L 8 BA 889/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
8
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 5 BA 3693/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 BA 889/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei der statusrechtlichen Beurteilung von GmbH-Geschäftsführern kommt es wegen des Grundsatzes der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände maßgeblich auf deren Eintragung in das Handelsregister an.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 30.01.2020 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 79.877,76 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Nachforderung von Sozialversicherungs- und Umlagebeiträgen in Höhe von insgesamt 79.890,76 Euro im Zeitraum vom 01.01.2013 bis 31.12.2016 für die Tätigkeit des Beigeladenen, eines Gesellschafters der klagenden GmbH.

Die Klägerin ist im Bereich des Heizungs- und Sanitärbaus tätig. Sie wurde am 29.06.2009 in der Rechtsform einer haftungsbeschränkten Unternehmergesellschaft (UG) mit einem Stammkapital von 5.000 Euro von dem Beigeladenen und dem weiteren Gesellschafter H. gegründet. Nach dem notariellen Gründungsvertrag vom selben Tag übernahmen die Gesellschafter jeweils einen Geschäftsanteil von 2.500 Euro. Zum Geschäftsführer wurde der Gesellschafter H. bestellt, der von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit wurde.

Mit Beschluss vom 08.07.2009 bestellte die Gesellschafterversammlung der Klägerin den Beigeladenen zum "vertretungsberechtigten Betriebsleiter". Am selben Tag wurde mit dem Beigeladenen mit Wirkung zum 01.08.2009 ein "Betriebsleiter-Anstellungsvertrag" geschlossen, der u.a. folgende Regelungen enthielt: " [ ] Vorbemerkung Die Gesellschafterversammlung der Gesellschaft hat am 08.07.2009 Herrn G. F. mit Wirkung zum 01.08.2009 zum vertretungsberechtigten Betriebsleiter bestellt.

§ 1 Aufgaben und Pflichten (1) Herr G. F. ist Betriebsleiter der Gesellschaft. Er vertritt die Gesellschaft nach Maßgabe der Vorschriften des Gesellschaftsvertrags und der Geschäftsordnung der Gesellschaft in ihrer jeweiligen Fassung sowie der Bestimmungen der Gesellschafter als stellvertretender Geschäftsführer und Betriebsleiter. (2) Die Gesellschaft kann weitere Betriebsleiter bestellen. (3) Im Rahmen der Geschäftsführung hat der Betriebsleiter für die wirtschaftlichen, finanziellen und organisatorischen Belange der Gesellschaft in bester Weise zu sorgen. (5) Bei allen Entscheidungen muss sich der Betriebsleiter allein vom Wohl der Gesellschaft leiten lassen. (6) Der Betriebsleiter hat die ihm obliegenden Pflichten mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns wahrzunehmen. (7) Der Betriebsleiter hat seine gesamte Arbeitskraft und seine gesamten Kenntnisse und Erfahrungen ausschließlich der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen, soweit sich nicht aus Nachfolgendem etwas anderes ergibt. Die Übernahme einer entgeltlichen oder unentgeltlichen Nebentätigkeit, von Ehrenämtern, von Aufsichtsrats-, Beirats- und ähnlichen Mandaten sowie von Gutachten, Veröffentlichungen und Vorträgen bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung der Gesellschafter. (8) Dem Betriebsleiter ist untersagt, sich während der Dauer dieses Anstellungsverhältnisses selbst oder mittelbar an einem Unternehmen zu beteiligen, das mit der Gesellschaft in Konkurrenz steht oder in wesentlichem Umfang Geschäftsbeziehungen mit der Gesellschaft unterhält. Ausnahmen bedürfen der vorherigen schriftlichen Zustimmung der Gesellschafter.

§ 2 Vertragsdauer (1) Dieser Vertrag beginnt am 01.08.2009. (2) Er wird unbefristet abgeschlossen. (3) Der Vertrag ist jederzeit aus wichtigem Grund fristlos kündbar. Ein wichtiger Grund liegt für die Gesellschaft Insbesondere vor, wenn - der Betriebsleiter Aufgaben und Pflichten gemäß § l des Vertrags verletzt, - der Betriebsleiter gegen gesetzliche Bestimmungen verstößt. (4) Die Kündigung dieses Vertrags bedarf der Schriftform. Die Kündigung durch den Betriebsleiter ist, wenn ein weiterer Geschäftsführer vorhanden ist, gegenüber der Gesellschaft zu erklären, sonst gegenüber dem Gesellschafter mit der höchsten Kapitalbeteiligung an der Gesellschaft. Die Kündigung durch die Gesellschaft erfolgt durch schriftliche Mitteilung eines entsprechenden Beschlusses der Gesellschafter. (5) Nach einer ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung dieses Vertrags, gleich durch welche Partei, ist die Gesellschaft jederzeit befugt, den Betriebsleiter von seiner Verpflichtung zur Dienstleistung für die Gesellschaft sofort freizustellen. Die übrigen Ansprüche aus dem Betriebsleitervertrag bleiben unberührt. (6) Die Bestellung von Herrn G. F. zum Betriebsleiter kann durch Beschluss der Gesellschafter jederzeit widerrufen werden, unbeschadet seiner etwaigen Entschädigungsansprüche aus diesem Vertrag. Der Widerruf gilt als Kündigung dieses Vertrags zum nächstmöglichen Zeitpunkt.

