Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 2445/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 783/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 30.01.2020 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt höhere Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Berücksichtigung der Zeiten vom 18.08.1984 bis 31.03.2011 als Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit bzw Arbeitsunfähigkeit.
Der am 10.11.1953 geborene Kläger ist gelernter Buchdrucker. Nach Zeiten einer versicherungspflichtigen Beschäftigung bis 19.08.1983 und Arbeitslosigkeit mit Leistungsbezug vom 15.10.1983 bis 17.08.1984 enthält der Versicherungsverlauf des Klägers in der Rentenversicherung eine Lücke vom 18.08.1984 bis 31.03.2011. Ab 01.04.2011 bis 31.12.2017 sind Pflichtbeitragszeiten für Pflegetätigkeit vorhanden, anschließend entrichtete der Kläger freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung.
Am 19.12.2018 machte der Bruder des Klägers für diesen der Beklagten gegenüber die Berücksichtigung von Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit und Krankheit für den Zeitraum vom 18.08.1984 bis 31.03.2011 geltend. Im August 1984 habe der Kläger einen Antrag auf Arbeitslosenhilfe stellen wollen, sei vom Sachbearbeiter des Arbeitsamts S. jedoch davon überzeugt worden, dass ein Antrag unnötig sei, da wegen Anrechnung des Elterneinkommens ohnehin kein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe bestehe. In der Folge sei der Kläger aus der Krankenkasse ausgeschlossen worden und habe erst ab 01.04.2007 wieder freiwillig versichert werden können. Eine entsprechende Beratung hätte die schlimmsten Versäumnisse (Verlust der Krankenversicherung, fehlende Meldung bei der Rente) verhindern können, sei aber nicht erfolgt. Es liege seit Jahrzehnten eine Psychose mit schizophrenem Residuum vor. Ein Nachweis über die Erkrankung könne nicht geführt werden, weil zu diesem Zeitpunkt ein Krankenversicherungsschutz nicht bestanden habe und ein Arztbesuch in diesen Jahrzehnten nicht möglich gewesen sei.
Mit Bescheid vom 04.02.2019 stellte die Beklagte nach § 149 Abs 5 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) die im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten bis 31.12.2012 verbindlich fest, soweit sie nicht bereits früher festgestellt worden seien. Die Zeit vom 18.08.1984 bis 31.03.2011 könne nicht als Anrechnungszeit vorgemerkt werden, weil die angegebene Krankheit vor dem vollendeten 17. bzw nach dem vollendeten 25. Lebensjahr bestanden habe sowie für diese Zeit der Arbeitslosigkeit keine Meldung bei einer deutschen Agentur für Arbeit erfolgt sei.
Den hiergegen vom Kläger am 27.02.2019 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte nach Beiziehung der Schwerbehindertenakte des Landratsamts R.-N.-K. - Versorgungsamt und einer Stellungnahme des Beratungsarztes von Kleinsorgen ua unter Berücksichtigung des Attests vom 20.02.2019, des Befundberichts vom 08.05.2019 und der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 24.05.2019 jeweils des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. N. mit Widerspruchsbescheid vom 02.08.2019 zurück. Eine Zeit der Krankheit nach § 58 Abs 1 Satz 1 Nr la SGB VI könne nicht berücksichtigt werden, da der Kläger im Jahr 1984 bereits 31 Jahre alt gewesen sei. Auch habe im Zeitraum vom 18.08.1984 bis 31.03.2011 keine Arbeitsunfähigkeit nach § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI vorgelegen. Die Anrechnungszeittatsachen im Sinne des § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI seien grundsätzlich nur berücksichtigungsfähig, wenn sie nachgewiesen würden. In Betracht kämen vorrangig Bescheinigungen der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung, des Krankenhauses oder des Arztes. Die Beschreibung des Krankheitsbildes durch den Bruder des Klägers könne durchaus zutreffen, jedoch wäre dies mit entsprechenden Unterlagen zu belegen. Die vorliegenden Unterlagen reichten für eine dahingehende Beurteilung nicht aus, da keinerlei medizinische Unterlagen existierten. Eine schizophrene Psychose könne in jedem Alter auftreten, ohne dass zuvor wesentliche Einschränkungen bestanden haben müssten. Selbst wenn also eine schizophrene Psychose durchgemacht worden sei und heute schwerste Einschränkungen durch ein schizophrenes Residuum bestünden, lasse sich in keiner Weise ableiten, wann diese Einschränkungen eingetreten seien.
Mit seiner dagegen am 28.08.2019 zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und verweist zur Begründung auf den Bericht des Dr. N. vom 08.05.2019 mit der Diagnose eines schizophrenen Residualzustands.
Mit Bescheid vom 08.08.2019 hat die Beklagte dem Kläger auf seinen Antrag vom 02.01.2019 Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.11.2018 bewilligt. Die Gewährung von Altersrente für schwerbehinderte Menschen ist mit Bescheid vom 06.08.2019 abgelehnt worden. Ein Bescheid über eine am 02.01.2019 ebenfalls beantragte Regelaltersrente ist bisher noch nicht ergangen.
