L 10 U 2687/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 2046/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 2687/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 17.07.2019 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist Anerkennung des Ereignisses vom 28.09.2015 als Arbeitsunfall.

Die am 1958 geborene Klägerin war zur Zeit des angeschuldigten Ereignisses bei E. & H. K. GmbH & Co. KG als Verkäuferin in einem Fabrikverkauf versicherungspflichtig beschäftigt. Am 28.09.2015 befand sich die Klägerin in Ausübung dieses Beschäftigungsverhältnisses im Laden ihrer Arbeitgeberin, als sie einer Kundin die Hose kürzen wollte. Als sie Stecknadeln vom Ladentisch holen wollte, fiel sie hinter dem Ladentisch um und - nach eigenen Angaben - auf den Kopf (Akten-Id: 2, 7 S. 1 Verwaltungsakte - VA -).

Von diesem Vorgang erhielt die Beklagte erstmals im Januar 2018 durch einen Anruf der Klägerin Kenntnis. Ebenfalls im Januar 2018 erstattete die Arbeitgeberin der Klägerin eine Unfallanzeige (Akten-Id: 1 VA). Danach sei die Klägerin kurzeitig bewusstlos gewesen und hinter der Ladentheke umgefallen. Eine Kollegin aus dem Büro sei herbeigeholt worden, die die Geschäftsinhaberin informiert habe. Daraufhin sei sofort ein Krankenwagen gerufen worden. Im weiteren Verlauf übersandte die Klägerin medizinische Befundunterlagen, aus denen sich Folgendes ergibt:

Die Klägerin wurde noch am Tag des Ereignisses zur stationären Behandlung im Z. Klinikum, Klinik für Innere Medizin, A. aufgenommen. Die Aufnahme erfolgte initial "bei Sturzereignis und hypertensiver Entgleisung" (endgültiger Arztberief, Akten-Id: 7, S. 3 bis 5 VA). Die Ärzte stellten folgende Diagnosen: hypertensive Entgleisung, Cephalgien und Kollaps (am ehesten psychosomatische Reaktion, kein Anhalt für einen ischämischen cerebralen Insult), kardiovaskuläre Risikofaktoren (Adipositas, arterielle Hypertonie, klinisch Verdacht auf Schlaf-Apnoe-Syndrom, Hypercholesterinämie), Ausschluss hypertensive Herz- und Nierenerkrankung im Januar 2015, Lipidatheromatose der Carotiden 27.01.2015, psychosomatische Kopfschmerzen. Bei der Aufnahme berichtete die Klägerin über sehr starke Kopfschmerzen und teilte mit, dass eine arterielle Hypertonie vorbekannt sei und sie verschiedene therapeutische Versuche auf Grund Medikamentenunverträglichkeit beendet habe. Bei der klinischen Aufnahmeuntersuchung zeigte sich eine Ataxie und Dysmetrie beim Finger-Nase-Versuch sowie eine angegebene Diplopie (Doppelbilder sehen), weshalb eine Verlegung auf die Stroke Unit erfolgte. Im weiteren Verlauf konnten keine fokal neurologischen Defizite objektiviert werden, auch nicht die angegebenen Doppelbilder. Die fragliche Dysmetrie beim Finger-Nase-Versuch wurde von den Ärzten des Klinikums am ehesten im Rahmen einer Psychosomatisierung gedeutet. In der Computertomographie (CT) des Schädels zeigte sich kein Nachweis einer frischen Blutung oder Ischämie. Nach Rückverlegung auf die Normalstation wurde die antihypertensive Therapie ergänzt, woraufhin es zu Besserung der Kopfschmerzen und einer Senkung der Blutdruckwerte kam. Die Blutdruckwerte zeigten im weiteren Verlauf schwankende Werte, abhängig vom psychischen und emotionalen Zustand der Klägerin.

Nach entsprechender Indikation wurde die Klägerin am 14.10.2015 in stabilem Allgemeinzustand auf die psychosomatische Station des V. von P. Hospital in R. verlegt. Am 29.10.2015 wurde sie auf eigenen Wunsch in ausreichend stabiler Stimmungslage (Diagnosen: leicht bis mittelgradige depressive Episode, Verdacht auf Somatisierungsstörung, benigne essentielle Hypertonie, Cephalgie, Hypercholesterinämie, Zustand nach SHT - Schädel-Hirn-Trauma - mit intermittierenden Kopfschmerzen und Verdacht auf PNP - Polyneuropathie -) aus dem V. von P. Hospital entlassen (Akten-Id: 7, S. 77 f. VA). Im Klinikum lehnte die Klägerin eine Behandlung mit einem Antidepressivum ab.

