Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 16 SO 6042/19 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 939/20 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 3. März 2020 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde des 1960 geborenen, (auf Zeit) voll erwerbsgeminderten Antragstellers zu 1 und der 1944 geborenen Antragstellerin zu 2, die vom Antragsgegner beide laufende Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) beziehen (vgl. bzgl. des Antragstellers zu 1 Bescheid vom 07.08.2019 bzw. bei der Antragstellerin zu 2 Bescheid vom 07.08.2019 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 22.10.2019), gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Stuttgart vom 03.03.2020 hat keinen Erfolg. Mit diesem Beschluss hat das SG den Antrag der Antragsteller, den Antragsgegner zu verpflichten, "Leistungen (Miete und Nebenkosten) umgehend ohne Abzüge - auch rückwirkend - an den Vermieter zu überweisen" sowie verschiedene Mehrbedarfe bzw. Zuschüsse zu gewähren, abgelehnt.
Die am 18.03.2020 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingegangene Beschwerde gegen den den Antragstellern am 05.03.2020 gegen Postzustellungsurkunde zugestellten Beschluss ist gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und nach §§ 173, 174 SGG insbesondere form- und fristgerecht erhoben worden.
Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das SG hat den Antrag der Antragsteller im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Die Antragsteller haben keinen Anordnungsanspruch bzw. keinen Anordnungsgrund bezüglich der begehrten Überweisung der Kosten für Unterkunft und Heizung ohne Abzüge - auch rückwirkend- an den Vermieter sowie der begehrten Mehrbedarfe wegen kostenaufwändiger Ernährung und wegen Behinderung und sonstiger Zuschüsse glaubhaft gemacht.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Ein Anordnungsgrund ist dann gegeben, wenn der Erlass der einstweiligen Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Dies ist der Fall, wenn es dem Antragssteller nach einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Keller in Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 12. Auflage 2017, § 86b RdNr. 28). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage aufgrund einer summarischen Prüfung an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (BVerfG, 02.05.2005, 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237, 242). Allerdings sind die an die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs und Anordnungsgrundes zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. BVerfG NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (Bundesverfassungsgericht [BVerfG] Beschluss vom 14.03.2019 – 1 BvR 169/19 - juris Rn. 15; Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg vom 13.10.2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - und vom 06.09.2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B - (beide juris) jeweils unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfG).
1. Soweit die Antragsteller begehren, "Leistungen (Miete und Nebenkosten) umgehend ohne Abzüge - auch rückwirkend - an den Vermieter zu überweisen", ist zunächst zu beachten, dass eine "rückwirkende" Verpflichtung des Antragsgegners schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil Leistungen für die Zeit vor dem Antragseingang beim SG (hier 20.12.2019) grundsätzlich ausscheiden. Dies beruht auf dem auch für das Recht des SGB XII geltenden Grundsatz, dass Hilfe zum Lebensunterhalt im Wege einer einstweiligen Anordnung nur zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage zu erfolgen hat und nicht rückwirkend zu bewilligen ist, wenn nicht ein Nachholbedarf plausibel und glaubhaft gemacht ist. Solche Umstände sind hier weder substantiiert vorgetragen noch glaubhaft gemacht worden, zumal der Antragsgegner zumindest teilweise in diesem Zeitraum die Kosten der Unterkunft und Heizung bereits ohne Abzüge direkt an den Vermieter (= Eigenbetrieb Leben & Wohnen [ELW]) überwiesen hat. Hieran ändert sich auch nichts durch den Bescheid vom 23.01.2020, mit dem der Antragsgegner von der Antragstellerin zu 2 für den Zeitraum vom 01.09.2019 bis 31.10.2019 an den Vermieter zu viel gezahlte Leistungen zurückfordert. Denn ein Widerspruch bzw. eine Klage gegen diesen Bescheid hätten aufschiebende Wirkung (vgl. § 86a Abs. 1 SGG), so dass im Hauptsacheverfahren ohne, dass der Antragstellerin derzeit Nachteile entstehen, geklärt werden könnte, ob die Rückforderung zu Recht erfolgte. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegner entgegen dieser Regelung bereits jetzt die Erstattung fordert, sind nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen, zumal die Antragsteller selbst diesen Bescheid weder in ihrem an das SG gerichteten Antrag noch in der Beschwerdeschrift erwähnt haben.