Mit Gerichtsbescheid vom 30.01.2020 hat das SG die Klage gegen den Bescheid vom 04.02.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.08.2019 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Vormerkung des Zeitraums vom 18.08.1984 bis 31.03.2011 als Anrechnungszeit. Eine Berücksichtigung nach § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 1 a SGB VI scheide aus, weil der Kläger am 18.08.1984 bereits 30 Jahre alt gewesen sei. Auch sei für den begehrten Zeitraum keine Meldung wegen Arbeitslosigkeit bei einer deutschen Agentur für Arbeit ersichtlich, sodass auch ein Anspruch nach § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI ausscheide. Im Weiteren scheide auch ein Anspruch nach § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI aus, da der Kläger im begehrten Zeitraum weder Leistungen zur medizinischen Rehabilitation noch zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten habe und eine Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit nicht nachgewiesen sei. Selbst wenn eine schizophrene Psychose durchgemacht worden sei und heute schwerste Einschränkungen durch ein schizophrenes Residuum bestünden, lasse sich davon in keiner Weise ableiten, wann diese Einschränkungen eingetreten seien. Daher vermöge auch der Befundbericht des Dr. N. vom 08.05.2019 nicht zu einer anderen Überzeugung zu führen, wenn dieser pauschal und rückwirkend für mehrere Jahrzehnte von einer Arbeitsunfähigkeit seit über 20 Jahren spreche, zumal seiner Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 24.05.2019 eine Arbeitsunfähigkeit erst seit dem 24.10.2018 zu entnehmen sei, Behandlungsbeginn erst am 24.10.2018 gewesen sei und er sich im Wesentlichen lediglich auf die Aussagen klägerischerseits stütze. Auch das Attest des Dr. N. vom 20.02.2019 sei rein spekulativ, da dieser selbst lediglich von einem "mutmaßlichem Beginn" eines bestehenden schwer ausgeprägten schizophrenen Residualsyndroms im ca 20. Lebensjahr spreche. Im Übrigen könne selbst bei einem Beginn der Erkrankung im 20. Lebensjahr nicht von einer Arbeitsunfähigkeit ausgegangen werden, da Dr. N. selbst nichts Konkretes über den damaligen Schweregrad der Erkrankung oder gar eine Arbeitsunfähigkeit mitteile, zudem Versicherungszeiten mit Tätigkeiten bis zum 30. Lebensjahr gegeben seien und der Kläger auch eine Ausbildung absolviert habe, was ebenfalls gegen eine (durchgehende) Arbeitsunfähigkeit spreche.
Gegen den ihm am 04.02.2020 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 17.02.2020 beim SG eingelegte Berufung des Klägers. Das SG habe sich nur auf die Aktenlage gestützt, aber die Aussagen und Atteste der behandelnden Ärzte und die eigene Darstellung des Bruders des Klägers bezweifelt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 30.01.2020 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 08.08.2019 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm höhere Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Berücksichtigung der Zeiten vom 18.08.1984 bis 31.03.2011 als Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit bzw Krankheit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt Bezug auf ihre erstinstanzlichen Ausführungen sowie die Begründung des angefochtenen Gerichtsbescheids.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, hat keinen Erfolg.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 iVm Abs 4 SGG) ist allein der Rentenbescheid der Beklagten vom 08.08.2019, nicht dagegen der Bescheid der Beklagten vom 04.02.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.08.2019. Mit diesem Bescheid hatte die Beklagte die Vormerkung der Zeiten vom 18.08.1984 bis 31.03.2011 als Anrechnungszeiten abgelehnt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG 06.05.2010, B 13 R 118/08 R; zuvor schon BSG 22.09.1981, 1 RA 31/80, SozR 1500 § 53 Nr 2; BSG 14.05.2003, B 4 RA 26/02 R, SozR 4 2600 § 256b Nr 1; BSG 23.08.2005, B 4 RA 21/04 R) besteht nach Erlass eines Rentenbescheids kein Rechtsschutzbedürfnis mehr zur Durchführung eines gesonderten Rechtsbehelfsverfahrens nur in Bezug auf den Vormerkungsbescheid, ein solches Verfahren ist mithin unzulässig. Nach Erlass eines Rentenbescheides ist das Begehren der Feststellung weiterer Zeiten in einem Rechtsbehelfsverfahren gegen den Rentenbescheid geltend zu machen.
Der hier nach Erlass des Widerspruchsbescheids aber vor Klageerhebung ergangene Rentenbescheid vom 08.08.2019 ist nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden (Becker in Roos/Wahrendorf, SGG, § 86 Rn 9; Senger in juris-PK-SGG, § 86 Rn 15; aA Behrend in Hennig, SGG, § 86 Rn 5; Binder in HK-SGG, § 86 Rn 4 – Rentenbescheid wird Gegenstand des Widerspruchsverfahrens nach § 86 SGG). Eines Vorverfahrens bedarf es insoweit nicht. Der Rentenbescheid ersetzt den Vormerkungsbescheid, welcher dadurch seine Erledigung findet. Zwar handelt es sich bei der Feststellung des Tatbestands einer rentenrechtlichen Zeit einerseits und der Rentenwertfestsetzung unter Berücksichtigung auch dieser Zeit andererseits nicht um Verwaltungsakte mit identischem Regelungsgehalt, doch stehen beide hinsichtlich ein und desselben Rechtsverhältnisses in einem Verhältnis sachlicher und zeitlicher Exklusivität zueinander. Während nämlich der Rentenversicherungsträger erstmals mit der "Feststellung einer Leistung" über Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten entscheidet (§ 149 Abs 5 Satz 3 SGB VI) und den Rentenwert bestimmen darf, bedarf es mit diesem Zeitpunkt umgekehrt keines diese Entscheidung nur vorbereitenden Verfahrens über die Feststellung einzelner wertbestimmender Umstände mehr. Hierzu ergangene Verwaltungsakte erledigten sich ungeachtet ihrer Anfechtung "auf andere Weise" (§ 39 Abs 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch) und dürfen durch weitere Feststellungen einzelner wertbestimmender Elemente von vornherein nicht mehr ersetzt werden (BSG 14.12.2011, B 5 R 36/11, SozR 4-2600 § 248 Nr 1).
