L 11 EG 998/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 EG 5206/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 EG 998/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19.02.2020 wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe des der Klägerin zustehenden Elterngeldes.

Die 1983 geborene Klägerin ist verheiratet und Mutter der am 19.06.2018 geborenen S. M. (im Folgenden: S) sowie der im Dezember 2013 geborenen N ... Die Klägerin ist bei der D. AG versicherungspflichtig beschäftigt. Vom 09.05. bis 15.08.2018 bezog sie Mutterschaftsgeld und einen Arbeitgeberzuschuss hierzu.

Am 16.07.2018 beantragt die Klägerin Basiselterngeld für die ersten neun Lebensmonate von S und Elterngeld Plus für die Lebensmonate 10 bis 15. Mit Bescheid vom 13.08.2018 bewilligte die Beklagte Elterngeld für den ersten Lebensmonat iHv 0 EUR, für den zweiten Lebensmonat iHv 107,89 EUR, für die Lebensmonate 3 bis 9 iHv 1.114,82 EUR und Elterngeld Plus für die Lebensmonate 10 bis 15 iHv 557,41 EUR.

Mit ihrem Widerspruch vom 04.09.2018 machte die Klägerin geltend, wegen eines technischen Problems ihrer Arbeitgeberin fehlten ca 200 EUR von ihrem Nettogehalt. Dies sei durch die Abrechnungen nachweisbar.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.09.2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Bemessungszeitraum für die Ermittlung des vor der Geburt des Kindes erzielten Einkommens sei der Zeitraum vom 01.05.2017 bis 30.04.2018. Bei der Ermittlung des zugrunde zulegenden Einkommens seien nach § 2c Abs 1 Satz 2 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) Einnahmen nicht zu berücksichtigen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren nach den lohnsteuerlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu behandeln seien. Grundlage der Einkommensermittlung seien die entsprechenden monatlichen Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers, deren Richtigkeit und Vollständigkeit vermutet werde. Eine bestandskräftig gewordene Lohnsteueranmeldung binde die Beteiligten des Elterngeldverfahrens. Diese Auffassung habe das Bundessozialgericht (BSG) mit seinen Urteilen vom 14.12.2017 (B 10 EG 4/17 R und B 10 EG 7/17 R) bestätigt. Nach den Einkommensnachweisen habe sie von ihrem Arbeitgeber einen Entgeltbestandteil erhalten, den der Arbeitgeber im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstigen Bezug behandelt habe. Dieser Bezug sei daher für die Bemessung des Elterngeldes nicht als Einnahme zu berücksichtigen. Hierbei sei unerheblich, ob die Zahlung fester vertraglicher Bestandteil des Arbeitslohns sei und durch den Jahreswechsel nicht mehr als laufendes Einkommen habe versteuert werden können.

Hiergegen richtet sich die am 11.10.2018 zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene Klage. Für den Monat Dezember 2017 habe die Beklagte ein Gehalt von 978,78 EUR angesetzt, obwohl der Klägerin ein Gehalt von 2.936,35 EUR zustehe. Ihrem Arbeitgeber sei bei der Verdienstabrechnung ein Fehler unterlaufen. Sie sei vom 25.10. bis 07.12.2017 arbeitsunfähig erkrankt gewesen und vermute, dass der Arbeitgeber versehentlich ab dem 08.12.2017 Krankengeldbezug angenommen und daher nur die ersten sieben Tage im Dezember abgerechnet habe. Er habe deshalb einen zu geringen Verdienst an die Beklagte gemeldet. Nach Intervention der Klägerin sei am 09.01.2018 das Restgehalt bezahlt worden. Die Nachzahlung sei auf der Verdienstabrechnung als laufender Bezug behandelt worden. Zudem handle es sich nach den Lohnsteuerrichtlinien beim laufenden Arbeitslohn neben dem Monatsgehalt auch um Arbeitslohn für Lohnzahlungszeiträume des abgelaufenen Kalenderjahres, wenn der Lohn innerhalb der ersten drei Wochen des nachfolgenden Kalenderjahres zufließe. Dies sei bei der Klägerin der Fall gewesen. Der Nachzahlungsbetrag sei lediglich deshalb im Januar 2018 in der Lohnabrechnung angegeben als "ST. BER.VJ.EBEZ." (Steuerbereinigung Vorjahr Einmalbezug), um noch die anfallende Lohnsteuer berechnen und nacherheben zu können, da für das Jahr 2017 keine Steuer habe abgeführt werden können. Es fließe aber kein Geld. Der Betrag stehe deshalb in der Informationsspalte und nicht beim Einkommen. Es handle sich um einen absoluten Ausnahmetatbestand für den sonstigen Bezug, der rein steuerrechtliche Gründe habe. Da es sich trotz der Bezeichnung als sonstiger Bezug um laufenden Arbeitslohn handle und dies hier offensichtlich sei, müsse die Nachzahlung bei der Elterngeldberechnung auch als laufender Bezug behandelt werden.

