen werden könne.

Mit Schreiben vom 21.03.2017 teilte der Arbeitgeber mit, dass der Kläger große Probleme mit seinem Unterarm/Ellenbogengeolenk habe und die Gewichtsbelastung ein großes Problem darstelle. Häufige Fehlzeiten lägen nicht vor. Der Kläger benötige einen leidensgerechten Arbeitsplatz. Jedoch sei eine innerbetriebliche Umsetzung weder vorgesehen noch möglich. Der aktuelle Arbeitsplatz könne vom Kläger nicht mehr 100 % ausgeübt werden und sei deshalb gefährdet. Eine Kündigung sei noch nicht ausgesprochen worden. Es liege ein besonderer (tariflicher) Kündigungsschutz vor.

Mit Bescheid vom 26.04.2017 lehnte die Beklagte eine Gleichstellung ab. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Arbeitsplatz aus behinderungsbedingten Gründen konkret gefährdet sei und der Kläger zur Erhaltung des Arbeitsplatzes auf den Schutz angewiesen sei. Es handele sich nach Angaben des Arbeitgebers um ein nach tariflichen Vorschriften nicht mehr ordentlich kündbar Arbeitsverhältnis. Dem Kläger könne nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden. In der Regel lägen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 SGB IX im Fall eines nicht mehr ordentlich kündbaren Arbeitnehmers nicht vor. Es werde nicht verkannt, dass der Kläger gesundheitliche Beeinträchtigungen habe, die ihn in seiner Leistungsfähigkeit einschränken. Alleine diese bestehenden und vom Landratsamt festgestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen führten jedoch nicht zu einer Gleichstellung.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.09.2017 zurück. Es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dem Kläger infolge einer Behinderung der Verlust des Arbeitsplatzes drohe. Eine ungünstige Konkurrenzsituation am Arbeitsplatz trete vor allem dann ein, wenn die Einschränkung in der Arbeitsleistung des behinderten Menschen ein Maß erreichen würden, das auch arbeitsrechtlich relevant werde, wenn also Störungen im Arbeitsverhältnis auftreten würden, die den Arbeitgeber berechtigterweise zu arbeitsrechtlichen Schritten veranlassen könnten. Ein derartiges Ausmaß hätten die Leistungseinschränkungen, die der Kläger geschildert habe, bislang nicht erreicht. Seine derzeitige Tätigkeit könne der Kläger nach eigenen Angaben mit behinderungsbedingten Einschränkungen ausüben. Die nachgewiesenen behinderungsbedingten Fehlzeiten hätten kein solches Ausmaß erreicht, dass mit arbeitsrechtlichen Schritten gerechnet werden müsse. Hinzu komme, dass er aufgrund tariflicher Bestimmungen nicht mehr ordentlich kündbar sei, § 4 Manteltarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie (MTV). Auch eine Gleichstellung zu Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes sei derzeit nicht möglich. Der Erlangungstatbestand setze voraus, dass ein konkreter Arbeitsplatz angestrebt werde und hierfür die Gleichstellung notwendig sei. Auch diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt.

Der Kläger hat am 12.10.2017 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Die Gleichstellung solle nicht nur vor Kündigungen schützen, sondern auch unterhalb der Schwelle der Kündigung einen Schutz gewähren. Obwohl er wegen langer Betriebszugehörigkeit nach § 8 MTV unkündbar sei, könne er eine Gleichstellung beanspruchen. Sowohl der Betriebsrat, als auch die Schwerbehindertenvertretung und der Arbeitgeber verträten die Auffassung, dass er seinen vertraglich vereinbarten Arbeitsplatz nur noch eingeschränkt ausüben könne. Es sei daher nicht auszuschließen, dass der Arbeitgeber trotz Unkündbarkeit eine Versetzung auf einen nicht gleichwertigen Arbeitsplatz in Erwägung zöge. Die Gleichstellung könne außerdem dazu dienen, einen sozialen Abstieg zu verhindern. Ein sozialer Abstieg habe nicht unbedingt etwas mit einem geringeren Verdienst zu tun. Er arbeite im Mehrschichtsystem. Sollte er aufgrund seiner Erkrankungen nicht mehr in der Lage sein, das Schichtsystem einzuhalten, so erhalte er auch keine Schichtzulagen; allein dies bedeute einen finanziellen Abstieg. Es werde seitens der Personalchefin überlegt, ihn auf einen anderen Arbeitsplatz zu versetzen, dies könne allerdings nur dann erfolgen, wenn er einem Schwerbehinderten gleichgestellt werde, da anderenfalls diese Arbeitsplätze an Schwerbehinderte/Gleichgestellte vergeben würden.

