L 8 R 960/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 3051/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 R 960/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 22.02.2019 wird zurückgewiesen. Außergerichtlichen Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, in welcher Höhe die Beklagte dem Kläger Kosten für dessen erfolgreiches Widerspruchsverfahren zu erstatten hat.

Mit Bescheid vom 08.08.2017 (nach Blatt 1 der Beklagtenakte/Rente/Rechtsmittel) lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers vom 05.04.2017 auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab. Die medizinischen Voraussetzungen der Rente seien nicht erfüllt.

Hiergegen erhob der Kläger am 29.08.2017 Widerspruch (Blatt 1 der Beklagtenakte/Rente/Rechtsmittel) und begehrte Akteneinsicht, die dem Kläger mit Schreiben vom 05.10.2017 für 3 Wochen gewährt wurde (Blatt 9 der Beklagtenakte/Rente/Rechtsmittel).

Am 17.10.2017 teilte die Hausarztpraxis der Beklagten telefonisch mit, der Kläger sei blind, es habe "letzte Woche" eine Begutachtung durch den MdK stattgefunden. Sie übersende das Gutachten, sobald es ihr vorliege (Blatt 11 der Beklagtenakte/Rente/Rechtsmittel). Das Gutachten des MdK zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit gemäß SGB XI vom 12.10.2017 ging am 24.10.2017 bei der Beklagten ein (Blatt 15/49 der Beklagtenakte/Rente/Rechtsmittel).

Mit Fax vom 03.11.2017 (Blatt 51/53 der Beklagtenakte/Rente/Rechtsmittel) führte der Kläger durch seinen bevollmächtigten Rechtsanwalt aus, er sei vollständig blind und fast vollständig taub. Es sei nicht vorstellbar, welcher Berufstätigkeit er noch nachgehen solle. Es werde anheimgestellt, näher benannte Ärzte zu befragen.

Nach Einholung der sozialmedizinischen Stellungnahme vom 07.12.2017 (Blatt 55/57 der Beklagtenakte/Rente/Rechtsmittel) gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 27.12.2017 dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.11.2017 (Blatt 58/61 der Beklagtenakte/Rente/Rechtsmittel).

Mit Fax vom 17.01.2018 (Blatt 63 der Beklagtenakte/Rente/Rechtsmittel) beantragte der Kläger über seinen bevollmächtigten Rechtsanwalt, die Kosten, Gebühren und Auslagen wie folgt zu erstatten: Geschäftsgebühr in sozialrechtlichen Angelegenheiten § 14 RVG, Nr. 2302 Satz l Nr. l VV RVG 640,00 EUR Einigung oder Erledigung in einem Verwaltungsverfahren in sozialrechtlichen Angelegenheiten, Geschäftsgebühr in sozialrechtlichen Angelegenheiten § 14 RVG, Nrn. 1005, 2302 Satz l Nr. l VV RVG 640,00 EUR Pauschale für Post und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR 19 % Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV RVG 247,00 EUR zu zahlender Betrag 1.547,00 EUR

Auf die Anfrage der Beklagten vom 18.01.2018 (Blatt 63 der Beklagtenakte/Rente/Rechtsmittel), ob sich das Widerspruchsverfahren erledigt habe, erklärte der Kläger durch seinen bevollmächtigten Rechtsanwalt: "Nein" (Fax vom 06.03.2018, Blatt 67 der Beklagtenakte/Rente/Rechtsmittel). Nach Aufforderung der Beklagten, die weiteren Einwände vorzubringen (Blatt 69 der Beklagtenakte/Rente/Rechtsmittel), teilte der Kläger dann über seinen Rechtsanwalt mit Schreiben vom 16.03.2018 (Blatt 73 der Beklagtenakte/Rente/Rechtsmittel) mit, "dass natürlich mit der Gewährung der Rente das Widerspruchsverfahren erledigt ist. Sie haben dem Widerspruch ja abgeholfen."