Mit Urteil vom 19.02.2020 hat das SG die Klage abgewiesen. Die im Januar 2018 erfolgte Nachzahlung in Höhe von 1.538,09 EUR sei bei der Berechnung des Elterngeldes nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Auch wenn die Nachzahlung zu den Einnahmen der Klägerin aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit im Bemessungszeitraum gehöre, erhöhe sie nicht den Anspruch auf Elterngeld, weil sie nach § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG nicht beim Bemessungsentgelt zu berücksichtigen sei. Denn die Gehaltsnachzahlung sei im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstiger Bezug behandelt worden. Grundlage für die Ermittlung der Einnahmen seien die Angaben in den für die maßgeblichen Monate erstellten Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers. Dabei werde die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben in den maßgeblichen Lohn- und Gehaltsbescheinigungen vermutet. Da die Nachzahlung im Januar 2018 im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstiger Bezug behandelt worden sei, sei dies auch für die Ermittlung des Einkommens bei der Elterngeldberechnung anzunehmen. Eine nach Durchführung des Lohnsteuerabzugsverfahrens bestandskräftig gewordene Lohnsteueranmeldung binde auch die Beteiligten des Elterngeldverfahrens. In diesem Fall hätten die Elterngeldstellen und Sozialgerichte die durch die Anmeldung erfolgte Einordnung von Entgeltbestandteilen nicht mehr materiell-rechtlich unter Anwendung des Steuerrechts zu überprüfen, sondern ihren Entscheidungen zugrunde zu legen. Es könne offenbleiben, ob die Nachzahlung im Januar 2018 in lohnsteuerrechtlicher Hinsicht richtigerweise als sonstiger Bezug eingeordnet worden sei oder ob es sich dabei materiell-rechtlich um laufenden Arbeitslohn gemäß den Vorgaben der Lohnsteuer-Richtlinie (LStR) R 39b.2 Abs 1 Nr 6 bzw 7 handele. Für die Beklagte und auch das Gericht maßgeblich sei allein die lohnsteuerrechtliche Einordnung der Nachzahlung in der bestandskräftigen Lohnsteueranmeldung. Selbst wenn daher dem Arbeitgeber bei der Lohnsteueranmeldung ein Fehler unterlaufen sei, sei die Beklagte nicht dazu verpflichtet, eine materiell-rechtliche Überprüfung der lohnsteuerrechtlichen Einordnung vorzunehmen. Eine Anfechtung der Lohnsteueranmeldung sei nicht erfolgt. Die Einordnung der Nachzahlung als sonstiger Bezug sei der Klägerin erstmals im Rahmen des Elterngeldverfahrens aufgefallen.

Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 25.02.2020 zugestellte Urteil richtet sich die am 24.03.2020 eingelegte Berufung der Klägerin. Die Arbeitgeberin habe unstreitig der Klägerin am 09.01.2018 das Restgehalt von 1.538,09 EUR für Dezember 2017 nachgezahlt. Das SG übersehe, dass die Lohnsteuer nach § 38a Abs 1 Satz 1 Einkommenssteuergesetz (EStG) Jahreslohnsteuer sei. Lohnabrechnungen, die sich auf Dezember beziehen und vom Arbeitgeber erst im Januar des Folgejahres vorgenommen würden, seien lohnsteuerrechtlich dann noch dem Dezember als laufender Arbeitslohn zuzuordnen, wenn sie – wie hier - innerhalb der ersten drei Wochen des Jahres erfolgten. Der nachbezahlte Lohn sei im Bemessungszeitraum des Elterngeldes erarbeitet und ausgezahlt worden (unter Hinweis auf BSG 27.06.2019, B 10 EG 1/18 R). Trotz der Bezeichnung als sonstiger Bezug auf der Gehaltsbescheinigung sei die Nachzahlung als laufender Bezug für die Elterngeldberechnung zu erfassen. Die Lohnsteueranmeldung sei bestandskräftig geworden.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Stuttgart vom 19.02.2020 sowie Abänderung des Bescheids der Beklagten vom 13.08.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.09.2018 zu verurteilen, der Klägerin Elterngeld in gesetzlicher Höhe unter Berücksichtigung des Gehalts der Klägerin für den Monat Dezember 2017 in Höhe von 2.936,35 EUR brutto zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die hier streitige Gehaltsnachzahlung sei vom Arbeitgeber unstreitig im Rahmen der Gehaltsabrechnung als sonstiger Bezug gekennzeichnet und ausgezahlt worden. Dies sei von der Klägerin nicht beanstandet und damit bestandskräftig geworden. Nicht das tatsächliche Verhalten des Arbeitgebers binde die Beteiligten, wohl aber die Rechtsfolgen, die Abgabenordnung und EStG daran knüpften. Diese Bindung erstrecke § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG auf das Elterngeldverfahren. Soweit die Klägerin sich auf das Urteil des BSG vom 27.06.2019 (B 10 EG 2/18 R) beziehe, übersehe sie, dass auch das BSG die noch im Bemessungszeitraum zugeflossene Gehaltsnachzahlung gleichfalls von der Ermittlung des elterngeldrelevanten Einkommens ausgeschlossen habe, da es sie zu den sonstigen Bezügen zähle. Aufgrund der bestandskräftigen Lohnsteueranmeldung sei keine materiell-rechtliche Prüfung hinsichtlich der Anwendbarkeit von § 38a Abs 1 und § 39b Abs 5 EStG mehr vorzunehmen. Davon abgesehen könne die Nachzahlung auch unter steuerrechtlichen Regelungen nicht als laufender Arbeitslohn berücksichtigt werden. LStR R 39b.2 Abs 1 Nr 7 finde keine Anwendung, denn R 39b.2 Abs 1 Nr 6 sei die speziellere Regelung. Nach Nr 6 gehörten zum laufenden Arbeitslohn Nachzahlungen, wenn diese sich auf Lohnzahlungszeiträume bezögen, die im Kalenderjahr der Zahlung endeten. Die im Januar 2018 erfolgte Nachzahlung beziehe sich jedoch gerade nicht auf den Zeitraum 2018. Beziehe sich die Gehaltsnachzahlung ausschließlich auf bereits abgelaufene Kalenderjahre, sei dieser Arbeitslohn im Lohnsteuerrecht stets ein sonstiger Bezug nach LStR R 39b.2 Abs 2 Nr 8 Satz 1, der erst im Monat des Zuflusses steuerpflichtig werde. Das Steuerrecht habe eine ausdrückliche Unterscheidung zwischen Nachzahlung und Arbeitslohn getroffen. Ob die Nachzahlung aufgrund technischer Probleme oder (möglicherweise schuldhaften) Fehlverhaltens des Arbeitgebers erst im Januar 2018 erfolgt sei, sei von der Beklagten weder zu erkennen noch zu prüfen. Dem Arbeitnehmer verbleibe lediglich die Möglichkeit, seinen Arbeitgeber vor den Zivilgerichten auf Schadenersatz in Anspruch zu nehmen. Eine elterngeldrechtliche Korrektur sei wegen der strikten begrifflichen Anbindung des Elterngeldrechts an das Lohnsteuerrecht im Rahmen des § 2c Abs 2 Satz 2 BEEG nicht (mehr) möglich.

Die Berichterstatterin hat die Beteiligten mit Schreiben vom 12.06.2020 auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung durch Beschluss gemäß § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Der Senat weist die Berufung nach § 153 Abs 4 SGG ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter zurück, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden und haben sich damit einverstanden erklärt.

Die form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs 1 SGG) und auch ansonsten statthafte (§§ 143, 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG) Berufung der Klägerin ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen, denn der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 13.08.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.09.2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung höheren Elterngelds unter Einbeziehung der Anfang Januar 2018 erfolgten Nachzahlung eines Teils des Gehaltes für Dezember 2017 in das Bemessungsentgelt.

Der Anspruch der Klägerin auf Elterngeld richtet sich nach dem mit Wirkung zum 01.01.2007 eingeführten BEEG (Gesetz vom 05.12.2006, BGBl I 2748). Nach § 1 Abs 1 BEEG hat Anspruch auf Elterngeld, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nr 1), mit seinem Kind in einem Haushalt lebt (Nr 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nr 4). Die Klägerin hatte im Bezugszeitraum ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, lebte mit der am 19.06.2018 geborenen S in einem Haushalt, betreute und erzog sie und übte während des Bewilligungszeitraums keine Erwerbstätigkeit aus. Dies entnimmt der Senat den Angaben der Klägerin gegenüber der Beklagten im Verwaltungsverfahren.