Im wohlverstandenen Interesse des Klägers ist der Klageantrag daher sachgerecht dahin auszulegen, dass unter Abänderung des Bescheids der Beklagten vom 08.08.2019 höhere Rente wegen voller Erwerbsminderung begehrt wird unter Berücksichtigung weiterer rentenrechtlicher Zeiten vom 18.08.1984 bis 31.03.2011.
Da das SG die Einbeziehung des Rentenbescheids in das Klageverfahren gemäß § 96 SGG übersehen hat, ist im Berufungsverfahren - also im Wege einer Überprüfung des Gerichtsbescheides des SG - über die Rechtmäßigkeit dieses Bescheides zu entscheiden (vgl hierzu BSG 26.05.2011, B 10 EG 12/10 R, SozR 4-7837 § 4 Nr 2; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl, § 96 Rn 12a; Keller in Meyer-Ladewig ua, aaO, § 140 Rn 2a; Leitherer, aaO, § 143 Rn 1b). Eine entsprechende konkludente Klageänderung ist gemäß § 99 Abs 1 SGG im vorliegenden Fall jedenfalls sachdienlich.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer höheren Rente wegen Erwerbsminderung. Der Wert des Anspruchs auf Rente (sog Monatsbetrag) ist rechnerisch das Produkt aus der Summe der unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten Entgeltpunkte, dem Rentenartfaktor und dem aktuellen Rentenwert (§ 64 SGB VI). Die vom Kläger gewünschte Berücksichtigung der Zeit vom 18.08.1984 bis 31.03.2011 als Anrechnungszeit im Rahmen der Rentenberechnung ist nicht möglich.
In Betracht kommen vorliegend allein Anrechnungszeiten wegen Krankheit oder Arbeitslosigkeit. Nach § 58 Abs 1 Satz 1 SGB VI sind Anrechnungszeiten ua Zeiten, in denen Versicherte (1.) wegen Krankheit arbeitsunfähig gewesen sind oder Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten haben, (1a.) nach dem vollendeten 17. und vor dem vollendeten 25. Lebensjahr mindestens einen Kalendermonat krank gewesen sind, soweit die Zeiten nicht mit anderen rentenrechtlichen Zeiten belegt sind, (3.) wegen Arbeitslosigkeit bei einer deutschen Agentur für Arbeit als Arbeitsuchende gemeldet waren und eine öffentlich-rechtliche Leistung bezogen oder nur wegen des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens nicht bezogen haben. Gemäß § 58 Abs 2 Satz 1 SGB VI liegen Anrechnungszeiten nach Abs 1 Satz 1 Nr 1 und 2 bis 3a nur vor, wenn dadurch eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit oder ein versicherter Wehrdienst oder Zivildienst oder ein versichertes Wehrdienstverhältnis besonderer Art nach § 6 des Einsatz-Weiterverwendungsgesetzes unterbrochen ist; dies gilt nicht für Zeiten nach Vollendung des 17. und vor Vollendung des 25. Lebensjahres.
Eine Anrechnungszeit nach § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 1a SGB VI kommt bereits angesichts des Alters des Klägers nicht in Betracht, der am 18.08.1984 das 25. Lebensjahr überschritten hatte. Eine Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit nach § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI scheitert an der fehlenden Meldung als arbeitsuchend, wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat. Selbst wenn die fehlende Meldung als arbeitsuchend auf einem Beratungsfehler der Bundesagentur für Arbeit im Jahr 1984 beruhen würde, könnte hierdurch auch im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs keine Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit begründet werden. Zum einen ist die Beratung grundsätzlich begrenzt auf den eigenen Leistungsbereich des Trägers, so dass ein Beratungsfehler der Arbeitsagentur der Beklagten nicht zuzurechnen wäre (vgl BSG 30.10.2001, B 3 KR 27/01 R, SozR 3-3300 § 12 Nr 1; BSG 06.05.2010, B 13 R 44/09 R, SozR 4-1200 § 14 Nr 13; Mönch-Kalina in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 2. Aufl 2011, § 14 Rn 39). Zum anderen ist der Herstellungsanspruch auf seiner Rechtsfolgenseite auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herbeiführung derjenigen Rechtsfolge gerichtet, die eingetreten wäre, wenn der Versicherungsträger die ihm gegenüber dem Versicherten obliegenden Pflichten rechtmäßig erfüllt hätte. Voraussetzung ist also, dass der dem Versicherten entstandene Nachteil mit verwaltungskonformen Mitteln im Rahmen der gesetzlichen Regelung, also durch eine vom Gesetz vorgesehene zulässige und rechtmäßige Amtshandlung, ausgeglichen werden kann. Die Meldung wegen Arbeitslosigkeit bei einem deutschen Arbeitsamt als Arbeitsuchender iS des § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI hat jedoch durch den Arbeitslosen selbst zu erfolgen. Sie ist nicht der Gestaltung durch Verwaltungshandeln zugänglich und kann daher nicht im Wege des Herstellungsanspruchs ersetzt werden (ständige Rspr vgl BSG 11.03.2004, B 13 RJ 16/03 R, SozR 4-2600 § 58 Nr 3; BSG 29.08.2012, B 12 R 7/10 R).