§ 3 Bezüge (1) Der Betriebsleiter erhält als Vergütung für seine Tätigkeit ein Jahresgehalt von 30.000 EUR brutto. Das Jahresgehalt wird in 12 gleichen Raten unter Einbehaltung der gesetzlichen Abzüge zur Mitte eines jeden Kalendermonats gezahlt, erstmals zum 01.08.2009. (2) Ein Anspruch auf Vergütung von Überstunden, Sonntags-, Feiertags- oder sonstiger Mehrarbeit besteht nicht. (3) [ ]

§ 4 Bezüge bei Krankheit und Tod (1) Bei einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit des Betriebsleiters, die durch Krankheit oder aus einem anderen, von dem Geschäftsführer nicht zu vertretenden Grund eintritt, werden die Bezüge gemäß § 3 Ziffer (1) für 3 Monate weitergezahlt, und zwar unter Abzug eines Betrags, der dem von der Krankenkasse gezahlten Krankengeld entspricht. Die Fortzahlung der Bezüge erfolgt jedoch längstens bis zur Beendigung dieses Vertrags. (2) Stirbt der Betriebsleiter während der Dauer dieses Vertrags, so haben seine Witwe und seine ehelichen Kinder, soweit diese das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und noch in der Berufsausbildung stehen, als Gesamtgläubiger Anspruch auf Fortzahlung des Gehalts gemäß § 3 Ziffer (1) für den Sterbemonat und die drei folgenden Monate.

§ 5 Arbeitszeit Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden.

§ 6 Arbeitsverhinderung, Krankheit (1) Ist der Mitarbeiter durch Krankheit oder sonstige unvorhergesehene Ereignisse an der Erbringung seiner Arbeitsleistung gehindert, so hat er dies der Gesellschaft unverzüglich mitzuteilen und die Gründe hierfür anzugeben. Die voraussichtliche Dauer der Verhinderung ist der Gesellschaft gleichzeitig mitzuteilen. (2) Ist der Betriebsleiter infolge von auf Krankheit beruhender Arbeitsunfähigkeit an der Erbringung seiner Arbeitsleistung gehindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, so erhält er Gehaltsfortzahlung: - für die Dauer von 12 Monaten - nach den gesetzlichen Vorschriften. (3) [ ]

§ 7 Urlaub Der Betriebsleiter hat Anspruch auf einen Jahresurlaub von 30 Arbeitstagen. Die beabsichtigte Urlaubszeit ist mit den Geschäftsführer abzustimmen.

§ 8 Lebensversicherung Der Betriebsleiter hat keinen Anspruch auf eine Pension der Gesellschaft. Soweit und solange dieser Anstellungsvertrag jedoch besteht, wird die Gesellschaft dem Betriebsleiter - ggf. pro rata temporis - dessen Jahresbeitrag zu einer Lebensversicherung erstatten. [ ]

§ 9 Sonstige Leistungen (1) Dem Betriebsleiter wird für seine Tätigkeit im Rahmen dieses Vertrags ein Firmenwagen der gehobenen Mittelklasse (BMW, Audi o.ä.) zur Verfügung gestellt, der auch zu privaten Zwecken genutzt werden kann. (2) Die Gesellschaft erstattet dem Betriebsleiter die Aufwendungen, die ihm in der Ausübung seiner Aufgaben entstehen, einschließlich Reise- und Bewirtungskosten, im Rahmen der jeweils steuerlich zulässigen Höchstgrenzen, Der Betriebsleiter muss seine Auslagen belegen, soweit üblicherweise Belege erteilt werden. Im Übrigen reichen Eigenbelege aus (z.B. für Telefonate und Trinkgelder). (3) [ ]

[ ]".

Mit dem Gesellschafter H. wurde ebenfalls am 08.07.2009 ein "Geschäftsführer-Anstellungsvertrag" mit Wirkung zum 01.07.2009 geschlossen. In dessen § 1 wurden folgende Regelungen getroffen: "(1) Herr J. H. ist Geschäftsführer der Gesellschaft. Er vertritt die Gesellschaft nach Maßgabe der Vorschriften des Gesellschaftsvertrags und der Geschäftsordnung der Gesellschaft in ihrer jeweiligen Fassung sowie der Bestimmungen der Gesellschafter. (2) Die Gesellschaft kann weitere Geschäftsführer bestellen. (3) Der Geschäftsführer führt die Geschäfte nach Maßgabe der Gesetze, des Gesellschaftsvertrags, der von den Gesellschaftern erlassenen Geschäftsordnung und der sonstigen Bestimmungen der Gesellschafter. (4) Im Rahmen der Geschäftsführung hat der Geschäftsführer für die wirtschaftlichen, finanziellen und organisatorischen Belange der Gesellschaft in bester Weise zu sorgen. (5) Bei allen Entscheidungen muss sich der Geschäftsführer allein vom Wohl der Gesellschaft leiten lassen. (6) Der Geschäftsführer hat die ihm obliegenden Pflichten mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns wahrzunehmen. (7) Der Geschäftsführer hat seine gesamte Arbeitskraft und seine gesamten Kenntnisse und Erfahrungen ausschließlich der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen, soweit sich nicht aus Nachfolgendem etwas anderes ergibt. Die Übernahme einer entgeltlichen oder unentgeltlichen Nebentätigkeit, von Ehrenämtern, von Aufsichtsrats-, Beirats- und ähnlichen Mandaten sowie von Gutachten, Veröffentlichungen und Vortragen bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung der Gesellschafter. (8) Dem Geschäftsführer ist untersagt, sich während der Dauer dieses Anstellungsverhältnisses selbst oder mittelbar an einem Unternehmen zu beteiligen, das mit der Gesellschaft in Konkurrenz steht oder in wesentlichem Umfang Geschäftsbeziehungen mit der Gesellschaft unterhält. Ausnahmen bedürfen der vorherigen schriftlichen Zustimmung der Gesellschafter. (9) Der Geschäftsführer berichtet den Gesellschaftern regelmäßig, mindestens einmal je Quartal, sowie unverzüglich im Falle außergewöhnlicher Ereignisse schriftlich über die Entwicklung des Geschäfts. [ ]"

Im Übrigen, insbesondere hinsichtlich der Vereinbarungen über die Bezüge, Arbeitszeit, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalls und Urlaubsansprüche, entspricht der Geschäftsführer-Anstellungsvertrag dem Betriebsleiter-Anstellungsvertrag.

