L 9 AS 1097/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 12 AS 170/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 AS 1097/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 4. März 2020 wird verworfen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Aufrechnung eines Mietkautionsdarlehens mit laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) streitig.

Die 1969 geborene Klägerin ist zum 01.12.2016 in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten zugezogen. Zum 01.12.2016 mietete sie eine 80 qm große Wohnung an, für die sie Kaltmiete in Höhe von monatlich 470,00 Euro und Nebenkosten in Höhe von monatlich 100,00 Euro zu entrichten hat, und beantragte am 04.11.2016 die Gewährung eines Darlehens für die von ihr zu stellende Mietkaution in Höhe von 500,00 EUR.

Mit Bescheid vom 06.12.2016 und Änderungsbescheid vom 19.01.2017, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2017, bewilligte der Beklagte nach vorherigem schriftlichen Hinweis, dass die Kosten und die Größe der Wohnung unangemessen seien, vorläufige Leistungen wegen einer selbstständigen Tätigkeit der Klägerin als Promoterin für die Zeit vom 01.12.2016 bis 31.05.2017. Mit einem weiteren Bescheid vom 06.12.2016 gewährte der Beklagte der Klägerin ein zinsloses Darlehen zur Finanzierung der Mietkaution für die in Schönau angemietete Wohnung. Der Beklagte wies darin darauf hin, dass zur Sicherung des Darlehens ein Abtretungsvertrag abzuschließen sei und die Rückzahlungsansprüche des Beklagten durch eine monatliche Aufrechnung getilgt werden können. Hierzu ergehe eine gesonderte Entscheidung.

Der Beklagte wies sodann mit einem weiteren als "Anhörung zur Aufrechnung" überschriebenen Schreiben vom 06.12.2016 darauf hin, dass beabsichtigt sei, die sich gegenüberstehenden Forderungen aus dem Leistungsanspruch der Klägerin und dem Rückzahlungsanspruch aus dem Mietkautionsdarlehen wechselseitig aufzurechnen.

Mit Bescheid vom 14.02.2017 erklärte der Beklagte sodann die Aufrechnung der Forderung aus dem Darlehen mit der bewilligten Regelleistung in Höhe von 10 v. H. ab dem 01.03.2017 auf der Grundlage von § 42a SGB II. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 15.03.2017).

Hiergegen hat die Klägerin am 18.04.2017 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und geltend gemacht, der Beklagte habe sein Ermessen nicht hinreichend ausgeübt.

Mit Beschluss vom 26.06.2018 wurde das Verfahren mit Blick auf anhängige Revisionsverfahren beim Bundessozialgericht (BSG) ruhend gestellt und von Amts wegen mit gerichtlicher Verfügung vom 16.01.2020 fortgesetzt.

Nach mündlicher Verhandlung am 04.03.2020 hat das SG die Klage mit Urteil vom 04.03.2020 abgewiesen und entschieden, dass die Berufung nicht zugelassen werde. Es handele sich um eine gebundene Entscheidung, weswegen dem Beklagten bei seiner Entscheidung kein Ermessen zustehe. Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin teile die Kammer nicht.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin unter ausdrücklicher Nennung des Aktenzeichens des erstinstanzlichen Verfahrens (S 12 AS 170/20) sowie in weiteren vier Verfahren am 02.04.2020 "Berufung" zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Die vorgelegten Schreiben der Klägerin zur Begründung der Berufungen vom 31.03.2020, 25.04.2020 und vom 30.04.2020 betreffen im Wesentlichen den geltend gemachten Anspruch auf Leistungen, die Gegenstand der weiteren beim Senat anhängigen Verfahren sind.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 4. März 2020 sowie den Bescheid des Beklagten vom 14. Februar 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 2017 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zu verwerfen.

Mit gerichtlicher Verfügung vom 18.05.2020, die der Klägerin am 22.05.2020 zugestellt wurde, sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass die Berufung unzulässig sein dürfte, weil der hierfür erforderliche Streitwert nicht erreicht werde und dass beabsichtigt sei, durch Beschluss zu entscheiden.

Die Klägerin ist mit einem am 28.05.2020 beim Senat eingegangenen Schreiben der Auffassung entgegengetreten, der Beschwerdewert von 750,00 Euro sei nicht erreicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die Berufung durch Beschluss gemäß § 158 Sozialgerichtsgesetz (SGG), nachdem die Beteiligten vorab Gelegenheit zur Stellungnahme hatten. Die Berufung ist nach der zutreffenden Rechtsmittelbelehrung der angefochtenen Entscheidung nicht statthaft und gemäß § 158 Satz 1 SGG als unzulässig zu verwerfen.

Die Berufung ist nicht zulässig, weil sie vom SG nicht zugelassen worden ist, nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG aber der Zulassung bedurft hätte. Dies ist der Fall, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Dieser Beschwerdewert wird vorliegend nicht erreicht. Zwischen den Beteiligten war im Rahmen einer Anfechtungsklage die Aufrechnung der Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) streitig. Diese Forderung beläuft sich auf 500,00 EUR und erreicht damit nicht den vom Gesetz geforderten Betrag von 750,01 EUR. Die von der Klägerin in ihrem am 28.05.2020 eingegangenen Schreiben geltend gemachten Beträge (insbesondere die geltend gemachten Schulden) sind nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

Die Berufung betrifft auch keine wiederkehrenden oder laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr. Dies gilt selbst dann, wenn man unabhängig von der Tatsache, dass der Klägerin bereits seit November 2017 keine Leistungen mehr bewilligt wurden, berücksichtigen wollte, dass die Gesamtforderung von 500,00 EUR nicht mit einer Aufrechnung von 40,90 EUR monatlich in 12 Monaten getilgt wäre. § 41 SGB II begrenzt nämlich den jeweiligen Streitgegenstand in Rechtsstreitigkeiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende in zeitlicher Hinsicht auf die Dauer von sechs bzw. maximal 12 Monaten (BSG, Beschluss vom 30.07.2008 – B 14 AS 7/08 B –, juris). Begründet wird dies im Wesentlichen damit, dass die Leistungsbewilligung im SGB II für in der Regel jeweils sechs Monate ihre Ursache u. a. darin habe, dass es Ziel des Gesetzes sei, die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen wieder in Arbeit zu integrieren und ein dauerhafter Bezug von Leistungen nach dem SGB II die Ausnahme sein solle. Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat an. Somit richtet sich die für die Berufung maßgebliche Beschwer in derartigen Verfahren nicht allein nach dem Begehren der Klägerin, die gegebenenfalls unter Annahme einer fortdauernden Hilfebedürftigkeit (höhere) Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem halben bzw. einem Jahr begehrt, sondern die Beschwer wird begrenzt durch den jeweiligen Bewilligungszeitraum (so auch Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 03.09.2010 – L 11 AS 152/10 B –, Sächsisches LSG, Beschluss vom 26.04.2010 – L 7 AS 125/10 B ER –, m.w.N., beide juris). Damit ist die Berufung nicht statthaft und war als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegt nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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