L 7 SO 2772/20 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SO 2700/20 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 2772/20 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Eine alternative subjektive Antragshäufung ist in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren unzulässig. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den alternativ benannten Antragsgegner scheidet aus.
2. Dem Begehren in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren auf eine vorläufige Zusicherung nach § 35 Abs. 2 Satz 4 SGB XII fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis.
3. Zum gewöhnlichen Aufenthalt eines schwerbehinderten und pflegebedürftigen Leistungsberechtigten bei Trennung vom Ehepartner.
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin Ziff. 1 (Stadt B.) wird der Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 14. August 2020 aufgehoben.

Der Antragsgegner Ziff. 2 (Landkreis E.) wird verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII für Bedarfe der Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe für die Wohnung G. in F. für die Zeit vom 15. August 2020 bis zum 30. Oktober 2020 nach Abzug der von der Beschwerdeführerin bisher erbrachten Leistungen zu gewähren. Im Übrigen wird der einstweilige Rechtsschutzantrag des Antragstellers abgelehnt.

Der Antragsgegner Ziff. 2 trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Instanzen.

Gründe:

Die Beschwerde der Beschwerdeführerin ist zulässig und begründet. Das gegen den Antragsgegner Ziff. 2 gerichtete einstweilige Rechtsschutzgesuch des Antragstellers hat im tenorierten Umfang Erfolg.

1. Gegenstand des am 5. August 2020 von dem Antragsteller beim Sozialgericht Freiburg (SG) anhängig gemachten einstweiligen Rechtsschutzverfahrens (S 6 SO 2700/20 ER) war sein Begehren auf eine "vorläufige Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten für die Wohnung A1, G. in F. bis vorerst zum 30.10.2020" im Rahmen von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (SGB XII), nachdem die Antragsgegner keine Einigung über die Zuständigkeit für den Hilfefall erzielen konnten und der Vermieter nur bei erklärter Kostenübernahme durch einen Leistungsträger zur Wohnungsüberlassung bereit war. Sein Begehren hatte der Antragsteller ausdrücklich primär gegen den Antragsgegner Ziff. 2 (Landkreis E.) sowie "alternativ" gegen die Beschwerdeführerin (im Beschwerdeverfahren Antragsgegnerin Ziff. 1/Stadt B.) und weiterhin "alternativ" gegen den Antragsgegner Ziff. 3 (Landkreis B.) gerichtet. Das SG hat den einstweiligen Rechtsschutzantrag des Antragstellers im Hinblick darauf, dass dieser die Wohnung G. in F. seinerzeit noch nicht angemietet und bewohnt hatte, dahingehend ausgelegt, dass dieser eine vorläufige Zustimmung bzw. Zusicherung nach § 35 Abs. 2 Satz 4 SGB XII zur Übernahme der Aufwendungen für die neue Unterkunft begehrt. Das SG hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 14. August 2020 die Beschwerdeführerin (Stadt B.) "im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsgegner (gemeint Antragsteller) die Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen für die Wohnung Nr. A1, G. in F. vorläufig bis zum 30.10.2020 zuzusichern". Dagegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit ihrer Beschwerde. Die Antragsgegner Ziff. 2 und 3 (Landkreise E. und B.) sowie der Antragsteller verteidigen die angefochtene Entscheidung des SG. Der Antragsteller hat "hilfsweise" die Verpflichtung des Antragsgegners Ziff. 2 (Landkreis E.) und "alternativ" des Antragsgegners Ziff. 3 "zur vorläufigen Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten für die Wohnung Nummer A1, G. zwei in F. bis vorerst zum 30.10.2020" begehrt. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin hat Erfolg. Das SG hat die Beschwerdeführerin zu Unrecht vorläufig verpflichtet, dem Antragsteller die Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen für die Wohnung G. in F. bis zum 30. Oktober 2020 "zuzusichern" (2.). Dagegen hat das gegen den Antragsgegner Ziff. 2 (Landkreis E.) gerichtete einstweilige Rechtsschutzgesuch des Antragstellers, das dieser im Verfahren vor dem SG unbedingt und nicht in einem Alternativverhältnis geltend gemacht sowie im Beschwerdeverfahren hilfsweise für den Fall des Erfolgs der Beschwerde der Beschwerdeführerin weiterverfolgt hat, im tenorierten Umfang Erfolg (3.).

2. Die Beschwerde der Antragsgegnerin Ziff. 1 ist zulässig. Sie hat die Beschwerde gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt; die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere verfügt der Antragsgegner über ein Rechtsschutzbedürfnis, soweit er aufgrund der erstinstanzlichen einstweiligen Anordnung bereits Leistungen erbracht hat (z.B. Senatsbeschluss vom 17. Oktober 2018 - L 7 SO 3150/18 ER-B - juris Rdnr. 21 m.w.N.). Ihre Beschwerde ist auch begründet. Denn die ausdrücklich jeweils "alternativ" gestellten Anträge gegen die Beschwerdeführerin (Stadt B.) und den Antragsgegner Ziff. 3 (Landkreis B.-H.) waren von Anfang an unzulässig. Dabei handelt es sich um eine alternative subjektive Antragshäufung, die unzulässig ist (vgl. auch zur unzulässigen eventualen Antragshäufung Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 8. August 2019 - B 3 KR 16/18 R - juris Rdnr. 16; Urteil vom 28. August 2013 - B 6 KA 41/12 R - juris Rdnr. 18; Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. Februar 2010 - L9 KR 23/10 B ER - juris 19; Adams in jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 56 Rdnr. 13; Bieresborn in BeckOGK-SGG, Stand 1. September 2019, § 56 Rdnr. 10; Böttiger in Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl. 2020, § 56 Rdnr. 7; Groß in LPK-SGG, 6. Aufl. 2021, § 56 Rdnr. 7; Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 13. Aufl. 2020, § 56 Rdnr. 4).

