Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 1 AL 589/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 362/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14.08.2001 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Herabstufung des maßgeblichen Bemessungsentgelts für die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab 22.09.2000 streitig.
Der am 1950 geborene Kläger, gelernter Bankkaufmann, war seit 1970 durchgehend als Organisator bei verschiedenen Banken tätig, zuletzt von 1989 bis 31.03.1997 als Organisationsleiter bei der Kreissparkasse H ... Das letzte Arbeitsverhältnis endete durch Arbeitgeberkündigung aus betrieblichen Gründen.
Am 24.03.1997 meldete er sich bei der Beklagten arbeitslos, woraufhin diese ihm mit Bescheid vom 07.05.1979 Arbeitslosengeld (Alg) ab 01.04.1997 nach einem Bemessungsentgelt von DM 1.980,-- wöchentlich bewilligte. Nach einer selbständigen Tätigkeit vom 26.01.1999 bis 25.07.1999 als Bauspar- und Versicherungsvertreter, für die der Kläger Überbrückungsgeld bezog, meldete er sich am 26.07.1999 erneut arbeitslos. Am 30.08.1999 wurde Alg wieder bewilligt, ab 27.07.1999 Alhi, jeweils nach einem Bemessungsentgelt von DM 1.980,--.
Wegen Zweifel des Vermittlers an der psychischen und körperlichen Leistungsfähigkeit des Klägers wurde zur Abklärung eine arbeitsamtsärztliche Begutachtung veranlasst. Dr.B. kam in seinem Gutachten vom 25.05.2000 zu dem Ergebnis, dass die psychische Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit im Untersuchungszeitpunkt nicht nachweisbar vermindert sei. Auch körperlich seien keine wesentlichen Defizite feststellbar.
Anlässlich der Eröffnung des Gutachtens vom 27.06.2000 wurde dem Kläger die Teilnahme an einem Lehrgang "Vollzeitseminar für erfahrene Kaufleute" angeboten. Dieses Angebot lehnte der Kläger ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass die vom Gutachter festgestellte volle Leistungsfähigkeit derzeit nicht gegeben sei. Dabei verwies er auf eine nervenärztliche Bescheinigung von Dr.G. vom 13.07.2000, in der ausgeführt wurde, der Kläger befinde sich in dortiger nervenärztlicher Behandlung. Es handele sich um reaktiv-depressive Zustände, die immer wieder zu allgemeinen psychophysischen Erschöpfungszuständen mit Schwindel und Angstzuständen führten. Eine volle Belastbarkeit sei aktuell nicht gegeben. Daraufhin ließ die Beklagte den Kläger erneut begutachten. In ihrem Gutachten vom 12.09.2000 kam Frau Dr. B. zu der Beurteilung, dass leichte und mittelschwere Arbeiten vollschichtig verrichtet werden könnten, bei guter Umweltkonstellation auch Stresstoleranz durchaus gegeben sei. Im Rahmen dieses Leistungsbildes sei die bisherige Tätigkeit weiterhin möglich. Die Teilnahme an der Qualifizierungsmaßnahme wäre aufgrund derzeit bestehender Umfeldkonstellationen eine zu große nervlich-psychische Belastung gewesen.
Anläßlich einer persönlichen Vorsprache wurde dem Kläger am 22.09.2000 das ärztliche Gutachten eröffnet und ihm erläutert, er könne das bisherige Arbeitsentgelt aus gesundheitlichen Gründen derzeit nicht mehr erzielen, weshalb eine fiktive Einstufung als kaufmännischer Angestellter in der Bayerischen Metallindustrie - DM 3.789,24 monatlich bei 38,5 Stunden wöchentlich - zu erfolgen habe.
Nach Ablauf des Bewilligungsabschnitts am 27.07.2000 hatte der Kläger vom 28.07. bis 21.09.2000 Alhi nach einem Bemessungsentgelt von DM 1.930,-- wöchentlich bezogen. Mit Bescheid vom 28.09.2000 wurde der Alhi-Bewilligung ab 22.09.2000 ein Bemessungsentgelt von DM 870,-- wöchentlich zugrunde gelegt.
Mit seinem Widerspruch vom 03.10.2000 machte der Kläger geltend, eine Einstufung nach einem Tarifvertrag der Metallindustrie sei nicht akzeptabel, nachdem er 27 Jahre im Bank- und Sparkassengewerbe gearbeitet habe. Ferner sei die aktuelle nervliche Belastung durch die beiden Strafverfahren der Beklagten ausgelöst worden. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 10.11.2000 zurückgewiesen. Der Kläger sei derzeit und mittelfristig nur für einfache Tätigkeiten ohne Stressbelastung und ohne nervlich-psychische Anforderungen voll leistungsfähig, weshalb die Herabstufung zutreffend sei.
