L 4 P 542/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 18 P 4734/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 542/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 9. Januar 2020 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung von Leistungen mindestens nach Pflegegrad 1 ab dem 1. Mai 2017.

Die 1961 geborene und bei der Beklagten sozial pflegeversicherten Klägerin erlitt im Jahr 2007 einen Schlaganfall nach einem Sturz auf den Hinterkopf mit weitestgehender Remission. In der Folgezeit brach sie sich den Ellenbogen rechts und im Jahr 2014 erlitt sie einen Arbeitsunfall mit Sturz auf dem Rücken und Prellungen an der Wirbelsäule mit Schulterläsion links. Derzeit bestehen eine chronische Schmerzstörung, ein Zustand nach (Z.n.) Bandscheibenvorfall und ein Z.n. knöcherner Absprengung am rechten Ellenbogen. Bei einer Begutachtung durch den Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK) am 25. November 2016 wurde keine Pflegebedürftigkeit festgestellt, da die Klägerin in den grundpflegerischen Verrichtungen selbstständig war.

Am 4. Mai 2017 beantragte sie bei der Beklagten die Gewährung von Geldleistungen. Im Auftrag der Beklagten erstellte Pflegefachkraft K. (MDK) am 9. November 2017 aufgrund einer Untersuchung vom 8. November 2017 ein Gutachten. Als pflegebegründende Diagnose nannte sie sonstige Krankheiten der Wirbelsäule und des Rückens und bezeichnete daneben die oben genannten weiteren Gesundheitsstörungen. In jedem der sechs Module des Begutachtungsinstruments erreiche die Klägerin jeweils 0 Einzelpunkte und damit 0,00 gewichtete Punkte. Bei insgesamt 0,00 gewichteten Punkten liege Pflegegrad 1 nicht vor. Hierauf gestützt lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10. November 2017 den Antrag ab, da die Voraussetzungen bereits von Pflegegrad 1 nicht erfüllt seien.

Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruches trug die Klägerin vor, sie könne sich teilweise nur unter Schmerzen anziehen, insbesondere bei schweren Mänteln oder Schuhen im Winter. Auch die Essenszubereitung – Kochen mit Töpfen und Pfannen – und das Einkaufen seien sehr beschwerlich. Treppen steigen, hinsetzen und aufstehen könne sie aufgrund der Wirbelsäulenprobleme nur unter Schmerzen. Zur Untermauerung legte sie ein Attest des Facharztes für Orthopädie Dr. M. vom 17. November 2017 (erhebliche Gehbehinderung bzw. Mobilitätseinschränkung) vor.

In einem nach Aktenlage erstellten Gutachten vom 14. Februar 2018 bestätigte Pflegefachkraft G., MDK, das Ergebnis des Gutachtens vom 9. November 2017.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27. September 2018 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch als unbegründet zurück. Nach den Ergebnissen der Begutachtungen seien die Voraussetzungen des Pflegegrades 1 nicht erfüllt.

Hiergegen erhob die Klägerin am 25. Oktober 2018 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG), mit der sie die Gewährung von Leistungen der Pflegeversicherung mindestens nach Pflegegrad 1 begehrte. Die festgestellte Pflegebedürftigkeit entspreche nicht den Tatsachen. Sie leide unter erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen und sei auf Hilfeleistungen angewiesen. Ergänzend legte sie eine undatierte Diagnosenliste des Internisten Dr. R. vor.

Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf die angefochtenen Bescheide entgegen.

Mit Gerichtsbescheid vom 9. Januar 2020 wies das SG die Klage unter Verweis auf die Gründe des Widerspruchsbescheides der Beklagten ab. Die Klägerin selbst führe in ihrem Widerspruch lediglich aus, dass ihr verschiedene Tätigkeiten aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen schwerfielen, nicht aber, dass ihr diese ohne Hilfe nicht möglich seien. Aus den vorgelegten Attesten ergäben sich ebenfalls keine Anhaltspunkte hierfür.