Vorliegend hat der anwaltlich vertretene Antragsteller mit Schriftsatz vom 5. August 2020 um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht und sein Begehren primär gegen den Landkreis E. (Antragsgegner Ziff. 2, im Verfahren vor dem SG Antragsgegner Ziff. 1), den er als zuständigen Leistungsträger ansieht, gerichtet. Daneben hat der Antragsteller ausdrücklich "alternativ" die Stadt B. (Beschwerdeführerin) und den Landkreis B.-H. (Antragsgegner Ziff. 3) als Antragsgegner benannt und damit die Wahl zwischen den Antragsgegnern dem SG auferlegt. Dies widerspricht dem Grundsatz der Rechtsklarheit, weil Unsicherheit hinsichtlich der Frage besteht, wer neben dem Antragsgegner Ziff. 2 (Landkreis E.) weiter Antragsgegner sein soll. Dies hat der Antragsteller letztlich in die Wahl des Gerichts gestellt und nicht selbst klar bestimmt, gegen wen er sein Begehren nun zu richten gedenkt. Damit war vorliegend unklar, ob das einstweilige Rechtsschutzverfahren auch gegen die "alternativ" benannten Antragsgegner (Beschwerdeführerin und Antragsgegner Ziff. 3) anhängig ist, was für diese nicht zumutbar ist (Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 13. Aufl. 2020, SGG, § 56 Rdnr. 4). Weiterhin hat der Antragsteller auch keine Reihenfolge oder ein Eventualverhältnis benannt. Einen Haupt- und Hilfsantrag hat er nicht gestellt. Soweit sein einstweiliges Rechtsschutzgesuch dennoch dahingehend auszulegen wäre, dass der Antragsteller die Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen für die Wohnung G. in F. vorläufig bis zum 30. Oktober 2020 vom Antragsgegner Ziff. 2 (Landkreis E.), hilfsweise von der Beschwerdeführerin (Stadt B.) und höchst hilfsweise von dem Antragsgegner Ziff. 3 (Landkreis B.-H.) begehrt, so wäre auch eine solche eventuale subjektive Antragshäufung unzulässig (vgl. BSG, Urteil vom 8. August 2019 - B 3 KR 16/18 R - juris Rdnr. 16; Urteil vom 28. August 2013 - B 6 KA 41/12 R - juris Rdnr. 18; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. Februar 2010 - L9 KR 23/10 B ER - juris 19; Bieresborn in BeckOGK-SGG, Stand 1. September 2019, § 56 Rdnr. 10; Böttiger in Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl. 2020, § 56 Rdnr. 7; Groß in LPK-SGG, 6. Aufl. 2021, § 56 Rdnr. 7; Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 13. Aufl. 2020, § 56 Rdnr. 4). Damit war der gegenüber der Beschwerdeführerin gestellte Alternativ- bzw. Eventualantrag von vornherein unzulässig. Die "Verpflichtung" der Beschwerdeführerin durfte das SG nicht beschließen. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin hat Erfolg.

3. Dagegen hat das gegen den Antragsgegner Ziff. 2 gerichtete einstweilige Rechtsschutzgesuch des Antragstellers, das dieser im Verfahren vor dem SG unbedingt und - wie dargelegt - nicht in einem Alternativverhältnis geltend gemacht sowie im Beschwerdeverfahren hilfsweise für den Fall des Erfolgs der Beschwerde der Beschwerdeführerin weiterverfolgt hat, im tenorierten Umfang Erfolg.

a. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist in § 86b SGG geregelt, und zwar für Anfechtungssachen in Abs. 1, für Vornahmesachen in Abs. 2. Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache ferner, soweit nicht ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Nach § 86b Abs. 3 SGG sind die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 schon vor Klageerhebung zulässig.

Hinsichtlich der begehrten vorläufigen Leistungsgewährung kommt allein der Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG in Betracht. Der Erlass einer Regelungsanordnung setzt gem. § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zunächst die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs voraus. Die Begründetheit des Antrags wiederum hängt vom Vorliegen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund ab (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164). Eine einstweilige Anordnung darf nur erlassen werden, wenn beide Voraussetzungen gegeben sind. Dabei betrifft der Anordnungsanspruch die Frage der Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs, während der Anordnungsgrund nur bei Eilbedürftigkeit zu bejahen ist. Die Anordnungsvoraussetzungen, nämlich der prospektive Hauptsacheerfolg (Anordnungsanspruch) und die Dringlichkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund), sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 a.a.O. und vom 17. August 2005 a.a.O.).

