L 8 U 3057/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 2744/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 3057/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 24.07.2019 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung weiterer Unfallfolgen und die Gewährung einer höheren Verletztenrente im Streit.

Die 1957 geborene Klägerin erlitt am 30.05.2016 einen bei der Beklagten versicherten Arbeitsunfall, als sie beim Verschließen eines Fensters zu Boden stürzte und sich hierbei eine mehrfragmentäre Spiralfraktur des linken Humerusschaftes [Oberarmschaft] zuzog (Durchgangsarztbericht des Prof. Dr. A. vom Unfalltag). Die Klägerin befand sich vom 30.05. bis 06.06.2016 in stationärer Behandlung im Klinikum L. , wo am 31.05.2016 eine offene Reposition, Mobilisation und Osteosynthese durchgeführt wurden.

Vom 27.02.2017 bis 03.03.2017 war die Klägerin in stationärer Behandlung in der B.Unfallklinik L. , wo eine posttraumatische Schultersteife auf der linken Seite bei Zustand nach knöchern konsolidierter Humerusschaft-Spiralfraktur links mit Plattenosteosynthese und Mobilisation des Nervus radialis links diagnostiziert wurde. Bei einem kurz danach anschließenden dortigen Aufenthalt vom 21.03. bis 30.03.2017 wurde eine Arthrofibrose des linken Schultergelenks bei konsolidierter subkapitaler Humerusfraktur links diagnostiziert. Im Abschlussbericht vom 15.05.2017 wurde ein Bewegungs- und Belastungsdefizit der Schulter nach dislozierter mehrfragmentierter Humerusschaftspiralfraktur AU-Typ 12 C 1 links mitgeteilt.

Im ersten Rentengutachten vertrat der Unfallchirurg und Orthopäde Prof. Dr. A. am 12.07.2017 die Auffassung, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) für die Zeit vom 03.03.2017 bis auf Weiteres mit 25 von Hundert (v.H.) anzunehmen sei. Langfristig sei mit einer MdE um 20 v.H. zu rechnen. Begründet wurde die Einschätzung der MdE mit einer deutlichen Bewegungs- und Belastungseinschränkung des linken Schultergelenkes, bei Vorliegen einer extremen Wetterfühligkeit. Das Osteosynthesematerial in Form einer langen Platte sowie dreier Kabelcerclagen liege noch ein. Außerdem bestünden eine beginnende posttraumatische Omarthrose links und eine ästhetische Beeinträchtigung durch eine kelloidartige Narbe von 25,5 cm Länge. Im Messblatt für obere Gliedmaßen wurde für das linke Schultergelenk ein Bewegungsmaß von 80/0/20 links gegenüber 140/0/30 rechts für die Seitwärts/Körperwärtsbewegung des Armes, von 80/0/20 links gegenüber 160/0/20 rechts für die Rückwärts/Vorwärts-Bewegung des Armes, von 0/0/50 links gegenüber 30/0/90 rechts für das Auswärts/Einwärtsdrehen des Armes und von 10/0/20 links gegenüber 80/0/80 rechts für die Bewegung des Armaufwärts/Einwärts bei um 90 ° seitwärts angehobenem Oberarm angegeben. Die Bewegungsmaße der Unterarmdrehung und der Handgelenke waren demgegenüber seitengleich.

Die Beratungsärztin Dr. S. vertrat am 18.09.2017 die Auffassung, dass die chirurgischen Maßnahmen ausgeschöpft und die konservativen Wege ebenfalls beschritten seien; es sei von einem Endzustand auszugehen. Final könnte eine limitierte Schmerztherapie angeschlossen werden. Die MdE solle auf unfallchirurgischem Fachgebiet festgestellt werden.

Mit Bescheid vom 08.03.2018 anerkannte die Beklagte als Folgen des Arbeitsunfalls am linken Arm verbliebene Bewegungs- und Belastungseinschränkungen nach operativ versorgtem Bruch des Oberarmknochens mit einliegendem Plattenmaterial, eine beginnende posttraumatische Arthrose, sowie eine 25 cm lange Narbe im Operationsbereich. Nicht als Folgen des Arbeitsunfalls anerkannt wurden der Bluthochdruck, die Zuckerkrankheit und die Schilddrüsenunterfunktion der Klägerin. Aufgrund des Unfalls gewährte die Beklagte der Klägerin eine Verletztenrente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um 25 v.H.

