Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AL 3433/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 1584/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15.03.2017 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten, im Übrigen verbleibt es bei der Kostenentscheidung im erstinstanzlichen Urteil.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld (Alg).
Der am 1965 geborene Kläger war seit 01.06.2004 bei der R. B. GmbH in B. beschäftigt. Gegen die am 29.05.2009 von der Arbeitgeberin erklärte fristlose Kündigung wendete sich der Kläger zunächst erfolgreich mit der auf seine Weiterbeschäftigung gerichteten Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Karlsruhe (Urteil vom 20.11.2009, 9 Ca 361/09). Im Verlauf des anschließenden Berufungsverfahrens (16 Sa 21/10) einigten sich die Arbeitsvertragsparteien mit Abwicklungsvertrag vom 18.03.2010 bzw. 22.03.2010 dann dahingehend, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung vom 29.05.2009 mit Ablauf des 30.06.2010 ende. Die Arbeitgeberin verpflichtete sich wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung in Höhe von 195.000,00 EUR an den Kläger zu zahlen.
Der Kläger meldete sich zunächst am 03.06.2010 persönlich bei der Beklagten arbeitsuchend und erhielt von dieser die Unterlagen zur Beantragung von Alg. Nachdem der Kläger diese nicht vorgelegt und sich trotz Meldeaufforderungen bei der Beklagten auch nicht mehr gemeldet hatte, meldete die Beklagte das Bewerberangebot ab.
Am 22.09.2014 meldete sich der Kläger bei der Beklagten erneut persönlich arbeitsuchend und erhielt erneut die Antragsformulare. Der Kläger legte diese jedoch wiederum nicht vor und meldete sich bei der Beklagten trotz Meldeaufforderungen nicht mehr. Die Beklagten meldete daraufhin auch dieses Bewerberangebot ab.
Eine dritte persönliche Arbeitsuchendmeldung erfolgte dann am 01.06.2015. Am 13.07.2015 gingen bei der Beklagten dann auch die ausgefüllten Antragsformulare betreffend die Arbeitsuchendmeldungen am 03.06.2010, am 22.09.2014 und am 01.06.2015 ein. Mit Bescheiden vom 18.08.2015 lehnte die Beklagte die Anträge auf Alg vom 03.06.2010, 22.09.2014 und 01.06.2015 ab. Den Antrag vom 03.06.2010 lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, der Anspruch auf Alg könne nicht mehr geltend gemacht werden, da seit seiner Entstehung mehr als vier Jahre verstrichen seien. Zur Begründung der Ablehnung der beiden anderen Anträge führte die Beklagte aus, der Kläger sei in den letzten zwei Jahren vor dem 22.09.2014 bzw. vor dem 01.06.2015 weniger als zwölf Monate versicherungspflichtig beschäftigt gewesen und habe deshalb jeweils die Anwartschaftszeit nicht erfüllt.
Gegen diese Bescheide erhob der Kläger mit am 17.09.2015 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben vom 16.09.2015 Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, er sei krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen, termingerecht die notwendigen Besuche bei der Agentur für Arbeit zu absolvieren und die notwendigen Unterlagen einzureichen. Seinem Widerspruch fügte der Kläger zwei ärztliche Attest seines behandelnden Hausarztes Dr. F.-V. vom 30.04.2015 und vom 07.09.2015 bei. Im erstgenannten Attest führte Dr. F.-V. aus, der Kläger sei wegen einer depressiven Erkrankung nicht in der Lage gewesen, den normalen Anforderungen des täglichen Lebens zu entsprechen. Er sei auch nicht in der Lage gewesen, Alg zu beantragen. Inzwischen habe sich der Zustand jedoch wieder soweit stabilisiert, dass der Kläger sich nun dem Arbeitsmarkt wieder zur Verfügung stellen könne. Im Attest vom 07.09.2015 wurde mitgeteilt, Menschen mit Depressionen hätten typischerweise Schwierigkeiten, selbst kleinsten Alltagsanforderungen zu genügen, wie z. B. Termine einzuhalten oder fristgerecht Dinge zu erledigen. Mit drei gesonderten Widerspruchsbescheiden vom 23.09.2015 wies die Beklagte die Widersprüche unter Aufrechterhaltung der bisherigen Begründungen zurück.
Gegen diese Widerspruchsbescheide hat der Kläger am 22.10.2015 jeweils Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben (Aktenzeichen S 2 AL 3433/15, S 2 AL 3434/15 und S 2 AL 3435/15). Mit Beschluss vom 29.02.2016 hat das SG die Klagen unter dem Aktenzeichen S 2 AL 3433/15 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Der Kläger hat vorgetragen, er habe den Antrag auf Alg krankheitsbedingt und damit unverschuldet nicht früher gestellt. Einen Anspruch auf Alg gleichwohl abzulehnen, verstoße gegen höherrangiges Recht. Zumindest müsse ihm ein Anspruch auf Alg nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zugebilligt werden. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat vorgetragen, der Kläger sei in der Zeit vom 01.07.2010 bis 30.04.2015 arbeitsunfähig gewesen und habe dem Arbeitsmarkt deshalb nicht zur Verfügung gestanden. Dies ergebe sich aus dem vom Kläger selbst vorgelegten Attest von Dr. F.-V. vom 30.04.2015. Die fehlende Verfügbarkeit könne im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs jedoch nicht fingiert werden. Das Gleiche gelte für die fehlende Erfüllung der Anwartschaftszeit im Hinblick auf die später gestellten Anträge.