Gegen diesen ihr am 14. Januar 2020 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 12. Februar 2020 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat sie über ihr bisheriges Vorbringen hinaus ausgeführt, das zuletzt eingeholte Gutachten sei nach Aktenlage erstellt worden. Die Begutachtung in häuslicher Umgebung liege drei Jahre zurück. Der aktuelle Pflegebedarf dürfte sich auf dieser Grundlage nicht nachvollziehen lassen. Es sei eine neuerliche Begutachtung durchzuführen. Mittlerweile sei häusliche Krankenpflege für das An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen verordnet worden.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 9. Januar 2020 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. November 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei ihr eine Pflegebedürftigkeit mindestens dem Pflegegrad 1 entsprechend festzustellen und entsprechende Leistungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Mit Schreiben vom 31. März 2020 hat der Berichterstatter des Senats die Klägerin unter Fristsetzung und Hinweis auf die Möglichkeit der Präklusion (Frist: 3. Juni 2020) zur Darlegung aufgefordert, welcher personelle Hilfebedarf und welche Gesundheitsstörungen aus Sicht der Klägerin bislang nicht berücksichtigt worden seien und welche Änderungen in ihrem Gesundheitszustand seit November 2017 eingetreten seien. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat hierauf mitgeteilt (Schreiben vom 3. Juni 2020), dass sich die Klägerin zwischenzeitlich im Ausland aufgehalten und deshalb die aufgeworfenen Fragen bislang nicht habe beantworten können. Mit Schreiben vom 25. Juni 2020 hat der Prozessbevollmächtigte dann mitgeteilt, dass derzeit keine weiteren Ausführungen gemacht werden könnten. Die Klägerin sei diesbezüglich noch einmal angeschrieben worden.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schreiben der Klägerin vom 2. Juli 2020 und der Beklagten vom 7. Juli 2020, Bl. 20/21 der Senatsakten).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Verfahrensakten des Senats und des SG Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die nach § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist gemäß §§ 105 Abs. 2 Satz 1, 143 SGG statthaft und zulässig. Sie bedurfte nicht der Zulassung, da die Klägerin laufende Leistungen der Pflegeversicherung für mehr als ein Jahr begehrt (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

2. Die Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 10. November 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2018 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Leistungen der Pflegeversicherung nach Pflegegrad 1 für die Zeit ab dem 1. Mai 2017.

a) Da die Klägerin ihren Antrag auf Pflegeleistungen am 4. Mai 2017, mithin nach dem 31. Dezember 2016 stellte, beurteilt sich ihr Anspruch nach den Vorschriften des Elften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XI) in der ab dem 1. Januar 2017 geltenden Fassung (§ 140 Abs. 1 Satz 1 SGB XI). Leistungen der Pflegeversicherung setzen zumindest eine Pflegebedürftigkeit nach Pflegegrad 1 voraus (§ 28 a SGB XI).