Zur Begründung seiner dagegen zum Sozialgericht (SG) Augsburg erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, die Gründe, auf die das Arbeitsamt seine Entscheidung stütze, seien nicht haltbar, da er im Grunde wegen Problemen mit seiner Ex-Ehefrau (mehrere Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse) in einer schwierigen Situation sei. Hingewiesen hat er erneut auf die beiden Strafprozesse, die die Beklagte in Gang gesetzt habe. Er sei weiterhin in der Lage, im Rahmen seiner früheren Tätigkeit eine Führungsposition zu bekleiden. Im Übrigen hat er auf ein Attest von Dr.G. vom 16.10.2000 verwiesen, wonach es sich bei ihm um sich bessernde reaktiv-depressive Zustände handele und die allgemeine psychophysische Belastbarkeit besser geworden sei.
Mit Urteil vom 14.08.2001 hat das SG die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 28.09.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.11.2000 verurteilt, dem Kläger ab 22.09.2000 weiterhin Alhi im gesetzlichen Umfang aus einem Bemessungsentgelt von DM 1.980,-- zu gewähren. Aus den arbeitsamtsärztlichen Gutachten würden sich keine maßgeblichen Leistungsbeeinträchtigungen ergeben, auf die sich eine Herabstufung stützen könne, erst recht nicht die Herabstufung auf Gehaltsgruppe II des Tarifvertrages für die Bayerische Metall- und Elektroindustrie.
Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte vor, das SG hätte bei der Überprüfung der von ihr getroffenen Regelung zur Herabsetzung der Leistungshöhe neben gesundheitlichen Gründen auch sonstige Gesichtspunkte miteinbeziehen müssen, die gegen eine Weitergewährung der Alhi in der vormals zuerkannten Höhe sprechen würden. Insoweit werde auf die rechtskräftige Verurteilung des Klägers wegen versuchten Betruges verwiesen. Es müsse sich konsquenterweise die Frage aufdrängen, ob insbesondere durch eine rechtskräftige Verurteilung wegen eines Vermögensdelikts die Vermittelbarkeit in eine Tätigkeit im Bankbereich ausgeschlossen werde. Das SG wäre daher zur Überprüfung der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen auch unter diesem Aspekt verpflichtet gewesen, zumal diese noch zu einem Zeitpunkt ergangen seien, als die Rechtskraft des Strafurteils noch nicht bekannt gewesen sei. Leztlich könne dem SG auch nicht gefolgt werden, soweit es dem Gutachten von Dr.B. die Feststellung entnehme, der Kläger entspreche ohne Einschränkung aktuell und fortlaufend dem für Führungstätigkeiten insbesondere im Bankbereich erforderlichen Leistungsprofil. Im Übrigen werde auf die Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes vom 02.11.2001 verwiesen. Danach stehe fest, dass der Kläger aus arbeitsmedizinisch-sozialmedizinischer Sicht nicht mehr in der Lage sei, eine Tätigkeit als Abteilungsleiter in einer Bank oder Sparkasse auszuüben.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 04.04.2001 erklärten die Beteiligten übereinstimmend, dass Gegenstand dieses Verfahrens nur der Bescheid vom 28.09.2000 in der Gestalt des Widerbescheides vom 10.11.2000 ist. Der Kläger erklärte, dass er die Klage, soweit Alhi nach einem höheren Bemessungsentgelt als DM 1.930,-- beantragt wurde, zurücknimmt.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14.08.2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er vertritt weiterhin die Auffassung, in der Lage zu sein, eine Führungsposition im Rahmen seiner früheren Tätigkeit bekleiden zu können.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge, insbesondere auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 04.04.2003 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.
Nachdem der Kläger seine Klage, soweit Alhi nach einem höheren Bemessungsentgelt als DM 1.930,-- beantragt wurde, zurückgenommen hat, erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet.
Denn beim Kläger liegen keine personengebundenen Gründe vor, die eine Herabsetzung des maßgeblichen Bemessungsentgelts von DM 1.930,-- auf ein Bemessungsentgelt von DM 870,-- rechtfertigen.
Die Alhi beträgt für Arbeitslose, die den Anspruch auf den erhöhten Leisstungssatz erfüllen, 57 % des Leistungsentgelts (§ 195 Satz 1 3.Buch Sozialgesetzbuch - SGB III -). Leistungsentgelt ist das pauschalierte Nettoentgelt, das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat - Bemessungsentgelt - (§§ 198 Satz 2 Nr.4, 129 SGB III). Für die Arbeitslosenhilfe ist im Regelfall das Bemessungsentgelt maßgebend, nach dem das Alg zuletzt bemessen worden ist (§ 200 Abs.1 Satz 1 SGB III); dieses beträgt im vorliegenden Fall DM 1.930,-- und ist für die Bewilligung der Alhi ab 22.09.2000 zugrunde zu legen. Dagegen liegen die Voraussetzungen für eine Herabbemessung nach § 200 Abs.2 S.1 SGB III nicht vor.