b. Zunächst hat das SG das einstweilige Rechtsschutzgesuch des Antragstellers, das ausdrücklich auf eine Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen für die Wohnung G. in F. vorläufig bis zum 30. Oktober 2020 gerichtet war, unzutreffend als Begehren auf eine vorläufige Zusicherung nach § 35 Abs. 2 Satz 4 SGB XII ausgelegt. Denn für ein solches Gesuch fehlt es an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis (Senatsbeschluss vom 3. März 2020 - L 7 SO 496/20 ER-B (n.v.); ferner Senatsbeschluss vom 30. Juli 2019 - L 7 SO 2356/19 ER-B - juris Rdnr. 6; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 26. Juni 2019 - L 1 AS 1858/19 ER-B - juris Rdnr. 13, zustimmend Türpe, NZS 2019, 875; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 4. April 2019 - L 11 AS 72/19 B ER - juris Rdnr. 19; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20. Juni 2018 - L 31 AS 1002/18 B ER und L 31 AS 1003/18 B ER PKH - juris Rdnr. 4; Burkiczak in jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017 (Stand 14. Oktober 2020), § 86b Rdnr. 314). Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kann der Sozialhilfeträger zur Erteilung einer Zusicherung i.S.d. § 35 Abs. 2 Satz 4 SGB XII regelmäßig nicht verpflichtet werden, sondern allenfalls zur vorläufigen Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Denn die begehrte Zusicherung würde - wie auch ein Ausführungsbescheid des Sozialhilfeträgers - nach einer gegenteiligen Hauptsacheentscheidung ihre Rechtswirkungen verlieren (vgl. BSG, Urteil vom 20. April 2016 - B 8 SO 20/14 R - juris Rdnr. 12 m.w.N.), sodass sich die durch § 35 Abs. 2 Satz 4 SGB XII eigentlich intendierte Planungssicherheit für den Leistungsempfänger durch eine einstweilige Regelung gerade nicht erreichen lässt (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20. Juni 2018 - L 31 AS 1002/18 B ER und L 31 1003/18 B ER PKH - juris Rdnr. 3 f.; Sächsisches LSG, Beschluss vom 19. Dezember 2016 - L 7 AS 1001/16 B ER - juris Rdnr. 22).

Nachdem der Antragsteller am 14. August 2020 einen Mietvertrag über die Wohnung G. in F. geschlossen hat und seit dem 15. August 2020 diese Wohnung bewohnt, entstehen ihm für die seit dem 15. August 2020 tatsächlich genutzte Unterkunft Aufwendungen i.S. der §§ 42 Nr. 4a, 42a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 SGB XII (vgl. nur Löcken in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 35 Rdnr. 33, 36) und zwar in Höhe von (anteilig) 441,40 EUR für August 2020 sowie von monatlich 789,84 EUR ab September 2020 (vgl. nur BSG, Urteil vom 14. April 2011 - B 8 SO 19/09 R - juris Rdnr. 15 ff. zur Betreuungspauschale), sodass das einstweilige Rechtsschutzgesuch des Antragstellers entsprechend seinem Antrag und sachgerecht auf die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII für seine Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 14. August 2020 bis zum 30. Oktober 2020 gerichtet ist.

c. Die materiellen Voraussetzungen für diese Leistungen liegen nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung vor. Gem. § 19 Abs. 2 Satz 1 SGB XII ist Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel dieses Buches Personen zu leisten, die die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 SGB XII erreicht haben oder das 18. Lebensjahr vollendet haben und dauerhaft voll erwerbsgemindert sind, sofern sie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können. Nach § 41 Abs. 1 SGB XII ist älteren und dauerhaft voll erwerbsgeminderten Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen nach § 43 SGB XII bestreiten können, auf Antrag Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu leisten. Gem. § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB XII sind hinsichtlich des Einsatzes von Einkommen die §§ 82 bis 84 SGB XII und von Vermögen die §§ 90 und 91 SGB XII anzuwenden, soweit in den folgenden Absätzen nichts Abweichendes geregelt ist. Der 1984 geborene Antragsteller dürfte dem Grunde nach zum Kreis der Leistungsberechtigten gehören, da er unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage dauerhaft voll erwerbsgemindert ist (§ 41 Abs. 3 SGB XII), seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einen Antrag auf Grundsicherungsleistungen gestellt hat. Auch dürfte Hilfebedürftigkeit vorliegen, insbesondere dürfte er über kein Einkommen verfügen. Einkommen des getrennt lebenden Ehegatten ist nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB XII). Ob und ggf. in welcher Höhe der Antragsteller gegen seinen Ehegatten einen Anspruch auf Trennungsunterhalt (vgl. § 1361 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) hat, rechtfertigt - solange ihm tatsächlich keine Unterhaltszahlungen als bereite Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhalts aktuell zur Verfügung stehen - jedenfalls nicht, ihm - dem Antragsteller - existenzsichernde Leistungen zu verweigern (vgl. nur BSG, Urteil vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 23/06 R - BSGE 99, 262; Urteil vom 29. September 2009 - B 8 SO 23/08 R - BSGE 104, 219; zuletzt z.B. BSG, Urteil vom 27. Februar 2019 - B 8 SO 13/17 R - juris Rdnr. 14); ein Unterhaltsanspruch geht ggf. auf den Sozialhilfeträger über (vgl. § 94 SGB XII).

d. Die Beteiligten streiten über die (örtliche) Zuständigkeit der Antragsgegner. Nach summarischer Prüfung spricht viel dafür, dass der Antragsgegner Ziff. 2 für die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung jedenfalls seit dem Umzug des Antragstellers aus der elterlichen Wohnung in R. in die Wohnung G. in F. zuständig ist.