b) Nach § 14 Abs. 1 SGB XI sind Personen dann pflegebedürftig, wenn sie gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Maßgeblich für das Vorliegen von gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten sind nach § 14 Abs. 2 SGB XI die in den folgenden sechs Bereichen genannten pflegefachlich begründeten Kriterien: 1. Mobilität: Positionswechsel im Bett, Halten einer stabilen Sitzposition, Umsetzen, Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs, Treppensteigen; 2. kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Erkennen von Personen aus dem näheren Umfeld, örtliche Orientierung, zeitliche Orientierung, Erinnern an wesentliche Ereignisse oder Beobachtungen, Steuern von mehrschrittigen Alltagshandlungen, Treffen von Entscheidungen im Alltagsleben, Verstehen von Sachverhalten und Informationen, Erkennen von Risiken und Gefahren, Mitteilen von elementaren Bedürfnissen, Verstehen von Aufforderungen, Beteiligen an einem Gespräch; 3. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: motorisch geprägte Verhaltensauffälligkeiten, nächtliche Unruhe, selbstschädigendes und autoaggressives Verhalten, Beschädigen von Gegenständen, physisch aggressives Verhalten gegenüber anderen Personen, verbale Aggression, andere pflegerelevante vokale Auffälligkeiten, Abwehr pflegerischer und anderer unterstützender Maßnahmen, Wahnvorstellungen, Ängste, Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage, sozial inadäquate Verhaltensweisen, sonstige pflegerelevante inadäquate Handlungen; 4. Selbstversorgung: Waschen des vorderen Oberkörpers, Körperpflege im Bereich des Kopfes, Waschen des Intimbereichs, Duschen und Baden einschließlich Waschen der Haare, An- und Auskleiden des Oberkörpers, An- und Auskleiden des Unterkörpers, mundgerechtes Zubereiten der Nahrung und Eingießen von Getränken, Essen, Trinken, Benutzen einer Toilette oder eines Toilettenstuhls, Bewältigen der Folgen einer Harninkontinenz und Umgang mit Dauerkatheter und Urostoma, Bewältigen der Folgen einer Stuhlinkontinenz und Umgang mit Stoma, Ernährung parenteral oder über Sonde, Bestehen gravierender Probleme bei der Nahrungsaufnahme bei Kindern bis zu 18 Monaten, die einen außergewöhnlich pflegeintensiven Hilfebedarf auslösen; 5. Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen in Bezug auf: Medikation, Injektionen, Versorgung intravenöser Zugänge, Absaugen und Sauerstoffgabe, Einreibungen sowie Kälte- und Wärmeanwendungen, Messung und Deutung von Körperzuständen, körpernahe Hilfsmittel, Verbandswechsel und Wundversorgung, Versorgung mit Stoma, regelmäßige Einmalkatheterisierung und Nutzung von Abführmethoden, Therapiemaßnahmen in häuslicher Umgebung, zeit- und technikintensive Maßnahmen in häuslicher Umgebung, Arztbesuche, Besuche anderer medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, zeitlich ausgedehnte Besuche medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, Besuch von Einrichtungen zur Frühförderung bei Kindern sowie auf das Einhalten einer Diät oder anderer krankheits- oder therapiebedingter Verhaltensvorschriften; 6. Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: Gestaltung des Tagesablaufs und Anpassung an Veränderungen, Ruhen und Schlafen, Sichbeschäftigen, Vornehmen von in die Zukunft gerichteten Planungen, Interaktion mit Personen im direkten Kontakt, Kontaktpflege zu Personen außerhalb des direkten Umfelds.

Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten in den Bereichen der Haushaltsführung und der außerhäuslichen Aktivitäten werden nicht zusätzlich berücksichtigt, sondern fließen in die Ermittlung des Grades der Pflegebedürftigkeit ein, soweit sie in den oben genannten Bereichen abgebildet sind. Darüber hinausgehende Beeinträchtigungen in diesen beiden Bereichen wirken sich mithin nicht auf die Bestimmung des Pflegegrades aus (vgl. § 14 Abs. 3 SGB XI; zum Ganzen: Meßling, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XI, 2. Aufl., Stand: 13. Juni 2019, § 14 Rn. 254 ff. m.w.N.). Sowohl die Auflistung der sechs Pflegebereiche als auch die zu deren Konkretisierung aufgeführten Pflegekriterien bilden einen abschließenden Katalog, der nicht um – vermeintlich fehlende – zusätzliche Kriterien oder gar Bereiche ergänzt werden kann (Meßling, a.a.O., § 14 Rn. 109). Inhaltlich erfahren die Pflegekriterien eine nähere Bestimmung durch die auf Grundlage des § 17 Abs. 1 SGB XI mit Wirkung vom 1. Januar 2017 vom Spitzenverband Bund der Pflegekassen erlassenen Richtlinien zum Verfahren der Feststellung von Pflegebedürftigkeit sowie zur pflegefachlichen Konkretisierung der Inhalte des Begutachtungsinstruments nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (Begutachtungs-Richtlinien – BRi) vom 15. April 2016 (insbesondere Ziffern 4.8.3 und 4.9). Soweit sich diese untergesetzlichen Regelungen innerhalb des durch Gesetz und Verfassung vorgegebenen Rahmens halten, sind sie als Konkretisierung des Gesetzes zur Vermeidung von Ungleichbehandlungen zu beachten (Meßling, a.a.O., § 14 Rn. 77 m.w.N.; zum alten Recht vgl. BSG, Urteil vom 19. Februar 1998 – B 3 P 7/97 R – juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 13. Mai 2004 – B 3 P 7/03 R – juris, Rn. 32 m.w.N.; BSG, Urteil vom 6. Februar 2006 – B 3 P 26/05 B – juris, Rn. 8).