Die Höhe des Elterngeldes bemisst sich nach § 2 BEEG (hier in der Fassung vom 27.01.2015, BGBl I 33). Elterngeld wird gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 und 2 BEEG in Höhe von 67% des Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1.800,00 EUR monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat. In den Fällen, in denen das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt höher als 1.200,00 EUR war, sinkt der Prozentsatz von 67% um 0,1 Prozentpunkte für je 2 Euro, um die dieses Einkommen den Betrag von 1.200,00 EUR überschreitet, auf bis zu 65% (§ 2 Abs 2 Satz 2 BEEG). Für die Ermittlung des Einkommens aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit sind die zwölf Kalendermonate vor dem Monat der Geburt des Kindes maßgeblich (§ 2b Abs 1 BEEG idF vom 27.01.2015, BGBl I 33) mit den Einschränkungen des § 2b Abs 1 Satz 2 BEEG. Danach bleiben ua Kalendermonate unberücksichtigt, in denen die berechtigte Person Mutterschaftsgeld nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch bezogen hat. Unter Anwendung dieser Regelungen reicht der Bemessungszeitraum vom 01.05.2017 bis 30.04.2018, wie von der Beklagten zugrunde gelegt.

Die Beklagte hat zutreffend das Elterngeld nach den für abhängig Beschäftigte geltenden Vorschriften ermittelt und iHv 65% des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt festgesetzt. Das von der Klägerin hier allein erzielte Einkommen aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit ist nach § 2c Abs 1 BEEG (idF vom 27.01.2015, BGBl I 33) der monatlich durchschnittlich zu berücksichtigende Überschuss der Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit in Geld oder Geldeswert über ein Zwölftel des Arbeitnehmer-Pauschbetrags, vermindert um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben nach §§ 2e und 2f BEEG. Grundlage der Ermittlung der Einnahmen sind die Angaben in den für die maßgeblichen Monate erstellten Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers, deren Richtigkeit und Vollständigkeit vermutet wird (§ 2c Abs 2 BEEG). Grundlage der Ermittlung der nach den §§ 2e und 2f BEEG erforderlichen Abzugsmerkmale für Steuern und Sozialabgaben sind nach § 2c Abs 3 BEEG die Angaben in der Lohn- und Gehaltsbescheinigung, die für den letzten Monat im Bemessungszeitraum mit Einnahmen nach Abs 1 erstellt wurde. Soweit sich in den Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Bemessungszeitraums eine Angabe zu einem Abzugsmerkmal geändert hat, ist die von der Angabe nach Satz 1 abweichende Angabe maßgeblich, wenn sie in der überwiegenden Zahl der Monate des Bemessungszeitraums gegolten hat (§ 2c Abs 3 Satz 2 BEEG).

Die Beklagte hat auch sämtliche zu berücksichtigenden Einnahmen der Berechnung des Elterngeldes zutreffend zugrunde gelegt. § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG stellt in der ab 01.01.2015 geltenden Fassung darauf ab, dass Einnahmen nicht berücksichtigt werden, die im Lohnsteuerabzugsverfahren nach den lohnsteuerlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu behandeln sind. Nach Wortlaut, Systematik, Normzweck und Entstehungsgeschichte erfasst diese Ausnahme alle Entgeltbestandteile, die abweichend vom regelmäßigen - hier monatlichen - Lohnzahlungszeitraum abgerechnet und gezahlt werden. Nach der aktuellen Rechtsprechung des BSG eröffnet der Wortlaut des § 2c Abs 1 S 2 BEEG mit der doppelten Anknüpfung an das materielle und das Steuerverfahrensrecht keinen Auslegungsspielraum dafür, bei der Elterngeldbemessung auf andere als steuerrechtliche Begriffe zurückzugreifen, und lässt daher in seiner ab dem 01.01.2015 geltenden Fassung auch keine elterngeldspezifische Auslegung des Tatbestandsmerkmals der sonstigen Bezüge mehr zu. Vielmehr entspricht nur eine strenge Bindung an das formelle und materielle Steuerrecht der erklärten Zielsetzung des Gesetzgebers, wie sie maßgeblich in der Entstehungsgeschichte zum Ausdruck kommt (BSG 14.12.2017, B 10 EG 4/17 R, SGb 2018, 571; BSG 14.12.2017, B 10 EG 7/17 R, SozR 4-7837 § 2c Nr 2). Dieser Rechtsprechung hat sich der Senat angeschlossen (Senatsurteil vom 22.01.2019, L 11 EG 1380/18). Jeder im Bemessungszeitraum zugeflossene Einkommensbestandteil, der lohnsteuerrechtlich sonstiger Bezug ist, ist auch elterngeldrechtlich sonstiger Bezug (BSG 27.06.2019, B 10 EG 2718 R, SozR 4-7837 § 2c Nr 5).

