Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 12 KR 987/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1214/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 09.03.2020 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Kostenerstattung für eine Unterkieferprotrusionsschiene.
Der am 31.03.1955 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Kläger leidet an einer mittelgradigen obstruktiven Schlafapnoe. Eine CPAP-Therapie blieb erfolglos. In einer ärztlichen Bescheinigung vom 03.08.2018 bat der behandelnde Internist und Pneumologe W. deshalb um Kostenübernahme für eine Unterkieferprotusionsschiene mit variablem Unterkiefervorschub. Diese vom Kläger an die Beklagte übersandte Bescheinigung ging am 08.08.2018 bei der Beklagten ein. Mit Bescheid vom 22.08.2018 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme mit der Begründung ab, diese beantragte Behandlung sei nicht Bestandteil der vertragszahnärztlichen Versorgung. Den hiergegen eingereichten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.10.2018 zurück. Ein weiterer Antrag vom 18.10.2018 blieb ebenfalls erfolglos (Bescheid vom 24.10.2018, Widerspruchsbescheid vom 03.12.2018).
Am 07.08.2018 schloss der Kläger mit dem Universitätsklinikum U. – Zahnklinik – eine Vereinbarung über eine Privatbehandlung, am selben Tag erfolgten eine Aufstellung eines schriftlichen Heil- und Kostenplanes, die Abformung beider Kiefer sowie eine klinische Funktionsanalyse, am 20.08.2018 ging es weiter mit dem Registrieren der gelenkbezüglichen Zentrallage des Unterkiefers sowie der arbiträren Scharnierachsenbestimmung. Weitere Behandlungsschritte folgten (Schnarcherschiene am 21.09.2018, Kontrollen am 25.10.2018, 13.12.2018, 25.02.2018, vgl hierzu Rechnung vom 13.06.2019, Bl 39 f SG-Akte). Nach Beendigung der Behandlung stellte das Universitätsklinikum dem Kläger am 13.06.2019 eine Rechnung über 851,88 EUR (inklusive 514,22 EUR Materialkosten).
Am 07.01.2019 beantragte der Kläger erneut die Übernahme der Kosten für die Versorgung mit der Unterkieferprotrusionsschiene. Er sei bisher mit einem CPAP-Gerät therapiert worden, dies könne er wegen ständiger Hals- und Kehlkopfschmerzen jedoch nicht mehr nutzen. Wegen der nächtlichen Apnoen, einer Herzinsuffizienz und mehrerer Herzinfarkte sei dies für ihn lebensbedrohlich. Mit Bescheid vom 23.01.2019 lehnte die Beklagte den Antrag mit der bereits zuvor abgegebenen Begründung ab. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein mit der Begründung, ihm sei telefonisch von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg mitgeteilt worden, dass die Kostenübernahme bevorstehe. Mit Widerspruchsbescheid vom 04.03.2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei der vom Kläger begehrten Unterkieferprotrusionsschiene handle es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode. Es seien weder im Einheitlichen Bewertungsmaßstab noch im Bundeseinheitlichen Bewertungsmaßstab Abrechnungspositionen hierzu vorhanden. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden seien von der gesetzlichen Krankenkasse nur dann zu erbringen, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) in seinen Richtlinien eine Empfehlung hierüber abgegeben habe. Es liege auch kein Fall vor, in dem trotz fehlender Empfehlung des GBA ausnahmsweise von einer Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse ausgegangen werden könne.
Der Kläger hat am 07.03.2019 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Wie sich aus den Arztbriefen ergebe, sei die Schiene für ihn lebensnotwendig. Ergänzend hat er dargelegt, er habe bereits am 03.08.2018 telefonisch im Fachzentrum für Allgemeine Leistungen E. die Kostenübernahme beantragt und hier mit einer Frau S. und einem Herrn T./T. gesprochen; diese hätten ihm mitgeteilt, dass die Kosten laut Kassenzahnärztlicher Vereinigung Baden-Württemberg übernommen werden sollen, da er sehr krank sei. Die Kostenübernahme habe ihm Herr T./T. zugesagt. Diese Zusage per Telefon sei gültig. Inzwischen habe er die Rechnung bezahlt.
Die Beklagte hat hierzu mitgeteilt, dass eine Anregung eines Mitarbeiters der Kassenzahnärztlichen Vereinigung zur Kostenübernahme irrelevant sei. Ein Fachzentrum für Allgemeine Leistungen betreibe sie an verschiedenen Standorten, nicht jedoch in E ... Bundesweit existiere kein Mitarbeiter mit dem Namen T./T./T ... Weiterhin hat die Beklagte Telefonprotokolle über die Kontakte mit dem Kläger übersandt. Darin ist kein Telefonat am 03.08.2018 vermerkt.