Zum 30.07.2009 wurde die UG mit dem Geschäftsführer H. in das Handelsregister eingetragen (s. Handelsregisterauszug Bl. I 22 VA).

Das monatliche Gehalt des Beigeladenen betrug im Jahre 2013 3.500 Euro monatlich zuzüglich eines Verpflegungszuschusses von 90 Euro; ab 01.01.2014 wurde der Verpflegungszuschuss auf 180 Euro erhöht; ab 01.08.2014 betrug das Gehalt 4.000 Euro zuzüglich eines Verpflegungszuschusses von 180 Euro. Im November 2013, 2015 und 2016 wurde ein Weihnachtsgeld in Höhe von jeweils 2.000 Euro und im November 2014 in Höhe von 3.000 Euro gewährt. Im März 2014 wurde eine Tantieme in Höhe von 6.320,83 Euro ausgezahlt.

Sowohl H. als auch der Beigeladene verpflichteten sich zu selbstschuldnerischen Bürgschaften in jeweils gleicher Höhe (Darlehensverträge mit der Volksbank Hohenlohe vom 16.01.2015 und 03.03.2016 mit selbstschuldnerischen Bürgschaften in Höhe von jeweils 90.000 EUR bzw. 30.000 EUR).

Vom 03.05.2017 bis 29.11.2017 führte die Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) für den Zeitraum vom 01.01.2013 bis 31.12.2016 durch.

Im Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung gaben die Gesellschafter am 05.05.2017 an, dass die Firma vor der Gründung der UG in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) bestanden habe. Inhaber seien auch damals H. und der Beigeladene mit einem Kapitalanteil von je 50 Prozent gewesen. Das Stammkapital der Klägerin betrage 5.000 Euro; die Gesellschafter hielten einen Anteil von jeweils 50 Prozent. Die Beschlussfassung erfolge mit einfacher Mehrheit. Im Rahmen seiner Tätigkeit für die Klägerin unterliege der Beigeladene keinen Weisungen und könne seine Tätigkeit frei bestimmen und gestalten. Er könne selbständig Personal einstellen und entlassen. Seinen Urlaub müsse er nicht genehmigen lassen. Es sei eine monatliche gleichbleibende Vergütung in Höhe von 2.500 Euro und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall vereinbart. Zudem erhalte er erfolgsabhängige Bezüge in Form von Tantiemen. Er habe eine Kontovollmacht für sämtliche Konten der Gesellschaft und handele wie ein eingetragener Geschäftsführer. Er sei nur deshalb nicht als Geschäftsführer eingetragen worden, weil eine Standardgründung mit nur einem Geschäftsführer einfacher gewesen sei. Der Klägerin habe er ein Darlehen in Höhe von 5.250 Euro gewährt und für diese Bürgschaften übernommen.

Weiter legte die Klägerin einen im Zusammenhang mit der Änderung der Rechtsform erstellten Business-Plan vor. In diesem werden beide Gesellschafter als Gründerpersonen und verantwortliche Leiter der GbR genannt; der Verantwortungsbereich "Geschäftsleitung" wird beiden zugeordnet.

Mit Wirkung vom 25.07.2017 wurde die UG in eine GmbH mit einem Stammkapital von 25.000 Euro umgewandelt und nunmehr auch der Beigeladene als Geschäftsführer in das Handelsregister eingetragen (beide Geschäftsführer als einzelvertretungsberechtigt).

Mit Schreiben vom 01.09.2017 hörte die Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Festsetzung einer Nachforderung zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 79.870,76 Euro für die Tätigkeit des Beigeladenen an. Dieser übe seine Tätigkeit als mitarbeitender Gesellschafter seit 01.08.2009 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses aus.

Im Rahmen der Anhörung trug die Klägerin mit Schreiben vom 10.10.2017 vor, dass die UG ursprünglich von H. und dem Beigeladenen als GbR gegründet worden sei, in der Risiken, Aufgaben, Pflichten und Rechte völlig gleich verteilt gewesen seien. Aus Haftungsgründen hätten sich die Gesellschafter 2009 entschlossen, daraus eine haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft zu gründen. Im Innenverhältnis zwischen den Gesellschaftern sei keine Veränderung eingetreten. Lediglich aus Gründen des Notarkostenrechts sei nur der Gesellschafter H. als Geschäftsführer der neuen Gesellschaft eingetragen worden. Die Gründungskosten seien wesentlich niedriger, wenn ein gesetzlich vorgegebenes Musterprotokoll verwendet werden könne, das nicht verändert werden dürfe. Dieses sehe maximal drei Gesellschafter und einen Geschäftsführer vor. Dass H. und nicht der Beigeladene zum Geschäftsführer ernannt worden sei, beruhe ausschließlich auf der zufälligen Tatsache, dass im ursprünglichen Firmennamen der GbR der Name des H. der erstgenannte gewesen sei. H. habe zudem seit Beginn der gemeinsamen selbständigen Tätigkeit die gleichen Ansprüche auf ein monatliches Festgehalt, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und bezahlten Erholungsurlaub. Der Anstellungsvertrag mit dem Beigeladenen sei insoweit nichts anderes als ein laienhaft umgeschriebener Geschäftsführervertrag des H. Gerade die unübliche Dauer der vereinbarten Entgeltfortzahlung zeige die besondere Stellung des Beigeladenen. Die Regelung im Anstellungsvertrag hinsichtlich der Vertretung der Gesellschaft als "stellvertretender Geschäftsführer" sei als eine Geschäftsführerbestellung zu werten. Rechtlich sei der Beigeladene dem Geschäftsführer H. gleichgestellt gewesen. Er habe auch eine umfassende Vollmacht für alle Konten der Gesellschaft. Der Beigeladene könne die Zeit, den Ort und die Art der Arbeitsausführung selbst bestimmen. Er sei befugt, Personal einzustellen und zu entlassen. Die beiden Gesellschafter hätten in gleicher Höhe selbstschuldnerische Bürgschaften für diverse Darlehen der Gesellschaft übernommen. Mittlerweile sei die UG in eine GmbH umgewandelt und beide Gesellschafter seien formell zum Geschäftsführer bestellt worden. Der Beigeladene übe seine Tätigkeit nach wie vor gleichberechtigt und gleichverpflichtet neben seinem Partner H. aus. In der Gesamtbetrachtung sei für einen kurzen Zeitraum lediglich eine "kleine Formalie" missachtet worden, was nicht zur Annahme einer abhängigen Beschäftigung führen könne.