Solange der Arbeitslose aus Gründen, die in seiner Person liegen, nicht mehr das maßgebliche Bemessungsentgelt erzielen kann, ist Bemessungsentgelt das tarifliche Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung, auf die das Arbeitsamt die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken hat, wobei alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind (§ 200 Abs.2 Satz 1 SGB III). Gründe, die in der Person liegen, können Leistungseinschränkungen seien, die auf individuell gesundheitlichen Beeinträchtigungen beruhen (Niesel, Kommentar SGB III, § 200 Rdrn.14). Maßgeblich sind nur solche Gründe, die den konkreten Alhi-Bezieher aus einer Gruppe anderer Arbeitsloser, die ihm hinsichtlich beruflicher Qualifikation, Alter, Dauer der Arbeitslosigkeit und anderer Gesichtspunkte vergleichbar sind, individuell herausheben (Niesel, a.a.O., Rdnr.13). Derartige Gründe liegen aber weder unter gesundheitlichen noch unter allgemeinen Gesichtspunkten beim Kläger vor.
Insbesondere ergibt sich eine gesundheitliche Einschränkung des Klägers nicht aus der arbeitsamtsärztlichen Stellungnahme vom 02.11.2001. Diese ist lediglich nach Aktenlage erstellt worden, wohingegen sowohl Dr.B. als auch Dr.B. den Kläger zeitnah untersucht haben. Nach dem Gutachten von Dr.B. war weder die psychische Leistungsfähigkeit noch die sonstige Belastbarkeit nachweisbar vermindert. Entsprechendes gilt für das Gutachten von Frau Dr.B. , die ebenfalls zu dem Ergebnis kam, dass die bisherige (zuletzt ausgeübte) Tätigkeit weiterhin möglich ist und der Kläger bei guter Umfeldkonstellation durchaus stresstolerant ist. Auch wurde in der arbeitsamtsärztlichen Stellungnahme vom 02.11.2001 nicht gewürdigt, dass der den Kläger seit Jahren behandelnde Arzt Dr.G. bereits am 16.10.2000 bestätigte, dass sich die allgemeine psychophysische Belastbarkeit gebessert habe. Auch hatte Dr.G. in seinem Attest vom 13.07.2000 "lediglich" darauf hingewiesen, dass eine volle Belastbarkeit "aktuell" nicht gegeben sei. Ob Frau Dr.B. in ihrem Gutachten vom 12.09.2000 zu Recht die Auffassung vertrat, die Teilnahme an der Qualifizierungsmaßnahme sei eine zu große nervlich-psychische Belastung kann dahinstehen, denn auch sie hat lediglich "derzeit" eine entsprechende Belastbarkeit verneint. Dafür, dass es sich hierbei um einen länger andauernden Zustand gehandelt hat, liegen keine Anhaltspunkte vor, die eine Abweichung von der Regelbemessung des § 200 Abs.1 SGB III rechtfertigen würden. Deshalb kann auch dahinstehen, ob es sich bei der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit des Organisationsleiters um eine permanent stressbelastete Arbeit handelt. Auch der zuständige Arbeitsvermittler hat bei der Eröffnung des ärztlichen Gutachtens am 22.09.2000 darauf hingewiesen, dass das bisherige Arbeitsentgelt aus gesundheitlichen Gründen "derzeit" nicht mehr erzielt werden könne.
Auch die von der Beklagen gerügte Nichtberücksichtigung von "allgemeinen Gesichtspunken" ist nicht geeignet, eine andere Entscheidung herbeizuführen. Die rechtskräftige Verurteilung des Klägers führt gemäß § 32 Abs.2 Nr.5 a Bundeszentralregistergesetz nicht zu einem Eintrag in das Führungszeugnis, da sie eine Geldstrafe von weniger als 90 Tagessätzen beinhaltete. Der in dieser gesetzlichen Bestimmung zum Ausdruck kommende Wille des Bundesgesetzgebers, dass Verurteilungen unter dieser Grenze nicht zu einer Beeinträchtigung des beruflichen Werdeganges führen sollen, ist auch im Rahmen des § 200 Abs.2 S.1 SGB III zu berücksichtigen.
Der Senat folgt im Übrigen den Ausführungen des SG in den Entscheidungen des angefochtenen Urteils und sieht gemäß § 153 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Somit war die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Augsburg vom 14.08.2001 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Herabstufung des maßgeblichen Bemessungsentgelts für die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab 22.09.2000 streitig.
