L 10 U 4220/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 3159/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 4220/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 06.11.2019 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten steht die Anerkennung eines Arbeitsunfalls im Streit.

Die am 1956 geborene Klägerin war von September 1989 bis jedenfalls April 2000 (s. Unfallanzeige, Bl. 92 VA) bei der Stadt K. als Reinigungskraft beschäftigt und bei der Beklagten gesetzlich unfallversichert. Mit Schreiben von April und Mai 2015 beantragte sie bei der Beklagten die Anerkennung eines Unfalls aus dem Jahr 1997 als Arbeitsunfall (Bl. 81 und 85 VA). In ihrer Unfallanzeige von Januar 2016 (Bl. 1 ff. VA) gab sie an, im Oktober 1997 kurz vor Arbeitsende in der T. -Realschule (Werkraum) beim Schließen eines Fensters im Klassenzimmer auf einen Stuhl gestiegen zu sein, dieser beim Absteigen gekippt sei und sie sich am Kopf und Halswirbel verletzt habe. Wann der erste Arztbesuch nach dem Unfall gewesen sei, sei ihr unbekannt. Sie sei von Dr. A. (verstorben am 16.01.2002) behandelt worden. Derzeit werde sie von Dr. S. und Dr. K. behandelt. Sie habe die Arbeit am nächsten Tag wieder aufgenommen. Zeugin des Unfalls sei die Arbeitskollegin Frau R. gewesen.

In der bei der Stadt K. geführten Personalakte der Klägerin ist eine Unfallanzeige an den Württembergischen Gemeindeunfallversicherungsverband - nur formularmäßig datiert auf Mitte Mai 1998 - dokumentiert (Bl. 92 VA), in dem insgesamt drei Unfälle, nämlich aus Oktober 1997, Januar 1999 und April 2000, gemeldet wurden. Darin gab die Klägerin u.a. an, im Oktober 1997 im Werkraum vom Fensterbrett bzw. von der Werkbank gestürzt zu sein. Als Zeugin benannte sie Frau Rieger.

Frau R. teilte der Beklagten auf Nachfrage hin mit, dass sie keine Kenntnis von dem Unfall der Klägerin habe (Bl. 78 VA). Auch die seitens der Beklagten befragten behandelnden Ärzte der Klägerin Dr. D. (Bl. 110 VA) - der Praxisnachfolger von Dr. A. -, Dr. K. (Bl. 123 VA), Dr. S. (Bl. 130 VA) und Dr. R. (Bl. 140 VA) haben weder Kenntnis von einem Unfallereignis im Jahr 1997, noch haben sie die Klägerin wegen darauf zurückzuführender Beschwerden behandelt. Dem beigezogenen Vorerkrankungsverzeichnis der A. lassen sich im Zeitraum von Dezember 1995 bis März 1998 keinerlei Behandlungen oder Arbeitsunfähigkeitszeiten entnehmen (Bl. 61 VA).

Mit Bescheid vom 27.06.2016 und Widerspruchsbescheid vom 28.09.2016 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom Oktober 1997 als Arbeitsunfall ab.

Hiergegen hat die Klägerin am 11.10.2016 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben und u.a. behauptet, der Unfall habe sich konkret am 16.10.1997 ereignet. Sie sei auch ohnmächtig gewesen. Frau R. sei bei dem Unfall mit im Raum gewesen, mehrere weitere Zeugen seien hinzugekommen. Ein Krankenwagen sei nicht gerufen worden.

Mit Urteil vom 06.11.2019 hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Anerkennung eines Arbeitsunfalls u.a. voraussetze, dass die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein müssen. Unabhängig von der Frage, ob bzw. wann das in Rede stehende Ereignis stattgefunden habe, könne nicht festgestellt werden, ob überhaupt ein Gesundheitserstschaden eingetreten sei. Da ein Gesundheitserstschaden jeder abgrenzbare Gesundheitsschaden sei, der unmittelbar durch eine versicherte Einwirkung rechtlich wesentlich verursacht worden sei, müsse das körperliche Schadensbild zumindest im Ansatz durch medizinische Befunde gesichert und erkennbar sein. Dies sei nicht der Fall, da jegliche medizinische Befunde fehlten.

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 15.11.2019 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 16.12.2019 (Montag) Berufung eingelegt und u.a. die Beiziehung der bei der Stadt K. geführten Personalakte, die Zeugenvernehmung der Frau R. und die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeregt.

Die Klägerin beantragt (teilweise sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 06.11.2019 und den Bescheid der Beklagten vom 27.06.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.09.2016 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 16.10.1997 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige, insbesondere auch fristgerecht erhobene - die Klägerin hat gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 15.11.2019 zugestellte Urteil zwar erst am 16.12.2019 Berufung eingelegt; dies ist jedoch unschädlich, da der 15.12.2019 ein Sonntag gewesen ist, §§ 151 Abs. 1, 64 Abs. 3 SGG - Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 27.06.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.09.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte es ablehnte, das von der Klägerin behauptete Ereignis am 16.10.1997 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen (§ 8 des Sozialgesetzbuches Siebtes Buch - SGB VII -, die Grundsätze der Kausalitätsbeurteilung und die Beweismaßstäbe) für den hier von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Anerkennung eines Arbeitsunfalls dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt werden, weil jedenfalls ein Gesundheitserstschaden nicht im Vollbeweis nachgewiesen ist. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung. Insbesondere sieht sich der Senat nicht zu weiteren Ermittlungen gedrängt.

Soweit die Klägerin (nur pauschal) die Beiziehung ihrer bei der Stadt K. geführten Personalakte, in der u.a. auch das Ereignis von 1997 in Gestalt der oben im Tatbestand genannten Unfallanzeige an den Württembergischen Gemeindeunfallversicherungsverband dokumentiert ist, anregt, vermag der Senat Sinn und Zweck einer solchen Beiziehung nicht zu erkennen. Die Klägerin sah diese Personalakte im Rahmen des Verwaltungsverfahrens ein, kopierte die Unfallanzeige und legte sie bei der Beklagten vor (Bl. 89, 92 VA). Die Stadt K. teilte der Beklagten im Februar 2016 mit (Bl. 72 VA), dass sie in der Personalakte der Klägerin die Unfallmeldung gefunden habe, warum diese insgesamt drei Unfälle aus verschiedenen Jahren ausweise und wann diese an die Unfallversicherung weitergeleitet worden sei, ließe sich nicht mehr nachvollziehen. Dass sich aus der Personalakte irgendwelche - bislang unbekannten - Anknüpfungstatsachen hinsichtlich des behaupteten Ereignisses am 16.10.1997 ergeben könnten, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich.

Eine Vernehmung der Frau R. als Zeugin durch den Senat kommt nicht in Betracht da hierdurch keine neuen - entscheidungserheblichen - Tatsachen zu erwarten sind. Frau R. erteilte bereits gegenüber der Beklagten die Auskunft, dass sie "keinerlei Kenntnis" von dem Unfall der Klägerin im Oktober 1997 habe (Bl. 78 VA).

Schließlich bedarf es auch keiner Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens, was die Klägerseite ebenfalls nur pauschal gemeint hat. Denn es mangelt bereits an entsprechenden Anknüpfungstatsachen, nachdem - insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen - weder durch das Vorerkrankungsverzeichnis noch durch die behandelnden Ärzte ein dem behaupteten Ereignis vom 16.10.1997 zuzuordnender (konkreter) Gesundheitserstschaden dokumentiert ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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