Der deswegen eingelegte Widerspruch wurde damit begründet, dass nicht alle Unfallfolgen berücksichtigt worden seien.

Mit Widerspruchsbescheid vom 01.08.2018 wurde der Widerspruch zurückgewiesen, da das Gutachten von Prof. Dr. A. schlüssig begründet sei und die Bewertung der Unfallfolgen keinen Fehler erkennen lasse.

Die Bevollmächtigten der Klägerin erhoben deswegen am 04.09.2018 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG). Die Beklagte habe es versäumt, die Schmerzerkrankung der Klägerin, die sich seit dem Arbeitsunfall eingestellt habe, gebührend zu berücksichtigen. Die Klägerin leide unter nozizeptiven Schmerzen der Schulter/des Oberarms links, und es liege ein Chronifizierungsgrad der Schmerzen Stadium II nach Gerbershagen vor. In der Gesamtschau sei hierdurch eine MdE um 30 v.H. bedingt.

Das SG zog zunächst bildgebende Befunde bei Prof. A ..., Dres. S. und R. , der B.Unfallklinik L. und Dr. B. sowie ein Vorerkrankungsverzeichnis bei der AOK Baden-Württemberg bei.

Anschließend erstellte der Orthopäde Dr. H. am 28.04.2019 im Auftrag des SG ein Sachverständigengutachten. Bei der Klägerin bestehe als unfallspezifischer Körperschaden eine schmerzhafte Funktionsstörung der linken oberen Gliedmaße nach operativer Behandlung einer Oberschenkel-Spiralfraktur mit mehreren Fragmenten und nachfolgender schmerzhafter Schultersteife trotz arthroskopischer Arthrolyse. Die hierdurch bedingte MdE sei mit 25 v.H. zu bewerten, wobei der Gutachter angab, von einer konzentrischen Bewegungseinschränkung der linken Schulter um die Hälfte auszugehen und hierbei zusätzlich die vorgetragenen belastungs- und witterungsabhängigen Schmerzen berücksichtigt zu haben (mit Hinweis auf Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017 S. 560). Außerdem gab der Gutachter an, gegenüber dem Vorgutachten von Prof. Dr. A. vom 12.07.2017 keine relevanten Meinungsdifferenzen festgestellt zu haben.

Nach Anhörung der Beteiligten verurteilte das SG die Beklagte mit Gerichtsbescheid vom 24.07.2019, unter Abänderung des Bescheides vom 08.03.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.08.2018 als weitere Folge des Arbeitsunfalles vom 30.05.2016 eine nach operativer Behandlung nachfolgende schmerzhafte Schultersteife festzustellen, und wies die Klage im Übrigen ab. Die Unfallfolgen seien von dem Gutachter Dr. H. zutreffend und schlüssig mitgeteilt worden. Diese Folgen seien von dem Gutachter schlüssig und nachvollziehbar mit einer MdE um 25 v.H. bewertet worden (unter Hinweis auf Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O.). Hierbei sei der Gutachter zu Recht von einer konzentrischen Bewegungseinschränkung der linken Schulter um die Hälfte ausgegangen und habe zusätzlich die von der Klägerin vorgetragenen belastungs- und witterungsabhängigen Schmerzen berücksichtigt. Bei der Klägerin bestünden im Hinblick auf die Schultern die Bewegungsausmaße in der Beugung/Streckung rechts 140/0/40 gegenüber links 80/0/20, bei Abspreizen/Heranführen rechts 160/0/40 gegenüber links 70/0/20 und beim Auswärts/Einwärtsdrehen rechts 40/0/70 und links 10/0/55. Bei einer Bewegungseinschränkung der Schulter vorwärts/seitwärts bis 90 ° sowie einer freien Rotation sei eine MdE um 20 v.H. angemessen, und bei einer Bewegungseinschränkung vorwärts/seitwärts bis 120 ° Rotation frei eine MdE um 10 v.H.

Die Beklagte hatte zuvor mit Schreiben vom 12.06.2019 das zweite Rentengutachten vom 18.02.2019 des Prof. Dr. D. vorgelegt, welcher ebenfalls von einer MdE um 25 v.H. ausging. Die Unfallfolgen bezeichnete er als konzentrische Bewegungseinschränkung des linken Schultergelenkes mit Kraftminderung des linken Armes, knöchern konsolidierte subkapitale Humerusfraktur links nach Plattenosteosynthese bei einliegendem Implantat, 26 cm lange kelloidartig veränderte Operationsnarbe auf der Außenseite am linken Oberarm, posttraumatische Omarthrose des linken Schultergelenks und geschilderte Wetterempfindlichkeit mit funktioneller Belastungseinschränkung des linken Schultergelenks.