Das SG hat die behandelnden Ärzte Dr. B., Dr. F. und M. H. als sachverständigen Zeugen befragt und eine Arbeitsplatzbeschreibung bei der Arbeitgeberin des Klägers eingeholt. Der Neurologe und Psychiater Dr. B. hat in seiner Stellungnahme vom 07.06.2018 eine depressive Entwicklung, eine Somatisierungsstörung, eine Herzphobie, eine Panikstörung und eine Migräne ohne Aura diagnostiziert. Der Kläger könne keine Arbeiten in Nachtschicht, keine Wochenendarbeit, keine Arbeit unter Zeittaktbindung/nach Stückzahl, ebenso keine Arbeiten mit erhöhter Verantwortung oder Kundeninteraktionen und komplexen Aufgabenstellungen mehr durchführen. Am 27.06.2018 hat der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. F. mitgeteilt, bei dem Kläger bestünden eine Spondylarthrose der HWS und LWS, ein Schulter-Am-Syndrom beidseits, Tendinitis calcarea rechts, Hyperuricaemie, Gichtanfälle, Migräne, rezidivierende mittelgradige depressive Episoden, eine Herzphobie und eine Panikstörung. Schwere körperliche Arbeiten seien nicht möglich, Arbeiten unter Zwangshaltungen seien zu vermeiden. Der Orthopäde M. H. diagnostiziert am 12.07.2018 eine Tendinitis calcarea der Schulter rechts, eine Epicondylitis humeri radialis rechts, eine HWS-Blockierung mit Cervikobrachialgie rechts, eine aktivierte Facettengelenksarthrose. Die Arbeitgeberin hat am 26.06.2018 mitgeteilt, die Tätigkeit des Klägers umfasse die Sichtprüfung fertig bearbeiteter Kolben auf grobe Fehler, das Rüsten der Maschine für den Siebdruck, Siebdruck auf die Kolben anbringen, die Prüfung des Siebdrucks. Gesundheitliche Einschränkungen seien bekannt. Es sei nur die Übernahme einfachster Tätigkeiten möglich. Einfachste Tätigkeiten werden gut ausgeführt, dadurch ergäben sich jedoch Einschränkungen in den Einsatzmöglichkeiten. Der Arbeitsplatz sei nicht behindertengerecht ausgestattet, der Kläger sei in der Lage den Arbeitsplatz vollwertig auszufüllen. Der derzeitige Arbeitsplatz sei aus behinderungsbedingten Gründen gefährdet, eine Kündigung sei noch nicht ausgesprochen.