Soweit schließlich eine Anrechnungszeit nach § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI geltend gemacht wird, sind die Voraussetzungen zur Überzeugung des Senats nicht nachgewiesen. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben hat der Kläger im streitigen Zeitraum unstreitig nicht erhalten. Es kann auch nicht vom durchgehenden Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit ausgegangen werden. Bis 17.08.1984 hatte der Kläger Arbeitslosengeld bezogen, ging also damals offenbar auch selbst nicht vom Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit aus. Der beabsichtigte Antrag auf Arbeitslosenhilfe wurde nach eigenen Angaben nur wegen der nach Auskunft des Arbeitsamts fehlenden Bedürftigkeit in der Folgezeit nicht gestellt. Wann sich die psychische Erkrankung des Klägers soweit verschlechtert hat, dass Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist, lässt sich rückblickend nicht mehr feststellen. Soweit Dr. N. in seinem Attest vom 20.02.2019 von einem mutmaßlichen Beginn eines schwer ausgeprägten schizophrenen Residualsyndroms im 20. Lebensjahr mit zunehmenden und immer schwerwiegenderen beruflichen und sozialen Funktionseinbußen ausgeht, handelt es sich um eine reine Vermutung, die durch nichts belegt ist. Der Kläger hat schließlich einen Beruf erlernt und war bis kurz vor Vollendung des 30. Lebensjahres auch versicherungspflichtig beschäftigt. Das letzte Arbeitsverhältnis bei der Buchdruckerei L. wurde auch nicht etwa aus Krankheitsgründen, sondern ausweislich des Kündigungsschreibens vom 09.08.1983 wegen wiederholten Zuspätkommens durch den Arbeitgeber gekündigt. Hinzu kommt, dass es für die Anerkennung der gesamten streitigen Zeit als Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit erforderlich wäre, dass durchgehend Arbeitsunfähigkeit bestanden hat. Denn nach § 58 Abs 2 Satz 1 SGB VI liegt eine Anrechnungszeit nach Abs 1 Satz 1 Nr 1 nur vor, wenn dadurch eine versicherte Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit unterbrochen ist. Die Unterbrechung setzt einen zeitlichen Anschluss der Anrechnungszeit an die Pflichtbeitragszeit wegen versicherungspflichtiger Beschäftigung voraus. Dabei ist ein taggenauer Anschluss nicht erforderlich, da nach § 122 SGB VI ein Kalendermonat, der nur zum Teil mit rentenrechtlichen Zeiten belegt ist, als voller Monat zählt. Die Zeit der Arbeitslosigkeit nach Ende der pflichtversicherten Beschäftigung am 19.08.1983 kann als Überbrückungszeit den Anschluss an diese Tätigkeit noch wahren (vgl dazu Gürtner in Kasseler Kommentar, SGB VI, § 58 Rn 77 ff mwN), so dass ab 18.08.1984 eine Anrechnungszeit nach § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI grundsätzlich in Betracht käme. Allerdings würde jede weitere Unterbrechung einer Arbeitsunfähigkeit in der Folgezeit, die über einen Monat andauert, weitere Anrechnungszeiten ausschließen. Eine ununterbrochene Arbeitsunfähigkeit lässt sich selbst bei durchgehender ärztlicher Behandlung für längere Zeiträume nicht leicht nachweisen. Über den Verlauf der Erkrankung beim Kläger liegen jedoch keinerlei ärztliche Unterlagen vor, da er sich über Jahrzehnte nicht in ärztlicher Behandlung befand. Eine nervenärztliche Behandlung wurde erst im Jahr 2018 aufgenommen und erst zu diesem Zeitpunkt die Diagnose gestellt. Aus diesem Grund bestehen auch keine erfolgversprechenden weiteren Ermittlungsansätze. Allein aufgrund von Beobachtungen von Familienangehörigen lässt sich für einen Zeitraum von mehr als 25 Jahren, dessen Beginn inzwischen nahezu 36 Jahre zurückliegt, nicht mehr feststellen, ob durchgehend Arbeitsunfähigkeit vorgelegen hat. Dies gilt insbesondere bei dem vorliegenden Krankheitsbild. Der Senat stützt sich insoweit auf die beratungsärztliche Stellungnahme der Beklagten vom 25.04.2019.
Abgesehen davon sind auch die erforderlichen weiteren, einschränkenden Voraussetzungen des § 252 Abs 3 SGB VI nicht erfüllt. Danach liegen Anrechnungszeiten wegen Arbeitsunfähigkeit oder Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben in der Zeit vom 1. Januar 1984 bis zum 31. Dezember 1997 bei Versicherten, die (1.) nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert waren oder (2.) in der gesetzlichen Krankenversicherung ohne Anspruch auf Krankengeld versichert waren, nur vor, wenn für diese Zeiten, längstens jedoch für 18 Kalendermonate, Beiträge nach mindestens 70 vom Hundert, für die Zeit vom 1. Januar 1995 an 80 vom Hundert des zuletzt für einen vollen Kalendermonat versicherten Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens gezahlt worden sind. Der Kläger war nicht gesetzlich krankenversichert und hat auch keine Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt. Bis 31.12.1997 kommt daher auch aus diesem Grund eine Anrechnungszeit nach § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI nicht in Betracht. Selbst wenn danach Arbeitsunfähigkeit bestanden hätte, könnte die Zeit nicht anerkannt werden, da es wiederum an der erforderlichen Unterbrechung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach § 58 Abs 2 Satz 1 SGB VI fehlt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Tatbestand:
Der Kläger begehrt höhere Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Berücksichtigung der Zeiten vom 18.08.1984 bis 31.03.2011 als Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit bzw Arbeitsunfähigkeit.