Außerdem vorgelegt worden war der Bescheid über die Gewährung von Rente auf unbestimmte Zeit vom 11.04.2019 mit unveränderter Rentenhöhe nach einer MdE um 25 v.H., wobei die Unfallfolgen wie folgt anerkannt wurden: Nach operativ versorgtem Bruch des Oberarmknochens mit einliegendem Plattenmaterial verbliebene Bewegungs- und Belastungseinschränkungen, posttraumatische Omarthrose im Schultergelenk, Wetterempfindlichkeit, 26 cm lange Narben im Operationsbereich.

Die Bevollmächtigten der Klägerin haben gegen den ihnen am 26.07.2019 zugestellten Gerichtsbescheid am 26.08.2019 beim SG Berufung eingelegt. Das Gutachten und der Gerichtsbescheid seien nicht nachvollziehbar, weil nach Schönberger/Mehrtens/Valentin eine konzentrische Bewegungseinschränkung des Schultergelenks bereits mit einer MdE um 25 v.H. zu bewerten sei, und zusätzlich noch die belastungs- und witterungsabhängigen Schmerzen zu berücksichtigen seien. Insofern werde auch eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht durch das SG gerügt. Es bedürfe bezüglich der Schmerzproblematik der Klägerin der Begutachtung durch einen Schmerzspezialisten, weshalb ausdrücklich die fehlende fachärztliche Expertise des Dr. H. gerügt werde.

Die Klägerin beantragt, teils sinngemäß,

den Gerichtsbescheid vom 24.07.2019 sowie den Bescheid vom 08.03.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.08.2018 sowie den Bescheid vom 11.04.2019 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, als weitere Folge des Arbeitsunfalls vom 30.05.2016 die Gesundheitsstörung "nozizeptive Schmerzen Schulter/Oberarm links" festzustellen sowie der Klägerin ab dem 20.11.2017 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 30 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Gerichts durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG zugestimmt.

Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten und die Akten des SG sowie des LSG Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

Der Senat hat mit dem Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 08.03.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.08.2018 sowie der Bescheid vom 11.04.2019 sind rechtmäßig. Die Klägerin wird durch die angefochtenen Entscheidungen und den angefochtenen Gerichtsbescheid des SG nicht in ihren Rechten verletzt.

Der Bescheid vom 11.04.2019 ist nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Wird ein Bescheid auf Gewährung von Verletztenrente als vorläufige Entschädigung angefochten, wird der während des Klage- oder Berufungsverfahrens erlassene Bescheid über die Gewährung einer Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach §§ 96, 153 SGG zum Gegenstand des Verfahren (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 26. März 2015 – L 6 U 3485/13 –, juris).

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vom Hundert mindern (§ 56 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII). Bei Verlust der Erwerbsfähigkeit wird die Vollrente geleistet, bei einer MdE wird eine Teilrente geleistet, die in der Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente festgesetzt wird, der der MdE entspricht (§ 56 Abs. 3 SGB VII).

Die Folgen eines Arbeitsunfalls können im Wege der Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG gerichtlich geltend und – wie vorliegend – in Kombination mit der Anfechtungs- und Leistungsklage betreffend die Höhe der Unfallrente geltend gemacht werden. Berücksichtigt werden können nur solche Gesundheitsstörungen, die auf einen Versicherungsfall i.S.d. § 7 Abs.1 SGB VII, mithin einen Arbeitsunfall bzw. eine Berufskrankheit, zurückzuführen sind.

Arbeitsunfälle – eine Berufskrankheit nach § 9 SGB VII ist bei der Klägerin nicht festgestellt - sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis - geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheits(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. stellvertretend BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R= SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, B 2 U 40/05 R= UV-Recht Aktuell 2006, 419-422, B 2 U 26/04 R= UV-Recht Aktuell 2006, 497-509, alle auch in juris).

Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr. vgl. zuletzt BSG vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15, jeweils RdNr 11). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).

Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adä-quanztheorie (vgl. zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr. 91) auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen.