Mit Bescheid vom 10.01.2018 setzte die Beklagte für die Tätigkeit des Beigeladenen im Zeitraum vom 01.01.2013 bis 31.12.2016 eine Nachforderung in Höhe von insgesamt 79.870,76 Euro fest. Zur Begründung führte sie aus, die Tätigkeit als mitarbeitender Gesellschafter sei im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt worden. Es habe Versicherungspflicht in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden. Entscheidend sei die Rechtsmacht innerhalb der Gesellschaft. Im Anstellungsvertrag werde die Tätigkeit als "Betriebsleiter" und "stellvertretender Geschäftsführer" bezeichnet. Eine Eintragung als Geschäftsführer im Handelsregister sei aber nicht erfolgt. Die Bezeichnung als "stellvertretender Geschäftsführer" sei nicht relevant, solange keine tatsächliche, durch die Eintragung im Handelsregister nachgewiesene Bestellung zum Geschäftsführer erfolgt sei. Für einen mitarbeitenden Gesellschafter ohne Geschäftsführerfunktion sei eine abhängige Beschäftigung grundsätzlich ausgeschlossen, wenn er über mehr als 50 Prozent des Stammkapitals verfüge. Mit seinem Kapitalanteil von 50 Prozent könne der Beigeladene aber keinen maßgebenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ausüben. Seine Rechtsmacht erschöpfe sich darin, Beschlüsse der Gesellschafterversammlung zu verhindern. Eine freie Bestimmung über Zeit, Ort und Art der Arbeitsausübung sei bei Diensten höherer Art üblich. Auch weitreichende Entscheidungsbefugnisse eines leitenden Angestellten allein machten diesen nicht zu einem Selbständigen. Die vereinbarte feste Entlohnung und Ansprüche auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und bezahlten Erholungsurlaub sprächen für eine abhängige Beschäftigung. Hinsichtlich der vereinbarten Anspruchsdauer der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall von drei Monaten (statt der gesetzlich vorgesehenen sechs Wochen) liege eine Besserstellung gegenüber einem normalen Arbeitnehmer vor. Im Gegensatz zum eingetragenen Geschäftsführer H. trage der Beigeladene nicht das Risiko der Geschäftsführerhaftung. Damit sei sein unternehmerisches Risiko geringer. Die Übernahme von Bürgschaften und die Gewährung von Darlehen begründe für sich allein noch kein unternehmerisches Risiko.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Sie begründete dies im Wesentlichen damit, dass die Beklagte fehlerhaft auf die fehlende Handelsregistereintragung abgestellt habe.

Mit Schreiben vom 13.02.2018 setzte die Beklagte die Vollziehung des angefochtenen Bescheides wegen unbilliger Härte bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens aus.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.10.2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten und Entscheidung erheblichen Tatsachen überwögen weiterhin die Merkmale für eine versicherungspflichtige Beschäftigung. So sei der Beigeladene im maßgeblichen Zeitraum weder zum Geschäftsführer bestellt noch ins Handelsregister eingetragen worden. Insoweit sei er von den Kunden der Klägerin nicht als Geschäftsführer wahrgenommen worden. Die vom Beigeladenen übernommenen Darlehen und Bürgschaften würden lediglich ein Indiz für eine selbständigen Tätigkeit darstellen.

Am 09.11.2018 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Sie macht in Ergänzung ihres Vortrags geltend, dass beide Gesellschafter auch während der Phase, als nur ein Gesellschafter als Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen war, gleichberechtigt und gleichverpflichtet gewesen seien. Die Annahme, dass der eingetragene Geschäftsführer nur aufgrund seiner formalen Stellung seinem gleichberechtigten Partner in einem Zwei-Mann-Handwerksbetrieb verbindliche Weisungen erteilen könne, sei fernliegend.