Der am 10.11.1953 geborene Kläger ist gelernter Buchdrucker. Nach Zeiten einer versicherungspflichtigen Beschäftigung bis 19.08.1983 und Arbeitslosigkeit mit Leistungsbezug vom 15.10.1983 bis 17.08.1984 enthält der Versicherungsverlauf des Klägers in der Rentenversicherung eine Lücke vom 18.08.1984 bis 31.03.2011. Ab 01.04.2011 bis 31.12.2017 sind Pflichtbeitragszeiten für Pflegetätigkeit vorhanden, anschließend entrichtete der Kläger freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung.
Am 19.12.2018 machte der Bruder des Klägers für diesen der Beklagten gegenüber die Berücksichtigung von Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit und Krankheit für den Zeitraum vom 18.08.1984 bis 31.03.2011 geltend. Im August 1984 habe der Kläger einen Antrag auf Arbeitslosenhilfe stellen wollen, sei vom Sachbearbeiter des Arbeitsamts S. jedoch davon überzeugt worden, dass ein Antrag unnötig sei, da wegen Anrechnung des Elterneinkommens ohnehin kein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe bestehe. In der Folge sei der Kläger aus der Krankenkasse ausgeschlossen worden und habe erst ab 01.04.2007 wieder freiwillig versichert werden können. Eine entsprechende Beratung hätte die schlimmsten Versäumnisse (Verlust der Krankenversicherung, fehlende Meldung bei der Rente) verhindern können, sei aber nicht erfolgt. Es liege seit Jahrzehnten eine Psychose mit schizophrenem Residuum vor. Ein Nachweis über die Erkrankung könne nicht geführt werden, weil zu diesem Zeitpunkt ein Krankenversicherungsschutz nicht bestanden habe und ein Arztbesuch in diesen Jahrzehnten nicht möglich gewesen sei.
Mit Bescheid vom 04.02.2019 stellte die Beklagte nach § 149 Abs 5 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) die im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten bis 31.12.2012 verbindlich fest, soweit sie nicht bereits früher festgestellt worden seien. Die Zeit vom 18.08.1984 bis 31.03.2011 könne nicht als Anrechnungszeit vorgemerkt werden, weil die angegebene Krankheit vor dem vollendeten 17. bzw nach dem vollendeten 25. Lebensjahr bestanden habe sowie für diese Zeit der Arbeitslosigkeit keine Meldung bei einer deutschen Agentur für Arbeit erfolgt sei.
Den hiergegen vom Kläger am 27.02.2019 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte nach Beiziehung der Schwerbehindertenakte des Landratsamts R.-N.-K. - Versorgungsamt und einer Stellungnahme des Beratungsarztes von Kleinsorgen ua unter Berücksichtigung des Attests vom 20.02.2019, des Befundberichts vom 08.05.2019 und der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 24.05.2019 jeweils des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. N. mit Widerspruchsbescheid vom 02.08.2019 zurück. Eine Zeit der Krankheit nach § 58 Abs 1 Satz 1 Nr la SGB VI könne nicht berücksichtigt werden, da der Kläger im Jahr 1984 bereits 31 Jahre alt gewesen sei. Auch habe im Zeitraum vom 18.08.1984 bis 31.03.2011 keine Arbeitsunfähigkeit nach § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI vorgelegen. Die Anrechnungszeittatsachen im Sinne des § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI seien grundsätzlich nur berücksichtigungsfähig, wenn sie nachgewiesen würden. In Betracht kämen vorrangig Bescheinigungen der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung, des Krankenhauses oder des Arztes. Die Beschreibung des Krankheitsbildes durch den Bruder des Klägers könne durchaus zutreffen, jedoch wäre dies mit entsprechenden Unterlagen zu belegen. Die vorliegenden Unterlagen reichten für eine dahingehende Beurteilung nicht aus, da keinerlei medizinische Unterlagen existierten. Eine schizophrene Psychose könne in jedem Alter auftreten, ohne dass zuvor wesentliche Einschränkungen bestanden haben müssten. Selbst wenn also eine schizophrene Psychose durchgemacht worden sei und heute schwerste Einschränkungen durch ein schizophrenes Residuum bestünden, lasse sich in keiner Weise ableiten, wann diese Einschränkungen eingetreten seien.
Mit seiner dagegen am 28.08.2019 zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und verweist zur Begründung auf den Bericht des Dr. N. vom 08.05.2019 mit der Diagnose eines schizophrenen Residualzustands.
Mit Bescheid vom 08.08.2019 hat die Beklagte dem Kläger auf seinen Antrag vom 02.01.2019 Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.11.2018 bewilligt. Die Gewährung von Altersrente für schwerbehinderte Menschen ist mit Bescheid vom 06.08.2019 abgelehnt worden. Ein Bescheid über eine am 02.01.2019 ebenfalls beantragte Regelaltersrente ist bisher noch nicht ergangen.