Mit Urteil vom 09.03.2020 hat das SG die Klage abgewiesen. Nach § 13 Abs 3 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) hätten Versicherte Anspruch auf Erstattung von Kosten für eine notwendige, selbstbeschaffte Leistung, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig habe erbringen können (Variante 1) oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt habe und dem Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden seien (Variante 2). Ein Anspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V setze einen entsprechenden Primärleistungsanspruch voraus, dh der Kostenerstattungsanspruch gehe nicht weiter als ein entsprechender Sach- oder Dienstleistungsanspruch gegen die Krankenkasse. Die selbst beschaffte Leistung müsse also zu den Leistungen gehören, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen habe. Eine Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 Satz 1 Var 1 SGB V scheide vorliegend aber bereits deshalb aus, weil keine unaufschiebbare Leistung vorgelegen habe. Es deutet nichts darauf hin, dass die Beschaffung im August 2018 bereits so dringlich gewesen sei, dass es dem Kläger nicht mehr zumutbar gewesen wäre, die innerhalb von drei Wochen (§ 13 Abs 3a SGB V) von der Beklagten zu treffende Entscheidung abzuwarten. Auch ein Erstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 Var 2 SGB V scheide aus. Dieser setze - neben weiteren Voraussetzungen - einen Ursachenzusammenhang zwischen der Leistungsablehnung und der Selbstbeschaffung voraus. Ausweislich der Rechnung vom 13.06.2019 habe zahnärztliche Behandlung in der Zeit vom 07.08.2018 bis 05.02.2019 stattgefunden. Zunächst seien am 07.08.2018 die Aufstellung eines schriftlichen Heil- und Kostenplanes nach Befundaufnahme sowie die Abformung der Kiefer für Situationsmodelle erfolgt. Am 20.08.2018 habe eine Scharnierachsenbestimmung stattgefunden. Die nächste Position vom 21.09.2019 (gemeint: 2018) betreffe die Kosten für die Schiene selbst, insoweit weise auch die vorgelegte Rechnung der Zahntechnik V. (Bl 41 der Gerichtsakte) als Lieferdatum der Schiene den 21.09.2018 aus. Aufgrund dieser zeitlichen Abfolge sei davon auszugehen, dass spätestens am 20.08.2018 die Anfertigung der Unterkieferprotrusionsschiene in Auftrag gegeben worden sei. Der Kläger sei damit bereits vor der erstmaligen Entscheidung durch die Beklagte (Bescheid vom 22.08.2018) auf die Beschaffung der Unterkieferprotrusionsschiene festgelegt gewesen. Dies werde umso deutlicher, als der Kläger auch bereits am 07.08.2018 eine Vereinbarung über eine Privatbehandlung mit der Universitätsklinik U. abgeschlossen habe. Die mit der Erstellung der Unterkieferprotrusionsschiene im Zusammenhang stehenden Kosten seien damit nicht ursächlich durch die Ablehnung des ersten Antrages im August 2018 und erst Recht nicht durch die Ablehnung des hier streitgegenständlichen Antrages vom 07.01.2019 durch die Beklagte entstanden. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten nach Eintritt der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a Satz 7 SGB V. Der Eintritt der Genehmigungsfiktion und in der Folge auch der hier geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch scheiterten daran, dass die Unterkieferprotrusionsschiene bereits zu einem Zeitpunkt beschafft worden sei, zu dem die Frist des § 13 Abs 3a SGB V noch nicht abgelaufen gewesen sei. Nach § 13 Abs 3a Satz 1 SGB V habe die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt werde, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Beschafften sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, sei die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (§ 13 Abs 3a Satz 7 SGB V). Der Kläger habe sich spätestens am 20.08.2018 auf die Beschaffung der Unterkieferprotrusionsschiene festgelegt und sich die begehrte Leistung damit vor Ablauf der dreiwöchigen Frist beschafft. Zu Gunsten des Klägers unterstellt, die Antragstellung sei bereits telefonisch am 03.08.2018 erfolgt, beginne die Frist am 04.08.2018 und ende am 24.08.2018. Eine frühere Antragstellung sei nicht ersichtlich und auch vom Kläger nicht vorgetragen. Ein Anspruch auf Kostenerstattung folge auch nicht daraus, dass ihm die Beklagte eine solche zugesagt hätte. Eine diesbezüglich in Betracht kommende Zusicherung nach § 34 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) bedürfe zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform (§ 34 Abs 1 Satz 1 SGB X). Dass eine schriftliche Zusicherung seitens der Beklagten abgegeben worden sei, lasse sich den Akten nicht entnehmen und sei so vom Kläger auch nicht vorgetragen. Im Betracht komme noch eine "Zusage" im Sinne einer Regelung durch einen mündlichen Verwaltungsakt. Nach § 33 Abs 2 Satz 1 SGB