L 4 KR 749/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 13 KR 3580/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 749/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. Januar 2020 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin für die Zeit vom 1. Juli bis 30. September 1998 und vom 27. November 1998 bis 15. Juli 1999 einen Anspruch auf Nachzahlung von Krankengeld hat.

Die 1957 geborene Klägerin, die bei der Beklagten im streitigen Zeitraum gesetzlich krankenversichert war, bezieht seit dem 1. Februar 1992 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit (Bescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) vom 16. Juli 1992).

Am 4. November 2019 hat die Klägerin Klage beim Sozialrecht Karlsruhe (SG) auf "Aus-, Nachzahlung und Verzinsung" der "bestandskräftig" in ihrem Versicherungsverlauf eingetragenen Sozialleistung "Krankengeld" für die Zeit vom 1. Juli bis 30. September 1998 und vom 27. November 1998 bis 15. Juli 1999 eingereicht. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Anspruch ergebe sich unstreitig aus den im Sozialversicherungsverlauf enthaltenen "bestandskräftigen" Einträgen. Das Krankengeld sei zeitgerecht und ordnungsgemäß bei der "Deutschen Finanzbehörde" versteuert worden, so dass ein Bescheid nicht zu erlassen sei. Gründe für die Unterlassung der Auszahlung lägen nicht vor und seien auch nicht vorgebracht worden. Sie habe auch keine Antragsfristen versäumt. Zur weiteren Begründung hat sie den Versicherungsverlauf der BfA vom 26. Oktober 1999 vorgelegt, der in den streitigen Zeiträumen die Eintragungen "Sozl. [ ] Pflichbeiträge" enthält.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat darauf hingewiesen, dass die von der Klägerin benannten Zeiten mehr als 20 Jahre zurücklägen. Selbst der vorgelegte Versicherungsverlauf datiere aus dem Jahr 1999. Unterlagen für diese Zeiträume lägen nicht mehr vor, da die Aufbewahrungsfristen hierfür abgelaufen seien. Bescheide aus der damaligen Zeit seien allesamt bindend geworden. Abgesehen davon könnten Forderungen für die streitigen Zeiträume im Rahmen der Verjährung nach § 45 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) nicht mehr geltend gemacht werden. Es liege zudem Verwirkung vor, da sich die Klage auf einen Versicherungsverlauf der damaligen BfA vom 26. Oktober 1999 stütze.

Mit Schreiben vom 13. Dezember 2019 hat das SG die Beteiligten auf die Absicht hingewiesen, den Rechtstreit gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden.

Mit Gerichtsbescheid vom 17. Januar 2020 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin begehre ausdrücklich weder den Erlass noch die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, sondern lediglich die Auszahlung von ihrer Ansicht nach bereits bestandskräftig festgestelltem Krankengeld. Die Klage sei als echte Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG bereits unzulässig. Die Klägerin behaupte nicht, dass ein Krankengeld bewilligender Verwaltungsakt vorliege. Vielmehr stütze sie sich auf einen Sozialversicherungsverlauf der BfA vom 26. Oktober 1999, in welchem für die fraglichen Zeiträume der Bezug von Sozialleistungen dokumentiert sei. Unabhängig von der Tatsache, dass sich aus dem Sozialversicherungsverlauf nicht ergebe, ob es sich tatsächlich um Krankengeld handele, sei für einen solchen Fall die echte Leistungsklage nicht die statthafte Klageart. Von der Beklagten sei ein Anspruch auf Krankengeld nicht durch Verwaltungsakt bindend festgestellt worden. Auch der Sozialversicherungsverlauf sei nicht geeignet, irgendwelche Ansprüche zwischen den hier Beteiligten zu regeln oder gar eine Anspruchsgrundlage für Krankengeld gegen die Beklagte zu schaffen. Jedenfalls aber seien etwaige Ansprüche gegen die Beklagte auf Krankengeld aus den Jahren 1998 und 1999 ohnehin verjährt. Der Gerichtsbescheid wurde der Klägerin am 25. Januar 2020 zugestellt.

Hiergegen richtet sich die am 25. Februar 2020 beim SG zum Landesozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegte Berufung der Klägerin, mit der sie im Wesentlichen ihren Vortrag im Klageverfahren wiederholt und geltend macht, der Bewilligungsbescheid für die hier bestandskräftig im Sozialversicherungsverlauf eingetragene Leistung "Krankengeld" sei ein Verwaltungsakt. Die Beklagte habe im Klagverfahren selbst angegeben, dass die Bescheide bindend geworden seien. Auch der Versicherungsverlauf der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 10. Dezember 2019 enthalte bindende Eintragungen zum bewilligten Krankengeld. Soweit das SG davon ausgehe, dass es fraglich sei, ob es sich bei den Eintragungen tatsächlich um Krankengeld handle, so sei dies eine haltlose Behauptung.