Mit Urteil vom 30.01.2020 hat das SG den Bescheid vom 10.01.2018 der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2018 aufgehoben: Zu Unrecht sei die Beklagte davon ausgegangen, dass der Beigeladene abhängig beschäftigt gewesen sei. Die Beklagte habe zu Unrecht angenommen, dass der Beigeladene mangels einer formellen Eintragung in das Handelsregister nicht als Geschäftsführer anzusehen sei. Entscheidend sei vielmehr, ob der Beigeladene im streitgegenständlichen Zeitraum eine Geschäftsführerstellung innegehabt habe. Da er nach § 1 Abs. 1 des Betriebsleiter-Anstellungsvertrages die Gesellschaft "als stellvertretender Geschäftsführer und Betriebsleiter" vertrete, sei davon auszugehen, dass er zum stellvertretenden Geschäftsführer bestellt worden sei. Dies gelte umso mehr, weil eine Beschränkung der Vertretungsmacht des Beigeladenen im Innenverhältnis nicht ersichtlich sei. Selbst wenn die Bestellung unwirksam gewesen wäre, hätte der Beigeladene in diesem Fall nach der "Lehre vom fehlerhaften Organ" oder jedenfalls als sog. "faktischer Geschäftsführer" bis zur Beendigung der fehlerhaften Organstellung die gesetzlichen Pflichten eines ordnungsgemäß bestellten Geschäftsführers zu. Denn er habe nach innen und außen als Geschäftsführer gehandelt. Unschädlich sei, dass der Beigeladene im streitgegenständlichen Zeitraum nicht als Geschäftsführer in das Handelsregister eingetragen gewesen sei. Denn die Eintragung als solche besitze lediglich deklaratorischen, keinen konstitutiven Charakter. Der Geschäftsführer (und damit auch der stellvertretende Geschäftsführer) könne daher sofort nach der Bestellung, also noch vor der Anmeldung und Eintragung, tätig werden. Im Übrigen habe der Beigeladene ein erhebliches unternehmerisches Haftungsrisiko mit den eingegangenen Darlehens- und Bürgschaftsverpflichtungen getragen, welches nicht durch das im Betriebsleiter-Vertrag vereinbarte monatliche Gehalt und andere Ansprüche ausgeglichen werde. Nach dem glaubhaften Vortrag der Gesellschafter sei der Beigeladene seit der Gründung der GbR auch als selbständiger Mitinhaber des Unternehmens aufgetreten und von Geschäftspartnern als solcher angesehen worden. Für diese Außenwirkung spreche bereits der Umstand, dass der Nachname des Beigeladenen Teil des Firmennamens ist. Der Betriebsleiter-Anstellungsvertrag vom 08.07.2009 gewähre zwar einige arbeitnehmertypische Vorteile, insbesondere Ansprüche auf ein monatliches Fixgehalt, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, bezahlten Urlaub und Erstattung von Reisekosten und anderen betriebsbedingten Aufwendungen. Diese Vorteile würden das bestehende unternehmerische Risiko aber nicht ausgleichen.

Gegen das ihr am 24.02.2020 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 13.03.2020 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung komme es maßgeblich auf die Bestellung des hälftig am Stammkapital beteiligten GmbH-Gesellschafters zum Geschäftsführer an. Denn nur dann habe er nicht lediglich eine Verhinderungsmacht (wie ein hälftig am Stammkapital beteiligter GmbH-Gesellschafter), sondern sei auch in der Lage, die Geschicke der Gesellschaft maßgeblich zu beeinflussen. Bezugnehmend auf die Urteile des Bundesozialgerichts (BSG) vom 09.08.2008 (Az.: B 12 KR 3/06 R) und vom 05.03.2014 (Az.: B 12 KR 1/12 R) sowie auf den Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 15.04.2019 (Az.: L 5 BA 611/19 ER-B) sei maßgeblich auf die Eintragung im Handelsregister abzustellen. Denn eine vom rein faktischen, nicht rechtlich gebundenen und daher jederzeit änderbaren Verhalten der Beteiligten abhängige Statuszuordnung sei mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungsrechtlich- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht zu vereinbaren. Andernfalls stünde es gerade bei kleinen Unternehmen im freien Belieben der Beteiligten, durch zielgerichtete Angaben zur tatsächlichen Stellung der Betroffenen im Unternehmen Sozialversicherungspflicht zu begründen oder auszuschließen. Hier werde ein einheitliches Abstellen auf das Datum der Eintragung in das Handelsregister der vom BSG ausdrücklich geforderten Vorhersehbarkeit und Nachprüfbarkeit gerecht.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 30.01.2020 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 10.01.2018 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 10.10.2018 zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin erachtet das angefochtene Urteil für zutreffend und führt ergänzend aus, die Beklagte arbeite sich nunmehr ausschließlich an der fehlenden Handelsregistereintragung ab. Das maßgebende Gesamtbild der Arbeitsleistung spiele nach Auffassung der Beklagten offensichtlich keine Rolle mehr. Auch stellvertretende Geschäftsführer seien organschaftliche Vertreter der Gesellschaft. Richtig habe das Sozialgericht erkannt, dass im konkreten Innenverhältnis keine Beschränkung der Vertretungsmacht vorlag, welche jedoch durchaus möglich gewesen wäre. Jeder der Geschäftsführer sei durchgehend mit den gleichen Rechten und Pflichten ausgestattet gewesen. Dies sei auch von den Kunden, Lieferanten und den Mitarbeitern der Klägerin so aufgefasst bzw. wahrgenommen worden. Die Eintragung nach § 39 GmbHG habe nur deklaratorische Wirkung. Auch gesellschaftsrechtlich spreche alles für eine selbstständige Tätigkeit. Der Beigeladene trage dieselben gesetzlichen Haftungsrisiken, wie der ordentliche Geschäftsführer. Hier liege eine rechtlich wirksame Bestellung zum stellvertretenden Geschäftsführer vor, welche gemäß § 44 GmbHG zur Anwendung aller für Geschäftsführer gegebenen Vorschriften führe. Seit der Gründung des Betriebs der Klägerin bestehe dieser in der gleichen Besetzung, mit gleichen Rechten und Pflichten der beiden Gesellschafter (Bl. 29 LSG).

