Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 8 U 3258/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 659/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15.01.2020 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten steht die Gewährung einer Verletztenrente im Streit.
Die am.1961 geborene Klägerin rutschte am 16.01.2017 auf dem Weg zu ihrer Arbeitsstelle bei der Firma P. Electronic-Aufbausysteme GmbH auf dem eisglatten Firmenparkplatz aus und stürzte auf den Rücken (Bl. 1 und 13 VA). Hierdurch erlitt sie eine Brustwirbelkörper (BWK) 12-Kompressionsfraktur, die vom 16.01.2017 bis 19.01.2017 konservativ mittels Orthese im S. Klinikum K. stationär behandelt wurde (Bl. 26 ff. SG-Akte). Ein am Unfalltag u.a. gefertigtes MRT der Lendenwirbelsäule (LWS) zeigte neben der frischen Kompressionsfraktur des BWK 12 mit kleinem dorsalen Stempel und mäßiger Duralsackimpression multisegmentale degenerative Veränderungen der LWS (Bl. 27 SG-Akte). Nach der Entlassung wurde die Klägerin von dem Durchgangsarzt und Facharzt für Unfallchirurgie und Orthopädie Dr. D. ambulant weiterbehandelt (s. u.a. Bl. 20 ff. SG-Akte).
Im Rahmen der vom Sektionsleiter der Endoprothetik & Unfallchirurgie des S. Klinikums K. Dr. W. am 02.06.2017 durchgeführten Heilverfahrenskontrolle wurde die Beugung der Wirbelsäule noch eingeschränkt, der Finger-Boden-Abstand mit 30 cm und die Seitneigung des Oberkörpers sowie die Rumpfdrehung noch endgradig behindert beschrieben. Hingegen lagen weder Klopfschmerzen im Bereich der Wirbelsäule, noch sensible oder motorische Ausfälle vor. Die Klägerin wurde im Wesentlichen beschwerdefrei beschrieben (Bl. 119 f. VA).
Am 22.06.2017 stellte sich die Klägerin in der BG Unfallklinik T. in der Sondersprechstunde der Abteilung für berufsgenossenschaftliche Rehabilitation und Heilverfahrenssteuerung vor (Bl. 138 ff. VA). Hier wurden Röntgenaufnahmen der Brustwirbelsäule (BWS) sowohl im Stehen als auch in Inklination/Reklination und ein CT der BWS (Bl. 135 VA) durchgeführt, die einen Kyphosewinkel von 13° bis 14° bei Verdacht auf ein osteopenes Knochenskelett zeigten.
Dem Befundbericht des Dr. D. von Oktober 2017 (Bl. 214 f. VA) lässt sich entnehmen, dass inspektorisch im Geradstand keine Fehlstellung im Bereich der Wirbelsäule und kein Klopfschmerz über der gesamten Wirbelsäule vorlag, die periphere Sensibilität intakt war, keine sichtbaren Atrophien im Seitenvergleich und bei Flexion auch kein Rippenbuckel im Bereich der Wirbelsäule vorhanden waren. Röntgenaufnahmen des BWS-/LWS-Übergangs zeigten im Vergleich zu den Voraufnahmen von April 2017 u.a. keine weitere Höhenminderung der BWK-12-Fraktur mit Höhenverlust der Vorderkante bei erhaltener Hinterkante und einem unveränderten Kyphosewinkel von 14°.
Mit Bescheid vom 05.06.2018 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Rente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls der Klägerin ab (Bl. 255 f. VA) und führte zur Begründung aus, dass der Arbeitsunfall zwar zu einer herabgesetzten Belastbarkeit sowie medizinisch erklärbaren Beschwerden nach einem mit Achsenknick und einem Höhenverlust an der Vorderkante stabil verheilten Bruch des 12. BWK geführt habe, eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um wenigstens 20 vom Hundert (v.H.) jedoch nicht vorliege. Den hiergegen erhobenen Widerspruch (Bl. 259 VA) wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.09.2018 zurück (Bl. 276 f. VA).