Vom 02. bis 30.12.2015 war die Klägerin auf Kosten des Rentenversicherungsträgers in stationärer Rehabilitationsbehandlung in der M. Klinik am S. , Abteilung Psychosomatik/Psychotherapie, und wurde dort unter den Diagnosen Anpassungsstörung mit Angst und Depression gemischt, arterielle Hypertonie, Lipidatheromatose der Carotiden und Hypercholesterinämie mit einem Leistungsvermögen für ihre zuletzt ausgeübte sozialversicherungspflichtige Tätigkeit von sechs Stunden und mehr bei aktuell bestehender Arbeitsunfähigkeit entlassen (Akten-Id: 7, S. 66 ff. VA). Beim Aufnahmegespräch berichtete die Klägerin von einem erhöhten und instabilen Blutdruck, stechenden und drückenden Schmerzen im linken Kopf- und Brustbereich sowie zeitweise auftretenden Schwindelgefühlen und einem bei Belastung auftretenden Taubheitsgefühl in beiden Füßen. Außerdem habe sie Angst, dass sie erneut zusammenbrechen könne und zeige - so die Ärzte - Sicherheitsverhalten, gehe vor allem in Begleitung ihres Mannes außer Haus. Die arterielle Hypertonie werde - so die Klägerin - seit zwei Jahren medikamentös behandelt. Die Ärzte führten aus, die Entstehung der vorliegenden Erkrankung lasse sich mit einem multifaktoriellen Modell erklären, in dem äußere situative Auslöser (auch erhöhter Blutdruck, Kollaps mit zu Beginn Verdacht auf Schlaganfall), Kompetenzdefizite, pathologische Überzeugungen und lebensüberdauernde Konflikte, welche vor dem Hintergrund einer emotional wenig spiegelnden und starre und enge Regeln vorgegebenen Primärfamilie eine Rolle spielten.

Die Klägerin befand sich in der Folgezeit in weiterer ärztlicher Behandlung, u.a. im Januar 2016 bei dem Diplom-Psychologen und Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. W. , der eine Polyneuropathie nach neurologischer Untersuchung ausschloss und eine chronische Kopfschmerzsymptomatik im Rahmen einer medikamentenpflichtigen Hypertonie diagnostizierte (Akten-Id: 7, S. 64 f. VA).

Vom 15. bis 19.02.2016 war die Klägerin in stationärer neurologischer Behandlung im S. Krankenhaus S. , Klinik für Neurologie, wo die Ärzte eine chronische paroxysmale Hemikranie (anfallsweiser Halbkopfschmerz) links, einen Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma 09/2015, eine sensible Polyneuropathie, eine arterielle Hypertonie und eine Hypercholesterinämie diagnostizierten (Akten-Id: 7, S. 57 ff. VA). Die Klägerin befand sich dort zur weiteren Abklärung wegen intermittierender linkstemporaler starker Kopfschmerzen. In der klinisch-neurologischen Untersuchung fanden sich keine Defizite. Die kardiale Diagnostik mittels EKG und Langzeit-EKG war nicht wegweisend, das EEG zeigte keine Allgemeinveränderung, auch keine epilepsietypischen Potentiale. Von der klinischen Schilderung der Klägerin hätten - so die Ärzte - die Kopfschmerzen fokaler Intensität am ehesten zu einer chronischen paroxysmalen Hemikranie gepasst, so dass mit Indometazin ein therapeutischer Versuch unternommen worden und die Klägerin am nächsten Tag beschwerdefrei gewesen sei. Die Polyneuropathie sei auf Grund abgeschwächter Reflexe der unteren Extremitäten und geminderter Pallästhesie sowie Kribbeln beider Beine diagnostiziert worden.

Anfang März 2016 berichtete die Ärztin für Anästhesiologie Dr. M. über die schmerztherapeutische Behandlung der Klägerin unter den Diagnosen Halswirbelsäulen(HWS)-Syndrom, myofaszialer Schmerz, biomechanischer Funktionsstörung der HWS, somatoforme Schmerzstörung, craniomandibuläre Dysfunktion, Depression (gegenwärtig mittelgradige Episode), Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma, Adipositas (Akten-Id: 7, Seite 54 f. VA).