aa. Die örtliche Zuständigkeit für die streitigen Grundsicherungsleistungen bestimmt sich nach § 46b SGB XII. Nach § 46b Abs. 1 SGB XII werden die zuständigen Träger nach Landesrecht bestimmt, sofern sich nach § 46b Abs. 3 SGB XII nichts Abweichendes ergibt. Nach § 2a SGB XII-Ausführungsgesetz Baden-Württemberg ist, soweit § 46b (Abs. 3) SGB XII nichts Abweichendes regelt, für die Leistungen des Vierten Kapitels des SGB XII der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich der gewöhnliche Aufenthaltsort der leistungsberechtigten Person liegt. Diese Zuständigkeit des Trägers der Sozialhilfe bleibt bis zur Beendigung der Leistung auch dann bestehen, wenn die Leistung außerhalb seines Bereichs erbracht wird. § 46b Abs. 3 Satz 3 SGB XII regelt zunächst abweichend, dass bei Leistungsberechtigten i.S.d. § 41 SGB XII der Aufenthalt in einer stationären Einrichtung und in Einrichtungen zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung nicht als gewöhnlicher Aufenthalt gilt und § 98 Abs. 2 Satz 1 bis 3 SGB XII entsprechend anzuwenden ist. Gem. § 46b Abs. 3 Satz 4 SGB XII ist für die Grundsicherungsleistungen an Personen, die Leistungen nach dem Siebten (Hilfe zur Pflege) und Achten Kapitel (Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten) in Formen ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten erhalten, § 98 Abs. 5 SGB XII entsprechend anzuwenden. Gem. § 98 Abs. 5 SGB XII ist für die Leistungen nach dem SGB XII an Personen, die Leistungen nach dem Siebten und Achten Kapitel in Formen ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten erhalten, der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig war oder gewesen wäre; vor Inkrafttreten des SGB XII begründete Zuständigkeiten bleiben hiervon unberührt. Soweit Leistungen der Eingliederungshilfe nach Teil 2 des Sozialgesetzbuches (SGB) Neuntes Buch (IX) - Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen - (SGB IX) und Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII gleichzeitig zu erbringen sind, ist gem. § 46b Abs. 3 Satz 5 SGB XII § 98 Abs. 6 SGB XII entsprechend anzuwenden. Danach richtet sich die örtliche Zuständigkeit, soweit Leistungen der Eingliederungshilfe nach Teil 2 des SGB IX zu erbringen sind, für gleichzeitig zu erbringende Leistungen nach dem SGB XII nach § 98 SGB IX, soweit das Landesrecht - wie in Baden-Württemberg (vgl. § 1 Abs. 1 SGB IX-Ausführungsgesetz Baden-Württemberg) - keine abweichende Regelung trifft. Nach § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist für die Eingliederungshilfe örtlich zuständig der Träger der Eingliederungshilfe, in dessen Bereich die leistungsberechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt der ersten Antragstellung nach § 108 Abs. 1 SGB XII hat oder in den zwei Monaten vor den Leistungen einer Betreuung über Tag und Nacht zuletzt gehabt hatte. Diese Zuständigkeit bleibt bis zur Beendigung des Leistungsbezuges bestehen (§ 98 Abs. 1 Satz 3 SGB IX). Sie ist neu festzustellen, wenn für einen zusammenhängenden Zeitraum von mindestens sechs Monaten keine Leistungen bezogen wurden (§ 98 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Eine Unterbrechung des Leistungsbezuges wegen stationärer Krankenhausbehandlung oder medizinischer Rehabilitation gilt nicht als Beendigung des Leistungsbezuges (§ 98 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Steht innerhalb von vier Wochen nicht fest, ob und wo der gewöhnliche Aufenthalt begründet worden ist, oder ist ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln, hat der für den tatsächlichen Aufenthalt zuständige Träger der Eingliederungshilfe über die Leistung unverzüglich zu entscheiden und sie vorläufig zu erbringen (§ 98 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Steht der gewöhnliche Aufenthalt in den Fällen des § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB IX fest, wird der Träger der Eingliederungshilfe nach § 98 Abs. 1 SGB IX örtlich zuständig und hat dem nach § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB IX leistenden Träger die Kosten zu erstatten (§ 98 Abs. 2 Satz 2 SGB IX). Ist ein gewöhnlicher Aufenthalt im Bundesgebiet nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln, ist der Träger der Eingliederungshilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich sich die leistungsberechtigte Person tatsächlich aufhält (§ 98 Abs. 2 Satz 3 SGB IX). Nach § 98 Abs. 4 SGB IX gilt nicht als gewöhnlicher Aufenthalt i.S. des § 98 SGB IX der stationäre Aufenthalt oder der auf richterlich angeordneter Freiheitsentziehung beruhende Aufenthalt in einer Vollzugsanstalt; in diesen Fällen ist der Träger der Eingliederungshilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich die leistungsberechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in den letzten zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt hatte.

Die Regelung des § 98 Abs. 5 SGB IX bleibt vorliegend außer Betracht, weil der Kläger am 31. Dezember 2019 keine Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII bezogen hat. Auch die Regelung des § 14 SGB IX ist für die Frage der Zuständigkeit für die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nicht relevant, weil § 14 SGB IX auf diese Leistungen keine Anwendung findet (vgl. Senatsurteil vom 19. Oktober 2017 - L 7 SO 5335/14 - juris Rdnr. 73; Senatsurteil vom 27. April 2017 - L 7 SO 2669/15 - juris Rdnr. 52).