Hiergegen hat die Klägerin am 16.10.2018 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben, die sie im Wesentlichen damit begründet hat, dass die Beklagte keine Rentenbegutachtung durchgeführt habe und somit fälschlicherweise nicht von einer rentenberechtigenden MdE ausgehe. Außerdem sei am 21.11.2018 ein Übermüdungsbruch im rechten Fuß diagnostiziert worden, der nur durch eine Fehlstellung zu begründen sei.
Das SG hat eine sachverständige Zeugenauskunft bei Dr. D. eingeholt (Bl. 20 ff. SG-Akte). Dieser hat die Auffassung vertreten, dass die MdE 20 v.H. betrage, da die Höhenminderung des BWK 12 deutlich mehr als 60 v.H. betrage, auch der Duralsack durch die Fraktur eingeengt und die Bandscheibe BWK 11/12 geschädigt worden sei und daher eine Gefügelockerung vorliege.
Nach Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme der Fachärztin u.a. für Chirurgie Dr. H. durch die Beklagte (Bl. 40 ff. SG-Akte), in der diese die Auffassung vertreten hat, dass ein erheblicher Keilwirbel mit Veränderung der Statik nicht feststellbar sei und daher auch eine MdE von 20 v.H. nicht zu begründen sei, hat das SG ein Sachverständigengutachten bei dem Facharzt u.a. für Orthopädie und Unfallchirurgie Prof. Dr. C. eingeholt (Bl. 120 ff. SG-Akte). Als klinischen Befund hat er nach Untersuchung der Klägerin im Bereich der BWS eine Klopfschmerzangabe über den Dornfortsätzen der unteren BWS sowie eine Einschränkung der Beweglichkeit hinsichtlich der Vorneigung mit einem Zeichen nach Ott von 30/30 cm und als radiologischen Befund - es wurden u.a. Funktionsaufnahmen der BWS gefertigt (Bl. 124 SG-Akte) - eine vordere Höhenminderung des 12. BWK mit einer hieraus resultierenden keilförmigen Deformierung von 17° sowie eine Einschränkung der Beweglichkeit zwischen dem 11. und 12. BWK ohne Instabilität mitgeteilt (Bl. 126 SG-Akte). Im Bereich des 3. Mittelfußknochens rechts hat er weder klinisch noch radiologisch einen pathologischen Befund und im Bereich der LWS klinisch eine Schmerzangabe im Lenden-Kreuzbein-Übergang bei Rückneigung und radiologisch degenerative Veränderungen in den Bewegungssegmenten L3/L4 und L4/L5 in Form einer Verschmälerung der entsprechenden Bandscheibenfächer beschrieben (Bl. 126 SG-Akte). Die klinischen und radiologischen Veränderungen im Bereich der unteren BWS hat er ursächlich auf den Arbeitsunfall vom 16.01.2017 zurückgeführt. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und dem im November 2018 diagnostizierten Ermüdungsbruch des 3. Mittelfußknochens rechts sei nicht erkennbar (Bl. 127 SG-Akte). Auch die degenerativen Veränderungen im Bereich der LWS-Segmente L3/L4 und L4/L5 müssten als unfallunabhängig vorbestehend angesehen werden, da sie bereits auf den Aufnahmen vom 30.01.2017 erkennbar gewesen seien (Bl. 127 SG-Akte). Da bei der Klägerin weder ein statisch wirksamer Achsenknick noch eine Instabilität vorliege, betrage die unfallbedingte MdE 10 v.H. (Bl. 129 SG-Akte).