2. Aber auch für die Zeit nach Antragseingang bei Gericht hat das SG den Antrag zu Recht abgelehnt. Die Antragsteller haben nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes gebotenen summarischen Prüfung keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Sie haben keinen Anspruch auf höhere Leistungen nach dem SGB XII.
a. Soweit die Antragsteller sich dagegen wenden, dass sie nun einen (höheren) Teil der Miete selbst an den Vermieter überweisen müssen, ist zu beachten, dass sich dies daraus ergibt, dass die Erwerbsminderungsrente des Antragstellers zu 1 auf 395,55 Euro und die Altersrente der Antragstellerin zu 2 auf 474,99 Euro angestiegen sind, so dass damit ein (höheres) anrechenbares Einkommen, das über dem für die Antragsteller zu 1 und 2 maßgeblichen Regelbedarf (hier Regelbedarfsstufe 2, d.h. 382,00 Euro für 2019 und 389,00 Euro für 2020) liegt, erzielt wird. Der überschießende Teil ist daher auf den Bedarf zur Deckung der Kosten für Unterkunft und Heizung anzurechnen, so dass den Antragstellern jeweils vom Antragsgegner eine geringere Summe als die hälftigen Kosten der Unterkunft und Heizung auszubezahlen war und damit auch nicht mehr direkt an den Vermieter überwiesen werden konnte. Es ist auch nicht ersichtlich, warum es den Antragstellern nicht möglich sein soll, diesen (jeweils geringen) Anteil selbst an ihren Vermieter zu überweisen.
b. Soweit die Antragsteller einen Mehrbedarf nach § 30 Abs. 1 SGB XII begehren, besteht schon deshalb kein Anordnungsanspruch, weil für beide Antragsteller nicht nachgewiesen ist, dass durch einen Bescheid der nach § 152 Absatz 4 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 152 Absatz 5 SGB IX das Merkzeichen G festgestellt worden ist, zumal auch keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass bei den Antragstellern solche Erkrankungen vorliegen, die die Feststellung dieses Merkzeichens nach sich ziehen würden. Allein aufgrund einer festgestellten Schwerbehinderteneigenschaft ergibt sich kein Anspruch auf diesen Mehrbedarf.
c. Hinsichtlich des weiter begehrten Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung gemäß § 30 Abs. 5 SGB XII, wonach für Kranke, Genesende, behinderte Menschen oder von einer Krankheit oder von einer Behinderung bedrohte Menschen, die einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt wird, haben die Antragsteller ebenfalls keinen Anordnungsanspruch geltend gemacht. Voraussetzung für die Gewährung des Mehrbedarfs ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die eine Ernährung erfordert, deren Kosten höher ("aufwändiger") ist, als dies für Personen ohne diese Einschränkung der Fall ist. Da eine Vollkosternährung vom Regelbedarf gedeckt ist, besteht eine kostenaufwändige Ernährung grundsätzlich nur bei einer besonderen, von der Vollkost abweichenden Ernährungsform (BSG, Urteil vom 20.02.2014 - B 14 AS 65/12 R juris). Die Antragsteller haben hier weder im Verwaltungsverfahren noch im Antragsverfahren ausreichende (medizinische) Unterlagen vorgelegt, aus denen sich ein solcher Bedarf ergeben würde. Offen lassen konnte der Senat daher, ob der an die Antragstellerin zu 2 gerichtete Bescheid vom 28.08.2019, mit dem ihr Antrag auf Gewährung eines solchen Mehrbedarfs abgelehnt worden war, tatsächlich schon bestandskräftig ist, oder ob er doch vom Widerspruchsbescheid vom 29.10.2019, der wiederum Gegenstand des noch beim SG anhängigen Verfahrens S 28 SO 5017/19 ist, mit umfasst ist. Beim Antragsteller zu 1 war darüber hinaus zu beachten, dass der Antragsgegner hierzu sogar eine amtsärztliche Stellungnahme beim Gesundheitsamt eingeholt hat. In dieser Stellungnahme vom 08.10.2019 wurde das Erfordernis einer besonderen Krankenkostform verneint.