X könne ein Verwaltungsakt schriftlich, elektronisch, mündlich oder in einer anderen Weise erlassen werden. Sofern die Beklagte dem Kläger also mündlich im Sinne einer endgültigen Regelung die Kostenübernahme zugesichert hätte, bestünde ein Anspruch auf Kostenerstattung möglicherweise aus diesem Verwaltungsakt. Dies stehe jedoch nicht zur Überzeugung der Kammer fest. Die Beweislast für diese, für den Kläger günstige Tatsache liege bei diesem. Aus den Aussagen des Klägers werde schon nicht deutlich, wer ihm wann was konkret zugesagt habe. Zunächst habe der Kläger vorgetragen, dass ihm von der Beklagten mitgeteilt worden sei, dass die Kassenzahnärztliche Vereinigung mitgeteilt habe, dass aufgrund der Tatsache, dass er sehr krank sei, die Kosten übernommen werden sollten. Hierbei handele es sich jedoch weder um eine Regelung, noch stamme diese von der Beklagten. Es handele sich vielmehr um eine Empfehlung einer anderen Stelle und damit gerade nicht um eine Regelung seitens der Beklagten. Soweit der Kläger zuletzt mitgeteilt habe, man habe ihm die Kostenerstattung per Telefon zugesagt und er habe mit einem Herrn "T." bzw "T." vom Fachzentrum für Allgemeine Leistungen in E. bzw B. gesprochen, könne noch nicht einmal nachvollzogen werden, dass ein solches Telefonat überhaupt stattgefunden habe. Nach den Angaben der Beklagten befinde sich in E. kein Fachzentrum für Allgemeine Leistungen. Die insofern im Briefkopf angegebene Anschrift rühre daher, dass es sich um eine Sammelstelle für nicht zustellbare Poststücke handele; Kundenkontakt hätten die dortigen Mitarbeiter jedoch nicht. Auch aus den von der Beklagten vorgelegten Telefonprotokollen ergebe sich kein Kontakt mit einem Mitarbeiter namens "T." oder "T.". Die Beklagte gebe insoweit auch an, dass bei ihr kein Mitarbeiter namens "T." oder auch "T." oder "T." vorhanden sei und sich auch den Telefonverzeichnissen seit 2016 kein solcher Name entnehmen lasse. Es lasse sich damit nicht nachweisen, dass eine verbindliche Zusage der Kostenerstattung wie vom Kläger vorgetragen erfolgt sei.
Bereits am 09.03.2020 hat der Kläger hiergegen Berufung eingelegt mit der Begründung, die erstinstanzliche Richterin habe nicht unabhängig gehandelt. Die Forderung werde um die Kosten eines Sauerstoffkonzentrators in Höhe von 474,91 EUR - wohl für seine Ehefrau - erweitert. Die Geräte seien telefonisch von der Knappschaft E. zugesagt worden. Seit 2019 seien bei der Knappschaft 8 von 10 Arbeitsstellen weggefallen, Filialen geschlossen worden und seine Ansprechpartner weggefallen. Es könne nicht sein, dass er als langjähriger Beitragszahler, chronisch Kranker und Behinderter medizinische Geräte selber zahlen müsse und die Knappschaft 220 Elektroautos kaufe. Er fordere, das SG Ulm abzuschaffen, da diesem, dem Präsidenten sowie den Richtern grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei. Auf Hinweis des Senats, die Kosten des Sauerstoffkonzentrators seien nicht Gegenstand des Verfahrens, sondern ggf gesondert gerichtlich geltend zu machen, hat die Ehefrau des Klägers Klage vor dem SG erhoben unter dem Aktenzeichen S 12 KR 1419/20.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 09.03.2020 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.01.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.03.2019 zu verurteilen, den Bescheid vom 22.08.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.10.2018 sowie den Bescheid vom 24.10.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.12.2018 aufzuheben und ihm die Kosten für die Beschaffung einer Unterkieferprotrusionsschiene in Höhe von 851,88 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat ausgeführt, zwar sei der Gemeinsame Bundesausschuss am 17.05.2018 in eine Methodenbewertung eingetreten, doch bleibe bis zu einem abschließenden Ergebnis die "Schnarcherschiene" mangels Hilfsmitteleigenschaft von der Leistungsverpflichtung der Krankenkasse ausgeschlossen. § 13 Abs 3a SGB V könne keine Anwendung finden, da sich der Kläger die Schiene bereits vor Ablauf der entsprechenden Fristen selbst beschafft habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung bleibt ohne Erfolg.
Der Senat konnte in Abwesenheit der Beteiligten verhandeln und entscheiden, da diese in der Terminsmitteilung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind. Die Terminsmitteilung ist beiden Beteiligten ordnungsgemäß zugestellt worden. Erscheint ein Beteiligter trotz ordnungsgemäßer Terminsmitteilung nicht zur Verhandlung, kann das Gericht nach Lage der Akten (§ 126 Sozialgerichtsgesetz – SGG) oder aufgrund "einseitiger" mündlicher Verhandlung entscheiden (BSG 26.05.2014, B 12 KR 67/13 B; BSG 07.07.2011, B 14 AS 35/11 B; 19.03.1992, 12 RK 62/91, SozR 3-1500 § 110 Nr 3).