Mit Bescheid vom 03.04.2018 (Blatt 79 der Beklagtenakte/Rente/Rechtsmittel) erklärte sich die Beklagte bereit, die durch das Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen zu übernehmen und sah die Zuziehung eines Bevollmächtigten als erforderlich an. Mit Kostenfestsetzungsbescheid vom 04.04.2018 (Blatt 83/87 der Beklagtenakte/Rente/Rechtsmittel) setzte die Beklagte die zu erstattenden Kosten des Widerspruchsverfahrens auf 380,80 EUR fest. Die erstattungsfähigen Kosten setzten sich wie folgt zusammen: Geschäftsgebühr Nr. 2302 VV RVG 300,00 EUR Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR ´ Mehrwertsteuer 19 % Nr. 7008 VV RVG 60,80 EUR.

Den hiergegen am 03.05.2018 erhobenen Widerspruch des Klägers (Blatt 89, 105 der Beklagtenakte/Rente/Rechtsmittel), den er damit begründete, dass es darum gehe, ob eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 in Verbindung mit Nr. 1005 VV RVG, die als echte Erfolgsgebühr ausgestaltet sei, angefallen sei, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.10.2018 (Blatt 113 der Beklagtenakte/Rente/Rechtsmittel) zurück.

Der Kläger hat am 31.10.2018 beim Sozialgericht (SG) Mannheim Klage erhoben und begehrt die Beklagte zur Erstattung von 1.547,00 EUR abzüglich geleisteter 380,80 EUR zu verurteilen. Diese Klage hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 22.02.2019 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf einen höheren Erstattungsbetrag. Die von der Beklagten auf die Mittelgebühr festgesetzte Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 VV RVG von 300,00 EUR begegne keinen Bedenken. Auch seien die Voraussetzungen für die Erledigungsgebühr nach Nr. 1005 i.V.m. Nr. 1002 VV RVG nicht erfüllt.

Gegen den seinem Bevollmächtigten am 27.02.2019 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 18.03.2019 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Er habe bei der Beklagten eine Rente wegen Erwerbsminderung beantragt, die abgelehnt worden sei. In dem Widerspruchsverfahren sei er von seinem Rechtsanwalt vertreten worden. Dieser habe den Widerspruch begründet, habe medizinische Unterlagen gesichtet und Beweiserhebung im Rahmen der Amtsermittlung beantragt durch Befragung entsprechender einschlägig behandelnder Ärzte. Daraufhin sei nach weiterer Sachverhaltsermittlung die begehrte Rente gewährt worden. Für seine Tätigkeit habe er Kostenfestsetzungsantrag über 1.547,00 EUR gestellt. Nach Auffassung seines Rechtsanwaltes sei die Höchstgebühr angefallen und die Erledigungsgebühr. Die begehrte Leistung habe für ihn überaus wichtige Bedeutung, denn sie sei für ihn Existenz sichernd. Er sei ansonsten vollkommen einkommens- und vermögenslos. Es handele sich auch um eine Dauerleistung in erheblicher Höhe, die seinen wesentlichen Lebensunterhalt sicherstelle. Wegen der überragenden Bedeutung für ihn sei er der Auffassung, dass die Höchstgebühr angefallen sei. Bei der Erledigungsgebühr sei nach dem Gesetzeswortlaut eine Mitwirkung des Rechtsanwalts bei der Erledigung gefordert. Der Gesetzestext qualifiziere jedoch nicht, welche Art und welchen Umfang die Mitwirkung haben müsse. Nach dem Wortlaut der Vorschrift genüge deshalb jede einfache Art der Mitwirkung des Rechtsanwalts. Die von der Rechtsprechung hierzu geforderte besondere Mitwirkung sei eine Anforderung contra legem. Der Gesetzestext sei eindeutig und der Gesetzgeber habe die extrem einschränkende Rechtsprechung nicht zum Anlass genommen, den Gesetzestext im RVG entsprechend zu ändern. Die Rechtsprechung sei auch grundgesetzwidrig, denn es handele sich bei den Regelungen des RVG um Einschränkungen der Berufsausübungsfreiheit. Ausweitungen dieser Einschränkung dürften deshalb nur positiv gesetzlich geregelt werden aber nicht durch richterliche Entscheidungen. Nach der Rechtsprechung des BSG falle die Erledigungsgebühr dann an, wenn ein Widerspruchsführer von seinem Rechtsanwalt dazu veranlasst werde, sich einen ärztlichen Befundbericht erstellen zu lassen und dessen Vorlage zum Erfolg führt. Nicht anders könne es sein, wenn, wie hier, die behandelnden Fachärzte ermittelt würden und ein entsprechender Beweisantrag gestellt werde.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 22.02.2019 und den Bescheid der Beklagten vom 03.04.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.10.2018 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Kosten des Widerspruchsverfahrens in Höhe von 1.547,00 EUR abzüglich geleisteter 380,80 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Blatt 20, 22 Senatsakte).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 SGG) entscheiden hat, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der in der Kostenrechnung vom 17.01.2018 geltend gemachten 1.547,00 EUR bzw. Freistellung von dieser Forderung seines Rechtsanwalts. Das SG hat die Klage darauf gerichtete zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 03.04.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.10.2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf eine über den Betrag von 380,80 EUR hinausgehende Kostenerstattung bzw. Freistellung.