Bei mehreren Ursachen ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende (Mit-)Ursache auch wesentlich war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BSG, Urteile vom 09.05.2006, a.a.O.).

Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (st. Rspr. BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a. F. RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr. 15 zu § 1263 a. F. RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R und B 2 U 26/04 R - a.a.O. m.w.H.). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 m. w. N.).

Die Bemessung der MdE wird vom BSG in ständiger Rechtsprechung als Tatsachenfeststellung gewertet, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft. Dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten (BSG SozR 4-2700 § 56 Nr. 2; BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8, S 36 m.w.N.). Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind (BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22, 23; BSGE 82, 212 = SozR 3-2200 § 581 Nr. 5). Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE geschätzt werden (BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind deshalb bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der tägliche Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (BSG a.a.O.; BSG Urteil vom 22.06.2004 - B 2 U 14/03 R - SozR 4-2700 § 56 Nr. 1). Die Erfahrungswerte bilden in der Regel die Basis für einen Vorschlag, den der medizinische Sachverständige zur Höhe der MdE unterbreitet, die aber nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend sind (BSG SozR 2200 § 581 Nr. 23 und 27; BSGE 82, 212 = SozR 3-2200 § 581 Nr. 5; BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8; BSG Urteil vom 18.03.2003 - B 2 U 31/02 R -; BSGE 93, 63 = SozR 4-2700 § 56 Nr. 1; Burchardt in: Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, SGB VII, Stand 2005, § 56 RdNr 71). Die Feststellung der Höhe der MdE als tatsächliche Feststellung erfordert stets die Würdigung der hierfür notwendigen Beweismittel im Rahmen freier richterlicher Beweiswürdigung gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG (BSG, Urteil vom 13.09.2005 - B 2 U 4/04 R - veröffentlicht in juris m. H. auf BSG, SozR 3-2200 § 581 Nr. 8; Urteil vom 18.03.2003 a.a.O.).

Die unfallmedizinischen Bewertungsgrundsätze sind als Grundlage für die gleiche und gerechte Bewertung in allen Parallelfällen heranzuziehen (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004, a.a.O.), denn diese allgemein anerkannten arbeitsmedizinischen Erfahrungssätze bewirken nach dem grundgesetzlichen Gleichbehandlungsgebot über die daraus folgende Selbstbindung der Verwaltung die gebotene Gleichbehandlung aller Versicherten in allen Zweigen der gesetzlichen Unfallversicherung. Abweichungen von den zulässigerweise pauschalisierten Bewertungskriterien sind rechtlich nur dann geboten, wenn die zu bewertende funktionelle Beeinträchtigung des verletzten Organs von dem in der versicherungsrechtlichen und unfallmedizinischen Literatur vorgegebenen, einschlägigen Bewertungsansatz nicht oder nicht vollständig erfasst wird (vgl. Senatsurteil vom 25.10.2013 - L 8 U 2828/12 -, Juris, www.sozialgerichtsbarkeit.de).

Die Beklagte hat mit Bescheid vom 08.03.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.08.2018 als Folgen des Arbeitsunfalls am linken Arm verbliebene Bewegungs- und Belastungseinschränkungen nach operativ versorgtem Bruch des Oberarmknochens mit einliegendem Plattenmaterial, eine beginnende posttraumatische Arthrose sowie eine 25 cm lange Narbe im Operationsbereich anerkannt. Mit dem Änderungsbescheid vom 11.04.2019 wurden darüber hinaus eine posttraumatische Omarthrose im Schultergelenk, eine Wetterempfindlichkeit, und eine Narbenlänge von 26 cm im Operationsbereich als Unfallfolgen anerkannt.

Zudem ist der Gerichtsbescheid des SG bezüglich seines stattgebenden Tenors mit der Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung einer "nach operativer Behandlung nachfolgenden schmerzhaften Schultersteife" rechtskräftig geworden, weil nur die Klägerin Berufung eingelegt hat.

Weitere Unfallfolgen sind im Übrigen nicht nachgewiesen. Der Senat stützt sich hierzu wie zuvor das SG auf das schlüssige und überzeugende Gutachten des Dr. H. vom 28.04.2019. Außerdem stützt sich der Senat auf das im Wege des Urkundsbeweises verwertete zweite Rentengutachten des Prof. Dr. D. vom 18.02.2019. Die mit der Klage und Berufung geltend gemachte weitere Unfallfolge "nozizeptive Schmerzen Schulter/Oberarm links" wird in keinem dieser beiden Gutachten erwähnt.

