L 11 KR 1796/20 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 KR 1210/20 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1796/20 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28.05.2020 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Einleitung eines Beitragseinzugsverfahrens durch die Antragsgegnerin.

Die Antragstellerin war seit dem 19.08.1994 als angestellte Lehrerin in Teilzeit mit zuletzt 8 Wochenstunden unbefristet beschäftigt. Wegen Kündigungen zum 31.03.2018 bzw zum 31.03.2019 ist noch ein arbeitsgerichtliches Verfahren beim Landesarbeitsgericht anhängig (vorhergehend Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 05.04.2019, 10 Ca 321/18). Wegen einer weiteren Kündigung unter Gewährung einer Auslauffrist mit Ablauf des 30.06.2020 ist ebenfalls eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Karlsruhe (3 Ca 394/19) anhängig.

Mit Wirkung zum 12.10.2019 meldete der Arbeitgeber die Antragstellerin bei der Einzugsstelle (Antragsgegnerin) von der Sozialversicherung ab. Hiergegen erhob die Antragstellerin Einwendungen sowohl gegenüber ihrem Arbeitgeber als auch gegenüber der Einzugsstelle. Die Antragsgegnerin versicherte die Antragstellerin ab dem 13.10.2019 als freiwilliges Mitglied und verlangte Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von monatlich 184,31 EUR bzw 188,44 EUR (Bescheide vom 06.12.2019 und 05.02.2020).

In einem vorangegangenen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hatte die Antragstellerin mit ihrem Begehren, ihren Arbeitgeber zur Entrichtung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen zu verpflichten, keinen Erfolg (Sozialgericht Karlsruhe (SG) 14.01.2020, S 6 KR 4358/19 ER; Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) 12.03.2020, L 11 KR 518/20 ER-B). Der Senat führte in seinem Beschluss aus, dass insoweit kein Anordnungsanspruch bestehe. Sei ein Beschäftigter der Ansicht, sein Arbeitgeber müsse aus der Beschäftigung Gesamtsozialversicherungsbeiträge entrichten, könne er durch einen Antrag bei der Beitragseinzugsstelle ein Beitragseinzugsverfahren nach § 28h Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) einleiten, im Rahmen dessen die Einzugsstelle über Versicherungspflicht und Beitragshöhe zu entscheiden habe. Für eine Klage gegen den Arbeitgeber fehle es daher grundsätzlich an einem Rechtsschutzbedürfnis.

Trotz entsprechender mehrfacher Aufforderung durch die Antragstellerin leitete die Antragsgegnerin kein Beitragseinzugsverfahren ein, sondern teilte mit, sie könne nicht beurteilen, ob das Arbeitsverhältnis der Antragstellerin über den 12.10.2019 hinaus weiterhin bestehe oder diese unrechtmäßig beurlaubt worden sei. Eine entsprechende Klärung solle ggf durch ein Arbeitsgericht vorgenommen werden. Erst nach der Klärung und unter Berücksichtigung des Ergebnisses könne die Einzugsstelle die erforderlichen Beiträge und Sozialversicherungsmeldungen beanstanden.

Am 28.04.2020 hat die Antragstellerin Eilantrag beim SG gestellt. Sie sei seit dem 13.10.2019 ohne Entgelt und Sozialversicherungen, obwohl seit 1994 unbefristet und ordentlich nicht mehr kündbar im Schuldienst des Landes Baden-Württemberg beschäftigt. Es bestehe eine Mitwirkungspflicht der Krankenkasse, um die Versicherungsbeiträge per Einzugsverfahren bei bestehendem Arbeitsverhältnis beim säumigen Arbeitgeber einzufordern. Sie verweise auf den Beschluss des LSG (L 11 KR 518/20 ER-B). Ein weiteres Abwarten sei ihr nicht mehr zumutbar.

Auf Aufforderung des SG hat die Antragstellerin ergänzend mitgeteilt, dass ihr zwischenzeitlich vom Jobcenter vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) ab dem 01.04.2020 bewilligt worden seien (Bescheid vom 15.05.2020).