bb. Vorliegend stellt sich der Sachverhalt nach summarischer Prüfung durch den Senat so dar, dass der Antragsteller zum 1. November 2019 seinen gewöhnlichen Aufenthalt gemeinsam mit seinem Ehemann in der Wohnung G.str. in B. begründet hat (vgl. § 30 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (SGB I)) und dort - wie vor dem 1. November 2019 in F. - ambulant im Rahmen der Familien- bzw. Angehörigenpflege gepflegt wurde; Leistungen der Eingliederungshilfe (z.B. für eine Assistenz) oder Pflegesachleistungen (vgl. § 64b SGB XII) wurden, soweit ersichtlich, weder erbracht noch in Anspruch genommen. Nachdem sich der Antragsteller und sein Ehemann Anfang 2020, mutmaßlich am 6. Januar 2020, getrennt hatten, der Ehemann aus der Ehewohnung in B. ausgezogen war sowie die Pflege und Betreuung des schwerbehinderten und pflegebedürftigen Antragstellers (GdB 100, Merkteichen B, aG, H, RF, Pflegegrad 3) in B. nicht sichergestellt war, verbrachte seine Schwester ihn - mutmaßlich am 7. oder 8. Januar 2020 - zu einen Eltern nach R., wo er in der Wohnung seiner Eltern Aufnahme fand und diese ihn im Rahmen der Familien- bzw. Angehörigenpflege pflegten. In der Zeit vom 13. Januar bis zum 31. Januar 2020 befand sich der Antragsteller in Kurzzeitpflege im Haus M. S. der Heiliggeistspitalstiftung in F. und in der Zeit vom 1. Februar 2020 bis zum 19. Februar 2020 im dortigen stationären Pflegeheim. In der Zeit vom 19. Februar 2020 bis zu seinem Einzug in die eigene Wohnung G. in F. lebte der Antragsteller erneut in der elterlichen Wohnung in R., wo er durch seine Eltern, unterstützt von einem ambulanten Pflegedienst (Kirchliche Sozialstation St. M. e.V. E.), gepflegt und versorgt wurde. Seit seinem Einzug in die Wohnung G. in F. am 15. August 2020 wird der Antragsteller durch einen ambulanten Pflegedienst (vermutlich Evangelische Sozialstation F. e.V., finanziert wohl über Pflegesachleistungen seitens der Pflegeversicherung) sowie einen Assistenzdienst (vermutlich Ring der Körperbehinderten gGmbH) betreut und versorgt.

cc. Im Rahmen des vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahrens spricht einiges dafür, dass der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt in R. im Januar 2020 oder jedenfalls im Zeitpunkt seines ersten Antrages auf Eingliederungshilfe nach § 108 Abs. 1 SG&61506;&61472;&61513;X oder in den zwei Monaten vor seinem Umzug in die Wohnung G. in F. und dem Beginn der dortigen Betreuung begründet hat.

Eine Person hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo sie sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass sie an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt (§ 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I). Dabei ist unter "Ort" die jeweilige politische Gemeinde zu verstehen und nicht ein bestimmtes Haus oder eine bestimmte Wohnung. Der gewöhnliche Aufenthalt ist nicht identisch mit dem Wohnsitz im melderechtlichen Sinne (Senatsurteil vom 16. Mai 2019 - L 7 SO 2081/16 - juris Rdnr. 34; Senatsurteil vom 25. Februar 2016 - L 7 SO 3588/14 - juris Rdnr. 33). Für die Feststellung des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthalts sind die mit dem Aufenthalt verbundenen Umstände des Einzelfalls festzustellen; im Rahmen einer vorausschauenden Betrachtung (Prognoseentscheidung) sind alle für die Beurteilung der künftigen Entwicklung im Zeitpunkt des Eintreffens am maßgeblichen Ort erkennbaren Umstände, nicht nur der Wille des Betroffenen, zu würdigen und als hypothetische Tatsache festzustellen, und zwar auch dann, wenn - wie hier - der gewöhnliche Aufenthalt rückblickend zu ermitteln ist (BSG, Urteil vom 24. März 2015 - B 8 SO 20/13 R - juris Rdnr. 13; Urteil vom 17. Dezember 2014 - B 8 SO 19/13 R - juris Rdnr. 15; Urteil vom 10. Dezember 2013 - B 13 R 9/13 R - juris Rdnr. 27 ff.). Die Prognose hat alle mit dem Aufenthalt verbundenen Umstände zu berücksichtigen; dies können subjektive wie objektive, tatsächliche wie rechtliche sein (BSG, Urteil vom 16. Juni 2015 - B 13 R 36/13 R - juris Rdnr. 25). Es kann demnach nicht allein auf den Willen des Betroffenen ankommen, einen gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen; dies gilt insbesondere dann, wenn er nicht mit den tatsächlichen objektiven Umständen übereinstimmt (BSG, Urteil vom 16. Juni 2015 - B 13 R 36/13 R - juris Rdnr. 25). Ist nach der Prognose davon auszugehen, dass die betreffende Person zukunftsoffen "bis auf Weiteres" an dem Ort oder in dem Gebiet verweilen wird, so hat sie dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt, wobei kein dauerhafter (unbegrenzter) Aufenthalt erforderlich ist (BSG, Urteil vom 16. Juni 2015 - B 13 R 36/13 R - juris Rdnr. 25). Auch Obdachlose können trotz Fehlens einer festen Unterkunft am Ort ihres dauernden Aufenthalts einen gewöhnlichen Aufenthalt begründen, selbst wenn sie in Obdachlosenunterkünften, Notunterkünften, Wohnwagen, behelfsmäßigen Unterschlüpfen oder schlicht auf der Straße leben (vgl. BSG, Urteil vom 23. Mai 2012 - B 14 AS 190/11 R - BSGE 111, 72 - juris Rdnr. 20 bzgl. Frauenhaus; Senatsurteil vom 25. Februar 2016 - L 7 SO 3588/14 - juris Rdnr. 33; Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Urteil vom 28. April 2006 - 7 A 46/03 - juris Rdnr. 17; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 25. Januar 2001 - 12 B 99.512 - juris Rdnr. 36; Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11. Mai 2000 - 12 A 10908/99 - juris); für diesen Personenkreis gelten keine abweichenden Kriterien für die erforderliche Prognoseentscheidung (BSG, Urteil vom 24. März 2015 - B 13 R 36/13 R - juris Rdnr. 17; Urteil vom 17. Dezember 2014 - B 8 SO 19/13 R - Rdnr. 17).