Mit Urteil vom 15.01.2020 hat das SG die Klage abgewiesen und unter Zugrundelegung der unfallmedizinischen Literatur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, S. 466), ausgeführt, dass das Ausheilungsergebnis eines Wirbelkörperbruchs ohne erfolgte Versteifung erst dann eine MdE von 20 v.H. bedinge, wenn eine segmentale Instabilität (bei muskulärer Teilkompensation) verbleibe oder wenn ein stabil verheilter Wirbelbruch zu einem statisch wirksamen Achsenknick mit ggf. vorliegender Höhenminderung der angrenzenden Bandscheibe und mit deutlicher segmentbezogener Funktionsstörung führe. Im Falle der Klägerin liege laut dem Gutachten des Prof. Dr. C. jedoch weder eine Instabilität noch ein statisch wirksamer Achsenknick vor. Der Sachverständige habe durch Funktionsaufnahmen des BWS-/LWS-Übergangs in Vor- und Rückneigung ausgeschlossen, dass bei der Klägerin eine mechanische Instabilität vorliege. Auch ergebe sich aus dem Gutachten des Prof. Dr. C. , dass ein statisch wirksamer Achsenknick nicht bestehe, da diesem nach wissenschaftlichem Kenntnisstand regelmäßig erst ab einem Keilwirbel von mehr als 25° statische Relevanz zukomme und die unfallbedingte Kyphosierung im thorakolumbalen Übergang beim 12. BWK lediglich 17° betrage. Der Einschätzung des Dr. D. hat sich das SG hingegen nicht angeschlossen, da dieser die von ihm angesetzte MdE von 20 v.H. mit einer Gefügelockerung, also mit einer nur vermuteten Instabilität begründet habe, die der Sachverständige Prof. Dr. C. jedoch gerade ausgeschlossen habe. Die bei der Klägerin infolge des verheilten Wirbelbruchs noch verbliebenen funktionellen Einschränkungen seien mit einer MdE von 10 v.H. hinreichend bewertet. Weitere Unfallfolgen bestünden nicht. Die degenerativen Veränderungen im Bereich der LWS-Segmente L3/L4 und L4/L5 seien nach den Ausführungen von Prof. Dr. C. bereits auf den bildgebenden Aufnahmen vom 30.01.2017 zu sehen und damit als vorbestehend und unfallunabhängig zu beurteilen. Auch stehe der im November 2018 diagnostizierte Ermüdungsbruch des rechten Fußes nicht im Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall, da - so der Sachverständige - ein statisch wirksamer Achsenknick der Wirbelsäule nicht vorliege und somit eine ggf. vorhandene Fehlbelastung nicht auf die Wirbelsäulenerkrankung zurückgeführt werden könne. Auch Dr. D. habe die Auffassung der Klägerin, der Ermüdungsbruch sei auf den Arbeitsunfall zurückzuführen, nicht geteilt.
Gegen das ihr am 22.01.2020 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 24.02.2020 - einem Montag - Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Sie hat ausgeführt, dass die in Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., ab S. 465 aufgeführten Kriterien für das Einschätzen der MdE nach Wirbelsäulenverletzungen nicht umfassend berücksichtigt worden seien. So sei weder die Höhenminderung der Bandscheibe Th11/12 noch die durch das Ott`sche Zeichen von 30/30 cm dokumentierte erhebliche Bewegungsbeeinträchtigung, die einer Ankylose gleichzustellen sei, gewürdigt worden. Außerdem sei die Frage unberücksichtigt geblieben, ob eine ungenügende Wiederertüchtigung der Wirbelsäulen-Haltemuskulatur vorliege. Dr. D. habe in seiner sachverständigen Zeugenauskunft jedoch Myogelosen und einen palpatorisch erhöhten Muskeltonus paravertebral der BWS und LWS beidseits beschrieben. Sogar Prof. Dr. C. habe anlässlich seiner Untersuchung mäßige Verspannungen der paravertebralen Muskulatur der BWS beschrieben. Darüber hinaus sei die im Januar 2017 im MRT festgestellte dorsale Kompression des Duralsacks durch die Fraktur unberücksichtigt geblieben. Nach Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 467, seien jedoch auch neurologische Schäden zu berücksichtigen. Es sei daher das MRT der LWS von Januar 2017 auszuwerten, was bislang weder durch die Beratungsärztin Dr. H. noch durch den Sachverständigen Prof. Dr. C. erfolgt sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15.01.2020 sowie den Bescheid vom 05.06.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.09.2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr auf Grund der Folgen des Arbeitsunfalls vom 16.01.2017 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.