Mit Urteil vom 15.03.2017 hat das SG die Bescheide vom 18.08.2015 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 22.09.2015 betreffend die Anträge vom 03.06.2010 und vom 22.09.2014 aufgehoben. Im Übrigen hat das SG die Klagen abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat das SG ausgeführt, der Kläger habe sich nicht erst am 01.07.2010, sondern bereits am 06.03.2010 arbeitsuchend gemeldet. Die Arbeitsuchendmeldungen am 06.03.2010, 22.09.2014 und 01.06.2015 seien zumindest als formlose Anträge auf Alg zu werten. Dem Kläger könne jedoch denklogisch nur ein einziger Anspruch auf Alg zustehen und nicht mehrere. Dementsprechend sei der streitgegenständliche Anspruch auf Alg ab 01.07.2010 im Hinblick auf sein Entstehen, seine Dauer und sein Ende nur einer einmaligen gerichtlichen Klärung zugänglich. Nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung beziehe sich diese Klärung auf die Ablehnung des Antrags vom 01.06.2015. Die die beiden anderen Anträge betreffenden Bescheide seien hingegen rechtswidrig und – wie die diese Bescheide bestätigenden Widerspruchsbescheide – deshalb aufzuheben. Die diese Anträge betreffenden Leistungsklagen seien wegen anderweitiger Rechtshängigkeit bereits unzulässig.
In der Sache stehe dem Kläger jedoch kein Anspruch auf Alg zu. In der Zeit vom 01.07.2010 bis 31.05.2015 sei der Kläger nicht verfügbar gewesen. Dies folge aus dem vom Kläger selbst vorgelegten Attest von Dr. F.-V. vom 30.04.2015. Dieser habe für die Zeit bis 30.04.2015 angegeben, dass der Kläger nicht in der Lage gewesen sei, den Anforderungen des täglichen Lebens zu entsprechen. Danach habe der Kläger erst wieder am 01.06.2015 bei der Agentur für Arbeit vorgesprochen. Darüber hinaus fehle es für die Zeit bis 31.05.2015 auch am Erfordernis einer persönlichen Arbeitslosmeldung. Im Hinblick auf die Arbeitslosmeldungen am 03.06.2010 und am 22.09.2014 sei deren Wirkung, ebenso wie diejenige der Antragstellung jeweils wegen einer mehr als sechswöchigen Unterbrechung der Arbeitslosigkeit entfallen. Die Zeit ab 01.06.2015 betreffend erfülle der Kläger die Anwartschaftszeit nicht, da er in den letzten zwei Jahren zuvor nicht mindestens zwölf Monate versicherungspflichtig gewesen sei. Im Ergebnis habe der Kläger damit zu keinem Zeitpunkt die Voraussetzungen für die Gewährung von Alg erfüllt.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 10.03.2016 schriftlich beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Er trägt unter Vorlage einer Bescheinigung seines behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. F.-V. vom 09.11.2017 vor, er habe seinerzeit an einer depressiven Erkrankung gelitten, die sich aber nur auf das häusliche Umfeld ausgewirkt habe. Er sei deshalb nicht in der Lage gewesen, den Meldeaufforderungen der Beklagten Folge zu leisten. Eine Erwerbstätigkeit hätte er hingegen aufnehmen können.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15.03.2017 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 18.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.09.2015 zu verurteilen, dem Kläger ab 01.07.2010 Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren,
hilfsweise,
zum Beweis der Tatsache, dass die depressive Hemmung des Klägers in der Zeit vom 01.07.2010 bis Juli 2015 sich nur im häuslichen Umfeld ausgewirkt hat, 1. die Vernehmung von Dr. F.-V., 2. die Einholung eines Sachverständigengutachtens.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
Sie hält ihre den Antrag auf Alg ablehnende Entscheidung für rechtmäßig. Der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt die Voraussetzungen für die Gewährung von Alg erfüllt; insbesondere habe er den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit nicht zur Verfügung gestanden und sei deshalb nicht arbeitslos gewesen.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, die Klageakten des SG und die Berufungsakten des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist statthaft, da Berufungsbeschränkungen nicht eingreifen (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG). Sie ist auch im Übrigen zulässig, da sie unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden sind. Die Berufung ist jedoch nicht begründet; das SG hat, soweit der Kläger das erstinstanzliche Urteil des SG angreift, die Klage (im Übrigen) zu Recht abgewiesen.
Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist, nachdem die Beklagte das Urteil des SG vom 15.03.2017 nicht mit der Berufung angefochten hat, nur noch der den Antrag des Klägers auf Gewährung von Alg vom 01.06.2015 ablehnende Bescheid vom 18.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.09.2015. Dieser erweist sich als rechtmäßig und den Kläger nicht in subjektiven Rechten verletzend. Die Beklagte hat den Antrag des Klägers auf Alg zu Recht abgelehnt; der Kläger erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs auf Alg nicht; er hat, wie das SG zutreffend entschieden hat, zu keinem Zeitpunkt die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt.