Es spricht sehr viel dafür, dass der Antragsteller mittlerweile seinen gewöhnlichen Aufenthalt in B. endgültig aufgegeben hat, da nach der Trennung von seinem Ehemann seine Betreuung und Versorgung in B. nicht sichergestellt war sowie die Ehewohnung nach seinen Angaben durch seine Schwester aufgelöst worden ist. Ob er seinen gewöhnlichen Aufenthalt in B. bereits mit dem Einzug in die elterliche Wohnung am 7./8. Januar 2020 oder unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls (z.B. nach der Kündigung oder Auflösung der Wohnung, Verbringung seines Hab und Guts, familiäre und freundschaftliche Verbindungen in B., Sicherstellung der Pflege und Versorgung in B.) erst zu einem späteren Zeitpunkt endgültig aufgegeben hat (vgl. z.B. Senatsurteil vom 16. Mai 2019 - L 7 SO 2081/16 - juris Rdnr. 35; Senatsurteil vom 25. Februar 2016 - L 7 SO 3588/14 - juris Rdnr. 36), kann der Senat nicht feststellen; dies werden die Antragsgegner ggf. im weiteren Verlauf unter Würdigung aller Umstände zu verifizieren haben. Gleichfalls kann der Senat nicht mit Sicherheit feststellen, ob der Antragsteller mit seinem "Einzug" in die elterliche Wohnung am 7./8. Januar 2020 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in R. begründet hat. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners Ziff. 2 kann aber bereits ein kurzfristiger Aufenthalt einen gewöhnlichen Aufenthalt begründen, wenn nach der Prognose davon auszugehen ist, dass die betreffende Person zukunftsoffen "bis auf Weiteres" an dem Ort oder in dem Gebiet verweilen wird (BSG, Urteil vom 16. Juni 2015 - B 13 R 36/13 R - juris Rdnr. 25). Dies könnte z.B. dann in Betracht kommen, wenn eine Rückkehr des Antragstellers nach B. ausgeschlossen war (z.B. wegen einer fehlende Betreuung und Versorgung), für ihn keine außerhalb seines Elternhauses greifbaren und realistischen Unterkunfts- und Betreuungsalternativen bestanden haben und nach der vorzunehmenden Prognoseentscheidung davon auszugehen ist, dass der Antragsteller zukunftsoffen "bis auf Weiteres" in R. bzw. im Kreisgebiet des Antragsgegners Ziff. 2 verweilen wird. Dabei ist auch zu beachten, dass nach dem Einzug des Antragstellers in die elterliche Wohnung - wie bereits während des Zusammenlebens in der ehelichen Wohnung in B. - zunächst ausschließlich eine Betreuung und Versorgung im Rahmen der Familien- bzw. Angehörigenpflege stattgefunden hat und keine Pflege- und Betreuungsleistungen durch einen ambulanten Pflege- oder Assistenzdienst erbracht worden sind, sodass weder in B. noch während des Aufenthalts in der elterlichen Wohnung im Januar 2020 (ab 13. Januar 2020 Kurzzeitpflege in F.) ein Fall des ambulant betreuten Wohnens i.S. des § 98 Abs. 5 SGB XII sowie ein einheitliches Leistungsgeschehen (vgl. z.B. Senatsurteil vom 16. Mai 2019 - L 7 SO 2081/16 - juris Rdnr. 37; Senatsurteil vom 13. September 2018 - L 7 SO 3470/15 - juris Rdnr. 44) vorgelegen hat. Zwar können auch Leistungen der Hilfe zur Pflege in Form eines ambulant betreuten Wohnens erbracht werden (vgl. BSG, Urteil vom 30. Juni 2016 - B 8 SO 6/15 R - BSGE 121, 293), jedoch grundsätzlich nur wenn die pflegerischen Leistungen als häusliche Pflege durch einen Dienst (vgl. § 64b SGB XII) oder jedenfalls durch fachlich geschultes Personal erbracht werden (so ausdrücklich Deckers in Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, 7. Aufl. 2020, § 98 Rdnr. 36; vgl. ferner Senatsurteil vom 13. September 2018 - L 7 SO 3470/15 - juris, wonach es sich beim begleiteten Wohnen in einer Gastfamilie um eine andere Leistungsart als das ambulant betreute Wohnen handelt). Die Angehörigen- und Familienpflege, die in erster Linie durch das pauschalierte Pflegegeld finanziert wird (vgl. §§ 64, 64a SGB XII), begründet jedenfalls kein ambulant betreutes Wohnen. Insofern unterliegt der Antragsgegner Ziff. 2 (Landkreis E.) einem Fehlschluss, wenn er von einem Eintritt in eine ambulant betreute Wohnform bereits mit Zuzug in die elterliche Wohnung am 7./8. Januar 2020 ausgeht. Unter diesen Umständen liegt auch entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin von vornherein kein Altfall i.S.d. § 98 Abs. 5 Satz 2 SGB XII vor.