Nozizeptiver Schmerz wird als Schmerz definiert, der durch die Stimulation von Nozizeptoren ausgelöst wird, z.B. durch eine Verletzung oder durch eine Entzündung. Hiervon unterschieden werden der neurogene Schmerz (Schmerzweiterleitung aufgrund der Verletzung von Nervenbahnen), der psychogene Schmerz (etwa durch Stress, Depression oder eine sonstige seelische Belastung) sowie Mischformen dieser Schmerzarten (Pschyrembel Online, Aufruf am 17.01.2020). Damit handelt es sich bei dem nozizeptiven Schmerz um eine von mehreren Schmerzformen. Dadurch, dass eine postoperative schmerzhafte Schultersteife nach dem insoweit rechtskräftigen Gerichtsbescheid des SG als Unfallfolge anzuerkennen ist, wurden die Schmerzen der Klägerin im Bereich ihrer Verletzung – ohne eine wohl auch nur schwer zu treffende Unterscheidung nach den verschiedenen oben genannten Schmerzformen – bereits zu Recht allgemein als Unfallfolge anerkannt, wovon auch das Vorliegen eines nozizeptiven Schmerzes erfasst wird.

Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass die Beurteilung von Schmerzen zu den Aufgaben aller ärztlichen Sachverständigen für ihr jeweiliges Fachgebiet gehört. Die teilweise anzutreffende und auch mit der Berufungsbegründung vorgetragene Auffassung, es müsse hierzu immer ein Spezialist für Schmerzzustände gehört werden, ist so allgemein nicht zutreffend. Denn die Beurteilung von Schmerzzuständen fällt nicht in ein spezielles Fachgebiet (LSG Baden-Württemberg vom 02.03.2011 - L 6 SB 4878/08). Schmerz als Begleitsymptom einer Gewebeschädigung oder –erkrankung unterliegt keiner anderweitigen eigenständigen Beurteilung, wenn der körperliche Befund (Organpathologie) und das Befinden (Schmerz) in kongruentem Verhältnis stehen. In diesen Fällen bestimmt die mit dem fachbezogenen Befund verknüpfte körperliche Funktionsbeeinträchtigung (gemäß ICF) die Leistungsbeurteilung. Der Schmerz als solcher unterliegt dann keiner eigenständigen Beurteilung mehr (vgl. S. 5, 7 ff. der Leitlinie Schmerzbegutachtung, 4. Aktualisierung 2017, AWMF-Registernummer 094 – 003 (veröffentlich u.a. unter https://www.awmf.org/uploads/tx szleitlinien/094-003l S2k Schmerzbegutachtung 2018-01.pdf). Die Ausführungen der Gutachter sind in diesem Zusammenhang vorliegend so zu verstehen, dass das Schmerzempfinden der Klägerin mit dem organpathologischen Verletzungsbefund in Übereinstimmung steht, und insoweit eine Begutachtung durch einen Schmerzspezialisten nicht erforderlich ist.

Vorliegend sind auch im Übrigen keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die beiden Gutachter Dr. H. und Prof. Dr. D. die unfallbedingten Schmerzen der Klägerin unzutreffend beurteilt haben könnten, zumal die Klägerin gegenüber beiden Gutachtern übereinstimmend von belastungs- und witterungsabhängigen Schmerzen berichtet hat. Hierbei berücksichtigt der Senat auch, dass die Klägerin wieder an ihrem alten Arbeitsplatz in der Herstellung von Fahrradhelmen arbeitet, und offenkundig durch ihre Schmerzen hieran nicht gehindert wird.

Der Feststellungsantrag der Klägerin ist daher nicht begründet.

Die Beklagte hat auch die Gewährung einer höheren Verletztenrente zu Recht abgelehnt. Der Senat schließt sich der Beurteilung der MdE durch die drei Gutachter Prof. Dr. A. , Dr. H. und Prof. Dr. D. an, welche übereinstimmend eine MdE um 25 v.H. angenommen haben. Festgestellt wurde eine konzentrische Bewegungseinschränkung der linken Schulter um die Hälfte, für die – bei freier Rotation – in der unfallmedizinischen Literatur eine MdE um 20 v.H. angenommen wird. Der Zustand einer Versteifung des Schultergelenks (30 Grad Abduktion, Schultergürtel nicht eingeschränkt), wie er bei der Klägerin noch nicht erreicht wird, wird nach allgemeiner Auffassung mit einer MdE um 30 v.H., und der Zustand einer kompletten Versteifung des Schultergelenks mit einer MdE um 40 v.H. bewertet (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017 S. 560). Insofern erscheint es überaus schlüssig, wenn die drei Gutachter ausgehend von einem geringeren Verletzungsumfang der Klägerin übereinstimmend von einer MdE um 25 v.H. ausgehen.