Mit Beschluss vom 28.05.2020 hat das SG den Antrag gestützt auf § 86b Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) abgelehnt. Vorliegend fehle es am Anordnungsgrund, nachdem die Antragstellerin zwischenzeitlich Leistungen nach dem SGB II beziehe und somit seit 01.04.2020 vom Jobcenter Pflichtbeiträge für die Antragstellerin abgeführt würden. Für die zurückliegenden Zeiträume sei es der Antragstellerin zumutbar, eine Klärung im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens abzuwarten.

Am 05.06.2020 hat die Antragstellerin beim SG Beschwerde eingereicht, erweiternd Krankengeld für die Zeit vom 08.11.2019 bis 31.03.2020, Akteneinsicht beim SG sowie Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Den Antrag auf PKH hat der Senat mit Beschluss vom 14.07.2020 abgelehnt. Den geltend gemachten Anspruch auf Krankengeld hat der Senat mit Beschluss vom 20.07.2020 vom Beschwerdeverfahren abgetrennt und wegen instanzieller Unzuständigkeit an das SG verwiesen (L 11 KR 2240/20 ER).

Nach erfolgter Akteneinsicht hat die Antragstellerin ergänzend vorgetragen, die Verwaltungsakten seien unvollständig, die Darstellung der arbeitsrechtlichen Tatbestände des erstinstanzlich obsiegenden Urteils gehe daraus nicht hervor. Es entstehe der Eindruck einer einseitigen und somit nachteiligen Beurteilung. Ein Anordnungsgrund liege entgegen der Auffassung des SG vor. Die Gefahr wesentlicher Nachteile sei auch zukünftig gegeben und es bestehe Wiederholungsgefahr. Das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis bestehe fort. In dem ordentlich unkündbaren Arbeitsverhältnis bestehe eine Auslauffrist bis 30.06.2020. Die verbindliche Klärung, ob die sozialversicherungsrechtliche Beschäftigung fortbestehe, müsse durch die Einzugsstelle erfolgen. Ihre wirtschaftliche Notsituation bestehe fort, da sie nur bis 30.09.2019 Entgelt erhalten habe und ein Darlehen iHv 5.000 EUR habe aufnehmen müssen. Durch die lediglich vorläufige Leistung des Jobcenters könnten weder die entstandenen noch zukünftigen Schädigungen in den Sozialversicherungen ausgeglichen werden. Ein weiterer Schaden sei das entgangene Krankengeld.

Wegen der weiteren Einzelheiten und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie der beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die form- und fristgerecht (§ 173 SGG) und auch ansonsten nach § 172 SGG statthafte Beschwerde, über die der Senat durch Beschluss entscheidet (§ 176 SGG), ist in der Sache nicht begründet. Das SG hat den Antrag zu Recht abgelehnt.

Nach § 86b Abs 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Vorliegend begehrt die Antragstellerin die Durchführung eines Beitragseinzugsverfahrens nach § 28h SGB IV. Damit richtet sich die Gewährung des einstweiligen Rechtsschutzes auf den Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs 2 Satz 2 SGG. Die Entscheidung über den Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs 2 Zivilprozessordnung).

Vorliegend ist schon ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Es besteht hinsichtlich des Beitragseinzugsverfahrens nach § 28h SGB IV keine Eilbedürftigkeit, nachdem die Antragstellerin ab 01.04.2020 über den Bezug von Arbeitslosengeld II krankenversichert ist. Ob für die Zeit ab 13.10.2019 Sozialversicherungsbeiträge durch den Arbeitgeber zu entrichten sind, bedarf keiner vorläufigen sozialgerichtlichen Klärung, hier kann das arbeitsgerichtliche Verfahren abgewartet werden. Auf den Inhalt des (nicht rechtskräftigen) arbeitsgerichtlichen Urteils im Verfahren 10 Ca 321/18 kommt es dabei nicht an. Abgesehen davon hätte es der Antragstellerin freigestanden, dieses im Laufe des Verfahrens vorzulegen.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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