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

Die Beteiligten haben sich im Erörterungstermin vom 12.10.2020 mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist zulässig und begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 10.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.10.2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat für die Tätigkeit des Beigeladenen zu Recht im Zeitraum vom 01.01.2013 bis 31.12.2016 Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 79.870,76 EUR festgesetzt. Mithin war das mit der Berufung angefochtene Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 10.01.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.10.2018. Der Bescheid beruht auf § 28p Abs. 1 SGB IV. Hiernach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag entstehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insb. die Richtigkeit der Beitragszahlung und der Meldungen (§ 28a SGB IV) mindestens alle vier Jahre. Im Rahmen der Prüfung erlassen die Träger der Rentenversicherung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern (§ 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV; vgl. zur Zuständigkeit für den Erlass von Nachforderungsbescheiden auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.07.2010 - L 11 R 2595/10 ER-B -, in juris).

Versicherungspflichtig sind in der Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) und in der Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Die hierzu korrespondierende Pflicht des Arbeitgebers zur anteiligen Tragung der Beiträge folgt aus § 249 Abs. 1 SGB V, § 168 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI, § 58 Abs. 1 Satz 1 SGB XI und § 346 Abs. 1 Satz 1 SGB III. Die Verpflichtung zur Tragung der Insolvenzgeldumlage folgt aus § 359 Abs. 1 Satz 1 SGB III.

Grundvoraussetzung für die Pflicht zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen ist das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses. Der Beurteilungsmaßstab hierfür findet sich in § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insb. in einem Arbeitsverhältnis. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sind Anhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erfordert das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsleistung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Vornehmlich bei Diensten höherer Art kann das Weisungsrecht auch eingeschränkt und zur "dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein (dazu BSG, Urteil vom 18.12.2001, - B 12 KR 10/01 R -, in juris). Höhere Dienste werden im Rahmen abhängiger Beschäftigung geleistet, wenn sie fremdbestimmt bleiben, sie in einer von der anderen Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebs aufgehen (BSG, Urteil vom 19.06.2001, - B 12 KR 44/00 R -, in juris). Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit sowie das Unternehmerrisiko gekennzeichnet (vgl. BSG, Urteil vom 29.08.2012, - B 12 KR 25/10 R -, in juris). Letzteres besteht meist in der Gefahr, bei wirtschaftlichem Misserfolg des Unternehmens das eingesetzte Kapital zu verlieren oder nicht ausreichend nutzen zu können; ihm entspricht die Aussicht auf Gewinn, wenn das Unternehmen wirtschaftlichen Erfolg hat. Entscheidend ist insofern, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Abhängig Beschäftigte tragen demgegenüber das Arbeitsplatzrisiko, das in der Gefahr besteht, bei wirtschaftlichem Misserfolg des Unternehmens die Arbeitsstelle einzubüßen.

Die Unterscheidung von Unternehmer- und Arbeitsplatzrisiko ist auch in der Rechtsprechung des Senats ein wichtiges, vielfach entscheidendes Kriterium für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung einer Tätigkeit. Es steht allerdings nicht für sich allein. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, also den rechtlich relevanten Umständen, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Hierzu kann insb. die Verteilung der Rechtsmacht in einem Unternehmen und die daraus folgende Rechtsstellung bzw. Rechtsmacht der Person gehören, weshalb es vielfach ausschlaggebend darauf ankommt, ob die in Rede stehende Person ihre Tätigkeit in einem (im Rechtssinne) "eigenen" oder in einem "fremden" (Einzel-)Unternehmen verrichtet bzw. - bei Kapitalgesellschaften, wie einer GmbH - ob und in welchem Maße sie aufgrund einer Kapitalbeteiligung oder ggf. aufgrund gesellschaftsvertraglicher Regelungen über (Stimm-)Rechte (in der Gesellschafterversammlung) verfügt und welche Rechtsmacht ihr daraus erwächst (dazu näher etwa BSG, Urteile vom 11.11.2015, - B 12 R 2/14 R - und B 12 KR 10/14 R -, in juris). Das Fehlen der den sozialversicherungsrechtlichen Status des selbstständig erwerbstätigen Unternehmers ausmachenden Rechtsmacht im Unternehmen kann weder durch besonderes Fachwissen noch durch langjährige Berufserfahrung ausgeglichen werden. Auch der besonders oder gar herausragend qualifizierte und kaum ersetzbare Arbeitnehmer wird allein deshalb nicht zum (Mit-) Unternehmer neben dem Betriebsinhaber, sondern er bleibt abhängig Beschäftigter. Das gilt auch dann, wenn er faktisch "Kopf und Seele" des Unternehmens ist und dieses nach eigenem "Gutdünken" leitet (BSG, Urteil vom 18.11.2015, - B 12 KR 16/13 R - und Urteile vom 29.07.2015, - B 12 R 1/15 R - und B 12 KR 23/13 R -, alle in juris).