Prof. Dr. C. hat sich in einer vom Senat angeforderten ergänzenden Stellungnahme von Juli 2020 mit den in der Berufungsbegründung vorgebrachten Einwänden der Klägerin auseinandergesetzt und an seiner Einschätzung, wonach bei der Klägerin keine MdE von 20 v.H. vorliege, festgehalten (Bl. 19 f. LSG-Akte).
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen. II.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung der Klägerin nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 05.06.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.09.2018, mit dem die Beklagte einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Verletztenrente ablehnte. Das SG hat die hiergegen gerichtete kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zu Recht abgewiesen. Denn der Klägerin steht kein Anspruch auf Verletztenrente wegen der Folgen des am 16.01.2017 stattgehabten Arbeitsunfalls zu.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils die rechtlichen Grundlagen für den hier von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Verletztenrente (§ 56 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch - SGB VII -) dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin die Voraussetzungen für diese Leistung nicht erfüllt, weil die bei ihr (noch) bestehenden Unfallfolgen eine MdE von 20 v.H. nicht bedingen. Es hat sich dabei zu Recht den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. C. angeschlossen und unter Heranziehung des Standardwerks Schönberger/Mehrtens/Valentin (a.a.O.) zutreffend dargelegt, dass bei der Klägerin eine MdE von mindestens 20 v.H. nicht vorliegt und somit auch die Voraussetzungen für die Gewährung einer Verletztenrente nicht gegeben sind. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Auch die von der Klägerin in ihrer Berufungsbegründung vorgebrachten Einwände führen zu keiner anderen Einschätzung. Der Senat schließt sich auch insoweit den Ausführungen des Prof. Dr. C. in seiner ergänzenden Stellungnahme an (Bl. 19 f. LSG-Akte). Der Sachverständige hat überzeugend dargelegt, dass die von ihm durchgeführte Funktionsuntersuchung respektive Bildgebung des BWS-/LWS-Übergangs (vgl. Bl. 124 SG-Akte) gerade keine Instabilität (auch) im Zusammenhang mit der Bandscheibe Th 11/12 ergeben hat, zumal diese - so der Sachverständige - per se auch nicht sonderlich hoch ist (s. Bl. 19 LSG-Akte). Ferner hat er überzeugend ausgeführt, dass und warum die durch das Zeichen nach Ott von 30/30 cm nachgewiesene Bewegungseinschränkung keiner Ankylose (laut Pschyrembel, 267. Auflage 2017, S. 98: fibröse knöcherne Versteifung von Gelenken mit vollständigem Bewegungsverlust) gleichzusetzen ist und die von ihm im Rahmen seiner Begutachtung beschriebene kräftige paravertebrale Muskulatur gegen eine ungenügende Wiederertüchtigung der Wirbelsäulenmuskulatur spricht (Bl. 20 LSG-Akte). Soweit die Klägerin außerdem bemängelt hat, dass die bereits im Januar 2017 im MRT festgestellte dorsale Kompression des Duralsacks unberücksichtigt geblieben sei (Bl. 16 LSG-Akte), hat Prof. Dr. C. zu Recht darauf hingewiesen, dass bei der Klägerin keinerlei neurologische Ausfallerscheinungen dokumentiert sind und sie auch nicht über entsprechende Beschwerden im Rahmen der Anamneseerhebung geklagt hat (Bl. 20 LSG-Akte). Eine Auswertung der MRT-Aufnahmen vom Januar 2017 durch den Sachverständigen ist vor diesem Hintergrund obsolet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten steht die Gewährung einer Verletztenrente im Streit.