Damit ist auf die lohnsteuerrechtliche Differenzierung zwischen laufendem Arbeitslohn (§ 39b Abs 2 EStG) und sonstigen Bezügen (§ 39b Abs 3 EStG) abzustellen. Diese Begriffe werden in § 39b EStG nicht definiert, sondern nur in den auf Grundlage des Art 108 Abs 7 GG als norminterpretierende Verwaltungsvorschriften erlassenen LStR in Form von Verwaltungsanweisungen mit Anwendungsbeispielen erläutert. Den LStR kommt keine Normqualität zu; sie binden unmittelbar weder die Elterngeldstellen noch die Sozialgerichte (BSG 26.03.2014, B 10 EG 14/13 R, BSGE 115, 198).

Nach dem materiell-rechtlichen Gehalt des Lohnsteuerrechts ist maßgeblich, ob der Arbeitslohn als einem (laufenden) Lohnzahlungszeitraum zugehörig gezahlt wird oder nicht. Der Lohnzahlungszeitraum kann nur dem Arbeitsvertragsverhältnis, dh den arbeitsrechtlichen Vereinbarungen oder einer betrieblichen Übung entnommen werden. Laufender Arbeitslohn ist danach durch seinen arbeitsvertraglich definierten Lohnzahlungszeitraum gekennzeichnet, der - rein zeitlich betrachtet - den Regelfall der Entlohnung darstellt; davon weicht der sonstige Bezug ab. Im konkreten Fall hatte die Arbeitgeberin das Dezembergehalt der Klägerin bereits (fehlerhaft zu niedrig mit lediglich sieben Arbeitstagen) abgerechnet und die entsprechende Lohnsteuer auf den laufenden Bezug abgeführt. Erst auf Intervention der Klägerin wurde der Fehler korrigiert und es erfolgte eine Restzahlung iHv 1.538,09 EUR, die am 09.01.2018 auf dem Konto der Klägerin einging. Dabei wurde dieser Betrag, wie auch in der Gehaltsmitteilung 1/18 ausgewiesen (ST.BER.VJ.EBEZ. – Steuerbereinigung Vorjahr Einmalbezug), als sonstiger Bezug versteuert. Eine nach Durchführung des Lohnsteuerabzugsverfahrens bestandskräftig gewordene Lohnsteueranmeldung bindet auch die Beteiligten des Elterngeldverfahrens. Die durch diese Anmeldung erfolgte Einordnung von Lohnbestandteilen haben die Elterngeldstellen und Sozialgerichte materiell-rechtlich nicht mehr zu prüfen, sondern ihren Entscheidungen zugrunde zu legen. Dies folgt aus der Rechtsstellung des Arbeitgebers im Lohnsteuerabzugsverfahren (BSG 14.12.2017, B 10 EG 7/17 R, SozR 4-7837 § 2c Nr 2). Konkrete Anhaltspunkte, die Lohnsteueranmeldung könnte ausnahmsweise noch nicht bestandskräftig sein (vgl zum Wegfall der Regelungswirkung der Lohnsteueranmeldung auch BSG 25.06.2020, B 10 EG 3/19 R, bisher nur als Pressemitteilung vorliegend), bestehen nicht, nachdem die Klägerin auf Nachfrage ausdrücklich bestätigt hat, dass die Lohnsteueranmeldung bestandskräftig geworden ist. Schon aus diesem Grund kommt eine Berücksichtigung der Nachzahlung nicht in Betracht.

Ein Verstoß gegen das Grundgesetz ergibt sich aus dem in § 2c Abs 1 Satz 2 BEEG angeordneten Ausschluss der sonstigen Bezüge nichtselbstständig Erwerbstätiger aus der Bemessung des Elterngelds nicht (vgl dazu ausführlich BSG 14.12.2017, B 10 EG 7/17 R, SozR 4-7837 § 2c Nr 2 Rn 39 – 50).

Nach alledem ist die Berechnung des Elterngeldes durch die Beklagte nicht zu beanstanden. Sie hat zutreffend ein vorgeburtliches Einkommen im Bemessungszeitraum von 33.249,19 EUR berücksichtigt. Auf die Darstellung der auch ansonsten zutreffenden Berechnung im Bescheid vom 13.08.2018 sowie die zusätzliche detaillierte Einkommensübersicht (Bl 86/87 Verwaltungsakte) wird Bezug genommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor. Zur Frage, ob ein Einkommensbestandteil als sonstiger Bezug elterngeldrechtlich unbeachtlich ist, liegt umfangreiche höchstrichterliche Rechtsprechung vor (vgl BSG 12.02.2020, B 10 EG 10/19 B).
Rechtskraft
Aus
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