d. Soweit die Antragsteller weiter einen Zuschuss zu den Energiekosten, Kleidergeld, Zuschüsse zur Anschaffung von verschiedenen elektronischen Geräten sowie einem E-Bike und insgesamt höhere (Regel-) Leistungen begehren, ist ebenfalls kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht worden. Zunächst ist zu beachten, dass die tatsächliche Deckung des in § 27a Abs. 1 SGB XII beschriebenen "notwendigen Lebensunterhalts" außerhalb von stationären Einrichtungen abgesehen von den Kosten für Unterkunft und Heizung, die grundsätzlich in tatsächlicher Höhe übernommen werden, und von bestimmten Sonder- bzw. Mehrbedarfen (vgl. Drittes Kapitel Abschnitte 2-4), in der Regel über pauschale Regelsätze geschieht (vgl. die § 27a Abs. 3, 4 und 5 SGB XII, vgl. Gutzler in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 27a SGB XII (Stand: 01.02.2020), Rn. 32). Die maßgeblichen Regelsätze hat der Antragsgegner hier bei der Berechnung berücksichtigt. Eine abweichende Festsetzung der Regelsätze kommt nach § 27 a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB XII nur dann in Betracht, wenn ein Bedarf unausweichlich in mehr als geringem Umfang oberhalb durchschnittlicher Bedarfe liegt, wie sie sich nach den bei der Ermittlung der Regelbedarfe zugrundeliegenden durchschnittlichen Verbrauchsausgaben ergeben, und die dadurch bedingten Mehraufwendungen begründbar nicht anderweitig ausgeglichen werden können. Die Antragsteller haben hier zwar pauschal vorgetragen, einen höheren Energiebedarf, einen höheren Verschleiß der Kleidung und insgesamt aufgrund ihres Alters und der vorliegenden Erkrankungen höhere Kosten zu haben, wie hoch dieser Bedarf ist, warum dieser unabweislich ist und warum der Bedarf in nicht nur geringem Umfang über den durchschnittlichen Verbrauchsausgaben liegt, haben sie aber weder konkret dargelegt noch in irgendeiner Form glaubhaft gemacht.
Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
Die Beschwerde des 1960 geborenen, (auf Zeit) voll erwerbsgeminderten Antragstellers zu 1 und der 1944 geborenen Antragstellerin zu 2, die vom Antragsgegner beide laufende Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) beziehen (vgl. bzgl. des Antragstellers zu 1 Bescheid vom 07.08.2019 bzw. bei der Antragstellerin zu 2 Bescheid vom 07.08.2019 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 22.10.2019), gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Stuttgart vom 03.03.2020 hat keinen Erfolg. Mit diesem Beschluss hat das SG den Antrag der Antragsteller, den Antragsgegner zu verpflichten, "Leistungen (Miete und Nebenkosten) umgehend ohne Abzüge - auch rückwirkend - an den Vermieter zu überweisen" sowie verschiedene Mehrbedarfe bzw. Zuschüsse zu gewähren, abgelehnt.
Die am 18.03.2020 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingegangene Beschwerde gegen den den Antragstellern am 05.03.2020 gegen Postzustellungsurkunde zugestellten Beschluss ist gemäß § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und nach §§ 173, 174 SGG insbesondere form- und fristgerecht erhoben worden.
Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das SG hat den Antrag der Antragsteller im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Die Antragsteller haben keinen Anordnungsanspruch bzw. keinen Anordnungsgrund bezüglich der begehrten Überweisung der Kosten für Unterkunft und Heizung ohne Abzüge - auch rückwirkend- an den Vermieter sowie der begehrten Mehrbedarfe wegen kostenaufwändiger Ernährung und wegen Behinderung und sonstiger Zuschüsse glaubhaft gemacht.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Ein Anordnungsgrund ist dann gegeben, wenn der Erlass der einstweiligen Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Dies ist der Fall, wenn es dem Antragssteller nach einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Keller in Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 12. Auflage 2017, § 86b RdNr. 28). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Dabei begegnet es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage aufgrund einer summarischen Prüfung an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (BVerfG, 02.05.2005, 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237, 242). Allerdings sind die an die Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs und Anordnungsgrundes zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. BVerfG NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (Bundesverfassungsgericht [BVerfG] Beschluss vom 14.03.2019 – 1 BvR 169/19 - juris Rn. 15; Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg vom 13.10.2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - und vom 06.09.2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B - (beide juris) jeweils unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfG).