Gemäß §§ 137 Abs. 1 SGB III in der hier anwendbaren ab 01.04.2012 geltenden Fassung setzt der Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit (vgl. § 136 SGB III) voraus, dass Arbeitnehmer (1.) arbeitslos sind, (2.) sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und (3.) die Anwartschaftszeit erfüllt haben.
Arbeitslos ist gemäß § 138 Abs. 1 SGB III, wer Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer ist und (1.) nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit), (2.) sich bemüht, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen), und (3.) den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit). Den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit steht zur Verfügung, wer (1.) eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie oder ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf, (2.) Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann, (3.) bereit ist, jede Beschäftigung im Sinne der Nummer 1 anzunehmen und auszuüben, und (4.) bereit ist, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen (§ 138 Abs. 5 SGB III).
Bis 31.05.2015 hatte der Kläger jedenfalls deshalb keinen Anspruch auf Alg, weil er den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit nicht zur Verfügung gestanden hat und deshalb nicht arbeitslos gewesen ist. Es kann offen bleiben, ob der Kläger objektiv in der Lage gewesen ist, eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben (§ 138 Abs. 5 Nr. 1 SGB III); jedenfalls war der Kläger außerstande, Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge zu leisten und aus diesem Grund nicht verfügbar. Auch der Senat entnimmt dies den vom Kläger selbst vorgelegten Attesten des behandelnden Arztes für Allgemeinmedizin Dr. F.-V. vom 30.04.2015 und vom 07.09.2015. Wie Dr. F.-V. in diesen Attesten nachvollziehbar dargelegt hat, war der Kläger wegen einer schon vor der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses am 30.06.2010 bestehenden Depression, durchgängig nicht in der Lage, den normalen Anforderungen des täglichen Lebens zu entsprechen. Er sei deshalb auch nicht in der Lage gewesen, Termine einzuhalten oder fristgerecht Dinge zu erledigen. Damit steht fest, dass er krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen ist, Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge zu leisten, denn dies setzt die Fähigkeit voraus, auch kurzfristig mit der Agentur für Arbeit zu kommunizieren, sowohl schriftlich und gegebenenfalls telefonisch, als auch (erforderlichenfalls) durch persönliche Vorsprachen bei der Agentur für Arbeit. Gerade dies war dem Kläger jedenfalls termingerecht aber nicht möglich. Die vom Kläger zur Begründung der Berufung vorgelegte Bescheinigung von Dr. F.-V. vom 09.11.2017 rechtfertigt keine abweichende Einschätzung. Auch in dieser Bescheinigung berichtet Dr. F.-V. über eine komplexe neurobiologische Störung, bei der es sich diagnostisch um eine schwere Depression in Kombination mit Angst und Zwangsstörungen handele. Wesentliche Symptome dieses Krankheitsbildes seien ein Verlust der Vitalität, sozialer Rückzug und extremes Vermeidungsverhalten, z.B. im Hinblick auf das Öffnen des Briefkastens oder das Ausführen notwendiger Verrichtungen des Alltags. In der Kombination mit einer Zwangsstörung seien selbst kleinste Anforderungen mit einem nicht zu bewältigenden Aufwand verbunden, so dass selbst einfache Verrichtungen wie das Schreiben von Briefen mehrere Tage bis Wochen in Anspruch nehmen könne. Im Ergebnis bestätigt damit auch die Bescheinigung von Dr. F.-V. vom 09.11.2017, dass beim Kläger, ohne dass die Beklagte hiervon Kenntnis gehabt hätte, ein Krankheitsbild vorgelegen hat, dass es ihm unmöglich gemacht hat Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge zu leisten; Verfügbarkeit im Sinne des § 138 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 5 SGB III lag deshalb nicht vor.
Den seitens des Klägers in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen war nicht nachzugehen; denn die unter Beweis gestellte Tatsache, dass die depressive Hemmung des Klägers in der Zeit vom 01.07.2010 bis Juli 2015 sich nur im häuslichen Umfeld ausgewirkt hat, kann als wahr unterstellt werden. Selbst wenn der Kläger nur im häuslichen Umfeld außerstande gewesen ist, den normalen Anforderungen des täglichen Lebens zu entsprechen und beispielsweise Anträge auf Alg zu stellen, stünde diese Unfähigkeit der Verfügbarkeit im Sinne des § 138 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 5 SGB III entgegen. Voraussetzung der Verfügbarkeit ist u. a. die Fähigkeit des Arbeitslosen, Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge zu leisten. Diese Fähigkeit setzt wiederum zwingend voraus, dass der Arbeitslose von zu Hause aus mit der Agentur für Arbeit korrespondieren und entsprechenden Vorschlägen Folge leisten kann. Ist der Arbeitslose hingegen, wie von Dr. F.-V. bescheinigt, (im häuslichen Umfeld) außerstande, z. B. Briefpost der Agentur für Arbeit zur Kenntnis zu nehmen und hierauf zeitnah zu antworten bzw. den sich ergebenden Anforderungen zu entsprechen, müssen jegliche Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zwingend ins Leere laufen. Verfügbarkeit als Tatbestandsvoraussetzung für einen Anspruch auf Alg würde deshalb auch in diesem Fall nicht vorliegen.