Mit Gerichtsbescheid vom 30.01.2020 hat das SG die Klage gegen den Bescheid vom 04.02.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.08.2019 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Vormerkung des Zeitraums vom 18.08.1984 bis 31.03.2011 als Anrechnungszeit. Eine Berücksichtigung nach § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 1 a SGB VI scheide aus, weil der Kläger am 18.08.1984 bereits 30 Jahre alt gewesen sei. Auch sei für den begehrten Zeitraum keine Meldung wegen Arbeitslosigkeit bei einer deutschen Agentur für Arbeit ersichtlich, sodass auch ein Anspruch nach § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI ausscheide. Im Weiteren scheide auch ein Anspruch nach § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI aus, da der Kläger im begehrten Zeitraum weder Leistungen zur medizinischen Rehabilitation noch zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten habe und eine Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit nicht nachgewiesen sei. Selbst wenn eine schizophrene Psychose durchgemacht worden sei und heute schwerste Einschränkungen durch ein schizophrenes Residuum bestünden, lasse sich davon in keiner Weise ableiten, wann diese Einschränkungen eingetreten seien. Daher vermöge auch der Befundbericht des Dr. N. vom 08.05.2019 nicht zu einer anderen Überzeugung zu führen, wenn dieser pauschal und rückwirkend für mehrere Jahrzehnte von einer Arbeitsunfähigkeit seit über 20 Jahren spreche, zumal seiner Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 24.05.2019 eine Arbeitsunfähigkeit erst seit dem 24.10.2018 zu entnehmen sei, Behandlungsbeginn erst am 24.10.2018 gewesen sei und er sich im Wesentlichen lediglich auf die Aussagen klägerischerseits stütze. Auch das Attest des Dr. N. vom 20.02.2019 sei rein spekulativ, da dieser selbst lediglich von einem "mutmaßlichem Beginn" eines bestehenden schwer ausgeprägten schizophrenen Residualsyndroms im ca 20. Lebensjahr spreche. Im Übrigen könne selbst bei einem Beginn der Erkrankung im 20. Lebensjahr nicht von einer Arbeitsunfähigkeit ausgegangen werden, da Dr. N. selbst nichts Konkretes über den damaligen Schweregrad der Erkrankung oder gar eine Arbeitsunfähigkeit mitteile, zudem Versicherungszeiten mit Tätigkeiten bis zum 30. Lebensjahr gegeben seien und der Kläger auch eine Ausbildung absolviert habe, was ebenfalls gegen eine (durchgehende) Arbeitsunfähigkeit spreche.
Gegen den ihm am 04.02.2020 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 17.02.2020 beim SG eingelegte Berufung des Klägers. Das SG habe sich nur auf die Aktenlage gestützt, aber die Aussagen und Atteste der behandelnden Ärzte und die eigene Darstellung des Bruders des Klägers bezweifelt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 30.01.2020 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 08.08.2019 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm höhere Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Berücksichtigung der Zeiten vom 18.08.1984 bis 31.03.2011 als Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit bzw Krankheit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt Bezug auf ihre erstinstanzlichen Ausführungen sowie die Begründung des angefochtenen Gerichtsbescheids.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten gemäß §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, hat keinen Erfolg.
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 iVm Abs 4 SGG) ist allein der Rentenbescheid der Beklagten vom 08.08.2019, nicht dagegen der Bescheid der Beklagten vom 04.02.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.08.2019. Mit diesem Bescheid hatte die Beklagte die Vormerkung der Zeiten vom 18.08.1984 bis 31.03.2011 als Anrechnungszeiten abgelehnt. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG 06.05.2010, B 13 R 118/08 R; zuvor schon BSG 22.09.1981, 1 RA 31/80, SozR 1500 § 53 Nr 2; BSG 14.05.2003, B 4 RA 26/02 R, SozR 4 2600 § 256b Nr 1; BSG 23.08.2005, B 4 RA 21/04 R) besteht nach Erlass eines Rentenbescheids kein Rechtsschutzbedürfnis mehr zur Durchführung eines gesonderten Rechtsbehelfsverfahrens nur in Bezug auf den Vormerkungsbescheid, ein solches Verfahren ist mithin unzulässig. Nach Erlass eines Rentenbescheides ist das Begehren der Feststellung weiterer Zeiten in einem Rechtsbehelfsverfahren gegen den Rentenbescheid geltend zu machen.
Der hier nach Erlass des Widerspruchsbescheids aber vor Klageerhebung ergangene Rentenbescheid vom 08.08.2019 ist nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden (Becker in Roos/Wahrendorf, SGG, § 86 Rn 9; Senger in juris-PK-SGG, § 86 Rn 15; aA Behrend in Hennig, SGG, § 86 Rn 5; Binder in HK-SGG, § 86 Rn 4 – Rentenbescheid wird Gegenstand des Widerspruchsverfahrens nach § 86 SGG). Eines Vorverfahrens bedarf es insoweit nicht. Der Rentenbescheid ersetzt den Vormerkungsbescheid, welcher dadurch seine Erledigung findet. Zwar handelt es sich bei der Feststellung des Tatbestands einer rentenrechtlichen Zeit einerseits und der Rentenwertfestsetzung unter Berücksichtigung auch dieser Zeit andererseits nicht um Verwaltungsakte mit identischem Regelungsgehalt, doch stehen beide hinsichtlich ein und desselben Rechtsverhältnisses in einem Verhältnis sachlicher und zeitlicher Exklusivität zueinander. Während nämlich der Rentenversicherungsträger erstmals mit der "Feststellung einer Leistung" über Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten entscheidet (§ 149 Abs 5 Satz 3 SGB VI) und den Rentenwert bestimmen darf, bedarf es mit diesem Zeitpunkt umgekehrt keines diese Entscheidung nur vorbereitenden Verfahrens über die Feststellung einzelner wertbestimmender Umstände mehr. Hierzu ergangene Verwaltungsakte erledigten sich ungeachtet ihrer Anfechtung "auf andere Weise" (§ 39 Abs 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch) und dürfen durch weitere Feststellungen einzelner wertbestimmender Elemente von vornherein nicht mehr ersetzt werden (BSG 14.12.2011, B 5 R 36/11, SozR 4-2600 § 248 Nr 1).