Gegenstand des Rechtsstreits ist einzig die Frage, in welcher Höhe die von der Beklagten zu erstattenden Kosten des Klägers für das erfolgreiche Widerspruchsverfahren - die Rente wegen voller Erwerbsminderung betreffend - festzusetzen sind. Eine positive Kostengrundentscheidung traf die Beklagte im Rahmen ihres Bescheids vom 03.04.2018.

Nach § 63 Abs. 1 SGB X hat der Rechtsträger, dessen Behörde die angefochtene Entscheidung erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, wenn der Widerspruch erfolgreich ist. Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts sind erstattungsfähig, wenn die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war (§ 63 Abs. 2 SGB X). Gebühren und Auslagen im Sinne des § 63 Abs. 2 SGB X sind nur die gesetzlichen Gebühren und Auslagen, die sich nach dem Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (RVG) bemessen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 RVG), das nach § 4 Einführungsgesetz zum Rechtsdienstleistungsgesetz für die Vergütung von Rentenberatern entsprechend gilt. In sozialrechtlichen Angelegenheiten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, für die - wie vorliegend - bei Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden wäre, entstehen Betragsrahmengebühren (§ 3 Abs. 1, Abs. 2 RVG), die sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zum RVG bestimmen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 RVG). Sie umfassen nach Nr. 2302 in der seit 01.08.2013 geltenden Fassung (2. Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom 23.07.2013, BGBl. I 2586) eine Geschäftsgebühr u.a. für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information (Vorbemerkung Nr. 2.3 Abs. 4 VV RVG). Diese ist aus dem Betragsrahmen von 50,00 bis 640,00 EUR zu bemessen, wobei eine Gebühr von mehr als 300,00 EUR (sogenannte Schwellengebühr) nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig ist (2302 Satz 2 VV RVG). Innerhalb dieses Gebührenrahmens bestimmt der Rechtsanwalt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 RVG; vgl. auch § 315 Abs. 1 BGB) unter Berücksichtigung auch des Haftungsrisikos (§ 14 Abs. 1 Satz 3 RVG). Der Gesetzgeber hat dem Bevollmächtigten damit ein Beurteilungs- und Entscheidungsvorrecht eingeräumt, das mit der Pflicht zur Berücksichtigung der o.g. Kriterien verbunden ist. Die Literatur und ihr folgend die Rechtsprechung gesteht dem Rechtsanwalt darüber hinaus einen Spielraum von 20 % (Toleranzgrenze) zu, der von dem Dritten wie auch von den Gerichten zu beachten ist (BSG 01.07.2009 - B 4 AS 21/09 R - SozR 4-1935 § 14 Nr. 2). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, so ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 Satz 4 RVG; vgl. auch § 315 Abs. 3 BGB), wobei ihm nach allgemeiner Meinung ein Spielraum (sog. Toleranzgrenze) von 20 v.H. zusteht (vgl. BSG a.a.O. m.w.N.). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet; dann erfolgt - wie hier - eine Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren.

Für die Bestimmung der konkreten Gebühr ist in einem ersten Schritt die Gebühr ausgehend von der Mittelgebühr zu bestimmen und diese, sofern sie über der Schwellengebühr liegt, in einem zweiten Schritt bis zur Schwellengebühr zu kappen, wenn der Umfang und/oder die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit nicht mehr als durchschnittlich sind. Eine gesonderte Bedeutung kommt dem Umfang und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit damit allein für die Öffnung des Gebührenrahmens über die Schwellengebühr hinaus zu. Der Umfang oder die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit müssen daher über dem Durchschnitt liegen, um im Ergebnis eine höhere Gebühr als die Schwellengebühr zu erreichen (BSG a.a.O.). Erst wenn dies der Fall ist, findet § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG Anwendung, wobei die dort aufgeführten Bemessungskriterien nicht abschließend sind, so dass weitere, unbenannte Kriterien einbezogen werden können, wobei sämtliche heranzuziehenden Kriterien selbständig und gleichwertig nebeneinanderstehen (BSG, a.a.O.).