Während des Aufenthalts des Antragstellers in der Zeit vom 13. Januar bis zum 31. Januar 2020 in Kurzzeitpflege im Haus M. S. der Heiliggeistspitalstiftung in F. und in der Zeit vom 1. Februar 2020 bis zum 19. Februar 2020 im dortigen stationären Pflegeheim hat dieser in F. keinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet, weil es sich dabei um eine stationäre Pflegeeinrichtung gehandelt hat (vgl. §§ 64h Abs. 1, 65 SGB XII) und ein Aufenthalt in einer stationären Einrichtung nicht als gewöhnlicher Aufenthalt gilt (§§ 46b Abs. 3 Satz 3, 109 SGB XII, § 98 Abs. 4 Satz 1 SGB IX). Für den Fall, dass der Antragsteller bereits mit dem Einzug in die elterliche Wohnung am 7./8. Januar 2020 einen gewöhnlichen Aufenthalt in R. begründet hatte, dürfte der Antragsteller diesen durch den stationären Aufenthalt, der von Anfang an wohl nur auf einen vorrübergehenden Aufenthalt ausgelegt war, nicht wieder aufgegeben, sondern durchgehend bis zu seinem Umzug am 15. August 2020 nach F. beibehalten haben. Nach der Entlassung aus dem stationären Pflegeheim hat der Antragsteller ununterbrochen in der elterlichen Wohnung in R. gelebt und wurde dort betreut sowie gepflegt. Eine anderweitige Unterkunfts-, Bleibe- und Betreuungsmöglichkeit hat für den Antragsteller nicht bestanden, sodass die Begründung eines gewöhnlichen oder jedenfalls tatsächlichen Aufenthalts zum 19. Februar 2020 in R. gegeben sein dürfte. Dies alles werden die Antragsgegner ggf. im Rahmen eines Erstattungsstreits mit der hinreichenden Gründlichkeit und Objektivität zu verifizieren haben.