Weitere Ermittlungen hierzu waren demnach auch Sicht des Senats auch nicht veranlasst. Der Senat weist hierzu zusätzlich auf die weiteren Feststellungen des Gutachters Dr. H. hin, der bei der Klägerin keine deutlich einseitige Muskelminderung und eine annähernd seitengleich entwickelte Silhouette von Schultergürtel, Oberarm und Unterarm festgestellt hat. Diese Ausführungen legen den Schluss nahe, dass die Klägerin sowohl im Alltag als auch bei der Ausübung ihres Berufs ihre linke obere Extremität faktisch kaum weniger einsetzt als ihre rechte obere Extremität. Insbesondere hat Dr. H. auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die von der Klägerin angegebenen Schmerzen bei der Beurteilung der MdE berücksichtigt worden sind.

Darüber hinaus liegen bei der MdE-Bewertung gesondert in Ansatz zu bringende außergewöhnliche Schmerzen nicht vor. Übliche Schmerzen stellen ein Begleitsymptom einer körperlich fassbaren Gewebeschädigung bzw. -erkrankung dar. Sie spielen bei der Schmerzbegutachtung keine wesentliche Rolle, weil sie in den gängigen Bewertungstabellen für die jeweilige Schädigung bereits berücksichtigt sind. Deswegen sind Schmerzen, die üblicherweise mit den Schäden verbunden sind, oder weitere subjektive Beschwerden, bereits in den MdE-Erfahrungswerten enthalten. Nur bei nachweisbaren objektivierbaren Besonderheiten kann eine Erhöhung angezeigt sein, während subjektive Angaben des Betroffenen insoweit nicht ausreichen (Ricke, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, SGB VII, § 56 Rn. 40, Stand: 93 EL März 2017; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 12. November 2018 – L 9 U 213/15 –, Rn. 49, juris).

Deswegen sind nur außergewöhnliche Schmerzen im Rahmen der Schmerzbegutachtung zusätzlich zur Gewebeschädigung bzw. -erkrankung gesondert zu bewerten, weil sie zu einer Funktionsbeeinträchtigung führen, die die aus der reinen Gewebeverletzung resultierende deutlich übersteigt. Typische Beispiele sind komplexe regionale Schmerzsyndrome (CRPS), Phantomschmerzen nach Amputationen sowie Thalamusschmerzen und andere zentrale neuropathische Schmerzsyndrome nach Läsionen des Zentralnervensystems (vgl. Schönberger et al., a.a.O., Kap.5.7.2.1, S. 231). Für das Vorliegen einer der vorgenannten Fallgruppen ist hier von vornherein nichts ersichtlich. Auch ist hier kein Fall gegeben, in welchem sich der Schmerz bei der hier objektiv gesicherten Gewebeschädigung mit einer psychischen Komorbidität (Fehlverarbeitung) oder als Leitsymptom einer länger anhaltenden psychischen Erkrankung in Ansatz bringen lässt (vgl. Schönberger et al., a.a.O., Kap. 5.7.2.2 und 5.7.2.3, S. 235; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. Dezember 2019 – L 3 U 82/17 –, Rn. 40, juris).

Die Klägerin hat gegenüber Dr. H. angegeben, Schmerzmedikamente nur noch bedarfsweise einzunehmen (vgl. S. 3 des Gutachtens). Dies ist ein deutlicher Hinweis auf das Fehlen regelmäßiger außergewöhnlicher Schmerzen. Im Übrigen gilt der Grundsatz, dass bei einer geltend gemachten Schmerzsymptomatik eine Anhebung der MdE ausgeschlossen ist, sofern keine spezielle Schmerztherapie in Anspruch genommen wird (Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 28. Februar 2018 – L 2 U 44/14 –, juris).

Damit sind rechtliche Bedenken gegen die angegriffenen Bescheide nicht begründet, weswegen die Berufung insgesamt zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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