Von diesen allgemeinen Grundsätzen ausgehend ist grundsätzlich auch der sozialversicherungsrechtliche Status eines Gesellschafters/Geschäftsführers einer GmbH zu beurteilen. Dabei muss aber zusätzlich berücksichtigt werden, ob und mit welchem Anteil der Gesellschafter am Stammkapital der GmbH beteiligt ist. Bei einer Kapitalgesellschaft, wie der GmbH, ist die Rechtsmacht in der Gesellschaft und damit auch die Rechtsstellung als selbstständig erwerbstätiger Unternehmer oder abhängig beschäftigter Arbeitnehmer grundsätzlich mit der Kapitalbeteiligung verknüpft. Der Umfang der Kapitalbeteiligung und das Ausmaß des sich daraus ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft und die Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung stellen ein wesentliches Merkmal bei der Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit dar. Gesellschaftsrechtliche Wertungen und Gestaltungen sind für die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung aber nicht strikt zu übernehmen; eine uneingeschränkte Parallelität gibt es insoweit nicht. Ob Gestaltungen der Gesellschaftsrechts- bzw. Gesellschaftsvertragsrechtslage (überhaupt) für die Statusentscheidung bedeutsam sind, und - falls ja - mit welchem Indizcharakter und welcher Gewichtung im Rahmen der Abwägung aller Umstände, beurteilt sich ohne strikte "Parallelwertung" allein im vorliegend thematisch einschlägigen - sozialversicherungs-rechtlichen - Kontext des § 7 Abs. 1 SGB IV (BSG, Urteil vom 11.11.2015, - B 12 KR 13/14 R -, in juris). Kann der Gesellschafter/Geschäftsführer aufgrund seiner Gesellschafterstellung wesentlichen rechtlichen Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft ausüben, kommt ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht in Betracht. Notwendig hierfür ist, dass der Gesellschafter ihm nicht genehme Weisungen hinsichtlich seiner Tätigkeit im Bedarfsfall jederzeit verhindern und so die für das Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit des Arbeitnehmers von einem Arbeitgeber vermeiden kann (vgl. BSG, Urteil vom 23.06.1994, - B 12 RK 72/92 -; Urteil vom 25.01.2006, - B 12 KR 30/04 R -, Urteil vom 11.11.2015, - B 12 KR 10/14 R -, jeweils in juris). Ein Gesellschafter/Geschäftsführer ist mithin nicht per se kraft seiner Kapitalbeteiligung selbstständig tätig, sondern muss, um nicht als abhängig Beschäftigter angesehen zu werden, über seine Gesellschafterstellung hinaus die Rechtsmacht besitzen, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft bestimmen zu können. Eine solche Rechtsmacht ist bei einem Gesellschafter gegeben, der mehr als 50 v.H. der Anteile am Stammkapital hält. Ein Gesellschafter/Geschäftsführer, der nicht über diese Kapitalbeteiligung verfügt und damit als Mehrheitsgesellschafter ausscheidet, ist grundsätzlich abhängig beschäftigt. Er ist ausnahmsweise nur dann als Selbstständiger anzusehen, wenn er exakt 50 v.H. der Anteile am Stammkapital hält oder ihm bei einer geringeren Kapitalbeteiligung nach dem Gesellschaftsvertrag eine umfassende ("echte" oder "qualifizierte"), die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität eingeräumt ist.

Hiervon abzugrenzen ist die Beurteilung eines für die GmbH tätigen Gesellschafters, der nicht zu deren Geschäftsführer bestellt ist. Ein solcher besitzt allein aufgrund seiner gesetzlichen Gesellschafterrechte nicht die Möglichkeit, seine Weisungsgebundenheit als Angestellter der Gesellschaft aufzuheben oder abzuschwächen. Vorbehaltlich anderweitiger Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag, die vorliegend nicht ersichtlich sind, ist die Dienstaufsicht und das Weisungsrecht über die Angestellten der GmbH nämlich Sache der laufenden Geschäftsführung und nicht der Gesellschafterversammlung. Deshalb bleibt der Gesellschafter in seiner Eigenschaft als Angestellter rechtlich von Weisungen der Geschäftsführung abhängig. Die Rechtsmacht auch eines Gesellschafters mit Sperrminorität erschöpft sich in solchen Fällen darin, Beschlüsse der Gesellschafterversammlung verhindern zu können (BSG, Urteil vom 23.06.1994 - Az.: 12 RK 72/92 -, in juris).

Zwar wurde der Beigeladene mit Gesellschafterbeschluss vom 08.07.2009 entsprechend § 1 Abs. 1 des Betriebsleiter-Anstellungsvertrags vom selben Tag mit Wirkung zum 01.08.2009 zum stellvertretenden Geschäftsführer und Betriebsleiter der Klägerin bestellt, eine Eintragung in das Handelsregister ist jedoch erst am 25.07.2017 und damit zu einem Zeitpunkt erfolgt, für den (sowie für die diesem Zeitpunkt folgenden Zeitraum) im Bescheid vom 10.01.2018 keine Beiträge erhoben werden. Ungeachtet des Vortrages, dass die Geschäftsführerbestellung tatsächlich vollzogen worden ist, führt die Geschäftsführerbestellung statusrechtlich wegen des Grundsatzes der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände (BSG, Urteil vom 14.03.2018 - B 12 KR 13/17 R -, in juris) nicht dazu, den Beigeladenen bei der Beurteilung des Bestehens der Rechtsmacht im oben umschriebenen Sinne als Geschäftsführer der Antragstellerin einstufen zu können. Gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) können Gesellschafter oder andere Personen zu Geschäftsführern bestellt werden. Die Bestellung erfolgt nach § 6 Abs. 3 Satz 2 GmbHG im Gesellschaftsvertrag oder nach Maßgabe der Bestimmungen des dritten Abschnitts des GmbHG (u.a. im Fall der Führungslosigkeit). Nach § 39 Abs. 1 GmbHG ist jede Änderung in den Personen der Geschäftsführer sowie die Beendigung der Vertretungsbefugnis eines Geschäftsführers zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (BSG, Urteil vom 29.07.2015 - B 12 KR 23/13 R -, in juris). Dies ist im streitbefangenen Zeitraum nicht erfolgt. Außerhalb des Gesellschaftsvertrags (Satzung) bestehende Abreden zwischen einem Gesellschafter-Geschäftsführer sowie anderen Gesellschaftern und/oder der GmbH vermögen statusrechtlich die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmachtverhältnisse aber nicht mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung zu verschieben (so auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.04.2020 – Az.: L 4 BA 825/20 ER-B –, in juris, sowie Beschluss vom 15.04.2019 - Az.: L 5 BA 611/19 ER-B -, n.v.).

Dem außerhalb des Gründungsvertrages vom 29.06.2009 getroffenen Gesellschafterbeschluss vom 08.07.2009 sowie dem Betriebsleiter-Anstellungsvertrag vom gleichen Tag kommt nicht die vom SG angenommene Bedeutung zu. Ein solcher Beschluss mag zwar gesellschaftsrechtlich zulässig sein. Sozialversicherungsrechtlich entfaltet er jedoch keine Relevanz, weil er außerhalb des Gesellschaftsvertrages getroffen wurde und ihm ohne notarielle Beurkundung und Eintragung in das Handelsregister die insoweit erforderliche Publizität fehlt (zur rechtsbekundenden Wirkung der Handelsregistereintragung vgl. auch BSG, Urteil vom 05.03.2014 – B 12 KR 1/12 R – in juris Rn. 28). Andernfalls wäre die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von der Entscheidung der Gesellschafter abhängig, ob sie nicht beurkundete und nicht eingetragene Vereinbarungen außerhalb des Gesellschaftsvertrags in Verkehr bringen oder nicht (Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. Juni 2017 – L 5 KR 20/15 – in juris Rn. 32).

Die Eintragung im Handelsregister soll Rechtssicherheit für den Rechtsverkehr im Außenverhältnis der Gesellschaft bieten (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 19. Dezember 2019 - B 12 KR 9/18 R - Terminbericht des BSG Nr. 57/19, Ziff. 2). Die Offenlegung der Vertretungsverhältnisse der Gesellschaft dient insgesamt der Sicherheit des Rechtsverkehrs. Dem entspricht die Regelung in § 15 Abs. 1 Handelsgesetzbuch (HGB). Danach gilt: Solange eine in das Handelsregister einzutragende Tatsache nicht eingetragen und bekanntgemacht ist, kann sie von demjenigen, in dessen Angelegenheiten sie einzutragen war, einem Dritten nicht entgegengesetzt werden, es sei denn, dass sie diesem bekannt war. Diese erste Variante von § 15 Abs. 1 HGB gründet das Vertrauen des Rechtsverkehrs und damit auch des Dritten auf das Schweigen des Handelsregisters über die betreffende Tatsache, woraus sich der Ausdruck der negativen Publizität ableitet (Förster, in: Heymann, HGB, 3. Aufl. 2020, § 15 Rn. 16). Die Pflicht zur Eintragung einer Änderung in den Personen der Geschäftsführer folgt jedoch unmittelbar aus § 39 Abs. 2 GmbHG (Förster, a.a.O., § 8 Rn. 16). Der (neue) Geschäftsführer hat zudem nach § 39 Abs. 3 GmbHG in der Anmeldung zu versichern, dass keine Umstände vorliegen, die seiner Bestellung nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3 sowie Satz 3 GmbHG entgegenstehen, und dass er über seine unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Registergericht belehrt worden ist. Die neuen Geschäftsführer haben mithin obligatorisch die in Abs. 3 vorgesehene Versicherung abzugeben.

Der Rechtssicherheit dient auch die Prüfung der Eintragung durch das Registergericht. Denn es ist Aufgabe des Registergerichts, die Eintragung unrichtiger oder tatsächlich nicht bestehender Rechtsverhältnisse zu verhindern (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.04.2020 – Az.: L 4 BA 825/20 ER-B -, in juris Rn. 18 m.w.N.). Auch wenn es sich gesellschaftsrechtlich lediglich um eine deklaratorische Eintragung handelt, ist das Registergericht bei begründeten Zweifeln berechtigt und verpflichtet, den wahren Sachverhalt aufzuklären (vgl. BGH, Beschluss vom 21.06.2011 – Az.: II ZB 15/10 – in juris Rn. 10). All dies dient der Rechtssicherheit und damit auch der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher (Anknüpfungs-)Tatbestände.

Vor der Eintragung in das Handelsregister ist für den prüfenden Versicherungsträger mithin nicht sicher erkennbar, ob (z.B. im Hinblick auf § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3 GmbHG) überhaupt auch nur die Eintragungsfähigkeit des (neuen) Geschäftsführers gegeben ist. Der Handelsregisterauszug manifestiert, dass die Eintragung einer Rechtsprüfung unterzogen wurde (vgl. in anderem Zusammenhang BSG, Urteil vom 09.08.2006 – Az.: B 12 KR 3/06 R – in juris Rn. 23). Der Zeitpunkt der Eintragung in das Handelsregister ist mithin für die statusrechtliche Beurteilung der maßgebliche Zeitpunkt. Ab diesem Zeitpunkt manifestiert sich der Wille der Gesellschafter zur Bestellung eines (neuen) Geschäftsführers in rechtlich anzuerkennender Weise (LSG, Beschluss vom 08.04.2020 – Az.: L 4 BA 825/20 ER-B -, in juris Rn. 19; vgl. allg. BSG, Urteil vom 29.07.2015 – Az.: B 12 KR 23/13 R – in juris Rn. 19).

Auf die Berufung der Beklagten war das Urteil des SG daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der Beigeladene hat keine Anträge gestellt, weshalb er seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hat (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 162 Abs. 3 VwGO).

III. Die Zulassung der Revision beruht auf § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG, da höchstrichterlich noch nicht geklärt ist, ob bei der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung von GmbH-Gesellschaftern maßgeblich auf deren Eintragung ins Handelsregister abzustellen ist.

IV. Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf § 197a SGG iVm. §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und 3 GKG.
Rechtskraft
Aus
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