Die am.1961 geborene Klägerin rutschte am 16.01.2017 auf dem Weg zu ihrer Arbeitsstelle bei der Firma P. Electronic-Aufbausysteme GmbH auf dem eisglatten Firmenparkplatz aus und stürzte auf den Rücken (Bl. 1 und 13 VA). Hierdurch erlitt sie eine Brustwirbelkörper (BWK) 12-Kompressionsfraktur, die vom 16.01.2017 bis 19.01.2017 konservativ mittels Orthese im S. Klinikum K. stationär behandelt wurde (Bl. 26 ff. SG-Akte). Ein am Unfalltag u.a. gefertigtes MRT der Lendenwirbelsäule (LWS) zeigte neben der frischen Kompressionsfraktur des BWK 12 mit kleinem dorsalen Stempel und mäßiger Duralsackimpression multisegmentale degenerative Veränderungen der LWS (Bl. 27 SG-Akte). Nach der Entlassung wurde die Klägerin von dem Durchgangsarzt und Facharzt für Unfallchirurgie und Orthopädie Dr. D. ambulant weiterbehandelt (s. u.a. Bl. 20 ff. SG-Akte).
Im Rahmen der vom Sektionsleiter der Endoprothetik & Unfallchirurgie des S. Klinikums K. Dr. W. am 02.06.2017 durchgeführten Heilverfahrenskontrolle wurde die Beugung der Wirbelsäule noch eingeschränkt, der Finger-Boden-Abstand mit 30 cm und die Seitneigung des Oberkörpers sowie die Rumpfdrehung noch endgradig behindert beschrieben. Hingegen lagen weder Klopfschmerzen im Bereich der Wirbelsäule, noch sensible oder motorische Ausfälle vor. Die Klägerin wurde im Wesentlichen beschwerdefrei beschrieben (Bl. 119 f. VA).
Am 22.06.2017 stellte sich die Klägerin in der BG Unfallklinik T. in der Sondersprechstunde der Abteilung für berufsgenossenschaftliche Rehabilitation und Heilverfahrenssteuerung vor (Bl. 138 ff. VA). Hier wurden Röntgenaufnahmen der Brustwirbelsäule (BWS) sowohl im Stehen als auch in Inklination/Reklination und ein CT der BWS (Bl. 135 VA) durchgeführt, die einen Kyphosewinkel von 13° bis 14° bei Verdacht auf ein osteopenes Knochenskelett zeigten.
Dem Befundbericht des Dr. D. von Oktober 2017 (Bl. 214 f. VA) lässt sich entnehmen, dass inspektorisch im Geradstand keine Fehlstellung im Bereich der Wirbelsäule und kein Klopfschmerz über der gesamten Wirbelsäule vorlag, die periphere Sensibilität intakt war, keine sichtbaren Atrophien im Seitenvergleich und bei Flexion auch kein Rippenbuckel im Bereich der Wirbelsäule vorhanden waren. Röntgenaufnahmen des BWS-/LWS-Übergangs zeigten im Vergleich zu den Voraufnahmen von April 2017 u.a. keine weitere Höhenminderung der BWK-12-Fraktur mit Höhenverlust der Vorderkante bei erhaltener Hinterkante und einem unveränderten Kyphosewinkel von 14°.
Mit Bescheid vom 05.06.2018 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Rente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls der Klägerin ab (Bl. 255 f. VA) und führte zur Begründung aus, dass der Arbeitsunfall zwar zu einer herabgesetzten Belastbarkeit sowie medizinisch erklärbaren Beschwerden nach einem mit Achsenknick und einem Höhenverlust an der Vorderkante stabil verheilten Bruch des 12. BWK geführt habe, eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um wenigstens 20 vom Hundert (v.H.) jedoch nicht vorliege. Den hiergegen erhobenen Widerspruch (Bl. 259 VA) wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.09.2018 zurück (Bl. 276 f. VA).