In Anwendung dieser Vorgaben hat der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung (oder Freistellung von) einer Geschäftsgebühr über den von der Beklagten festgesetzten Betrag i. H. v. 300,00 EUR hinaus. Der Kläger verkennt, dass die Überschreitung der Schwellengebühr nicht möglich ist, weil die Tätigkeit seines Bevollmächtigten weder ihrem Umfang noch ihrer Schwierigkeit nach überdurchschnittlich war.

Der durchschnittliche Umfang der anwaltlichen Tätigkeit orientiert sich am Leitbild der zugehörigen Verfahrensordnung – vorliegend mithin an einem Vergleich zu den übrigen sozialgerichtlichen Verfahren - am Ablauf eines Verfahrens, jeweils bezogen auf das in der jeweiligen Gebührenziffer umschriebene Tätigkeitsfeld (vg. dazu Thüringer LSG 03.09.2018 – L 1 SF 628/17 B –juris). Zu berücksichtigen ist der zeitliche Aufwand, den der Rechtsanwalt tatsächlich in der Sache betrieb und objektiv verwenden musste.

Der geltend gemachte Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ist insoweit weder durch die Widerspruchsbegründung noch durch einen - im vorliegenden Einzelnen nicht näher dargelegten Beratungsaufwand – so belegt, dass dieser als überdurchschnittlich oder gar außergewöhnlich angenommen werden kann. Soweit der Kläger angibt, sein Rechtsanwalt habe den Widerspruch begründet, medizinische Unterlagen gesichtet und Beweiserhebung durch Befragung entsprechender einschlägig behandelnder Ärzte im Rahmen der Amtsermittlung beantragt, ist für den Senat auch bei wohlwollender Prüfung nicht erkennbar, was sich im Fall des Klägers insoweit von der allgemeinen, mit der Schwellengebühr bereits abgegoltenen Tätigkeit des Rechtsanwaltes im Widerspruchsverfahren unterscheidet. Dies gilt umso mehr - worauf die Beklagte zurecht hingewiesen hat – als der Rechtsanwalt nach Durchführung der Akteneinsicht die für die Erledigung des Rechtsstreits maßgeblichen Umstände – Pflegegutachten – weder in seiner Widerspruchsbegründung angesprochen noch deren Vorlage veranlasst hat; vielmehr hat der behandelnde Arzt – wohl – aus eigenem Antrieb den Kontakt zur Beklagten gesucht und über das Pflegegutachten berichtet sowie dieses auf Bitten der Beklagten vorgelegt. Dass dies auf Veranlassung des Rechtsanwaltes erfolgt ist, ist nicht ersichtlich. Die knappe Widerspruchsbegründung des vom Kläger bevollmächtigten Rechtsanwalts fasste den von der Beklagten übersandten Bescheid hinsichtlich der Erkrankungen und der sozialmedizinischen Beurteilung zusammen, führte aus, dass "diese Auffassung unzutreffend" und der Kläger vollständig blind und fast vollständig taub sei. Er stellte dann anheim benannte Ärzte zu befragen und verwies auf beim Kläger bestehende Wirbelsäulenbeschwerden. Es erfolgte weder ein neuer konkreter Sachvortrag zu den Erkrankungen des Klägers noch wurden neue Befunde vorgelegt, obwohl diese im Pflegegutachten existierten. Vielmehr wird die weitere Sachverhaltsermittlung der Beklagten "anheimgestellt". Auch ist nicht erkenntlich, dass die vom Kläger behauptete Sichtung medizinischer Unterlagen über das hinausging, was im Rahmen der Einsichtnahme in die nicht umfangsreiche Akte der Beklagten angefallen war. Damit kann der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit allenfalls zu Gunsten des Klägers als durchschnittlich angenommen werden.