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, da ein Anspruch des Klägers auf Erstattung der Kosten für die Unterkieferprotrusionsschiene in Höhe von 851,88 EUR nicht besteht. Der Bescheid der Beklagten vom 07.01.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.03.2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Nicht Gegenstand des Verfahrens ist die Versorgung des Klägers bzw seiner Ehefrau mit einem Sauerstoffkonzentrator, die von der Ehefrau des Klägers nach Hinweis des Senats nunmehr vor dem SG weiterverfolgt wird (S 12 KR 1419/20).
Damit der Antrag des Klägers auf Kostenübernahme nicht gem § 77 SGG bereits an der Bestandskraft der ablehnenden Bescheide der Beklagten vom 22.08.2018 (Widerspruchsbescheid vom 12.10.2018) und 24.10.2018 (Widerspruchsbescheid vom 03.12.2018) scheitert und um dem Begehren des Klägers möglichst weitgehend Rechnung zu tragen, war sein (erneuter) Antrag vom 07.01.2019 als Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X auszulegen (vgl hierzu ausführlich BSG 16.12.2008, B 1 KR 2/08 R, SozR 4-2500 § 13 Nr 20). Dementsprechend ist auch der Bescheid der Beklagten vom 23.01.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.03.2019 als Ablehnung auszulegen, die vorangegangenen Ablehnungsbescheide nach § 44 SGB X aufzuheben und die Kosten für die Protrusionsschiene zu erstatten. Statthafte Klageart hiergegen ist die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage.
Ein Anspruch des Klägers nach § 44 SGB X auf Aufhebung der vorangegangenen ablehnenden Bescheide besteht indes nicht.
Nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Vorliegend wurde jedoch weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Vielmehr hat die Beklagte die Kostenübernahme für die Schiene in den Bescheiden vom 22.08.2018 sowie 24.10.2018 zu Recht abgelehnt, so dass eine Rücknahme dieser Bescheide nach § 44 Abs 1 SGB X nicht in Frage kommt.
Hinsichtlich der hier allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 13 Abs 3 SGB V bzw § 13 Abs 3a SGB V wird auf die zutreffenden Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil Bezug genommen und die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurückgewiesen (§ 153 Abs 2 SGG). Wie das SG zutreffend und ausführlich dargelegt hat, scheitert ein Anspruch des Klägers auf Kostenerstattung gemäß § 13 Abs 3 Satz 1 daran, dass weder ein Notfall vorlag noch vor der Versorgung mit dem Hilfsmittel eine vorherige Antragstellung erfolgt ist. Der Kläger hat somit den vom Gesetz geforderten Beschaffungsweg nicht eingehalten. Auch liegt kein Fall einer Genehmigungsfiktion im Sinne des § 13 Abs 3a Satz 6 SGB V vor, da sich der Kläger noch vor Fristablauf die Leistung selbst beschafft hat. Im Übrigen hätte dem Kläger auch bei Einhaltung des Beschaffungsweges kein Sachleistungsanspruch auf Versorgung mit der Protrusionsschiene zugestanden, wie die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 04.03.2019 ausführlich und zutreffend erläutert hat (siehe hierzu Bayerisches LSG 21.11.2019, L 4 KR 496/18; SG Berlin 21.01.2019, S 81 KR 339/18; aA wegen Systemversagens: SG München 13.02.2020, S 15 KR 1374/18).
Lediglich ergänzend sei darauf hingewiesen, dass auch aus dem Berufungsvorbringen des Klägers kein für ihn günstigeres Ergebnis folgt. Der Senat verkennt nicht, dass der Kläger chronisch krank ist und langjährig Beiträge gezahlt hat. Dennoch gilt auch für ihn das Sachleistungsprinzip, dh dass das System der Gesetzlichen Krankenversicherung vom Prinzip der Naturalleistung geprägt ist. Die Versicherten erhalten die Leistungen der Krankenversicherung als Dienst- und Sachleistungen, also in Natur und damit grds kostenfrei, vorfinanzierungs- und risikolos (Noftz in: Hauck/Noftz, SGB, 04/19, § 2 SGB V, Rn 79 unter Verweis auf BVerfGE 11, 30, 31 = SozR Nr 6 zu § 63 SGG = NJW 1960, 981; BSGE 73, 271, 274 f. = SozR 3-2500 § 13 Nr 4). Verlässt ein Versicherter diesen vorgegebenen Weg und beschafft sich - wie hier - eine Leistung selbst, kommt eine Kostenerstattung nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht. Die Voraussetzungen eines solchen Ausnahmefalles sind indes, wie das SG ausführlich erläutert hat, nicht erfüllt.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist die Kostenerstattung für eine Unterkieferprotrusionsschiene.