1. Soweit die Antragsteller begehren, "Leistungen (Miete und Nebenkosten) umgehend ohne Abzüge - auch rückwirkend - an den Vermieter zu überweisen", ist zunächst zu beachten, dass eine "rückwirkende" Verpflichtung des Antragsgegners schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil Leistungen für die Zeit vor dem Antragseingang beim SG (hier 20.12.2019) grundsätzlich ausscheiden. Dies beruht auf dem auch für das Recht des SGB XII geltenden Grundsatz, dass Hilfe zum Lebensunterhalt im Wege einer einstweiligen Anordnung nur zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage zu erfolgen hat und nicht rückwirkend zu bewilligen ist, wenn nicht ein Nachholbedarf plausibel und glaubhaft gemacht ist. Solche Umstände sind hier weder substantiiert vorgetragen noch glaubhaft gemacht worden, zumal der Antragsgegner zumindest teilweise in diesem Zeitraum die Kosten der Unterkunft und Heizung bereits ohne Abzüge direkt an den Vermieter (= Eigenbetrieb Leben & Wohnen [ELW]) überwiesen hat. Hieran ändert sich auch nichts durch den Bescheid vom 23.01.2020, mit dem der Antragsgegner von der Antragstellerin zu 2 für den Zeitraum vom 01.09.2019 bis 31.10.2019 an den Vermieter zu viel gezahlte Leistungen zurückfordert. Denn ein Widerspruch bzw. eine Klage gegen diesen Bescheid hätten aufschiebende Wirkung (vgl. § 86a Abs. 1 SGG), so dass im Hauptsacheverfahren ohne, dass der Antragstellerin derzeit Nachteile entstehen, geklärt werden könnte, ob die Rückforderung zu Recht erfolgte. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegner entgegen dieser Regelung bereits jetzt die Erstattung fordert, sind nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen, zumal die Antragsteller selbst diesen Bescheid weder in ihrem an das SG gerichteten Antrag noch in der Beschwerdeschrift erwähnt haben.
2. Aber auch für die Zeit nach Antragseingang bei Gericht hat das SG den Antrag zu Recht abgelehnt. Die Antragsteller haben nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes gebotenen summarischen Prüfung keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Sie haben keinen Anspruch auf höhere Leistungen nach dem SGB XII.
a. Soweit die Antragsteller sich dagegen wenden, dass sie nun einen (höheren) Teil der Miete selbst an den Vermieter überweisen müssen, ist zu beachten, dass sich dies daraus ergibt, dass die Erwerbsminderungsrente des Antragstellers zu 1 auf 395,55 Euro und die Altersrente der Antragstellerin zu 2 auf 474,99 Euro angestiegen sind, so dass damit ein (höheres) anrechenbares Einkommen, das über dem für die Antragsteller zu 1 und 2 maßgeblichen Regelbedarf (hier Regelbedarfsstufe 2, d.h. 382,00 Euro für 2019 und 389,00 Euro für 2020) liegt, erzielt wird. Der überschießende Teil ist daher auf den Bedarf zur Deckung der Kosten für Unterkunft und Heizung anzurechnen, so dass den Antragstellern jeweils vom Antragsgegner eine geringere Summe als die hälftigen Kosten der Unterkunft und Heizung auszubezahlen war und damit auch nicht mehr direkt an den Vermieter überwiesen werden konnte. Es ist auch nicht ersichtlich, warum es den Antragstellern nicht möglich sein soll, diesen (jeweils geringen) Anteil selbst an ihren Vermieter zu überweisen.
b. Soweit die Antragsteller einen Mehrbedarf nach § 30 Abs. 1 SGB XII begehren, besteht schon deshalb kein Anordnungsanspruch, weil für beide Antragsteller nicht nachgewiesen ist, dass durch einen Bescheid der nach § 152 Absatz 4 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 152 Absatz 5 SGB IX das Merkzeichen G festgestellt worden ist, zumal auch keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass bei den Antragstellern solche Erkrankungen vorliegen, die die Feststellung dieses Merkzeichens nach sich ziehen würden. Allein aufgrund einer festgestellten Schwerbehinderteneigenschaft ergibt sich kein Anspruch auf diesen Mehrbedarf.