Nach § 15 Abs. 1 SGB XI erhalten Pflegebedürftige nach der Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten einen Grad der Pflegebedürftigkeit (Pflegegrad). Der Pflegegrad wird mit Hilfe eines pflegefachlich begründeten Begutachtungsinstruments ermittelt, wobei dieses in sechs Module, entsprechend den oben genannten Bereichen, gegliedert ist. Die Kriterien der einzelnen Module sind in Kategorien unterteilt, denen Einzelpunkte entsprechend der Anlage 1 zu § 15 SGB XI zugeordnet werden. Die Kategorien stellen die in ihnen zum Ausdruck kommenden verschiedenen Schweregrade der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten dar (§ 15 Abs. 2 Satz 3 SGB XI). Die Einzelpunkte in den jeweiligen Modulen werden sodann addiert und entsprechend der Anlage 2 zu § 15 SGB XI einem jeweiligen Punktbereich zugeordnet, aus dem sich die gewichteten Punkte ergeben. Insgesamt wird für die Beurteilung des Pflegegrades die Mobilität mit 10 Prozent, die kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten sowie Verhaltensweisen und psychische Problemlagen zusammen mit 15 Prozent, die Selbstversorgung mit 40 Prozent, die Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen mit 20 Prozent und die Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte mit 15 Prozent gewichtet (§ 15 Abs. 2 Satz 8 SGB XI).

Auf der Basis der erreichten Gesamtpunkte sind pflegebedürftige Personen in einen der nachfolgenden Pflegegrade einzuordnen: ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, ab 70 bis unter 90 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, ab 90 bis 100 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 5: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung (§ 15 Abs. 3 Satz 4 SGB XI).

c) Diese Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen zumindest nach Pflegegrad 1 liegen bei der Klägerin ab dem 1. Mai 2017 nicht vor, da sie nicht mindestens 12,5 gewichtete Gesamtpunkte erreicht.

Der Senat stützt sich dabei auf die Gutachten der Pflegefachkräfte K. vom 9. November 2017 und G. vom 14. Februar 2018, die der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwerten konnte (vgl. etwa BSG, Beschluss vom 14. November 2013 – B 9 SB 10/13 B – juris, Rn. 6; BSG, Urteil vom 5. Februar 2008 – B 2 U 8/07 R – juris, Rn. 51). Danach bestehen mit Bedeutung für die o.g. Pflegekriterien bei der Klägerin eine chronische Schmerzstörung, ein Z.n. Bandscheibenvorfall und ein Z.n. knöcherner Absprengung am rechten Ellenbogen. Die vorgelegte Diagnosenliste des Internisten Dr. R. lässt mangels Datierung bereits nicht erkennen, ob es sich um im streitbefangenen Zeitraum vorliegende Gesundheitsstörungen handelt. Jedenfalls enthält sie weder Angaben zu den zugrundeliegenden Befunden noch Anhaltspunkte für hieraus resultierende Funktionseinschränkungen. Hingegen haben die Pflegefachkräfte K. und G. aus den bei der Begutachtung in häuslicher Umgebung erhobenen Befunde und beobachteten Funktionswerten überzeugend abgeleitet, dass die Klägerin in keiner der oben genannten pflegegradrelevanten Fähigkeiten solchermaßen eingeschränkt ist, dass sie der personellen Unterstützung durch eine Pflegeperson bedürfte. So war die Klägerin trotz der knöchernen Absplitterung und bestehender Schulterschmerzen in der Lage, die Hände über den Kopf in den Nackenbereich zu legen; auch der Schürzengriff gelang. Die Handkraft war beidseits mäßig, aber ausreichend. Die Feinmotorik, z.B. beim Knöpfen, Zerkleinern der Nahrung und Öffnen von Flaschen, war erhalten. Berücksichtigt wurden auch die auftretenden Lumboischialgien bei Z.n. Bandscheibenvorfall L3/L4 2015 und L5/S1, die chronische Schmerzstörung, eine Hüftbeugerschwäche rechts sowie eine ventrale Spondylose der Brustwirbelsäule. Gleichwohl bestanden keine Einschränkungen beim Sitzen, Aufstehen und der selbständigen Fortbewegung im Wohnbereich, einschließlich des Treppensteigens. Die Klägerin erreichte im Sitzen mit den Händen die Fußknöchel. Eine erhebliche Gehbehinderung, wie im Attest von Dr. M. angegeben, ist daher nicht nachvollziehbar. Es datiert wie die Begutachtung durch Pflegefachkraft K. aus November 2017, enthält aber keinerlei stützende Befunde oder nähere Angaben zum Ausmaß der Behinderung. Einschränkungen im geistig-seelischen Bereich bestanden nicht. Die Klägerin war auch in der Lage, selbständig ihre Medikamente einzunehmen. Die von der Klägerin im Widerspruch angegeben Einschränkungen bei der Essenszubereitung – Kochen mit Töpfen und Pfannen – und beim Einkaufen (Tragen der Taschen) sind der hauswirtschaftlichen Versorgung zuzurechnen und bleiben der Bestimmung des Pflegegrades unberücksichtigt.