Die Klägerin beantragt (unter Beachtung der wörtlichen Klageanträge),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. Januar 2020 aufzuheben und die "1. Klage auf Aus-, Nachzahlung und Verzinsung der, wie im folgenden aufgeführt, "bestandskräftig" in meinem Versicherungsverlauf eingetragenen Sozialleistung "Krankengeld": "Sozl. 01.07.98 — 30.09.98 5359,-DM 3 Mon" "Sozl. 27.11.98 — 20.12.98 1428,71 DM 1 Mon." "Soz1.21.12.98 —31.12.98 595,29 DM" "Sozl. 01.01.99 — 15.07.99 11 610,- DM 7 Mon." 2. Die Rechtswidrigkeit der unterlassenen Auszahlung der "bestandskräftig" im Sozialversicherungsverlauf eingetragenen Leistung ist im Urteil auszusprechen. 3. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens und meine Auslagen. 4. Fürsorglich: Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung gegen die Beklagte."

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Es existierten keine Unterlagen mehr, da die streitigen Zeiträume mehr als 20 Jahre zurücklägen. Alle Ansprüche aus dieser Zeit seien im Übrigen verjährt und verwirkt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die gemäß § 151 Abs. 1 und 2 SGG beim SG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß § 143 SGG statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie bedurfte gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG insbesondere nicht der Zulassung, da die Klägerin nach ihrem gesamten Vorbringen Krankengeld begehrt, das insgesamt 750 EUR übersteigt.

2. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nach dem von der Klägerin ausdrücklich bezeichneten Begehren (§ 123 SGG) die Nachzahlung von Krankengeld für die Zeiträume vom 1. Juli bis 30. September 1998 und vom 27. November 1998 bis 15. Juli 1999.

3. Die Berufung ist unbegründet. Denn die Klage ist - wie das SG zutreffend entschieden hat - unzulässig. Der Senat schließt sich den Ausführungen des SG zur Unzulässigkeit der echten Leistungsklage vollumfänglich an und sieht gemäß § 153 Abs. 4 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Klägerin in den streitigen Zeiträumen bei der Beklagten überhaupt Krankengeld beantragt und eine entsprechende Leistung durch Bescheid abgelehnt oder bewilligt worden ist. Für die Zulässigkeit einer etwaigen kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 SGG) ist jedoch Voraussetzung die Behauptung, durch einen Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsaktes beschwert zu sein. An dieser Klagebefugnis fehlt es, wenn eine Verletzung subjektiver Rechte nicht in Betracht kommt, weil hinsichtlich des Klagebegehrens eine gerichtlich überprüfbare Entscheidung nicht vorliegt (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2015 – B 2 U 2/14 R – juris, Rn. 11 m.w.N.). So liegt der Fall hier. Eine Entscheidung der Beklagten über die Gewährung von Krankengeld liegt nicht vor. Die Beklagte hat nach ihren eigenen Angaben keine Unterlagen mehr und auch die Klägerin kann einen entsprechenden Bewilligungsbescheid nicht vorlegen. Sie stützt ihr Begehren allein auf die Versicherungsverläufe vom 26. Oktober 1999 und 10. Dezember 2019. Nach § 149 Abs. 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) unterrichtet der Träger der Rentenversicherung die Versicherten regelmäßig über die in ihrem Versicherungskonto gespeicherten Sozialdaten, die für die Feststellung der Höhe einer Rentenanwartschaft erheblich sind (Versicherungsverlauf). Über die Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten wird erst bei Feststellung einer Leistung entschieden (§ 149 Abs. 5 Satz 3 SGB VI). Der Versicherungsverlauf ist mangels Regelungscharakter jedoch kein Verwaltungsakt im Sinne von § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), er enthält lediglich eine Wissenserklärung (BSG, Urteil vom 12. November 1980 – 1 RA 65/79 – juris, Rn. 29; Paulus, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, Stand Juli 2013, § 149 SGB VI Rn. 67). Ein Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von Krankengeld kann hieraus nicht hergeleitet werden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1, Abs. 4 SGG.

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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