Vom 17.05. bis 11.06.2016 befand sich die Klägerin in schmerztherapeutischer stationärer Behandlung des Klinikums K. , in dem eine Trigeminusneuropathie links, ein Verdacht auf atypische Trigeminusneuralgie, eine sensible Polyneuropathie, ein Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma 09/2015, eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, eine längere depressive Reaktion, Adipositas, arterielle Hypertonie, Hypercholesterinämie, eine allergische Reaktion auf bestimmte Medikamente und ein Zustand nach Hysterektomie 2008 diagnostiziert wurden (Akten-Id: 7, S. 50 ff. VA). Die Klägerin gab dort an, dass ihre Kopfschmerzen im September 2015 nach dem Sturz am Arbeitsplatz begonnen hätten, wobei sie keine Vorzeichen oder ein Stolpern in Erinnerung habe. Weiter gab sie an, dass ihr bereits drei bis vier Wochen vor diesem Ereignis etwas Schwindel aufgefallen sei und sie zum Zeitpunkt des Sturzes schon länger eine Phase mit sehr viel Stress am Arbeitsplatz gehabt habe, sehr viele Kontakte habe, sie in der Freizeit in diversen Vereinen, kirchlich engagiert, über 16 Jahre Schöffin, politisch aktiv und oft in Vorständen bei Vereinen gewesen sei (Akten-Id: 7, S. 47 ff. VA). Vom 03. bis 26.11.2016 befand sich die Klägerin dort erneut zur stationären schmerztherapeutischen Behandlung wegen der weiterhin bestehenden plötzlichen Schmerzattacken im linken Schläfenbereich und über dem linken Ohr unter den Diagnosen chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, längere depressive Reaktion und Adipositas (Akten-Id: 7, S. 43 f. VA).

Vom 22. bis 24.09.2016 befand sich die Klägerin zur stationären Behandlung in der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums T. , wo der Verdacht auf eine sensomotorische Polyneuropathie und eine Somatisierungsstörung geäußert wurde und attackeartige linksseitige Gesichtsschmerzen und unklare Synkope mit leichtem Schädel-Hirn-Trauma 09/2015 diagnostiziert wurden (Akten-Id: 7, S. 17 ff. VA). Dort wurde eine craniale Computertomographie (cCT) durchgeführt, die altersentsprechend unauffällig war und keinen Nachweis einer frischen territorialen Ischämie, einer intracerebralen Blutung oder einer Liquorzirkulationsstörung zeigte (Akten-Id: 7, S. 18 VA).

Am 30.12.2016 wurde auf Grund der Trigeminusneuralgie V 1 linksbetont eine operative Dekompression des Nervus Trigeminus durchgeführt (Akten-Id: 7, S. 35 VA, Bl. 23 ff. SG-Akte), woraufhin es in der Folge zu deutlich weniger Schmerzattacken kam (Akten-Id: 7, S. 38 VA).

Im Frühjahr 2017 befand sich die Klägerin auf Kosten des Rentenversicherungsträgers in stationärer Rehabilitationsbehandlung unter den Diagnosen Trigeminusneuralgie V 1 linksbetont, OP am 30.12.2016, arterielle Hypertonie, Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma 09/2015, Allergien gegen bestimmte Medikamente, sensible Polyneuropathie der Füße beidseits, Hypercholesterinämie, Somatisierungsstörung und depressive Episode; zum Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma führten die Ärzte dort aus "unklare Synkope mit leichtem Schädel-Hirn-Trauma 09/2015" (Akten-Id: 7, S. 34 ff. VA).

Vom 13. bis 29.07.2017 war die Klägerin zur stationären schmerztherapeutischen Behandlung in der Schmerzklinik K. unter den Diagnosen Sunct-Syndrom, chronischer Kopfschmerz nach Kraniotomie, anamnestisch Trigeminusneuralgie seit 2015 bei Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma, nach Synkope 2015 und Janetta-OP 12/2016, sensible Polyneuropathie seit 2015, arterielle Hypertonie, bekanntes Hämangiom der Leber, anhaltende Visusstörung links ohne Anhalt für Arteriitis temporalis, schädlicher Gebrauch von Tilidin, depressive Episode mittelgradig, Persönlichkeitsänderung bei chronischem Schmerzsyndrom und chronischer Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (Akten-Id: 7, S. 25 ff. VA).