Der am 31.03.1955 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Kläger leidet an einer mittelgradigen obstruktiven Schlafapnoe. Eine CPAP-Therapie blieb erfolglos. In einer ärztlichen Bescheinigung vom 03.08.2018 bat der behandelnde Internist und Pneumologe W. deshalb um Kostenübernahme für eine Unterkieferprotusionsschiene mit variablem Unterkiefervorschub. Diese vom Kläger an die Beklagte übersandte Bescheinigung ging am 08.08.2018 bei der Beklagten ein. Mit Bescheid vom 22.08.2018 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme mit der Begründung ab, diese beantragte Behandlung sei nicht Bestandteil der vertragszahnärztlichen Versorgung. Den hiergegen eingereichten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.10.2018 zurück. Ein weiterer Antrag vom 18.10.2018 blieb ebenfalls erfolglos (Bescheid vom 24.10.2018, Widerspruchsbescheid vom 03.12.2018).
Am 07.08.2018 schloss der Kläger mit dem Universitätsklinikum U. – Zahnklinik – eine Vereinbarung über eine Privatbehandlung, am selben Tag erfolgten eine Aufstellung eines schriftlichen Heil- und Kostenplanes, die Abformung beider Kiefer sowie eine klinische Funktionsanalyse, am 20.08.2018 ging es weiter mit dem Registrieren der gelenkbezüglichen Zentrallage des Unterkiefers sowie der arbiträren Scharnierachsenbestimmung. Weitere Behandlungsschritte folgten (Schnarcherschiene am 21.09.2018, Kontrollen am 25.10.2018, 13.12.2018, 25.02.2018, vgl hierzu Rechnung vom 13.06.2019, Bl 39 f SG-Akte). Nach Beendigung der Behandlung stellte das Universitätsklinikum dem Kläger am 13.06.2019 eine Rechnung über 851,88 EUR (inklusive 514,22 EUR Materialkosten).
Am 07.01.2019 beantragte der Kläger erneut die Übernahme der Kosten für die Versorgung mit der Unterkieferprotrusionsschiene. Er sei bisher mit einem CPAP-Gerät therapiert worden, dies könne er wegen ständiger Hals- und Kehlkopfschmerzen jedoch nicht mehr nutzen. Wegen der nächtlichen Apnoen, einer Herzinsuffizienz und mehrerer Herzinfarkte sei dies für ihn lebensbedrohlich. Mit Bescheid vom 23.01.2019 lehnte die Beklagte den Antrag mit der bereits zuvor abgegebenen Begründung ab. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein mit der Begründung, ihm sei telefonisch von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg mitgeteilt worden, dass die Kostenübernahme bevorstehe. Mit Widerspruchsbescheid vom 04.03.2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei der vom Kläger begehrten Unterkieferprotrusionsschiene handle es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode. Es seien weder im Einheitlichen Bewertungsmaßstab noch im Bundeseinheitlichen Bewertungsmaßstab Abrechnungspositionen hierzu vorhanden. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden seien von der gesetzlichen Krankenkasse nur dann zu erbringen, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) in seinen Richtlinien eine Empfehlung hierüber abgegeben habe. Es liege auch kein Fall vor, in dem trotz fehlender Empfehlung des GBA ausnahmsweise von einer Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse ausgegangen werden könne.
Der Kläger hat am 07.03.2019 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Wie sich aus den Arztbriefen ergebe, sei die Schiene für ihn lebensnotwendig. Ergänzend hat er dargelegt, er habe bereits am 03.08.2018 telefonisch im Fachzentrum für Allgemeine Leistungen E. die Kostenübernahme beantragt und hier mit einer Frau S. und einem Herrn T./T. gesprochen; diese hätten ihm mitgeteilt, dass die Kosten laut Kassenzahnärztlicher Vereinigung Baden-Württemberg übernommen werden sollen, da er sehr krank sei. Die Kostenübernahme habe ihm Herr T./T. zugesagt. Diese Zusage per Telefon sei gültig. Inzwischen habe er die Rechnung bezahlt.
Die Beklagte hat hierzu mitgeteilt, dass eine Anregung eines Mitarbeiters der Kassenzahnärztlichen Vereinigung zur Kostenübernahme irrelevant sei. Ein Fachzentrum für Allgemeine Leistungen betreibe sie an verschiedenen Standorten, nicht jedoch in E ... Bundesweit existiere kein Mitarbeiter mit dem Namen T./T./T ... Weiterhin hat die Beklagte Telefonprotokolle über die Kontakte mit dem Kläger übersandt. Darin ist kein Telefonat am 03.08.2018 vermerkt.