Die Vorschrift des § 145 Abs. 1 SGB III rechtfertigt im Fall des Klägers keine abweichende Beurteilung. § 145 Abs. 1 Satz 1 SGB III enthält eine sogenannte Nahtlosigkeitsregelung, deren Wirkung darin besteht, ein aus gesundheitlichen Gründen objektiv nicht bestehendes Leistungsvermögen des Arbeitslosen bis zum Eintritt des in der Rentenversicherung versicherten Risikos der Erwerbsminderung zu fingieren. Diese Fiktion hindert die Arbeitsverwaltung daran, einen Anspruch auf Alg mit der Begründung zu verneinen, der Arbeitslose sei wegen einer Leistungsminderung auf weniger als 15 Stunden wöchentlich über eine Dauer von mehr als sechs Monaten nach Maßgabe von § 138 Abs. 5 Nr. 1 SGB III objektiv nicht verfügbar und deshalb nicht arbeitslos im Sinne von §§ 137 Abs. 1 Nr. 1, 138 Abs. 1 Nr. 3 SGB III. Die Fiktion objektiver Verfügbarkeit und damit auch die Sperrwirkung der Nahtlosigkeitsregelung dauert bis zur Feststellung, dass verminderte Erwerbsfähigkeit im Sinne des Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 43 Abs. 1 bis 3 SGB VI) vorliegt; diese Feststellung ist nach § 145 Abs. 1 Satz 2 SGB III vom zuständigen Rentenversicherungsträger zu treffen. Mit der Feststellung des Rentenversicherungsträgers entfällt der Anwendungsbereich der Nahtlosigkeitsregelung (BSG, Urteil vom 12.12.2017, B 11 AL 27/16 R, juris). Sinn und Zweck der Nahtlosgewährung ist es dabei aber nicht, jedwede Leistungslücke auszuschließen, sondern nur eine solche auf Grund unterschiedlicher Beurteilung der Erwerbsfähigkeit durch die Bundesagentur einerseits und dem zuständigen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung andererseits (BSG, Urteil vom 10.05.2007, 7a AL 30/06 R, juris). Eine solche Konstellation, in der unterschiedliche Beurteilungen des Leistungsvermögens durch Arbeitsverwaltung und Rentenversicherung verhindert werden sollen, ist hier aber ersichtlich nicht gegeben. Es handelt sich vielmehr um eine Fallgestaltung, in der die objektive Verfügbarkeit von Anfang an nicht vorgelegen hat, ein Rentenverfahren weder anhängig gewesen ist, noch die Alg begehrende Person zur Antragstellung aufgefordert worden ist und deshalb Alg nicht zu leisten ist. Insoweit nimmt der Senat ergänzend gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Gründe des mit der Berufung angegriffenen Urteils des SG vom 15.03.2017 Bezug und sieht diesbezüglich von einer weiteren Darstellung eigener Gründe ab.
Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch dann, wenn der Kläger objektiv in der Lage gewesen wäre, eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes auszuüben und Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge zu leisten, Arbeitslosigkeit im Sinne der §§ 137 Abs. 1 Nr. 1, 138 Abs. 1 Nr. 3 SGB III nicht vorgelegen hätte. In diesem Fall würde nämlich die sog. subjektive Verfügbarkeit fehlen, denn der Kläger hätte sich dann, wie er durch das wiederholte Ignorieren von Meldeaufforderungen der Beklagten dokumentiert hat, den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit nicht wegen objektiv vorhandener Hinderungsgründe, sondern allein aufgrund einer eigenen autonomen Entscheidung nicht zur Verfügung gestellt. Auch bei Fehlen der subjektiven Verfügbarkeit liegt Arbeitslosigkeit im Sinne der §§ 137 Abs. 1 Nr. 1, 138 Abs. 1 Nr. 3 SGB III nicht vor; auch in diesem Fall hätte der Kläger keinen Anspruch auf Alg.
Für die Zeit ab 01.06.2015 hat der Kläger die Anwartschaftszeit nicht erfüllt und deshalb keinen Anspruch auf Alg. Nach § 142 Abs. 1 Satz 1 SGB III hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt gemäß § 143 Abs. 1 SGB III zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg.
Der Kläger hat sich vorliegend am 01.06.2015 (wieder) arbeitslos gemeldet und damit (erst) ab diesem Tag alle sonstigen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alg erfüllt. Innerhalb der sich damit ergebenden Rahmenfrist vom 01.06.2013 bis 31.05.2015 hat der Kläger nicht mindestens zwölf Monate in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden; er hat während dieses Zeitraums überhaupt keine Beschäftigung ausgeübt.
Weder die Verfügbarkeit noch die Erfüllung der Anwartschaftszeit kann als Tatbestandsvoraussetzung für einen Anspruch auf Alg im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs fingiert werden. Deshalb braucht der Senat nicht zu prüfen, ob die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs im Fall des Klägers gegeben wären. Auch insoweit sowie zur weiteren Begründung nimmt der Senat gemäß § 152 Abs. 2 SGG auf die Gründe des angegriffenen erstinstanzlichen Urteils des SG vom 15.03.2017 Bezug und sieht deshalb von einer weiteren Darstellung eigener Gründe ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld (Alg).