Nach entsprechender ambulanter Vorstellung wegen chronischer Kopf- und Gesichtsschmerzen im September und Oktober 2017 (Akten-Id: 7, S. 14, 16 VA) befand sich die Klägerin vom 27. bis 30.11.2017 in stationärer Behandlung in der Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums T. zur occipitalen peripheren Nervenfeld-Testsimulation, bei der sich neue neurologische Defizite nicht eruieren ließen (Akten-Id: 7, S. 11. VA). Die Ärzte dort diagnostizierten attackeartige linksseitige Kopfschmerzen mit Ausstrahlung in das linke Auge, Sunct-Syndrom, anamnestisch Schmerzen links seit 2015, Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma nach Synkope im Jahr 2015, Zustand nach Janetta-OP links 12/2016, chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren und Persönlichkeitsveränderung bei chronischem Schmerzsyndrom sowie arterielle Hypertonie, bekanntes Hämangiom der Leber und sensible Polyneuropathie seit 2015. Die Klägerin gab dort an, sie habe seit dem Sturz im September 2015 linksparitale und occipitale Schmerzattacken mit Ausstrahlung in das linke Auge mit einer Dauer von ca. zehn bis 15 Sekunden, die durch Kälte und Stress provoziert werden könnten. In diesem Klinikum befand sie sich auch erneut vom 11. bis 13.12.2017 zur Implantation eines permanenten Generators (zur Rückenmarkstimulation, auch Impulsgenerator oder Neurostimulator genannt) rechts gluteal, unter dem eine Besserung der vorbestehenden Symptomatik stattfand (Akten-Id: 7, S. 6 ff. VA).

Mit Bescheid vom 22.02.2018 (Akten-Id: 15 VA) entschied die Beklagte, dass ein Arbeitsunfall nicht vorliege und Ansprüche auf Leistungen nicht bestünden. Zur Begründung führte sie aus, dass die nach dem Ereignis vom 28.09.2015 während der stationären Behandlung im September/Oktober 2015 "zu Tage getretenen" Gesundheitsschäden nicht durch ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper der Klägerin einwirkendes Ereignis entstanden seien, sondern vielmehr auf bereits vorhandene Erkrankungsanlagen zurückzuführen seien, welche nur bei der Gelegenheit der betrieblichen Tätigkeit zu Tage getreten seien. Sie seien nicht durch die betriebliche Tätigkeit verursacht.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und begründete ihn damit, dass ihre ganze Krankheitsgeschichte am Tag des streitigen Ereignisses angefangen habe und durch den Aufprall mit dem Kopf auf den Fliesenboden verursacht worden sei. Es sei richtig, dass sie zuvor bereits Bluthochdruck gehabt habe, aber zu keinem Zeitpunkt so massive Kopfschmerzattacken und die Polyneuropathie in beiden Füßen. Der Sturz sei der Auslöser dieser Kopfschmerzattacken.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.08.2018 (Akten-Id: 25 VA) wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Sturz vom 28.09.2015 sei auf Grund eines plötzlichen Bewusstseinsverlustes eingetreten, als der Blutdruck kurzfristig entgleist sei. Die Blutdruckentgleisung sei gelegentlich der beruflichen Tätigkeit der Klägerin als Verkäuferin zum Ausbruch gekommen, aber nicht durch sie verursacht worden. Eine frische innere Blutung oder eine Unterversorgung mit Blut im Kopf habe nach dem Sturz nicht vorgelegen. Betriebliche Umstände, so etwa der Aufprall auf dem Fliesenboden, hätten zu keiner strukturellen Verletzung des Kopfes geführt. Vielmehr habe die Auswertung der medizinischen Unterlagen ergeben, dass die Kopfschmerzen auf somatische oder psychische Faktoren zurückzuführen seien.

Hiergegen hat die Klägerin am 21.08.2018 Klage zum Sozialgericht Reutlingen erhoben und im Wesentlichen vorgetragen, dass der berufsbedingte Stress Auslöser für die hypertensive Krise und damit des Arbeitsunfalls gewesen sei.