Mit Urteil vom 09.03.2020 hat das SG die Klage abgewiesen. Nach § 13 Abs 3 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) hätten Versicherte Anspruch auf Erstattung von Kosten für eine notwendige, selbstbeschaffte Leistung, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig habe erbringen können (Variante 1) oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt habe und dem Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden seien (Variante 2). Ein Anspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V setze einen entsprechenden Primärleistungsanspruch voraus, dh der Kostenerstattungsanspruch gehe nicht weiter als ein entsprechender Sach- oder Dienstleistungsanspruch gegen die Krankenkasse. Die selbst beschaffte Leistung müsse also zu den Leistungen gehören, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen habe. Eine Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 Satz 1 Var 1 SGB V scheide vorliegend aber bereits deshalb aus, weil keine unaufschiebbare Leistung vorgelegen habe. Es deutet nichts darauf hin, dass die Beschaffung im August 2018 bereits so dringlich gewesen sei, dass es dem Kläger nicht mehr zumutbar gewesen wäre, die innerhalb von drei Wochen (§ 13 Abs 3a SGB V) von der Beklagten zu treffende Entscheidung abzuwarten. Auch ein Erstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 Var 2 SGB V scheide aus. Dieser setze - neben weiteren Voraussetzungen - einen Ursachenzusammenhang zwischen der Leistungsablehnung und der Selbstbeschaffung voraus. Ausweislich der Rechnung vom 13.06.2019 habe zahnärztliche Behandlung in der Zeit vom 07.08.2018 bis 05.02.2019 stattgefunden. Zunächst seien am 07.08.2018 die Aufstellung eines schriftlichen Heil- und Kostenplanes nach Befundaufnahme sowie die Abformung der Kiefer für Situationsmodelle erfolgt. Am 20.08.2018 habe eine Scharnierachsenbestimmung stattgefunden. Die nächste Position vom 21.09.2019 (gemeint: 2018) betreffe die Kosten für die Schiene selbst, insoweit weise auch die vorgelegte Rechnung der Zahntechnik V. (Bl 41 der Gerichtsakte) als Lieferdatum der Schiene den 21.09.2018 aus. Aufgrund dieser zeitlichen Abfolge sei davon auszugehen, dass spätestens am 20.08.2018 die Anfertigung der Unterkieferprotrusionsschiene in Auftrag gegeben worden sei. Der Kläger sei damit bereits vor der erstmaligen Entscheidung durch die Beklagte (Bescheid vom 22.08.2018) auf die Beschaffung der Unterkieferprotrusionsschiene festgelegt gewesen. Dies werde umso deutlicher, als der Kläger auch bereits am 07.08.2018 eine Vereinbarung über eine Privatbehandlung mit der Universitätsklinik U. abgeschlossen habe. Die mit der Erstellung der Unterkieferprotrusionsschiene im Zusammenhang stehenden Kosten seien damit nicht ursächlich durch die Ablehnung des ersten Antrages im August 2018 und erst Recht nicht durch die Ablehnung des hier streitgegenständlichen Antrages vom 07.01.2019 durch die Beklagte entstanden. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten nach Eintritt der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a Satz 7 SGB V. Der Eintritt der Genehmigungsfiktion und in der Folge auch der hier geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch scheiterten daran, dass die Unterkieferprotrusionsschiene bereits zu einem Zeitpunkt beschafft worden sei, zu dem die Frist des § 13 Abs 3a SGB V noch nicht abgelaufen gewesen sei. Nach § 13 Abs 3a Satz 1 SGB V habe die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des MDK, eingeholt werde, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Beschafften sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, sei die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet (§ 13 Abs 3a Satz 7 SGB V). Der Kläger habe sich spätestens am 20.08.2018 auf die Beschaffung der Unterkieferprotrusionsschiene festgelegt und sich die begehrte Leistung damit vor Ablauf der dreiwöchigen Frist beschafft. Zu Gunsten des Klägers unterstellt, die Antragstellung sei bereits telefonisch am 03.08.2018 erfolgt, beginne die Frist am 04.08.2018 und ende am 24.08.2018. Eine frühere Antragstellung sei nicht ersichtlich und auch vom Kläger nicht vorgetragen. Ein Anspruch auf Kostenerstattung folge auch nicht daraus, dass ihm die Beklagte eine solche zugesagt hätte. Eine diesbezüglich in Betracht kommende Zusicherung nach § 34 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) bedürfe zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform (§ 34 Abs 1 Satz 1 SGB X). Dass eine schriftliche Zusicherung seitens der Beklagten abgegeben worden sei, lasse sich den Akten nicht entnehmen und sei so vom Kläger auch nicht vorgetragen. Im Betracht komme noch eine "Zusage" im Sinne einer Regelung durch einen mündlichen Verwaltungsakt. Nach § 33 Abs 2 