dd. Die streitentscheidende Norm für die Bestimmung der Zuständigkeit dürfte vorliegend § 46b Abs. 3 Satz 5 SGB XII sein. Denn neben den Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII, vorliegend Leistungen für Unterkunft und Heizung in der streitigen Zeit vom 15. August 2020 bis zum 30. Oktober 2020, dürften an den wesentlich behinderten Antragsteller (vgl. § 99 SGB IX) auch Leistungen der Eingliederungshilfe nach §§ 90 Abs. 1 und 5, 102 Abs. 1 Nr. 4, 103 Abs. 2, 113 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2, 78 SGB IX in Form einer persönlichen Assistenz einschließlich der häuslichen Pflege zu erbringen sein, was ggf. in dem nun unverzüglich einzuleitenden Gesamtplanverfahren (vgl. §§ 123 ff. SGB IX) abzuklären ist. Der Antragsteller hat unwidersprochen ausgeführt, dass er in der neuen Wohnung Assistenzleistungen seitens des Rings für Körperbehinderte gGmbH, die ausweislich des vorgelegten Vertrages ein vertragsgebundener Leistungserbringer ist (vgl. §§ 123 ff. SGB IX), in Anspruch nimmt. An der grundsätzlichen Geeignetheit und Erforderlichkeit der Assistenzleistungen hat der Senat keine Zweifel; den Umfang mögen die Beteiligten unverzüglich feststellen (vgl. §§ 117 ff. SGB IX). Einen Antrag auf Leistungen der Eingliederungshilfeleistungen hat der Betreuer des Antragstellers mit E-Mail vom 4. August 2020 (Bl. 118 der Verwaltungsakten) bei der Beschwerdeführerin gestellt und zur Konkretisierung Kostenvoranschläge für Assistenzleistungen (Bl. 110 der Verwaltungsakten) und Pflegesachleistungen (Bl. 111 der Verwaltungsakten) sowie das Wohnungsangebot über die Wohnung G. in F. (Bl. 112 der Verwaltungsakten) beigefügt (vgl. zur Nichtförmlichkeit eines Antrages und zur Auslegung z.B. Wehrhahn in jurisPK-SGB IX, 3. Aufl. 2018 (Stand 9. September 2019), § 108 Rdnr. 9 f). Diesen Antrag hat die Beschwerdeführerin an den Antragsgegner Ziff. 2 mit Schreiben vom 11. August 2020 (Bl. 227/233 der Verwaltungsakten des Antragsgegners Ziff. 2) nach § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB XI weitergeleitet, wobei unschädlich sein dürfte, dass die Beschwerdeführerin dem Antragsgegner Ziff. 2 zunächst lediglich die genannten Kostenvorschläge und nicht die E-Mail des Betreuers vom 4. August 2020 übermittelt hat, und den Antragsteller über die Weiterleitung unterrichtet (Bl. 125 der Verwaltungsakten). § 46b Abs. 3 Satz 5 SGB XII verweist auf § 98 Abs. 6 SGB XII, der hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit für gleichzeitig zu erbringende Leistungen nach SGB XII (vorliegend Grundsicherungsleistungen) auf § 98 SGB IX verweist. Die Regelung des § 98 Abs. 6 SGB XII stellt eine abdrängende Zuständigkeitsregelung für Annexleistungen des SGB XII dar, womit eine einheitliche örtliche Zuständigkeit sichergestellt ist, wenn neben den Eingliederungsleistungen nach dem SGB IX noch SGB-XII-Leistungen erbracht werden bzw. zu erbringen sind (vgl. Adams in BeckOK-Sozialrecht, Stand 1. September 2020, § 98 SGB XII Rdnr. 36; Söhngen in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 98 Rdnr. 80; Treichel/Schoch in LPK-SGB XII, 12. Aufl. 2020, § 98 Rdnr. 57). Nachdem die Übergangsvorschrift des § 98 Abs. 5 SGB IX mangels Bezug von Eingliederungshilfeleistungen am 31. Dezember 2019 keine Anwendung findet, dürfte § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB IX maßgeblich sein. Unabhängig von der Frage, ob der "erste" Antrag auf Leistungen der Eingliederungshilfe nach den zum 1. Januar 2020 in Kraft getretenen Vorschriften des Eingliederungshilferechts des SGB IX eine (erneute) Prüfung der Zuständigkeit nach § 98 SGB IX eröffnet, dürfte vorliegend diese Regelung bereits deshalb Anwendung finden, weil der Antragsteller für einen zusammenhängenden Zeitraum von mindestens sechs Monaten keine Leistungen der Eingliederungshilfe (nach dem SGB IX) bezogen hat (§ 98 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Wie bereits dargelegt, hat der Antragsteller am 4. August 2020 einen Antrag auf Leistungen der Eingliederungshilfe gestellt und seine Bedarfssituation in der neuen Wohnung G. in F. konkretisiert. Für den Senat ist nicht ersichtlich, ob und ggf. wann sowie mit welchem Inhalt der Antragsteller bei wem zu einem früheren Zeitpunkt einen Antrag auf Leistungen der Eingliederungshilfe i.S. des § 108 Abs. 1 SGB IX gestellt haben sollte. Die am 2. Februar 2020 bei dem Antragsgegner Ziff. 2 eingegangene E-Mail des getrennt lebenden Ehemannes des Antragstellers mag dem Antragsgegner Ziff. 2 Kenntnis i.S. des § 18 Abs. 1 SG&61506;&61472;XII von dem Bedarfsfall Pflege vermittelt haben (z.B. BSG, Urteil vom 5. September 2019 - B 8 SO 20/18 R - juris Rdnr. 12 m.w.N.), beinhaltet aber keinen Antrag des Antragstellers auf Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX. Die Anträge vom 16. April 2020 gegen dem Antragsgegner Ziff. 2 und vom 12. Februar 2020 gegenüber dem Antragsgegner Ziff. 3 (Schreiben der Mutter des Antragsstellers vom 6. Februar 2020) haben sich auf die Übernahme der ungedeckten Kosten des Antragstellers für seine Pflege im M.-S.-Haus und der anschließenden ambulanten Pflege in der elterlichen Wohnung bezogen. Davon ist insbesondere auch der Antragsgegner Ziff. 2 ausgegangen (vgl. Aktenvermerk vom 14. Mai 2020, wonach ein Antrag auf Eingliederungshilfe beim dortigen Träger nicht eingegangen sei). Auch der Antragsgegner Ziff. 3 hat den Antrag vom 12. Februar 2020 ausschließlich als Begehren betreffend Leistungen der Hilfe zur Pflege verstanden und letztlich Leistungen der Hilfe zur Pflege bewilligt (Bescheide vom 21. August 2020 und 24. August 2020), nachdem er zunächst den Antrag an den Antragsteller zurückgesandt (vgl. Schreiben vom 14. Februar 2020) und den durch den Antragsgegner Ziff. 2 an ihn weitergeleiteten Antrag auf Hilfe zur Pflege (vgl. Schreiben vom 11. Mai 2020) an die Beschwerdeführerin und die Stadt F. weitergeleitet hatte (Schreiben vom 26. Mai und 29. Mai 2020), die wiederum den Antrag an den Antragsgegner Ziff. 2 übersandt haben (Schreiben vom "23. April 2020" (Eingang 7. Juli 2020), Schreiben vom 14. Juli 2020), der diesen Antrag dann erneut an den Antragsgegner "weitergereicht" hat (Schreiben vom 21. Juli 2020). Auch der am 8. April 2020 gestellte Antrag auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII beinhaltet erkennbar keinen Antrag auf Eingliederungshilfe nach dem SGB IX. Wie bereits dargelegt, hatte der Antragsteller im Zeitpunkt der Antragstellung am 4. August 2020 seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners Ziff. 2. Zum gleichen Ergebnis gelangt der Senat, wenn unterstellt wird, dass der Antragsteller seit seinem Umzug in die Wohnung G. in F. am 15. August 2020 eingliederungshilferechtliche Betreuungsleistungen über Tag und Nacht, mithin ganztägig erhält (vgl. Wehrhahn in jurisPK-SGB IX, 3. Aufl. 2018 (Stand 16. Dezember 2019), § 98 Rdnr. 10). In den letzten zwei Monaten vor dem 15. August 2020 hatte der Antragsteller gleichfalls seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der elterlichen Wohnung in R ... Unter diesen Umständen spricht viel für eine Zuständigkeit des Antragsgegners für Leistungen der Eingliederungshilfe, die die Zuständigkeit für die "Annexleistung" Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII nach sich zieht.

Nachdem zwischen den Antragsgegnern über die Frage der Zuständigkeit bisher Streit herrscht und diese nach dem Eindruck des Senats nicht willens oder in der Lage waren, konstruktiv und vertrauensvoll zusammenzuarbeiten (vgl. §§ 12, 25, 96 Abs. 1 SGB IX, § 86 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz -, § 4 SGB XII) sowie den Hilfefall des Antragstellers lösungsorientiert und sachgerecht zu bearbeiten, bejaht der Senat vorliegend einen Anordnungsgrund. Die individuelle Interessenlage des Antragstellers, auch unter Berücksichtigung der Interessen des Antragsgegners Ziff. 2, lässt es unzumutbar erscheinen, den Antragsteller zur Durchsetzung seines Anspruchs auf ein Hauptsacheverfahren zu verweisen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

5. Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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