Hiergegen hat die Klägerin am 16.10.2018 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben, die sie im Wesentlichen damit begründet hat, dass die Beklagte keine Rentenbegutachtung durchgeführt habe und somit fälschlicherweise nicht von einer rentenberechtigenden MdE ausgehe. Außerdem sei am 21.11.2018 ein Übermüdungsbruch im rechten Fuß diagnostiziert worden, der nur durch eine Fehlstellung zu begründen sei.
Das SG hat eine sachverständige Zeugenauskunft bei Dr. D. eingeholt (Bl. 20 ff. SG-Akte). Dieser hat die Auffassung vertreten, dass die MdE 20 v.H. betrage, da die Höhenminderung des BWK 12 deutlich mehr als 60 v.H. betrage, auch der Duralsack durch die Fraktur eingeengt und die Bandscheibe BWK 11/12 geschädigt worden sei und daher eine Gefügelockerung vorliege.
Nach Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme der Fachärztin u.a. für Chirurgie Dr. H. durch die Beklagte (Bl. 40 ff. SG-Akte), in der diese die Auffassung vertreten hat, dass ein erheblicher Keilwirbel mit Veränderung der Statik nicht feststellbar sei und daher auch eine MdE von 20 v.H. nicht zu begründen sei, hat das SG ein Sachverständigengutachten bei dem Facharzt u.a. für Orthopädie und Unfallchirurgie Prof. Dr. C. eingeholt (Bl. 120 ff. SG-Akte). Als klinischen Befund hat er nach Untersuchung der Klägerin im Bereich der BWS eine Klopfschmerzangabe über den Dornfortsätzen der unteren BWS sowie eine Einschränkung der Beweglichkeit hinsichtlich der Vorneigung mit einem Zeichen nach Ott von 30/30 cm und als radiologischen Befund - es wurden u.a. Funktionsaufnahmen der BWS gefertigt (Bl. 124 SG-Akte) - eine vordere Höhenminderung des 12. BWK mit einer hieraus resultierenden keilförmigen Deformierung von 17° sowie eine Einschränkung der Beweglichkeit zwischen dem 11. und 12. BWK ohne Instabilität mitgeteilt (Bl. 126 SG-Akte). Im Bereich des 3. Mittelfußknochens rechts hat er weder klinisch noch radiologisch einen pathologischen Befund und im Bereich der LWS klinisch eine Schmerzangabe im Lenden-Kreuzbein-Übergang bei Rückneigung und radiologisch degenerative Veränderungen in den Bewegungssegmenten L3/L4 und L4/L5 in Form einer Verschmälerung der entsprechenden Bandscheibenfächer beschrieben (Bl. 126 SG-Akte). Die klinischen und radiologischen Veränderungen im Bereich der unteren BWS hat er ursächlich auf den Arbeitsunfall vom 16.01.2017 zurückgeführt. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und dem im November 2018 diagnostizierten Ermüdungsbruch des 3. Mittelfußknochens rechts sei nicht erkennbar (Bl. 127 SG-Akte). Auch die degenerativen Veränderungen im Bereich der LWS-Segmente L3/L4 und L4/L5 müssten als unfallunabhängig vorbestehend angesehen werden, da sie bereits auf den Aufnahmen vom 30.01.2017 erkennbar gewesen seien (Bl. 127 SG-Akte). Da bei der Klägerin weder ein statisch wirksamer Achsenknick noch eine Instabilität vorliege, betrage die unfallbedingte MdE 10 v.H. (Bl. 129 SG-Akte).