Satz 1 SGB X könne ein Verwaltungsakt schriftlich, elektronisch, mündlich oder in einer anderen Weise erlassen werden. Sofern die Beklagte dem Kläger also mündlich im Sinne einer endgültigen Regelung die Kostenübernahme zugesichert hätte, bestünde ein Anspruch auf Kostenerstattung möglicherweise aus diesem Verwaltungsakt. Dies stehe jedoch nicht zur Überzeugung der Kammer fest. Die Beweislast für diese, für den Kläger günstige Tatsache liege bei diesem. Aus den Aussagen des Klägers werde schon nicht deutlich, wer ihm wann was konkret zugesagt habe. Zunächst habe der Kläger vorgetragen, dass ihm von der Beklagten mitgeteilt worden sei, dass die Kassenzahnärztliche Vereinigung mitgeteilt habe, dass aufgrund der Tatsache, dass er sehr krank sei, die Kosten übernommen werden sollten. Hierbei handele es sich jedoch weder um eine Regelung, noch stamme diese von der Beklagten. Es handele sich vielmehr um eine Empfehlung einer anderen Stelle und damit gerade nicht um eine Regelung seitens der Beklagten. Soweit der Kläger zuletzt mitgeteilt habe, man habe ihm die Kostenerstattung per Telefon zugesagt und er habe mit einem Herrn "T." bzw "T." vom Fachzentrum für Allgemeine Leistungen in E. bzw B. gesprochen, könne noch nicht einmal nachvollzogen werden, dass ein solches Telefonat überhaupt stattgefunden habe. Nach den Angaben der Beklagten befinde sich in E. kein Fachzentrum für Allgemeine Leistungen. Die insofern im Briefkopf angegebene Anschrift rühre daher, dass es sich um eine Sammelstelle für nicht zustellbare Poststücke handele; Kundenkontakt hätten die dortigen Mitarbeiter jedoch nicht. Auch aus den von der Beklagten vorgelegten Telefonprotokollen ergebe sich kein Kontakt mit einem Mitarbeiter namens "T." oder "T.". Die Beklagte gebe insoweit auch an, dass bei ihr kein Mitarbeiter namens "T." oder auch "T." oder "T." vorhanden sei und sich auch den Telefonverzeichnissen seit 2016 kein solcher Name entnehmen lasse. Es lasse sich damit nicht nachweisen, dass eine verbindliche Zusage der Kostenerstattung wie vom Kläger vorgetragen erfolgt sei.
Bereits am 09.03.2020 hat der Kläger hiergegen Berufung eingelegt mit der Begründung, die erstinstanzliche Richterin habe nicht unabhängig gehandelt. Die Forderung werde um die Kosten eines Sauerstoffkonzentrators in Höhe von 474,91 EUR - wohl für seine Ehefrau - erweitert. Die Geräte seien telefonisch von der Knappschaft E. zugesagt worden. Seit 2019 seien bei der Knappschaft 8 von 10 Arbeitsstellen weggefallen, Filialen geschlossen worden und seine Ansprechpartner weggefallen. Es könne nicht sein, dass er als langjähriger Beitragszahler, chronisch Kranker und Behinderter medizinische Geräte selber zahlen müsse und die Knappschaft 220 Elektroautos kaufe. Er fordere, das SG Ulm abzuschaffen, da diesem, dem Präsidenten sowie den Richtern grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei. Auf Hinweis des Senats, die Kosten des Sauerstoffkonzentrators seien nicht Gegenstand des Verfahrens, sondern ggf gesondert gerichtlich geltend zu machen, hat die Ehefrau des Klägers Klage vor dem SG erhoben unter dem Aktenzeichen S 12 KR 1419/20.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 09.03.2020 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.01.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.03.2019 zu verurteilen, den Bescheid vom 22.08.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.10.2018 sowie den Bescheid vom 24.10.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.12.2018 aufzuheben und ihm die Kosten für die Beschaffung einer Unterkieferprotrusionsschiene in Höhe von 851,88 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat ausgeführt, zwar sei der Gemeinsame Bundesausschuss am 17.05.2018 in eine Methodenbewertung eingetreten, doch bleibe bis zu einem abschließenden Ergebnis die "Schnarcherschiene" mangels Hilfsmitteleigenschaft von der Leistungsverpflichtung der Krankenkasse ausgeschlossen. § 13 Abs 3a SGB V könne keine Anwendung finden, da sich der Kläger die Schiene bereits vor Ablauf der entsprechenden Fristen selbst beschafft habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung bleibt ohne Erfolg.
Der Senat konnte in Abwesenheit der Beteiligten verhandeln und entscheiden, da diese in der Terminsmitteilung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind. Die Terminsmitteilung ist beiden Beteiligten ordnungsgemäß zugestellt worden. Erscheint ein Beteiligter trotz ordnungsgemäßer Terminsmitteilung nicht zur Verhandlung, kann das Gericht nach Lage der Akten (§ 126 Sozialgerichtsgesetz – SGG) oder aufgrund "einseitiger" mündlicher Verhandlung entscheiden (BSG 26.05.2014, B 12 KR 67/13 B; BSG 07.07.2011, B 14 AS 35/11 B; 19.03.1992, 12 RK 62/91, SozR 3-1500 § 110 Nr 3).