Der am 1965 geborene Kläger war seit 01.06.2004 bei der R. B. GmbH in B. beschäftigt. Gegen die am 29.05.2009 von der Arbeitgeberin erklärte fristlose Kündigung wendete sich der Kläger zunächst erfolgreich mit der auf seine Weiterbeschäftigung gerichteten Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Karlsruhe (Urteil vom 20.11.2009, 9 Ca 361/09). Im Verlauf des anschließenden Berufungsverfahrens (16 Sa 21/10) einigten sich die Arbeitsvertragsparteien mit Abwicklungsvertrag vom 18.03.2010 bzw. 22.03.2010 dann dahingehend, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung vom 29.05.2009 mit Ablauf des 30.06.2010 ende. Die Arbeitgeberin verpflichtete sich wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung in Höhe von 195.000,00 EUR an den Kläger zu zahlen.
Der Kläger meldete sich zunächst am 03.06.2010 persönlich bei der Beklagten arbeitsuchend und erhielt von dieser die Unterlagen zur Beantragung von Alg. Nachdem der Kläger diese nicht vorgelegt und sich trotz Meldeaufforderungen bei der Beklagten auch nicht mehr gemeldet hatte, meldete die Beklagte das Bewerberangebot ab.
Am 22.09.2014 meldete sich der Kläger bei der Beklagten erneut persönlich arbeitsuchend und erhielt erneut die Antragsformulare. Der Kläger legte diese jedoch wiederum nicht vor und meldete sich bei der Beklagten trotz Meldeaufforderungen nicht mehr. Die Beklagten meldete daraufhin auch dieses Bewerberangebot ab.
Eine dritte persönliche Arbeitsuchendmeldung erfolgte dann am 01.06.2015. Am 13.07.2015 gingen bei der Beklagten dann auch die ausgefüllten Antragsformulare betreffend die Arbeitsuchendmeldungen am 03.06.2010, am 22.09.2014 und am 01.06.2015 ein. Mit Bescheiden vom 18.08.2015 lehnte die Beklagte die Anträge auf Alg vom 03.06.2010, 22.09.2014 und 01.06.2015 ab. Den Antrag vom 03.06.2010 lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, der Anspruch auf Alg könne nicht mehr geltend gemacht werden, da seit seiner Entstehung mehr als vier Jahre verstrichen seien. Zur Begründung der Ablehnung der beiden anderen Anträge führte die Beklagte aus, der Kläger sei in den letzten zwei Jahren vor dem 22.09.2014 bzw. vor dem 01.06.2015 weniger als zwölf Monate versicherungspflichtig beschäftigt gewesen und habe deshalb jeweils die Anwartschaftszeit nicht erfüllt.
Gegen diese Bescheide erhob der Kläger mit am 17.09.2015 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben vom 16.09.2015 Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, er sei krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen, termingerecht die notwendigen Besuche bei der Agentur für Arbeit zu absolvieren und die notwendigen Unterlagen einzureichen. Seinem Widerspruch fügte der Kläger zwei ärztliche Attest seines behandelnden Hausarztes Dr. F.-V. vom 30.04.2015 und vom 07.09.2015 bei. Im erstgenannten Attest führte Dr. F.-V. aus, der Kläger sei wegen einer depressiven Erkrankung nicht in der Lage gewesen, den normalen Anforderungen des täglichen Lebens zu entsprechen. Er sei auch nicht in der Lage gewesen, Alg zu beantragen. Inzwischen habe sich der Zustand jedoch wieder soweit stabilisiert, dass der Kläger sich nun dem Arbeitsmarkt wieder zur Verfügung stellen könne. Im Attest vom 07.09.2015 wurde mitgeteilt, Menschen mit Depressionen hätten typischerweise Schwierigkeiten, selbst kleinsten Alltagsanforderungen zu genügen, wie z. B. Termine einzuhalten oder fristgerecht Dinge zu erledigen. Mit drei gesonderten Widerspruchsbescheiden vom 23.09.2015 wies die Beklagte die Widersprüche unter Aufrechterhaltung der bisherigen Begründungen zurück.
Gegen diese Widerspruchsbescheide hat der Kläger am 22.10.2015 jeweils Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben (Aktenzeichen S 2 AL 3433/15, S 2 AL 3434/15 und S 2 AL 3435/15). Mit Beschluss vom 29.02.2016 hat das SG die Klagen unter dem Aktenzeichen S 2 AL 3433/15 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Der Kläger hat vorgetragen, er habe den Antrag auf Alg krankheitsbedingt und damit unverschuldet nicht früher gestellt. Einen Anspruch auf Alg gleichwohl abzulehnen, verstoße gegen höherrangiges Recht. Zumindest müsse ihm ein Anspruch auf Alg nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zugebilligt werden. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat vorgetragen, der Kläger sei in der Zeit vom 01.07.2010 bis 30.04.2015 arbeitsunfähig gewesen und habe dem Arbeitsmarkt deshalb nicht zur Verfügung gestanden. Dies ergebe sich aus dem vom Kläger selbst vorgelegten Attest von Dr. F.-V. vom 30.04.2015. Die fehlende Verfügbarkeit könne im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs jedoch nicht fingiert werden. Das Gleiche gelte für die fehlende Erfüllung der Anwartschaftszeit im Hinblick auf die später gestellten Anträge.