Auch besondere rechtliche Schwierigkeiten wies das durchgeführte Widerspruchsverfahren selbst nicht auf. Die vom Umfang zu unterscheidende Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit meint die Intensität der Arbeit. Ausgehend von einem objektiven Maßstab ist auf einen Rechtsanwalt abzustellen, der sich bei der Wahrnehmung des Mandats darauf beschränken kann und darf, den Fall mit den einschlägigen Rechtsvorschriften, gegebenenfalls unter Heranziehung von Rechtsprechung und Kommentarliteratur, zu bearbeiten. Dies beinhaltet aber auch, dass hierfür spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten in eingeschränktem Umfang erforderlich sein können. Überdurchschnittlich schwierig ist die Tätigkeit beispielsweise dann, wenn erhebliche, sich üblicherweise nicht stellende Probleme auftreten (BSG a.a.O). Diese können sowohl im tatsächlichen als auch im juristischen Bereich liegen. Vorliegend sind derartige Probleme nicht gegeben, zumal die weitere medizinische Sachverhaltsaufklärung ausschließlich von der Beklagten veranlasst und nach dem Telefonat mit dem behandelnden Arzt bereits erledigt war, als die Widerspruchsbegründung vorgelegt wurde. Vielmehr handelt es sich um eine unterdurchschnittliche rechtliche Schwierigkeit.

Schließlich führt der Verweis des Klägers auf die Bedeutung der Angelegenheit für ihn als mittellosem Versicherten nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Denn auch hinsichtlich der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers handelt es sich um einen nicht überdurchschnittlichen Streit. Abzustellen ist dabei auf die unmittelbare tatsächliche, ideelle, gesellschaftliche, wirtschaftliche oder rechtliche Bedeutung für den Auftraggeber, nicht aber für die Allgemeinheit (BSG 01.07.2009 - B 4 AS 21/09 R - juris). Ob bei Streitigkeiten über eine Dauerrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung immer eine erheblich überdurchschnittliche Bedeutung anzunehmen ist, wenn durch sie das Einkommen in der Hauptsache bestritten werden soll (so Thüringer LSG 10.04.2013 - L 6 SF 471/13 B - juris), musste vorliegend nicht entschieden werden. Zwar bezog der Kläger Leistungen nach dem SGB II, so dass davon auszugehen ist, dass er mit der begehrten Rente den wesentlichen Lebensunterhalt bestreiten wollte. Die begehrte Rente reicht aber auch im Fall des Klägers nicht aus, um den Grundsicherungsbedarf des Klägers und der mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebender Familienangehöriger zu decken (vgl. Blatt 43 und 115 der Beklagtenakte/Rente/Erwerbsminderungsrente). Ob daher überhaupt eine überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger vorliegt, ist für den Senat sehr zweifelhaft.

Aber selbst wenn man annehmen wollte, es liege eine überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger vor, so hat auch das vom Kläger zur Stützung seines Erstattungsbegehrens herangezogene LSG Thüringen ausgeführt (Thüringer LSG 03.092018 – L 1 SF 628/17 B – juris RdNr. 18), dass die Vergütung unter Gesamtschau der sonstigen Merkmale des § 14 Abs. 1 RVG, dem Umfang und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, den Einkommensverhältnisse des Klägers und des besonderen Haftungsrisikos festzusetzen ist. Insoweit hält der Senat auch im vorliegenden Fall die Festsetzung der Höchstgebühr nicht für angemessen. Eine Höchstgebühr kommt nur dann in Betracht, wenn entweder alle Umstände für diese Erhöhung sprechen oder einzelne Umstände so erheblich sind, dass sie alle anderen Gesichtspunkte überwiegen (Thüringer LSG 03.092018 – L 1 SF 628/17 B – juris). Das ist vorliegend nicht der Fall, denn Umfang der anwaltlichen Tätigkeit war im Vergleich mit den übrigen sozialgerichtlichen Verfahren – wie ausgeführt – allenfalls wohlwollend durchschnittlich, die Schwierigkeit war unterdurchschnittlich, sodass der Senat bei einer Gesamtschau feststellt, dass keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass insgesamt die Annahme einer höheren Gebühr als die der Schwellengebühr gerechtfertigt ist. Auch ein besonderes Haftungsrisiko des klägerischen Rechtsanwaltes ist nicht ersichtlich.