c. Hinsichtlich des weiter begehrten Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung gemäß § 30 Abs. 5 SGB XII, wonach für Kranke, Genesende, behinderte Menschen oder von einer Krankheit oder von einer Behinderung bedrohte Menschen, die einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt wird, haben die Antragsteller ebenfalls keinen Anordnungsanspruch geltend gemacht. Voraussetzung für die Gewährung des Mehrbedarfs ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die eine Ernährung erfordert, deren Kosten höher ("aufwändiger") ist, als dies für Personen ohne diese Einschränkung der Fall ist. Da eine Vollkosternährung vom Regelbedarf gedeckt ist, besteht eine kostenaufwändige Ernährung grundsätzlich nur bei einer besonderen, von der Vollkost abweichenden Ernährungsform (BSG, Urteil vom 20.02.2014 - B 14 AS 65/12 R juris). Die Antragsteller haben hier weder im Verwaltungsverfahren noch im Antragsverfahren ausreichende (medizinische) Unterlagen vorgelegt, aus denen sich ein solcher Bedarf ergeben würde. Offen lassen konnte der Senat daher, ob der an die Antragstellerin zu 2 gerichtete Bescheid vom 28.08.2019, mit dem ihr Antrag auf Gewährung eines solchen Mehrbedarfs abgelehnt worden war, tatsächlich schon bestandskräftig ist, oder ob er doch vom Widerspruchsbescheid vom 29.10.2019, der wiederum Gegenstand des noch beim SG anhängigen Verfahrens S 28 SO 5017/19 ist, mit umfasst ist. Beim Antragsteller zu 1 war darüber hinaus zu beachten, dass der Antragsgegner hierzu sogar eine amtsärztliche Stellungnahme beim Gesundheitsamt eingeholt hat. In dieser Stellungnahme vom 08.10.2019 wurde das Erfordernis einer besonderen Krankenkostform verneint.
d. Soweit die Antragsteller weiter einen Zuschuss zu den Energiekosten, Kleidergeld, Zuschüsse zur Anschaffung von verschiedenen elektronischen Geräten sowie einem E-Bike und insgesamt höhere (Regel-) Leistungen begehren, ist ebenfalls kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht worden. Zunächst ist zu beachten, dass die tatsächliche Deckung des in § 27a Abs. 1 SGB XII beschriebenen "notwendigen Lebensunterhalts" außerhalb von stationären Einrichtungen abgesehen von den Kosten für Unterkunft und Heizung, die grundsätzlich in tatsächlicher Höhe übernommen werden, und von bestimmten Sonder- bzw. Mehrbedarfen (vgl. Drittes Kapitel Abschnitte 2-4), in der Regel über pauschale Regelsätze geschieht (vgl. die § 27a Abs. 3, 4 und 5 SGB XII, vgl. Gutzler in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 27a SGB XII (Stand: 01.02.2020), Rn. 32). Die maßgeblichen Regelsätze hat der Antragsgegner hier bei der Berechnung berücksichtigt. Eine abweichende Festsetzung der Regelsätze kommt nach § 27 a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB XII nur dann in Betracht, wenn ein Bedarf unausweichlich in mehr als geringem Umfang oberhalb durchschnittlicher Bedarfe liegt, wie sie sich nach den bei der Ermittlung der Regelbedarfe zugrundeliegenden durchschnittlichen Verbrauchsausgaben ergeben, und die dadurch bedingten Mehraufwendungen begründbar nicht anderweitig ausgeglichen werden können. Die Antragsteller haben hier zwar pauschal vorgetragen, einen höheren Energiebedarf, einen höheren Verschleiß der Kleidung und insgesamt aufgrund ihres Alters und der vorliegenden Erkrankungen höhere Kosten zu haben, wie hoch dieser Bedarf ist, warum dieser unabweislich ist und warum der Bedarf in nicht nur geringem Umfang über den durchschnittlichen Verbrauchsausgaben liegt, haben sie aber weder konkret dargelegt noch in irgendeiner Form glaubhaft gemacht.
Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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