Mit Gerichtsbescheid vom 21.11.2018 hat das SG die Beklagte verurteilt, den Kläger mit einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen. Der Arbeitsplatz des Klägers sei geeignet, da der Kläger durch Leistungen zur Rehabilitation oder durch eine vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellende behindertengerechte Ausstattung in die Lage versetzt werden könne, den Arbeitsplatz vollwertig auszufüllen. Der Arbeitsplatz sei auch gefährdet, da hierfür ausreichend sei, dass er durch die Gleichstellung sicherer gemacht werden könne. Zwar sei der Kläger nicht (mehr) ordentlich kündbar, jedoch drohe die Umsetzung auf einen minderwertigeren Arbeitsplatz.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer am 20.12.2018 beim Landessozialgericht (LSG) eingelegten Berufung. Die arbeitsrechtliche Sicherung sie ein wesentlicher bei der Kausalitätsprüfung zu beachtender Umstand. Tariflich unkündbarer Arbeitnehmer bedürften in der Regel keiner Gleichstellung, diese komme nur im Einzelfall in Betracht. Ein solcher liege nicht vor. Der Kläger habe keine besonders häufigen, krankheitsbedingten Fehlzeiten. Es drohe keine krankheitsbedingte Kündigung. Abmahnungen seien nicht erfolgt, obwohl der Kläger behinderungsbedingt eingeschränkt sei. Vielmehr habe das SG zutreffend festgestellt, dass der Kläger seinen Arbeitsplatz vollwertig ausfüllen könne. Auch eine Umsetzung sei nicht geplant.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 21.11.2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Insbesondere habe das SG zutreffend ausgeführt, dass vorliegend ausnahmsweise trotz bestehenden Kündigungsschutzes eine Gleichstellung erforderlich sei. Darüber hinaus sei mittlerweile auch eine schwere Gonarthrose (4. Grades) diagnostiziert worden.

Der Senat hat die Akten des SG im Verfahren S 7 SB 2649/17 beigezogen.

Wegen der Einzelheiten im Sachverhalt und im Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem sich die Beteiligten mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG), und begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 26.04.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2017, gegen den sich der Kläger mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§§ 54 Abs. 1 Satz 1, 56 SGG) wendet. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung eines Gleichstellungsbegehrens ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) wegen der Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Antragsstellung in erster Linie dieser Zeitpunkt. Allerdings müssen wegen des Zwecks der Regelung auch wesentliche Änderungen der Sach- und Rechtslage bis zur letzten mündlichen Verhandlung Berücksichtigung finden. Denn jede Gleichstellung kann nach §§ 47, 48 SGB X widerrufen, aufgehoben oder entzogen werden (vgl. BSG, Urteile vom 02.03.2000, B 7 AL 46/99 R; vom 06.08.2014, B 11 AL 16/13 R, beide juris).

Zum Zeitpunkt der Antragstellung waren die entscheidungserheblichen Regelungen in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung (vgl. Artikel 1 des Gesetzes vom 23.12.2016 [BGBl I S. 3234]) maßgebend, zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung war dies die seit 01.01.2018 geltende Fassung. Im Interesse einer besseren Verständlichkeit werden nachfolgend Regelungen in der seit 01.01.2018 geltenden Fassung zitiert; die wort- oder zumindest inhaltsgleichen Vorgängerregelungen werden in einem Klammerzusatz angegeben.

Anspruchsgrundlage für die Gleichstellung des Klägers ist § 2 Abs. 3 SGB IX, der mit der Vorgängervorschrift inhaltsgleich ist. Danach sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 SGB IX vorliegen, schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 SGB IX (entspricht § 73 SGB IX a.F.) nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

Die Gleichstellung erfolgt gemäß § 151 Abs. 2 Satz 1 SGB IX (§ 68 Abs. 2 Satz 1 SGB IX a.F.) auf Antrag des behinderten Menschen auf Grund eines feststellenden Verwaltungsaktes nach § 152 SGB IX (§ 69 SGB IX a.F.). Zweck der Gleichstellung ist es, die ungünstige Konkurrenzsituation der behinderten Menschen am Arbeitsplatz und auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern und somit den Arbeitsplatz sicherer zu machen oder die Vermittlungschancen zu erhöhen. Das Gesetz unterscheidet zwischen zwei Alternativen, nämlich der Gleichstellung zum Erhalt des Arbeitsplatzes (Alternative 2) sowie der Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes im Sinne des § 156 SGB IX (§ 73 SGB IX a.F.) (Alternative 1). Die beiden Tatbestandsalternativen können kumulativ vorliegen, wenn der behinderte Mensch einen Arbeitsplatz innehat und zugleich einen neuen Arbeitsplatz sucht. Sie können aber auch nur alternativ vorliegen, wenn ein behinderter Mensch entweder nur den bisherigen Arbeitsplatz behalten oder nur einen anderen Arbeitsplatz erlangen möchte (vgl. BSG, Urteil 06.08.2014, B 11 AL 16/13 R, juris).