Mit Urteil vom 15.01.2020 hat das SG die Klage abgewiesen und unter Zugrundelegung der unfallmedizinischen Literatur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017, S. 466), ausgeführt, dass das Ausheilungsergebnis eines Wirbelkörperbruchs ohne erfolgte Versteifung erst dann eine MdE von 20 v.H. bedinge, wenn eine segmentale Instabilität (bei muskulärer Teilkompensation) verbleibe oder wenn ein stabil verheilter Wirbelbruch zu einem statisch wirksamen Achsenknick mit ggf. vorliegender Höhenminderung der angrenzenden Bandscheibe und mit deutlicher segmentbezogener Funktionsstörung führe. Im Falle der Klägerin liege laut dem Gutachten des Prof. Dr. C. jedoch weder eine Instabilität noch ein statisch wirksamer Achsenknick vor. Der Sachverständige habe durch Funktionsaufnahmen des BWS-/LWS-Übergangs in Vor- und Rückneigung ausgeschlossen, dass bei der Klägerin eine mechanische Instabilität vorliege. Auch ergebe sich aus dem Gutachten des Prof. Dr. C. , dass ein statisch wirksamer Achsenknick nicht bestehe, da diesem nach wissenschaftlichem Kenntnisstand regelmäßig erst ab einem Keilwirbel von mehr als 25° statische Relevanz zukomme und die unfallbedingte Kyphosierung im thorakolumbalen Übergang beim 12. BWK lediglich 17° betrage. Der Einschätzung des Dr. D. hat sich das SG hingegen nicht angeschlossen, da dieser die von ihm angesetzte MdE von 20 v.H. mit einer Gefügelockerung, also mit einer nur vermuteten Instabilität begründet habe, die der Sachverständige Prof. Dr. C. jedoch gerade ausgeschlossen habe. Die bei der Klägerin infolge des verheilten Wirbelbruchs noch verbliebenen funktionellen Einschränkungen seien mit einer MdE von 10 v.H. hinreichend bewertet. Weitere Unfallfolgen bestünden nicht. Die degenerativen Veränderungen im Bereich der LWS-Segmente L3/L4 und L4/L5 seien nach den Ausführungen von Prof. Dr. C. bereits auf den bildgebenden Aufnahmen vom 30.01.2017 zu sehen und damit als vorbestehend und unfallunabhängig zu beurteilen. Auch stehe der im November 2018 diagnostizierte Ermüdungsbruch des rechten Fußes nicht im Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall, da - so der Sachverständige - ein statisch wirksamer Achsenknick der Wirbelsäule nicht vorliege und somit eine ggf. vorhandene Fehlbelastung nicht auf die Wirbelsäulenerkrankung zurückgeführt werden könne. Auch Dr. D. habe die Auffassung der Klägerin, der Ermüdungsbruch sei auf den Arbeitsunfall zurückzuführen, nicht geteilt.
Gegen das ihr am 22.01.2020 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 24.02.2020 - einem Montag - Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Sie hat ausgeführt, dass die in Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., ab S. 465 aufgeführten Kriterien für das Einschätzen der MdE nach Wirbelsäulenverletzungen nicht umfassend berücksichtigt worden seien. So sei weder die Höhenminderung der Bandscheibe Th11/12 noch die durch das Ott`sche Zeichen von 30/30 cm dokumentierte erhebliche Bewegungsbeeinträchtigung, die einer Ankylose gleichzustellen sei, gewürdigt worden. Außerdem sei die Frage unberücksichtigt geblieben, ob eine ungenügende Wiederertüchtigung der Wirbelsäulen-Haltemuskulatur vorliege. Dr. D. habe in seiner sachverständigen Zeugenauskunft jedoch Myogelosen und einen palpatorisch erhöhten Muskeltonus paravertebral der BWS und LWS beidseits beschrieben. Sogar Prof. Dr. C. habe anlässlich seiner Untersuchung mäßige Verspannungen der paravertebralen Muskulatur der BWS beschrieben. Darüber hinaus sei die im Januar 2017 im MRT festgestellte dorsale Kompression des Duralsacks durch die Fraktur unberücksichtigt geblieben. Nach Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 467, seien jedoch auch neurologische Schäden zu berücksichtigen. Es sei daher das MRT der LWS von Januar 2017 auszuwerten, was bislang weder durch die Beratungsärztin Dr. H. noch durch den Sachverständigen Prof. Dr. C. erfolgt sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15.01.2020 sowie den Bescheid vom 05.06.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.09.2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr auf Grund der Folgen des Arbeitsunfalls vom 16.01.2017 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.