Die Beklagte hat darüber hinaus auch zu Recht die Erstattung einer Erledigungsgebühr nach Nr. 1005 VV RVG abgelehnt. Diese Gebührenposition verlangt im Widerspruchsverfahren regelmäßig eine Tätigkeit des Rechtsanwaltes, die über die bloße Einlegung und Begründung des Widerspruchs hinausgeht (BSG 07.11.2006 - B 1 KR 13/06 R – juris; vgl. auch BSG 14.02.2013 – B 14 AS 62/12 R – SozR 4-1300 § 63 Nr. 19 = juris). Eine anwaltliche Mitwirkung im Sinne von Nr. 1005 VV RVG verlangt vielmehr eine besondere, nicht nur unwesentliche und gerade auf die außergerichtliche Erledigung gerichtete Tätigkeit des Anwalts. Erforderlich ist daher eine qualifizierte erledigungsgerichtete Mitwirkung des Rechtsanwalts, die über das Maß desjenigen hinausgeht, das schon durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im sozialrechtlichen Vorverfahren abgegolten wird. Hierfür reicht z.B. die sofortige Abhilfe der Behörde, ohne dass diese auf eine besondere anwaltliche Aktivität zurückzuführen ist, nicht aus. Die anwaltliche Tätigkeit muss vielmehr gerade kausal für die Erledigung der Rechtssache gewesen sein. Eine derartige Tätigkeit entfaltete der Rechtsanwalt des Klägers aber gerade nicht. Seine Tätigkeit beschränkte sich auf die Einlegung des Widerspruchs und die bereits oben dargelegten Ausführungen. Schon zuvor war aber auf Bitten der Beklagten vom behandelnden Arzt das Pflegegutachten, das der Rechtsanwalt des Klägers in seiner später eingehenden Widerspruchsbegründung gar nicht erwähnt hat, vorgelegt worden, was dann Anlass zur Abhilfeentscheidung der Beklagten war. Damit war nicht eine über die bloße Widerspruchseinlegung hinausgehende anwaltliche Tätigkeit Ursache der Erledigung des Widerspruchsverfahrens.

Auch soweit der Kläger vorträgt, das BSG habe entschieden (BSG 02.10.2009 – B 9/9a SB 5/07 R), dass die Erledigungsgebühr anfalle, wenn ein Widerspruchsführer von seinem Rechtsanwalt dazu veranlasst worden sei, sich einen ärztlichen Befundbericht erstellen zu lassen und dessen Vorlage zum Erfolg geführt habe, begründet dies vorliegend keinen Anspruch auf Erstattung der Erledigungsgebühr. Denn vorliegend war gerade weder geltend gemacht noch vom Senat festgestellt worden, dass der Kläger von seinem Anwalt veranlasst worden war, sich untersuchen zu lassen. Das letztlich zum Erfolg des Widerspruchs führende Pflegegutachten war weder vom Anwalt noch auf dessen Veranlassung hin vom Kläger veranlasst worden, denn der Pflegegrad-Erhöhungsantrag war schon am 10.08.2017 gestellt worden, was der Senat dem Pflegegutachten vom 12.10.2017 entnimmt, mithin schon vor Einlegung des Widerspruchs. Dass schon zu diesem Zeitpunkt eine anwaltliche Beratung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens erfolgt war, kann der Senat nicht feststellen, denn die insoweit dem Rechtsanwalt erteilte Vollmacht zur Durchführung des Widerspruchsverfahrens datiert vom 28.08.2017, dem Tag der Widerspruchseinlegung.

Damit konnte der Senat keine irgendwie geartete Tätigkeit des Rechtsanwalts feststellen – der Senat hat diese Tätigkeit hinsichtlich Umfang und Schwierigkeit oben schon als unterdurchschnittlich bis allenfalls wohlwollend durchschnittlich festgestellt -, die auch nur im Ansatz über das mit der Durchführung eines gewöhnlichen Widerspruchsverfahrens Verbundene hinausgeht. Auch waren die Ausführungen des Rechtsanwalts – über die bloße Widerspruchseinlegung hinaus - weder ursächlich für den Erfolg noch haben diese die Beklagte zu den Erfolg herbeiführenden Ermittlungen veranlasst. Damit liegen die Voraussetzungen der Erledigungsgebühr nicht vor.