Mit Urteil vom 15.03.2017 hat das SG die Bescheide vom 18.08.2015 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 22.09.2015 betreffend die Anträge vom 03.06.2010 und vom 22.09.2014 aufgehoben. Im Übrigen hat das SG die Klagen abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat das SG ausgeführt, der Kläger habe sich nicht erst am 01.07.2010, sondern bereits am 06.03.2010 arbeitsuchend gemeldet. Die Arbeitsuchendmeldungen am 06.03.2010, 22.09.2014 und 01.06.2015 seien zumindest als formlose Anträge auf Alg zu werten. Dem Kläger könne jedoch denklogisch nur ein einziger Anspruch auf Alg zustehen und nicht mehrere. Dementsprechend sei der streitgegenständliche Anspruch auf Alg ab 01.07.2010 im Hinblick auf sein Entstehen, seine Dauer und sein Ende nur einer einmaligen gerichtlichen Klärung zugänglich. Nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung beziehe sich diese Klärung auf die Ablehnung des Antrags vom 01.06.2015. Die die beiden anderen Anträge betreffenden Bescheide seien hingegen rechtswidrig und – wie die diese Bescheide bestätigenden Widerspruchsbescheide – deshalb aufzuheben. Die diese Anträge betreffenden Leistungsklagen seien wegen anderweitiger Rechtshängigkeit bereits unzulässig.
In der Sache stehe dem Kläger jedoch kein Anspruch auf Alg zu. In der Zeit vom 01.07.2010 bis 31.05.2015 sei der Kläger nicht verfügbar gewesen. Dies folge aus dem vom Kläger selbst vorgelegten Attest von Dr. F.-V. vom 30.04.2015. Dieser habe für die Zeit bis 30.04.2015 angegeben, dass der Kläger nicht in der Lage gewesen sei, den Anforderungen des täglichen Lebens zu entsprechen. Danach habe der Kläger erst wieder am 01.06.2015 bei der Agentur für Arbeit vorgesprochen. Darüber hinaus fehle es für die Zeit bis 31.05.2015 auch am Erfordernis einer persönlichen Arbeitslosmeldung. Im Hinblick auf die Arbeitslosmeldungen am 03.06.2010 und am 22.09.2014 sei deren Wirkung, ebenso wie diejenige der Antragstellung jeweils wegen einer mehr als sechswöchigen Unterbrechung der Arbeitslosigkeit entfallen. Die Zeit ab 01.06.2015 betreffend erfülle der Kläger die Anwartschaftszeit nicht, da er in den letzten zwei Jahren zuvor nicht mindestens zwölf Monate versicherungspflichtig gewesen sei. Im Ergebnis habe der Kläger damit zu keinem Zeitpunkt die Voraussetzungen für die Gewährung von Alg erfüllt.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 10.03.2016 schriftlich beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Er trägt unter Vorlage einer Bescheinigung seines behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. F.-V. vom 09.11.2017 vor, er habe seinerzeit an einer depressiven Erkrankung gelitten, die sich aber nur auf das häusliche Umfeld ausgewirkt habe. Er sei deshalb nicht in der Lage gewesen, den Meldeaufforderungen der Beklagten Folge zu leisten. Eine Erwerbstätigkeit hätte er hingegen aufnehmen können.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15.03.2017 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 18.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.09.2015 zu verurteilen, dem Kläger ab 01.07.2010 Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren,
hilfsweise,
zum Beweis der Tatsache, dass die depressive Hemmung des Klägers in der Zeit vom 01.07.2010 bis Juli 2015 sich nur im häuslichen Umfeld ausgewirkt hat, 1. die Vernehmung von Dr. F.-V., 2. die Einholung eines Sachverständigengutachtens.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
Sie hält ihre den Antrag auf Alg ablehnende Entscheidung für rechtmäßig. Der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt die Voraussetzungen für die Gewährung von Alg erfüllt; insbesondere habe er den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit nicht zur Verfügung gestanden und sei deshalb nicht arbeitslos gewesen.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, die Klageakten des SG und die Berufungsakten des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist statthaft, da Berufungsbeschränkungen nicht eingreifen (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG). Sie ist auch im Übrigen zulässig, da sie unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden sind. Die Berufung ist jedoch nicht begründet; das SG hat, soweit der Kläger das erstinstanzliche Urteil des SG angreift, die Klage (im Übrigen) zu Recht abgewiesen.
Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage ist, nachdem die Beklagte das Urteil des SG vom 15.03.2017 nicht mit der Berufung angefochten hat, nur noch der den Antrag des Klägers auf Gewährung von Alg vom 01.06.2015 ablehnende Bescheid vom 18.08.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.09.2015. Dieser erweist sich als rechtmäßig und den Kläger nicht in subjektiven Rechten verletzend. Die Beklagte hat den Antrag des Klägers auf Alg zu Recht abgelehnt; der Kläger erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs auf Alg nicht; er hat, wie das SG zutreffend entschieden hat, zu keinem Zeitpunkt die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt.