Prof. Dr. C. hat sich in einer vom Senat angeforderten ergänzenden Stellungnahme von Juli 2020 mit den in der Berufungsbegründung vorgebrachten Einwänden der Klägerin auseinandergesetzt und an seiner Einschätzung, wonach bei der Klägerin keine MdE von 20 v.H. vorliege, festgehalten (Bl. 19 f. LSG-Akte).
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen. II.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung der Klägerin nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 05.06.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.09.2018, mit dem die Beklagte einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Verletztenrente ablehnte. Das SG hat die hiergegen gerichtete kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zu Recht abgewiesen. Denn der Klägerin steht kein Anspruch auf Verletztenrente wegen der Folgen des am 16.01.2017 stattgehabten Arbeitsunfalls zu.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils die rechtlichen Grundlagen für den hier von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Verletztenrente (§ 56 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch - SGB VII -) dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin die Voraussetzungen für diese Leistung nicht erfüllt, weil die bei ihr (noch) bestehenden Unfallfolgen eine MdE von 20 v.H. nicht bedingen. Es hat sich dabei zu Recht den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. C. angeschlossen und unter Heranziehung des Standardwerks Schönberger/Mehrtens/Valentin (a.a.O.) zutreffend dargelegt, dass bei der Klägerin eine MdE von mindestens 20 v.H. nicht vorliegt und somit auch die Voraussetzungen für die Gewährung einer Verletztenrente nicht gegeben sind. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Auch die von der Klägerin in ihrer Berufungsbegründung vorgebrachten Einwände führen zu keiner anderen Einschätzung. Der Senat schließt sich auch insoweit den Ausführungen des Prof. Dr. C. in seiner ergänzenden Stellungnahme an (Bl. 19 f. LSG-Akte). Der Sachverständige hat überzeugend dargelegt, dass die von ihm durchgeführte Funktionsuntersuchung respektive Bildgebung des BWS-/LWS-Übergangs (vgl. Bl. 124 SG-Akte) gerade keine Instabilität (auch) im Zusammenhang mit der Bandscheibe Th 11/12 ergeben hat, zumal diese - so der Sachverständige - per se auch nicht sonderlich hoch ist (s. Bl. 19 LSG-Akte). Ferner hat er überzeugend ausgeführt, dass und warum die durch das Zeichen nach Ott von 30/30 cm nachgewiesene Bewegungseinschränkung keiner Ankylose (laut Pschyrembel, 267. Auflage 2017, S. 98: fibröse knöcherne Versteifung von Gelenken mit vollständigem Bewegungsverlust) gleichzusetzen ist und die von ihm im Rahmen seiner Begutachtung beschriebene kräftige paravertebrale Muskulatur gegen eine ungenügende Wiederertüchtigung der Wirbelsäulenmuskulatur spricht (Bl. 20 LSG-Akte). Soweit die Klägerin außerdem bemängelt hat, dass die bereits im Januar 2017 im MRT festgestellte dorsale Kompression des Duralsacks unberücksichtigt geblieben sei (Bl. 16 LSG-Akte), hat Prof. Dr. C. zu Recht darauf hingewiesen, dass bei der Klägerin keinerlei neurologische Ausfallerscheinungen dokumentiert sind und sie auch nicht über entsprechende Beschwerden im Rahmen der Anamneseerhebung geklagt hat (Bl. 20 LSG-Akte). Eine Auswertung der MRT-Aufnahmen vom Januar 2017 durch den Sachverständigen ist vor diesem Hintergrund obsolet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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