Der Kläger hat schriftsätzlich mehrfach dargelegt, dass er den Erhalt seines Arbeitsplatzes begehrt.

Der Kläger erfüllt zwar die persönlichen Voraussetzungen der Gleichstellung. Bei einem behinderten Menschen muss wegen der Abstufung des Grades der Behinderung in Zehnerschritten (vgl. § 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX [§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX a.F.]) ein Grad der Behinderung von 30 oder 40 festgestellt sein. Die Bundesagentur ist im Rahmen des Verfahrens der Gleichstellung an den festgestellten Grad der Behinderung gebunden, obwohl sie weder am Verwaltungsverfahren noch am gerichtlichen Verfahren zur Höhe des Grades der Behinderung zu beteiligen ist. Die Feststellung des Grades der Behinderung durch die jeweils nach Landesrecht zuständige Behörde wirkt insoweit konstitutiv (vgl. BSG, Urteil vom 06.08.2014, B 11 AL 16/13 R, juris). Zudem müssen die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 SGB IX (§ 2 Abs. 2 SGB IX a.F.) erfüllt sein. Der behinderte Mensch muss daher seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben oder hier eine Beschäftigung ausüben. Das Land Baden-Württemberg hat beim Kläger einen aktuellen Grad der Behinderung von 40 ohne Befristung festgestellt aufgrund von Funktionseinschränkungen im Bereich der Wirbelsäule sowie depressiver Störung. Der Kläger hat seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland und ist bei der Firma K. beschäftigt, hierbei handelt sich im einen Arbeitsplatz mit Arbeitszeitumfang von mindestens 18 Stunden wöchentlich entsprechend § 156 SGB IX (§ 73 SGB IX a. F.).

Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf Gleichstellung. Dabei kann dahinstehen, ob der derzeitige Arbeitsplatz für den Kläger (noch) geeignet ist. Hierfür spricht u.a., dass der Arbeitgeber angegeben hat, dass der Kläger den Arbeitsplatz vollwertig ausfüllen könne. Andererseits könne er jedoch nur leichte Tätigkeiten ausüben und auch nicht mehr im Drei-Schicht-Betrieb arbeiten. Letzteres könnte eher gegen eine Geeignetheit des konkreten Arbeitsplatzes sprechen. Es bedarf jedoch der Gleichstellung nicht, um den Arbeitsplatz zu erhalten. Es fehlt am notwendigen Ursachenzusammenhang.

Erforderlich ist, dass der behinderte Mensch kausal infolge der Behinderung die Gleichstellung bedarf, um den konkreten Arbeitsplatz erhalten zu können, das heißt es muss ein Ursachenzusammenhang ("infolge") gegeben sein. Ein solcher liegt vor, wenn bei wertender Betrachtung in der Art und Schwere der Behinderung die Schwierigkeit begründet ist, den geeigneten Arbeitsplatz zu behalten, wobei nach der Theorie der wesentlichen Bedingung ausreichend ist, wenn die Behinderung zumindest eine wesentliche Mitursache für die Arbeitsmarktprobleme des behinderten Menschen ist (vgl. BSG, Urteil vom 06.08.2014, B 11 AL 16/13 R, juris). Betriebliche Defizite wie Missverständnisse, nicht geklärte Zuständigkeiten, ein unfreundlicher Umgang miteinander, unklare Arbeitsanweisungen, fachliche Defizite und fehlendes Verständnis für die jeweilige Situation des anderen oder auch persönliche Schwierigkeiten mit Vorgesetzten reichen dagegen nicht aus, weil diese Umstände nicht auf der Behinderung beruhen (vgl. BSG, Urteil vom 06.08.2014, a.a.O.). Eine absolute Sicherheit im Sinne des Vollbeweises ist insofern jedoch nicht erforderlich (vgl. BSG, Urteil vom 06.08.2014, a.a.O.). Vielmehr genügt, dass der Arbeitsplatz durch die Gleichstellung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit sicherer gemacht werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 06.08.2014, a. a. O., m. w. N. auf die ständige Rechtsprechung). Dabei kann der behinderte Mensch nicht darauf verwiesen werden abzuwarten, bis der Arbeitgeber Maßnahmen ergreift, die auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zielen. In einer solchen Situation käme eine Gleichstellung in aller Regel zu spät. Andererseits reicht eine rein abstrakte Gefährdung nicht aus, weil – "abstrakt" betrachtet – das Arbeitsverhältnis des leistungsgeminderten behinderten Menschen stets gefährdet sein kann (vgl. BSG, Urteil vom 06.08.2014, a. a. O.).

Daher steht ein besonderer Kündigungsschutz einer Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen in der Regel entgegen. Denn wer ein bestandsgeschütztes Arbeitsverhältnis innehat, das er nur unter qualifizierten Voraussetzungen verlieren kann oder selbst aufgeben muss, bedarf zur weiteren Teilhabe am Arbeitsleben in der Regel keiner Gleichstellung. Hierin liegt keine Benachteiligung dieser Personengruppe, was schon daran zu erkennen ist, dass das Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) den so geschützten Arbeitnehmern hinsichtlich der Beendigung des Arbeits- oder Dienstverhältnisses besondere Obliegenheiten auferlegt, an deren Verletzung auch arbeitsförderungsrechtliche Ruhensvorschriften anknüpfen können (vgl. §§ 158 Abs. 1 Satz 3 und 4, 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III).

Es bedarf daher bei Personen mit einem "sicheren Arbeitsplatz" einer besonderen Prüfung des Ursachenzusammenhangs und einer besonderen Begründung, warum trotz Kündigungsschutz der Arbeitsplatz nachvollziehbar unsicherer ist als bei einem nichtbehinderten Kollegen. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts beispielsweise der Fall, wenn behinderungsbedingt die Versetzung in den Ruhestand oder die behinderungsbedingte Versetzung oder die Umsetzung auf einen anderen nicht gleichwertigen Arbeitsplatz droht (vgl. BSG, Urteil vom 01.03.2011, B 7 AL 6/10 R, juris).

Im vorliegenden Fall ist die konkrete Gefährdung des Arbeitsplatzes des Klägers, entgegen der Auffassung des SG, nicht erkennbar. Dem Kläger kann nach 4.4 MTV nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden, da er das 53., aber noch nicht das 65. Lebensjahr vollendet hat und seit mehr als drei Jahren dem Betrieb angehört; dies gilt auch für Änderungskündigungen. Er genießt somit umfassenden Kündigungsschutz. Gründe dafür, warum der Arbeitsplatz trotzdem konkret gefährdet ist, liegen nicht vor. So hat der Arbeitgeber weder eine behinderungsbedingte Versetzung in den Ruhestand noch (aufgrund möglicher Fehlzeiten) eine krankheitsbedingte Kündigung in Aussicht gestellt. Der Arbeitgeber hat vielmehr angegeben, dass der Kläger die ihm übertragenen einfachen Tätigkeiten vollwertig ausführt. Einschränkungen bestünden dabei in den Einsatzmöglichkeiten. So kann der Kläger nicht mehr im Drei-Schicht-Betrieb und auch nicht mehr am Wochenende arbeiten. Dies führt nach Angaben des Klägers u.a. zu Problemen mit Kollegen, jedoch ist es in diesem Fall Sache des Arbeitgebers, durch entsprechende Maßnahmen dafür zu sorgen, dass der Arbeitsplatz erhalten bleibt (Sächsisches LSG, Urteil vom 07.03.2019, L 3 AL 14/17, juris). Auch eine Umsetzung auf einen anderen minderwertigeren Arbeitsplatz steht nicht im Raum. Vielmehr hat der Arbeitgeber gegenüber der Beklagten angegeben, dass eine Umsetzung nicht in Frage kommt. Es stellt sich dabei auch die Frage, inwieweit eine solche Umsetzung auf einen minderwertigeren Arbeitsplatz aufgrund des Verbots der Änderungskündigung überhaupt möglich wäre. Insgesamt ist der Arbeitsplatz des Klägers zur Überzeugung des Senats nicht nachvollziehbar unsicherer als bei einem nichtbehinderten Kollegen.

Auch eine Gleichstellung auf der Grundlage des Erlangungstatbestandes kommt nicht in Betracht. Diese setzt voraus, dass der behinderte Mensch einen konkreten Arbeitsplatz erlangen will. Dies ist geboten, um den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 3 SGB IX nicht zu überdehnen. Würde es genügen, dass es – abstrakt betrachtet – (irgendwelche) Arbeitsplätze gibt, für die der behinderte Mensch, der Gleichstellung bedürfte, um sie zu erlangen, wäre fast jeder behinderte Mensch mit einem Grad der Behinderung von 30 oder 40 gleichzustellen. Denn der behinderte Mensch müsste nur Arbeitsplätze benennen, die er ohne Gleichstellung nicht erlangen kann. Weder die Frage der Kausalität noch die Frage der Eignung des Arbeitsplatzes kann abstrakt und allgemein für alle denkbaren Arbeitsplätze geprüft werden (vgl. BSG Urteil vom 06.08.2014, B 11 AL 5/14 R, juris).

Vorliegend fehlte es sowohl zum Zeitpunkt der Beantragung der Gleichstellung als auch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an einem konkreten Arbeitsplatz, den der Kläger, erlangen will oder erlangen kann. Der Kläger hat vielmehr selbst angegeben, dass es in der Firma K. keinen anderen Arbeitsplatz für ihn gebe. Arbeitsplätze außerhalb der Firma K., auf die er nur eine Chance hat, wenn eine Gleichstellung erfolgt ist, hat der Kläger nicht benannt, er hat noch nicht einmal Bewerbungsbemühungen vorgetragen.

Soweit der Kläger vorträgt, er benötige die Gleichstellung um einen Schonarbeitsplatz bei seinem Arbeitgeber zu erlangen, da diese nur an schwerbehinderte oder diesen gleichgestellte Menschen vergeben würden, steht dies bereits im Widerspruch zu der Angabe, dass es bei seinem derzeitigen Arbeitgeber keine anderen Arbeitsplätze (und damit auch keine Schonarbeitsplätze) für ihn gebe. Darüber hinaus hat der Kläger bereits von seinem Arbeitgeber Erleichterungen erfahren. Der Arbeitgeber hat angegeben, den Kläger nur noch mit leichten Tätigkeiten zu beschäftigen, die dieser vollwertig ausüben könne. Somit liegt zwar kein explizit eingerichteter Schonarbeitsplatz vor, jedoch steht dem derzeit Kläger ein leidensgerechter Arbeitsplatz zur Verfügung (s.o.). Die vom Arbeitgeber auch angegebene Einschränkung der Einsatzfähigkeit hat bislang weder zu Abmahnungen oder gar zu einer Kündigung geführt (s.o.).

Da der Kläger infolge der Auswirkungen seiner Behinderung zur Sicherung des konkreten, geeigneten Arbeitsplatzes derzeit nicht der Gleichstellung bedarf, hat er keinen Anspruch auf die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen. Die Berufung ist somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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