Mit Urteil vom 17.07.2019 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Klägerin durch den Sturz am 28.09.2015 zwar einen Gesundheitserstschaden in Form eines Schädel-Hirn-Traumas erlitten habe, allerdings kein Zusammenhang zwischen der versicherten Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses und dem Unfallereignis selbst bestanden habe, sondern der Unfall vielmehr auf einer sog. inneren Ursache beruht habe. Die hypertensive Entgleisung habe zur Bewusstlosigkeit und zum Sturz der Klägerin geführt. Ein Stolpern oder dergleichen sei nicht dokumentiert und der Klägerin auch nicht erinnerlich. Somit sei allein die Ohnmacht unmittelbar ursächlich für den Sturz. Für diese innere Ursache sei auch eine arterielle Hypertonie vorbekannt. Verschiedene therapeutische Versuche habe die Klägerin wegen Medikamentenunverträglichkeit beendet und auch zuletzt nicht mehr eingenommen. Auch habe sie in der Schmerzklinik des Klinikums K. angegeben, dass ihr schon etwa drei bis vier Wochen vor dem Sturz Schwindel aufgefallen sei. Betriebliche Umstände hätten das Sturzereignis nicht in besonderer Weise geprägt. Soweit die Klägerin geltend gemacht habe, die Blutdruckentgleisung sei ihrem beruflichen Stress geschuldet gewesen, könne sich die Kammer schon nicht vom Vorliegen einer außergewöhnlichen beruflichen Belastung überzeugen.

Die Klägerin hat am 08.08.2019 gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 29.07.2019 zugestellte Urteil Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt, das die Berufung zuständigkeitshalber an das hiesige LSG abgegeben hat. Ihr Rechtsmittel hat sie nicht begründet.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Sozialgericht Reutlingen vom 17.07.2019 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.02.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.08.2018 zu verurteilen, das Ereignis vom 28.09.2015 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 22.02.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.08.2018, mit dem die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 28.09.2015 als Arbeitsunfall und die Gewährung von Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung ablehnte.

Die hier vorliegende kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist - wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat - zulässig. Mit der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG begehrt die Klägerin die Aufhebung der die Anerkennung als Arbeitsunfall und die Gewährung von Leistungen pauschal ablehnenden Verwaltungsentscheidungen, weil diese bei Vorliegen eines Arbeitsunfalles einer künftigen Leistungsgewährung entgegenstünden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kann der Versicherte an Stelle gerichtlicher Feststellung (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG, vgl. hierzu u.a. BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 46/03 R, zitiert - wie alle nachfolgenden höchstrichterlichen Entscheidungen - nach juris) auch die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung eines Arbeitsunfalles als Element eines jeglichen Leistungsanspruchs im Wege der Verpflichtungsklage verlangen (Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R mit weiteren Ausführungen zur Anspruchsgrundlage; speziell zur Anerkennung eines Arbeitsunfalles BSG, Urteil vom 15.05.2012, B 2 U 8/11 R).

Hingegen ist nicht über eine Leistungspflicht der Beklagten zu entscheiden. Denn die Klägerin macht - nachdem bereits die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen pauschal ablehnte - keine konkreten Ansprüche auf bestimmte Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (z. B. Heilbehandlung, Verletztengeld oder Verletztenrente) geltend. Vielmehr begehrt sie zunächst nur eine Klärung von Grundlagen der in Frage kommenden Leistungsansprüche, hier des von der Beklagten verneinten Arbeitsunfalls. Eine solche Klärung kann der Versicherte im Wege der Verpflichtungsklage herbeiführen.