Gemäß §§ 137 Abs. 1 SGB III in der hier anwendbaren ab 01.04.2012 geltenden Fassung setzt der Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit (vgl. § 136 SGB III) voraus, dass Arbeitnehmer (1.) arbeitslos sind, (2.) sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und (3.) die Anwartschaftszeit erfüllt haben.
Arbeitslos ist gemäß § 138 Abs. 1 SGB III, wer Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer ist und (1.) nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit), (2.) sich bemüht, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen), und (3.) den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit). Den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit steht zur Verfügung, wer (1.) eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie oder ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf, (2.) Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann, (3.) bereit ist, jede Beschäftigung im Sinne der Nummer 1 anzunehmen und auszuüben, und (4.) bereit ist, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen (§ 138 Abs. 5 SGB III).
Bis 31.05.2015 hatte der Kläger jedenfalls deshalb keinen Anspruch auf Alg, weil er den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit nicht zur Verfügung gestanden hat und deshalb nicht arbeitslos gewesen ist. Es kann offen bleiben, ob der Kläger objektiv in der Lage gewesen ist, eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben (§ 138 Abs. 5 Nr. 1 SGB III); jedenfalls war der Kläger außerstande, Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge zu leisten und aus diesem Grund nicht verfügbar. Auch der Senat entnimmt dies den vom Kläger selbst vorgelegten Attesten des behandelnden Arztes für Allgemeinmedizin Dr. F.-V. vom 30.04.2015 und vom 07.09.2015. Wie Dr. F.-V. in diesen Attesten nachvollziehbar dargelegt hat, war der Kläger wegen einer schon vor der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses am 30.06.2010 bestehenden Depression, durchgängig nicht in der Lage, den normalen Anforderungen des täglichen Lebens zu entsprechen. Er sei deshalb auch nicht in der Lage gewesen, Termine einzuhalten oder fristgerecht Dinge zu erledigen. Damit steht fest, dass er krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen ist, Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge zu leisten, denn dies setzt die Fähigkeit voraus, auch kurzfristig mit der Agentur für Arbeit zu kommunizieren, sowohl schriftlich und gegebenenfalls telefonisch, als auch (erforderlichenfalls) durch persönliche Vorsprachen bei der Agentur für Arbeit. Gerade dies war dem Kläger jedenfalls termingerecht aber nicht möglich. Die vom Kläger zur Begründung der Berufung vorgelegte Bescheinigung von Dr. F.-V. vom 09.11.2017 rechtfertigt keine abweichende Einschätzung. Auch in dieser Bescheinigung berichtet Dr. F.-V. über eine komplexe neurobiologische Störung, bei der es sich diagnostisch um eine schwere Depression in Kombination mit Angst und Zwangsstörungen handele. Wesentliche Symptome dieses Krankheitsbildes seien ein Verlust der Vitalität, sozialer Rückzug und extremes Vermeidungsverhalten, z.B. im Hinblick auf das Öffnen des Briefkastens oder das Ausführen notwendiger Verrichtungen des Alltags. In der Kombination mit einer Zwangsstörung seien selbst kleinste Anforderungen mit einem nicht zu bewältigenden Aufwand verbunden, so dass selbst einfache Verrichtungen wie das Schreiben von Briefen mehrere Tage bis Wochen in Anspruch nehmen könne. Im Ergebnis bestätigt damit auch die Bescheinigung von Dr. F.-V. vom 09.11.2017, dass beim Kläger, ohne dass die Beklagte hiervon Kenntnis gehabt hätte, ein Krankheitsbild vorgelegen hat, dass es ihm unmöglich gemacht hat Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge zu leisten; Verfügbarkeit im Sinne des § 138 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 5 SGB III lag deshalb nicht vor.
Den seitens des Klägers in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen war nicht nachzugehen; denn die unter Beweis gestellte Tatsache, dass die depressive Hemmung des Klägers in der Zeit vom 01.07.2010 bis Juli 2015 sich nur im häuslichen Umfeld ausgewirkt hat, kann als wahr unterstellt werden. Selbst wenn der Kläger nur im häuslichen Umfeld außerstande gewesen ist, den normalen Anforderungen des täglichen Lebens zu entsprechen und beispielsweise Anträge auf Alg zu stellen, stünde diese Unfähigkeit der Verfügbarkeit im Sinne des § 138 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 5 SGB III entgegen. Voraussetzung der Verfügbarkeit ist u. a. die Fähigkeit des Arbeitslosen, Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge zu leisten. Diese Fähigkeit setzt wiederum zwingend voraus, dass der Arbeitslose von zu Hause aus mit der Agentur für Arbeit korrespondieren und entsprechenden Vorschlägen Folge leisten kann. Ist der Arbeitslose hingegen, wie von Dr. F.-V. bescheinigt, (im häuslichen Umfeld) außerstande, z. B. Briefpost der Agentur für Arbeit zur Kenntnis zu nehmen und hierauf zeitnah zu antworten bzw. den sich ergebenden Anforderungen zu entsprechen, müssen jegliche Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zwingend ins Leere laufen. Verfügbarkeit als Tatbestandsvoraussetzung für einen Anspruch auf Alg würde deshalb auch in diesem Fall nicht vorliegen.