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, da ein Anspruch des Klägers auf Erstattung der Kosten für die Unterkieferprotrusionsschiene in Höhe von 851,88 EUR nicht besteht. Der Bescheid der Beklagten vom 07.01.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.03.2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Nicht Gegenstand des Verfahrens ist die Versorgung des Klägers bzw seiner Ehefrau mit einem Sauerstoffkonzentrator, die von der Ehefrau des Klägers nach Hinweis des Senats nunmehr vor dem SG weiterverfolgt wird (S 12 KR 1419/20).
Damit der Antrag des Klägers auf Kostenübernahme nicht gem § 77 SGG bereits an der Bestandskraft der ablehnenden Bescheide der Beklagten vom 22.08.2018 (Widerspruchsbescheid vom 12.10.2018) und 24.10.2018 (Widerspruchsbescheid vom 03.12.2018) scheitert und um dem Begehren des Klägers möglichst weitgehend Rechnung zu tragen, war sein (erneuter) Antrag vom 07.01.2019 als Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X auszulegen (vgl hierzu ausführlich BSG 16.12.2008, B 1 KR 2/08 R, SozR 4-2500 § 13 Nr 20). Dementsprechend ist auch der Bescheid der Beklagten vom 23.01.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.03.2019 als Ablehnung auszulegen, die vorangegangenen Ablehnungsbescheide nach § 44 SGB X aufzuheben und die Kosten für die Protrusionsschiene zu erstatten. Statthafte Klageart hiergegen ist die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage.
Ein Anspruch des Klägers nach § 44 SGB X auf Aufhebung der vorangegangenen ablehnenden Bescheide besteht indes nicht.
Nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Vorliegend wurde jedoch weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Vielmehr hat die Beklagte die Kostenübernahme für die Schiene in den Bescheiden vom 22.08.2018 sowie 24.10.2018 zu Recht abgelehnt, so dass eine Rücknahme dieser Bescheide nach § 44 Abs 1 SGB X nicht in Frage kommt.
Hinsichtlich der hier allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 13 Abs 3 SGB V bzw § 13 Abs 3a SGB V wird auf die zutreffenden Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil Bezug genommen und die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurückgewiesen (§ 153 Abs 2 SGG). Wie das SG zutreffend und ausführlich dargelegt hat, scheitert ein Anspruch des Klägers auf Kostenerstattung gemäß § 13 Abs 3 Satz 1 daran, dass weder ein Notfall vorlag noch vor der Versorgung mit dem Hilfsmittel eine vorherige Antragstellung erfolgt ist. Der Kläger hat somit den vom Gesetz geforderten Beschaffungsweg nicht eingehalten. Auch liegt kein Fall einer Genehmigungsfiktion im Sinne des § 13 Abs 3a Satz 6 SGB V vor, da sich der Kläger noch vor Fristablauf die Leistung selbst beschafft hat. Im Übrigen hätte dem Kläger auch bei Einhaltung des Beschaffungsweges kein Sachleistungsanspruch auf Versorgung mit der Protrusionsschiene zugestanden, wie die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 04.03.2019 ausführlich und zutreffend erläutert hat (siehe hierzu Bayerisches LSG 21.11.2019, L 4 KR 496/18; SG Berlin 21.01.2019, S 81 KR 339/18; aA wegen Systemversagens: SG München 13.02.2020, S 15 KR 1374/18).
Lediglich ergänzend sei darauf hingewiesen, dass auch aus dem Berufungsvorbringen des Klägers kein für ihn günstigeres Ergebnis folgt. Der Senat verkennt nicht, dass der Kläger chronisch krank ist und langjährig Beiträge gezahlt hat. Dennoch gilt auch für ihn das Sachleistungsprinzip, dh dass das System der Gesetzlichen Krankenversicherung vom Prinzip der Naturalleistung geprägt ist. Die Versicherten erhalten die Leistungen der Krankenversicherung als Dienst- und Sachleistungen, also in Natur und damit grds kostenfrei, vorfinanzierungs- und risikolos (Noftz in: Hauck/Noftz, SGB, 04/19, § 2 SGB V, Rn 79 unter Verweis auf BVerfGE 11, 30, 31 = SozR Nr 6 zu § 63 SGG = NJW 1960, 981; BSGE 73, 271, 274 f. = SozR 3-2500 § 13 Nr 4). Verlässt ein Versicherter diesen vorgegebenen Weg und beschafft sich - wie hier - eine Leistung selbst, kommt eine Kostenerstattung nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht. Die Voraussetzungen eines solchen Ausnahmefalles sind indes, wie das SG ausführlich erläutert hat, nicht erfüllt.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
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