Das Sozialgericht hat die zulässige Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zu Recht abgewiesen. Es hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen - § 8 und § 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) - und die geltenden Kausalitätskriterien und sonstigen Grundsätze für den Anspruch auf Anerkennung des Ereignisses vom 28.09.2015 als Arbeitsunfall dargelegt und gestützt hierauf sowie auf die umfangreichen medizinischen Befundunterlagen ebenso zutreffend ausgeführt und begründet, dass die Klägerin die Voraussetzungen für diesen Anspruch nicht erfüllt, weil es bereits an der Unfallkausalität - dem Zusammenhang zwischen der versicherten Verrichtung und dem schädigenden Unfallereignis - fehlt, also gerade nicht die versicherte Verrichtung, sondern die hypertensive Entgleisung der Klägerin und die damit verbundene Bewusstlosigkeit - mithin ausschließlich eine innere, körpereigene Ursache - zu dem Sturz geführt hat und das Aufschlagen auf den Boden des Verkaufsraumes keine betriebsbedingte Risikoerhöhung und damit keine spezifische berufliche Mitursache darstellt. Auch hat das Sozialgericht zutreffend ausgeführt, dass und warum der von der Klägerin als Ursache für die hypertensive Entgleisung geltend gemachte berufliche Stress und damit als außergewöhnliche berufliche Belastung hier nicht zur Anerkennung eines Arbeitsunfalls führt. Einwände dagegen hat die Klägerin mit ihrem Rechtsmittel nicht vorgebracht. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. In Ergänzung der Ausführungen des Sozialgerichts weist der Senat auf die der Entscheidung zu Grunde liegenden Beweisgrundsätze hin: Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Gesundheitsschaden geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können; sie müssen daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 20.12.2016, B 2 U 16/15 R). Nur hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (Unfallkausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und dem Gesundheitsschaden (haftungsbegründende Kausalität) genügt eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG, a.a.O.; vgl. auch BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84, mit weiteren Ausführungen zur Begründung); hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90).

Die Unfallkausalität ist unter Berücksichtigung dieser Beweismaßstäbe aus den vom Sozialgericht zutreffend angeführten Gründen nicht hinreichend wahrscheinlich. Andere Ursachen als die hypertensive Entgleisung und damit ein Kreislaufkollaps kommen für den Sturz gerade nicht in Betracht und wurden von der Klägerin auch nicht geltend gemacht, insbesondere auch kein Stolpern über im Verkaufsraum befindliche Gegenstände.

Klarstellend merkt der Senat an, dass das Holen der Stecknadeln zum Kürzen der Hose zur versicherten Tätigkeit als Verkäuferin gehört und damit eine versicherte Verrichtung ist. Auch liegt ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis - der Sturz und das damit verbundene Aufschlagen auf den Boden des Verkaufsraumes - vor. Da es jedoch bereits - wie vom Sozialgericht zutreffend ausgeführt - an der Unfallkausalität fehlt und die hypertensive Entgleisung allein während (also bei Gelegenheit) der versicherten Tätigkeit auftrat, kann offenbleiben - da nicht entscheidungserheblich -, welchen Gesundheits(erst)schaden der Sturz verursachte (haftungsbegründende Kausalität). Insbesondere bedarf es mithin keiner Entscheidung darüber, ob die Klägerin infolge des Sturzes ein Schädel-Hirn-Trauma, die später (im Mai/Juni 2016 erstmals im Klinikum K. ) diagnostizierte Trigeminusneuralgie und die damit verbundenen und geltend gemachten attackeartigen Kopfschmerzen erlitt. Soweit das Sozialgericht vom Vorliegen eines Schädel-Hirn-Traumas als Gesundheitserstschaden ausgegangen ist, da die behandelnden Ärzte wiederholt (ohne genauere Einordnung hinsichtlich des Schweregrades) von einem Schädel-Hirn-Trauma sprachen, weist der Senat nur am Rande darauf hin, dass ein solches während der unmittelbar nach dem Sturzereignis durchgeführten stationären Untersuchungen auf Grund einer unauffälligen cCT von den erstbehandelnden Ärzten gerade ausgeschlossen wurde und auch äußere Verletzungszeichen in Form struktureller Veränderungen wie z.B. Hämatome oder Schürfwunden von den erstbehandelnden Ärzten im Z. Klinikum nicht dokumentiert wurden. Vor diesem Hintergrund kann auch offenbleiben, auf welcher Befundgrundlage die später (erstmals im V. von P. Hospital) behandelnden Ärzte von einem Schädel-Hirn-Trauma der Klägerin ausgingen und auf welcher Grundlage sie zu der Einschätzung gelangten, dass die Klägerin dieses durch das angeschuldigte Ereignis erlitten habe. Denn das Vorliegen des Gesundheitserstschadens, der im Vollbeweis festzustellen ist, und in einem weiteren Schritt der haftungsbegründenden Kausalität zwischen dem Sturzereignis (Unfallereignis) und diesem Gesundheitserstschaden sind nur entscheidungserheblich, wenn die zwingend erforderliche Unfallkausalität zwischen versicherter Verrichtung und Sturzereignis hinreichend wahrscheinlich ist. Dies ist indes - wie oben dargelegt - hier nicht der Fall.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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