Die Vorschrift des § 145 Abs. 1 SGB III rechtfertigt im Fall des Klägers keine abweichende Beurteilung. § 145 Abs. 1 Satz 1 SGB III enthält eine sogenannte Nahtlosigkeitsregelung, deren Wirkung darin besteht, ein aus gesundheitlichen Gründen objektiv nicht bestehendes Leistungsvermögen des Arbeitslosen bis zum Eintritt des in der Rentenversicherung versicherten Risikos der Erwerbsminderung zu fingieren. Diese Fiktion hindert die Arbeitsverwaltung daran, einen Anspruch auf Alg mit der Begründung zu verneinen, der Arbeitslose sei wegen einer Leistungsminderung auf weniger als 15 Stunden wöchentlich über eine Dauer von mehr als sechs Monaten nach Maßgabe von § 138 Abs. 5 Nr. 1 SGB III objektiv nicht verfügbar und deshalb nicht arbeitslos im Sinne von §§ 137 Abs. 1 Nr. 1, 138 Abs. 1 Nr. 3 SGB III. Die Fiktion objektiver Verfügbarkeit und damit auch die Sperrwirkung der Nahtlosigkeitsregelung dauert bis zur Feststellung, dass verminderte Erwerbsfähigkeit im Sinne des Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 43 Abs. 1 bis 3 SGB VI) vorliegt; diese Feststellung ist nach § 145 Abs. 1 Satz 2 SGB III vom zuständigen Rentenversicherungsträger zu treffen. Mit der Feststellung des Rentenversicherungsträgers entfällt der Anwendungsbereich der Nahtlosigkeitsregelung (BSG, Urteil vom 12.12.2017, B 11 AL 27/16 R, juris). Sinn und Zweck der Nahtlosgewährung ist es dabei aber nicht, jedwede Leistungslücke auszuschließen, sondern nur eine solche auf Grund unterschiedlicher Beurteilung der Erwerbsfähigkeit durch die Bundesagentur einerseits und dem zuständigen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung andererseits (BSG, Urteil vom 10.05.2007, 7a AL 30/06 R, juris). Eine solche Konstellation, in der unterschiedliche Beurteilungen des Leistungsvermögens durch Arbeitsverwaltung und Rentenversicherung verhindert werden sollen, ist hier aber ersichtlich nicht gegeben. Es handelt sich vielmehr um eine Fallgestaltung, in der die objektive Verfügbarkeit von Anfang an nicht vorgelegen hat, ein Rentenverfahren weder anhängig gewesen ist, noch die Alg begehrende Person zur Antragstellung aufgefordert worden ist und deshalb Alg nicht zu leisten ist. Insoweit nimmt der Senat ergänzend gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Gründe des mit der Berufung angegriffenen Urteils des SG vom 15.03.2017 Bezug und sieht diesbezüglich von einer weiteren Darstellung eigener Gründe ab.
Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch dann, wenn der Kläger objektiv in der Lage gewesen wäre, eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes auszuüben und Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge zu leisten, Arbeitslosigkeit im Sinne der §§ 137 Abs. 1 Nr. 1, 138 Abs. 1 Nr. 3 SGB III nicht vorgelegen hätte. In diesem Fall würde nämlich die sog. subjektive Verfügbarkeit fehlen, denn der Kläger hätte sich dann, wie er durch das wiederholte Ignorieren von Meldeaufforderungen der Beklagten dokumentiert hat, den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit nicht wegen objektiv vorhandener Hinderungsgründe, sondern allein aufgrund einer eigenen autonomen Entscheidung nicht zur Verfügung gestellt. Auch bei Fehlen der subjektiven Verfügbarkeit liegt Arbeitslosigkeit im Sinne der §§ 137 Abs. 1 Nr. 1, 138 Abs. 1 Nr. 3 SGB III nicht vor; auch in diesem Fall hätte der Kläger keinen Anspruch auf Alg.
Für die Zeit ab 01.06.2015 hat der Kläger die Anwartschaftszeit nicht erfüllt und deshalb keinen Anspruch auf Alg. Nach § 142 Abs. 1 Satz 1 SGB III hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt gemäß § 143 Abs. 1 SGB III zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg.
Der Kläger hat sich vorliegend am 01.06.2015 (wieder) arbeitslos gemeldet und damit (erst) ab diesem Tag alle sonstigen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alg erfüllt. Innerhalb der sich damit ergebenden Rahmenfrist vom 01.06.2013 bis 31.05.2015 hat der Kläger nicht mindestens zwölf Monate in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden; er hat während dieses Zeitraums überhaupt keine Beschäftigung ausgeübt.
Weder die Verfügbarkeit noch die Erfüllung der Anwartschaftszeit kann als Tatbestandsvoraussetzung für einen Anspruch auf Alg im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs fingiert werden. Deshalb braucht der Senat nicht zu prüfen, ob die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs im Fall des Klägers gegeben wären. Auch insoweit sowie zur weiteren Begründung nimmt der Senat gemäß § 152 Abs. 2 SGG auf die Gründe des angegriffenen erstinstanzlichen Urteils des SG vom 15.03.2017 Bezug und sieht deshalb von einer weiteren Darstellung eigener Gründe ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved