Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 348/20 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1187/20 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 16.03.2020 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Korrektur bzw Löschung von bei der Beklagten gespeicherten Daten.
Der am 28.01.1944 geborene Antragsteller ist bei der Antragsgegnerin gesetzlich krankenversichert. Darüber hinaus hat er für den Fall einer stationären Krankenhausbehandlung eine private Zusatzversicherung abgeschlossen.
Mit Schreiben vom 22.11.2019 wandte sich der Antragsteller an die Antragsgegnerin. Im Zusammenhang mit dem Abschluss der privaten Zusatzversicherung habe er den Leistungsübersichten der Antragsgegnerin der vergangenen fünf Jahre zahlreiche unzutreffende Diagnosen entnehmen müssen, die nach inzwischen eingeholter Auskunft der Antragsgegnerin auch insoweit unzutreffend abgerechnet worden seien. Das Schreiben enthielt eine entsprechende Auflistung. Der Antragsteller bat die Antragsgegnerin um Löschung der unzutreffenden Diagnosen sowie um Übersendung einer Leistungsübersicht mit korrigierten Inhalten.
Mit Schreiben vom 06.12.2019 teilte die Antragsgegnerin mit, dass nach Durchsicht der umfangreichen Anmerkungen zur Leistungsauskunft vielfach nicht klar sei, ob der Antragsteller die Durchführung der Behandlung bestreite oder sich alleine gegen die Verschlüsselung von Diagnosen wende. Eine ärztliche Bestätigung für die Unrichtigkeit von verschlüsselten Diagnosen liege allein für die Diagnose "Status asthmaticus" vor. Ausgehend davon, dass nach dieser Stellungnahme die Diagnose unrichtig sei, würde die Antragsgegnerin dem Antrag auf Löschung gerne nachkommen. Gemessen am Wortlaut der im Rahmen des Gesetzes zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung installierten Neuregelung des § 303 Abs 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sei eine nachträgliche Änderung oder Ergänzung von Diagnosedaten unzulässig, und zwar unabhängig davon, ob Diagnosedaten nachweislich falsch seien oder nicht. Auch von Seiten der zuständigen Rechtsaufsichtsbehörden werde einer Löschung nicht zugestimmt. Dem Antrag könne daher nicht entsprochen werden.
Am 07.02.2020 beantragte der Antragsteller die Gewährung einstweiligen Rechtschutzes beim Sozialgericht Heilbronn (SG). Es bestehe die Gefahr, dass seine private Versicherung für klinische Behandlung im Krankheitsfall nicht greife oder seitens der Versicherung storniert werde. Dem Antrag war eine Auflistung der beantragten Änderungen / Stornierungen beigefügt.
Mit Beschluss vom 16.03.2020 hat das SG den Antrag mangels Anordnungsgrund abgelehnt. Eine besondere Eilbedürftigkeit sei nicht glaubhaft gemacht worden. Objektive Anhaltspunkte für eine konkret bevorstehende Gefahr, die private Versicherung werde für den Fall klinischer Behandlung nicht greifen oder storniert werden, seien weder ersichtlich noch vorgetragen. Insbesondere seien keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich, aus denen sich eine Kündigungs- oder Stornierungsabsicht von Seiten der privaten Versicherung des Antragstellers ergeben würde. Insoweit habe die Antragsgegnerin im Übrigen zutreffend darauf hingewiesen, dass eine Anfechtung des Versicherungsvertrages durch die private Versicherung nur beim Verschweigen von Krankheiten in Betracht komme, die tatsächlich vorgelegen haben.
Gegen den ihm mit Postzustellungsurkunde am 17.03.2020 zugestellten Beschluss richtet sich die am 14.04.2020 eingelegte Beschwerde des Antragstellers. Zur Begründung wiederholt und vertieft der Antragsteller seinen bisherigen Vortrag und verweist auf § 303 Abs 4 SGB V, § 32 Abs 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG), Art 3 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 Grundgesetz (GG) sowie Art 19 Abs 4 GG. In der Hauptsache liege ein leistungsentziehender Verwaltungsakt vor. Ihm gehe es um Aufrechterhaltung des vorsorglich vereinbarten privaten Versicherungsschutzes und einer möglichst kurzfristigen Realisierung gesundheitlicher Vorsorge aufgrund der wegen seines fortgeschrittenen Alters erheblich höheren Krankheitsrisiken, denen ein entschieden überdurchschnittliches Gewicht zukomme.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 16.03.2020 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, die über ihn gespeicherten Diagnosedaten zu korrigieren bzw zu löschen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Ausführungen des SG im angefochtenen Beschluss sowie auf ihre Stellungnahme vom 19.02.2020.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die erst- und zweitinstanzlichen Gerichten sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist statthaft und zulässig (§§ 172 Abs 1, 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG), in der Sache jedoch nicht begründet. Das SG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Recht abgelehnt.
Nach § 86b Abs 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Vorliegend begehrt der Antragsteller die Korrektur bzw Löschung der bei der Antragsgegnerin gespeicherten Daten. Damit richtet sich die Gewährung des einstweiligen Rechtsschutzes auf den Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs 2 Satz 2 SGG. Die Entscheidung über den Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs 2 der Zivilprozessordnung).
Bei der Prüfung des Anordnungsanspruches begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (vgl BVerfG [Kammer], 02.05.2005, 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237, 242). Je schwerer jedoch die Belastungen des Betroffenen wiegen, die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbunden sind, umso weniger darf das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder Sicherung der geltend gemachten Rechtsposition zurückgestellt werden. Art 19 Abs 4 GG verlangt auch bei Vornahmesachen jedenfalls dann vorläufigen Rechtsschutz, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Die Gerichte sind, wenn sie ihre Entscheidung nicht an einer Abwägung der widerstreitenden Interessen, sondern an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache orientieren, in solchen Fällen gemäß Art 19 Abs 4 Satz 1 GG gehalten, die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes auf eine eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage zu stützen. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (BVerfG [Kammer] 25.02.2009, 1 BvR 120/09, NZS 2009, 674: Elektrorollstuhl; vgl auch BVerfG [Kammer], 29.07.2003, 2 BvR 311/03, BVerfGK 1, 292, 296; 22.11.2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003, 1236 f; BVerfG [Kammer], 02.05.2005, aaO, mwN). Hierbei ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass die einstweilige Anordnung grundsätzlich die endgültige Entscheidung in der Hauptsache nicht vorwegnehmen darf (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen 02.12.2019, L 11 KR 445/19 B ER, juris Rn 4; Landessozialgericht Bayern 05.03.2020, L 5 KR 84/20 B ER, juris Rn 20).
Gemessen hieran hat der Antragsteller keinen Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Wie vom SG zutreffend dargelegt, hat der Antragsteller keine besondere Eilbedürftigkeit glaubhaft gemacht. Es bestehen derzeit keinerlei Anhaltspunkte, dass es zu einer Leistungsverweigerung und Kündigung der privaten Krankenversicherung kommt. Es ist nicht einmal ersichtlich, dass der Versicherungsträger auch nur von den nach Ansicht des Antragstellers nicht korrekten Daten Kenntnis erlangt hat. Ob und unter welchen Voraussetzungen die Antragsgegnerin überhaupt berechtigt ist, dem Antragsteller oder Dritten wie bspw seiner privaten Krankenversicherung Auskünfte über die gespeicherten Diagnosen zu erteilen, bedarf im vorliegenden Verfahren, in dem die Korrektur bzw Löschung der Daten streitgegenständlich ist, keiner Entscheidung.
Darüber hinaus könnte der Antragsteller die begehrten Korrekturen bzw Löschungen von Daten auch nicht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes verlangen. Dies würde eine Vorwegnahme der Hauptsache darstellen. Eine "echte" Vorwegnahme der Hauptsache liegt vor, wenn sie keiner Korrektur für die Vergangenheit mehr zugänglich ist (BSG 13.12.2016, B 1 KR 1/16 R, BSGE 122, 170-181, SozR 4-2500 § 31 Nr 28, juris Rn 8). Bei der Abänderung von Daten ist dies der Fall. Würde sich in einem Hauptsacheverfahren herausstellen, dass kein Anspruch auf Korrektur oder Löschung bestand, könnten die erfolgten Änderungen nicht mehr rückgängig gemacht werden. Der Antragsgegnerin wäre es nahezu unmöglich, die derzeit gespeicherten Daten, die jedoch für ihre Aufgabenerfüllung zB bei der Beratung im Hinblick auf Therapieoptionen und dem Antragsteller zu gewährenden Leistungen oder auch gegenüber Leistungserbringern im Hinblick auf Abrechnungsfragen erforderlich sein können, wiederherzustellen bzw wiederzuerlangen. Insoweit ist der Antragsteller für die Geltendmachung seiner Rechte derzeit für sein Begehren auf ein noch anzustrengendes Verwaltungs- bzw Klageverfahren zu verweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Korrektur bzw Löschung von bei der Beklagten gespeicherten Daten.
Der am 28.01.1944 geborene Antragsteller ist bei der Antragsgegnerin gesetzlich krankenversichert. Darüber hinaus hat er für den Fall einer stationären Krankenhausbehandlung eine private Zusatzversicherung abgeschlossen.
Mit Schreiben vom 22.11.2019 wandte sich der Antragsteller an die Antragsgegnerin. Im Zusammenhang mit dem Abschluss der privaten Zusatzversicherung habe er den Leistungsübersichten der Antragsgegnerin der vergangenen fünf Jahre zahlreiche unzutreffende Diagnosen entnehmen müssen, die nach inzwischen eingeholter Auskunft der Antragsgegnerin auch insoweit unzutreffend abgerechnet worden seien. Das Schreiben enthielt eine entsprechende Auflistung. Der Antragsteller bat die Antragsgegnerin um Löschung der unzutreffenden Diagnosen sowie um Übersendung einer Leistungsübersicht mit korrigierten Inhalten.
Mit Schreiben vom 06.12.2019 teilte die Antragsgegnerin mit, dass nach Durchsicht der umfangreichen Anmerkungen zur Leistungsauskunft vielfach nicht klar sei, ob der Antragsteller die Durchführung der Behandlung bestreite oder sich alleine gegen die Verschlüsselung von Diagnosen wende. Eine ärztliche Bestätigung für die Unrichtigkeit von verschlüsselten Diagnosen liege allein für die Diagnose "Status asthmaticus" vor. Ausgehend davon, dass nach dieser Stellungnahme die Diagnose unrichtig sei, würde die Antragsgegnerin dem Antrag auf Löschung gerne nachkommen. Gemessen am Wortlaut der im Rahmen des Gesetzes zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung installierten Neuregelung des § 303 Abs 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sei eine nachträgliche Änderung oder Ergänzung von Diagnosedaten unzulässig, und zwar unabhängig davon, ob Diagnosedaten nachweislich falsch seien oder nicht. Auch von Seiten der zuständigen Rechtsaufsichtsbehörden werde einer Löschung nicht zugestimmt. Dem Antrag könne daher nicht entsprochen werden.
Am 07.02.2020 beantragte der Antragsteller die Gewährung einstweiligen Rechtschutzes beim Sozialgericht Heilbronn (SG). Es bestehe die Gefahr, dass seine private Versicherung für klinische Behandlung im Krankheitsfall nicht greife oder seitens der Versicherung storniert werde. Dem Antrag war eine Auflistung der beantragten Änderungen / Stornierungen beigefügt.
Mit Beschluss vom 16.03.2020 hat das SG den Antrag mangels Anordnungsgrund abgelehnt. Eine besondere Eilbedürftigkeit sei nicht glaubhaft gemacht worden. Objektive Anhaltspunkte für eine konkret bevorstehende Gefahr, die private Versicherung werde für den Fall klinischer Behandlung nicht greifen oder storniert werden, seien weder ersichtlich noch vorgetragen. Insbesondere seien keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich, aus denen sich eine Kündigungs- oder Stornierungsabsicht von Seiten der privaten Versicherung des Antragstellers ergeben würde. Insoweit habe die Antragsgegnerin im Übrigen zutreffend darauf hingewiesen, dass eine Anfechtung des Versicherungsvertrages durch die private Versicherung nur beim Verschweigen von Krankheiten in Betracht komme, die tatsächlich vorgelegen haben.
Gegen den ihm mit Postzustellungsurkunde am 17.03.2020 zugestellten Beschluss richtet sich die am 14.04.2020 eingelegte Beschwerde des Antragstellers. Zur Begründung wiederholt und vertieft der Antragsteller seinen bisherigen Vortrag und verweist auf § 303 Abs 4 SGB V, § 32 Abs 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG), Art 3 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 Grundgesetz (GG) sowie Art 19 Abs 4 GG. In der Hauptsache liege ein leistungsentziehender Verwaltungsakt vor. Ihm gehe es um Aufrechterhaltung des vorsorglich vereinbarten privaten Versicherungsschutzes und einer möglichst kurzfristigen Realisierung gesundheitlicher Vorsorge aufgrund der wegen seines fortgeschrittenen Alters erheblich höheren Krankheitsrisiken, denen ein entschieden überdurchschnittliches Gewicht zukomme.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 16.03.2020 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, die über ihn gespeicherten Diagnosedaten zu korrigieren bzw zu löschen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Ausführungen des SG im angefochtenen Beschluss sowie auf ihre Stellungnahme vom 19.02.2020.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die erst- und zweitinstanzlichen Gerichten sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist statthaft und zulässig (§§ 172 Abs 1, 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG), in der Sache jedoch nicht begründet. Das SG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Recht abgelehnt.
Nach § 86b Abs 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Vorliegend begehrt der Antragsteller die Korrektur bzw Löschung der bei der Antragsgegnerin gespeicherten Daten. Damit richtet sich die Gewährung des einstweiligen Rechtsschutzes auf den Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs 2 Satz 2 SGG. Die Entscheidung über den Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs 2 der Zivilprozessordnung).
Bei der Prüfung des Anordnungsanspruches begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (vgl BVerfG [Kammer], 02.05.2005, 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237, 242). Je schwerer jedoch die Belastungen des Betroffenen wiegen, die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbunden sind, umso weniger darf das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder Sicherung der geltend gemachten Rechtsposition zurückgestellt werden. Art 19 Abs 4 GG verlangt auch bei Vornahmesachen jedenfalls dann vorläufigen Rechtsschutz, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Die Gerichte sind, wenn sie ihre Entscheidung nicht an einer Abwägung der widerstreitenden Interessen, sondern an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache orientieren, in solchen Fällen gemäß Art 19 Abs 4 Satz 1 GG gehalten, die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes auf eine eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage zu stützen. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (BVerfG [Kammer] 25.02.2009, 1 BvR 120/09, NZS 2009, 674: Elektrorollstuhl; vgl auch BVerfG [Kammer], 29.07.2003, 2 BvR 311/03, BVerfGK 1, 292, 296; 22.11.2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003, 1236 f; BVerfG [Kammer], 02.05.2005, aaO, mwN). Hierbei ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass die einstweilige Anordnung grundsätzlich die endgültige Entscheidung in der Hauptsache nicht vorwegnehmen darf (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen 02.12.2019, L 11 KR 445/19 B ER, juris Rn 4; Landessozialgericht Bayern 05.03.2020, L 5 KR 84/20 B ER, juris Rn 20).
Gemessen hieran hat der Antragsteller keinen Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Wie vom SG zutreffend dargelegt, hat der Antragsteller keine besondere Eilbedürftigkeit glaubhaft gemacht. Es bestehen derzeit keinerlei Anhaltspunkte, dass es zu einer Leistungsverweigerung und Kündigung der privaten Krankenversicherung kommt. Es ist nicht einmal ersichtlich, dass der Versicherungsträger auch nur von den nach Ansicht des Antragstellers nicht korrekten Daten Kenntnis erlangt hat. Ob und unter welchen Voraussetzungen die Antragsgegnerin überhaupt berechtigt ist, dem Antragsteller oder Dritten wie bspw seiner privaten Krankenversicherung Auskünfte über die gespeicherten Diagnosen zu erteilen, bedarf im vorliegenden Verfahren, in dem die Korrektur bzw Löschung der Daten streitgegenständlich ist, keiner Entscheidung.
Darüber hinaus könnte der Antragsteller die begehrten Korrekturen bzw Löschungen von Daten auch nicht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes verlangen. Dies würde eine Vorwegnahme der Hauptsache darstellen. Eine "echte" Vorwegnahme der Hauptsache liegt vor, wenn sie keiner Korrektur für die Vergangenheit mehr zugänglich ist (BSG 13.12.2016, B 1 KR 1/16 R, BSGE 122, 170-181, SozR 4-2500 § 31 Nr 28, juris Rn 8). Bei der Abänderung von Daten ist dies der Fall. Würde sich in einem Hauptsacheverfahren herausstellen, dass kein Anspruch auf Korrektur oder Löschung bestand, könnten die erfolgten Änderungen nicht mehr rückgängig gemacht werden. Der Antragsgegnerin wäre es nahezu unmöglich, die derzeit gespeicherten Daten, die jedoch für ihre Aufgabenerfüllung zB bei der Beratung im Hinblick auf Therapieoptionen und dem Antragsteller zu gewährenden Leistungen oder auch gegenüber Leistungserbringern im Hinblick auf Abrechnungsfragen erforderlich sein können, wiederherzustellen bzw wiederzuerlangen. Insoweit ist der Antragsteller für die Geltendmachung seiner Rechte derzeit für sein Begehren auf ein noch anzustrengendes Verwaltungs- bzw Klageverfahren zu verweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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