Soweit die Klägerin rügt, die letzte Begutachtung in häuslicher Umgebung sei zuletzt im November 2017 erfolgt, trifft dies zwar zu. Gleichwohl bleibt das Gutachten der Pflegefachkraft K. mit den darin festgehaltenen Befunden eine ausreichende Grundlage für die gerichtliche Entscheidung. Eine relevante Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes hat die Klägerin weder behauptet noch substantiiert dargelegt. Sie hat lediglich vorgetragen, ihr sei häusliche Krankenpflege für das An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen verordnet worden. Näheres hierzu teilte sie nicht mit. Der weitere Vortrag, sie müsse zahlreiche Medikamente einnehmen, lässt keinen Anhaltspunkt für einen hieraus resultierten personellen Hilfebedarf erkennen. Auf die gerichtliche Aufforderung zur Darlegung, welche Gesundheitsstörungen und welchen zu diesem Zeitpunkt bereits bestehenden personellen Hilfebedarf in den MDK-Gutachten nicht berücksichtigt und welche Änderungen in ihrem Gesundheitszustand seit November 2017 eingetreten seien sowie bei welchen der Pflegekriterien aktuell ein personeller Hilfebedarf bestehe, hat die Klägerin keine Angaben gemacht. Anhaltspunkte für eine relevante Verschlechterung des Gesundheitszustandes bestehen daher nicht. Der Senat sieht sich somit nicht gedrängt, von Amts wegen weitere Ermittlungen anzustellen.

Hinsichtlich des An- und Ausziehens von Kompressionsstrümpfen hat die Klägerin bereits nicht vorgetragen, dass ein solcher Hilfebedarf, wie nach § 14 Abs. 1 Satz 3 SGB XI erforderlich, auf Dauer, also voraussichtlich für mindestens sechs Monate, besteht. Selbst wenn dies der Fall wäre, könnte die Klägerin hieraus nach Anlage 1 zu § 15 SGB XI maximal drei Einzelpunkte im Modul 5 (konkret 5.7 Körpernahe Hilfsmittel) erreichen. Dies setzte aber bereits einen entsprechenden Hilfebedarf von mehr als achtmal täglich voraus. Nach der Bewertungssystematik der Anlage 2 zu § 15 SGB XI resultieren hieraus 10 gewichtete Punkte.

Bei der Bewertung der festgestellten Beeinträchtigungen anhand Anlage 2 zu § 15 SGB XI ergeben sich somit für 0 Einzelpunkte in allen sechs Modulen 0,00 gewichtete Punkte, bei Annahme des höchstmöglichen Hilfebedarfs bei körpernahen Hilfsmittel wegen der Kompressionsstrümpfe insgesamt 10 gewichtete Punkte. Die Klägerin erreicht mithin nicht die für Pflegegrad 1 notwendige Summe von 12,5 gewichteten Punkten.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

4. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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