Im wohlverstandenen Interesse des Klägers ist der Klageantrag daher sachgerecht dahin auszulegen, dass unter Abänderung des Bescheids der Beklagten vom 08.08.2019 höhere Rente wegen voller Erwerbsminderung begehrt wird unter Berücksichtigung weiterer rentenrechtlicher Zeiten vom 18.08.1984 bis 31.03.2011.
Da das SG die Einbeziehung des Rentenbescheids in das Klageverfahren gemäß § 96 SGG übersehen hat, ist im Berufungsverfahren - also im Wege einer Überprüfung des Gerichtsbescheides des SG - über die Rechtmäßigkeit dieses Bescheides zu entscheiden (vgl hierzu BSG 26.05.2011, B 10 EG 12/10 R, SozR 4-7837 § 4 Nr 2; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl, § 96 Rn 12a; Keller in Meyer-Ladewig ua, aaO, § 140 Rn 2a; Leitherer, aaO, § 143 Rn 1b). Eine entsprechende konkludente Klageänderung ist gemäß § 99 Abs 1 SGG im vorliegenden Fall jedenfalls sachdienlich.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer höheren Rente wegen Erwerbsminderung. Der Wert des Anspruchs auf Rente (sog Monatsbetrag) ist rechnerisch das Produkt aus der Summe der unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten Entgeltpunkte, dem Rentenartfaktor und dem aktuellen Rentenwert (§ 64 SGB VI). Die vom Kläger gewünschte Berücksichtigung der Zeit vom 18.08.1984 bis 31.03.2011 als Anrechnungszeit im Rahmen der Rentenberechnung ist nicht möglich.
In Betracht kommen vorliegend allein Anrechnungszeiten wegen Krankheit oder Arbeitslosigkeit. Nach § 58 Abs 1 Satz 1 SGB VI sind Anrechnungszeiten ua Zeiten, in denen Versicherte (1.) wegen Krankheit arbeitsunfähig gewesen sind oder Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten haben, (1a.) nach dem vollendeten 17. und vor dem vollendeten 25. Lebensjahr mindestens einen Kalendermonat krank gewesen sind, soweit die Zeiten nicht mit anderen rentenrechtlichen Zeiten belegt sind, (3.) wegen Arbeitslosigkeit bei einer deutschen Agentur für Arbeit als Arbeitsuchende gemeldet waren und eine öffentlich-rechtliche Leistung bezogen oder nur wegen des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens nicht bezogen haben. Gemäß § 58 Abs 2 Satz 1 SGB VI liegen Anrechnungszeiten nach Abs 1 Satz 1 Nr 1 und 2 bis 3a nur vor, wenn dadurch eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit oder ein versicherter Wehrdienst oder Zivildienst oder ein versichertes Wehrdienstverhältnis besonderer Art nach § 6 des Einsatz-Weiterverwendungsgesetzes unterbrochen ist; dies gilt nicht für Zeiten nach Vollendung des 17. und vor Vollendung des 25. Lebensjahres.
Eine Anrechnungszeit nach § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 1a SGB VI kommt bereits angesichts des Alters des Klägers nicht in Betracht, der am 18.08.1984 das 25. Lebensjahr überschritten hatte. Eine Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit nach § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI scheitert an der fehlenden Meldung als arbeitsuchend, wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat. Selbst wenn die fehlende Meldung als arbeitsuchend auf einem Beratungsfehler der Bundesagentur für Arbeit im Jahr 1984 beruhen würde, könnte hierdurch auch im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs keine Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit begründet werden. Zum einen ist die Beratung grundsätzlich begrenzt auf den eigenen Leistungsbereich des Trägers, so dass ein Beratungsfehler der Arbeitsagentur der Beklagten nicht zuzurechnen wäre (vgl BSG 30.10.2001, B 3 KR 27/01 R, SozR 3-3300 § 12 Nr 1; BSG 06.05.2010, B 13 R 44/09 R, SozR 4-1200 § 14 Nr 13; Mönch-Kalina in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 2. Aufl 2011, § 14 Rn 39). Zum anderen ist der Herstellungsanspruch auf seiner Rechtsfolgenseite auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herbeiführung derjenigen Rechtsfolge gerichtet, die eingetreten wäre, wenn der Versicherungsträger die ihm gegenüber dem Versicherten obliegenden Pflichten rechtmäßig erfüllt hätte. Voraussetzung ist also, dass der dem Versicherten entstandene Nachteil mit verwaltungskonformen Mitteln im Rahmen der gesetzlichen Regelung, also durch eine vom Gesetz vorgesehene zulässige und rechtmäßige Amtshandlung, ausgeglichen werden kann. Die Meldung wegen Arbeitslosigkeit bei einem deutschen Arbeitsamt als Arbeitsuchender iS des § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB VI hat jedoch durch den Arbeitslosen selbst zu erfolgen. Sie ist nicht der Gestaltung durch Verwaltungshandeln zugänglich und kann daher nicht im Wege des Herstellungsanspruchs ersetzt werden (ständige Rspr vgl BSG 11.03.2004, B 13 RJ 16/03 R, SozR 4-2600 § 58 Nr 3; BSG 29.08.2012, B 12 R 7/10 R).