Soweit der Kläger vorträgt, diese Rechtsprechung sei grundrechtswidrig, verstoße vor allem gegen Art. 12 GG, so sieht der Senat weder eine Verletzung des Art. 12 GG noch eines anderen Grundrechts des Klägers oder seines Rechtsanwaltes. Denn zunächst berechtigen Grundrechte nicht dazu, überhöhte Rechnungen zu stellen und vom Schuldner einzufordern. Auch betrifft die vorliegend streitige Frage nicht die Möglichkeit des Rechtsanwalts für seine Tätigkeit von seinem Auftraggeber eine entsprechende Vergütung zu verlangen. Vielmehr geht es vorliegend um die Frage, in welcher Höhe der Kläger gegen die Beklagte nach § 63 SGB X einen Anspruch auf Erstattung von Aufwendungen des Widerspruchsverfahren hat. In diesem Verhältnis zwischen dem Kläger als Widerspruchsführer und der Beklagten spielen die Grundrechte des Rechtsanwalts auf Berufsausübungsfreiheit keine entscheidende Rolle, denn es geht nicht um dessen Vergütungsanspruch gegenüber dem Kläger, sondern um den Erstattungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte, was auch das BSG (BSG 14.02.2013 – B 14 AS 62/12 R – SozR 4-1300 § 63 Nr. 19 = juris RdNr. 30) betont hat. Da nach Auffassung des BSG (a.a.O.) die grundsätzliche "Abrechnungsfähigkeit" der Kosten für die Vertretung nicht zweifelhaft ist, sondern nur die Frage tangiert ist, ob die Kosten von der unterlegenen Behörde zu erstatten sind, stellt sich die vom Kläger insoweit aufgeworfene Frage nach einem Verstoß gegen Grundrechte seines Rechtanwalts – dass sich der Kläger wegen der Gebührenrechnung seines Rechtanwalts auf Art. 12 GG berufen könnte, ist dem Senat nicht ersichtlich -, insbesondere Art 3 und Art 12 GG, von vornherein nicht (BSG a.a.O.).

Weder der Senat noch die Beklagte waren vor diesem Hintergrund an die anwaltliche Gebührenrechnung gebunden, denn diese ist unbillig im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG; sie knüpft weder an die zur Bestimmung der jeweiligen Gebühr maßgeblichen Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG an noch hält sie die nach Ermessen des Anwalts ansetzbare Toleranzschwelle von 20 % ein. Erweist sich bei der Festsetzung der zu erstattenden Kosten eine Gebührenbestimmung des Rechtsanwalts gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 bis 3 RVG als unbillig im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG, so setzt das Gericht – im Widerspruchsverfahren die Behörde - die im Einzelfall objektiv angemessene Gebühr selbst fest, ohne sie um einen Toleranzzuschlag von 20 % zu erhöhen (Sächsisches OVG 20.11.2018 – 5 E 18/18 – juris). Insoweit war auch nicht per se eine Toleranz von 20 % anzusetzen (Sächsisches OVG a.a.O.); ein derartiger Zuschlag würde letztlich dazu führen, dass das auf dem gesetzlichen Schwellen- bzw. Mittelwert beruhende Bewertungssystem ohne Sachgrund geändert und der gesamte Gebührenrahmen um 20 % nach oben verschoben würde, was auch dem erstattungspflichtigen Dritten gegenüber unbillig wäre (OVG Rheinland-Pfalz 12.07.2010 – 1 E 10773/10 – juris). Im Übrigen hat der Rechtsanwalt in seiner Gebührenrechnung auch nicht begründet, weshalb er nach seinem Ermessen die angemessene Gebühr im Umfang der Toleranzschwelle von 20 % erhöht angesetzt hat, was aber erforderlich gewesen wäre.

Da die Beklagte antragsgemäß die Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVO in Höhe von 20,00 EUR sowie die Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVO i. H. v. 60,80 EUR (19% von 320,00 EUR) angesetzt hat, stehen dem Kläger auch keine weitergehenden Erstattungsansprüche zu, als im angefochtenen Bescheid vom 04.04.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.10.2018 von der Beklagten angenommen. Die Berufung war daher in vollem Umfang zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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