Soweit schließlich eine Anrechnungszeit nach § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI geltend gemacht wird, sind die Voraussetzungen zur Überzeugung des Senats nicht nachgewiesen. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben hat der Kläger im streitigen Zeitraum unstreitig nicht erhalten. Es kann auch nicht vom durchgehenden Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit ausgegangen werden. Bis 17.08.1984 hatte der Kläger Arbeitslosengeld bezogen, ging also damals offenbar auch selbst nicht vom Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit aus. Der beabsichtigte Antrag auf Arbeitslosenhilfe wurde nach eigenen Angaben nur wegen der nach Auskunft des Arbeitsamts fehlenden Bedürftigkeit in der Folgezeit nicht gestellt. Wann sich die psychische Erkrankung des Klägers soweit verschlechtert hat, dass Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist, lässt sich rückblickend nicht mehr feststellen. Soweit Dr. N. in seinem Attest vom 20.02.2019 von einem mutmaßlichen Beginn eines schwer ausgeprägten schizophrenen Residualsyndroms im 20. Lebensjahr mit zunehmenden und immer schwerwiegenderen beruflichen und sozialen Funktionseinbußen ausgeht, handelt es sich um eine reine Vermutung, die durch nichts belegt ist. Der Kläger hat schließlich einen Beruf erlernt und war bis kurz vor Vollendung des 30. Lebensjahres auch versicherungspflichtig beschäftigt. Das letzte Arbeitsverhältnis bei der Buchdruckerei L. wurde auch nicht etwa aus Krankheitsgründen, sondern ausweislich des Kündigungsschreibens vom 09.08.1983 wegen wiederholten Zuspätkommens durch den Arbeitgeber gekündigt. Hinzu kommt, dass es für die Anerkennung der gesamten streitigen Zeit als Anrechnungszeit wegen Arbeitsunfähigkeit erforderlich wäre, dass durchgehend Arbeitsunfähigkeit bestanden hat. Denn nach § 58 Abs 2 Satz 1 SGB VI liegt eine Anrechnungszeit nach Abs 1 Satz 1 Nr 1 nur vor, wenn dadurch eine versicherte Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit unterbrochen ist. Die Unterbrechung setzt einen zeitlichen Anschluss der Anrechnungszeit an die Pflichtbeitragszeit wegen versicherungspflichtiger Beschäftigung voraus. Dabei ist ein taggenauer Anschluss nicht erforderlich, da nach § 122 SGB VI ein Kalendermonat, der nur zum Teil mit rentenrechtlichen Zeiten belegt ist, als voller Monat zählt. Die Zeit der Arbeitslosigkeit nach Ende der pflichtversicherten Beschäftigung am 19.08.1983 kann als Überbrückungszeit den Anschluss an diese Tätigkeit noch wahren (vgl dazu Gürtner in Kasseler Kommentar, SGB VI, § 58 Rn 77 ff mwN), so dass ab 18.08.1984 eine Anrechnungszeit nach § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI grundsätzlich in Betracht käme. Allerdings würde jede weitere Unterbrechung einer Arbeitsunfähigkeit in der Folgezeit, die über einen Monat andauert, weitere Anrechnungszeiten ausschließen. Eine ununterbrochene Arbeitsunfähigkeit lässt sich selbst bei durchgehender ärztlicher Behandlung für längere Zeiträume nicht leicht nachweisen. Über den Verlauf der Erkrankung beim Kläger liegen jedoch keinerlei ärztliche Unterlagen vor, da er sich über Jahrzehnte nicht in ärztlicher Behandlung befand. Eine nervenärztliche Behandlung wurde erst im Jahr 2018 aufgenommen und erst zu diesem Zeitpunkt die Diagnose gestellt. Aus diesem Grund bestehen auch keine erfolgversprechenden weiteren Ermittlungsansätze. Allein aufgrund von Beobachtungen von Familienangehörigen lässt sich für einen Zeitraum von mehr als 25 Jahren, dessen Beginn inzwischen nahezu 36 Jahre zurückliegt, nicht mehr feststellen, ob durchgehend Arbeitsunfähigkeit vorgelegen hat. Dies gilt insbesondere bei dem vorliegenden Krankheitsbild. Der Senat stützt sich insoweit auf die beratungsärztliche Stellungnahme der Beklagten vom 25.04.2019.
Abgesehen davon sind auch die erforderlichen weiteren, einschränkenden Voraussetzungen des § 252 Abs 3 SGB VI nicht erfüllt. Danach liegen Anrechnungszeiten wegen Arbeitsunfähigkeit oder Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben in der Zeit vom 1. Januar 1984 bis zum 31. Dezember 1997 bei Versicherten, die (1.) nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert waren oder (2.) in der gesetzlichen Krankenversicherung ohne Anspruch auf Krankengeld versichert waren, nur vor, wenn für diese Zeiten, längstens jedoch für 18 Kalendermonate, Beiträge nach mindestens 70 vom Hundert, für die Zeit vom 1. Januar 1995 an 80 vom Hundert des zuletzt für einen vollen Kalendermonat versicherten Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens gezahlt worden sind. Der Kläger war nicht gesetzlich krankenversichert und hat auch keine Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt. Bis 31.12.1997 kommt daher auch aus diesem Grund eine Anrechnungszeit nach § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI nicht in Betracht. Selbst wenn danach Arbeitsunfähigkeit bestanden hätte, könnte die Zeit nicht anerkannt werden, da es wiederum an der erforderlichen Unterbrechung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach § 58 Abs 2 Satz 1 SGB VI fehlt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
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