Der am 1950 geborene Kläger, gelernter Bankkaufmann, war seit 1970 durchgehend als Organisator bei verschiedenen Banken tätig, zuletzt von 1989 bis 31.03.1997 als Organisationsleiter bei der Kreissparkasse H ... Das letzte Arbeitsverhältnis endete durch Arbeitgeberkündigung aus betrieblichen Gründen.
Am 24.03.1997 meldete er sich bei der Beklagten arbeitslos, woraufhin diese ihm mit Bescheid vom 07.05.1979 Arbeitslosengeld (Alg) ab 01.04.1997 nach einem Bemessungsentgelt von DM 1.980,-- wöchentlich bewilligte. Nach einer selbständigen Tätigkeit vom 26.01.1999 bis 25.07.1999 als Bauspar- und Versicherungsvertreter, für die der Kläger Überbrückungsgeld bezog, meldete er sich am 26.07.1999 erneut arbeitslos. Am 30.08.1999 wurde Alg wieder bewilligt, ab 27.07.1999 Alhi, jeweils nach einem Bemessungsentgelt von DM 1.980,--.
Wegen Zweifel des Vermittlers an der psychischen und körperlichen Leistungsfähigkeit des Klägers wurde zur Abklärung eine arbeitsamtsärztliche Begutachtung veranlasst. Dr.B. kam in seinem Gutachten vom 25.05.2000 zu dem Ergebnis, dass die psychische Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit im Untersuchungszeitpunkt nicht nachweisbar vermindert sei. Auch körperlich seien keine wesentlichen Defizite feststellbar.
Anlässlich der Eröffnung des Gutachtens vom 27.06.2000 wurde dem Kläger die Teilnahme an einem Lehrgang "Vollzeitseminar für erfahrene Kaufleute" angeboten. Dieses Angebot lehnte der Kläger ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass die vom Gutachter festgestellte volle Leistungsfähigkeit derzeit nicht gegeben sei. Dabei verwies er auf eine nervenärztliche Bescheinigung von Dr.G. vom 13.07.2000, in der ausgeführt wurde, der Kläger befinde sich in dortiger nervenärztlicher Behandlung. Es handele sich um reaktiv-depressive Zustände, die immer wieder zu allgemeinen psychophysischen Erschöpfungszuständen mit Schwindel und Angstzuständen führten. Eine volle Belastbarkeit sei aktuell nicht gegeben. Daraufhin ließ die Beklagte den Kläger erneut begutachten. In ihrem Gutachten vom 12.09.2000 kam Frau Dr. B. zu der Beurteilung, dass leichte und mittelschwere Arbeiten vollschichtig verrichtet werden könnten, bei guter Umweltkonstellation auch Stresstoleranz durchaus gegeben sei. Im Rahmen dieses Leistungsbildes sei die bisherige Tätigkeit weiterhin möglich. Die Teilnahme an der Qualifizierungsmaßnahme wäre aufgrund derzeit bestehender Umfeldkonstellationen eine zu große nervlich-psychische Belastung gewesen.
Anläßlich einer persönlichen Vorsprache wurde dem Kläger am 22.09.2000 das ärztliche Gutachten eröffnet und ihm erläutert, er könne das bisherige Arbeitsentgelt aus gesundheitlichen Gründen derzeit nicht mehr erzielen, weshalb eine fiktive Einstufung als kaufmännischer Angestellter in der Bayerischen Metallindustrie - DM 3.789,24 monatlich bei 38,5 Stunden wöchentlich - zu erfolgen habe.
Nach Ablauf des Bewilligungsabschnitts am 27.07.2000 hatte der Kläger vom 28.07. bis 21.09.2000 Alhi nach einem Bemessungsentgelt von DM 1.930,-- wöchentlich bezogen. Mit Bescheid vom 28.09.2000 wurde der Alhi-Bewilligung ab 22.09.2000 ein Bemessungsentgelt von DM 870,-- wöchentlich zugrunde gelegt.
Mit seinem Widerspruch vom 03.10.2000 machte der Kläger geltend, eine Einstufung nach einem Tarifvertrag der Metallindustrie sei nicht akzeptabel, nachdem er 27 Jahre im Bank- und Sparkassengewerbe gearbeitet habe. Ferner sei die aktuelle nervliche Belastung durch die beiden Strafverfahren der Beklagten ausgelöst worden. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 10.11.2000 zurückgewiesen. Der Kläger sei derzeit und mittelfristig nur für einfache Tätigkeiten ohne Stressbelastung und ohne nervlich-psychische Anforderungen voll leistungsfähig, weshalb die Herabstufung zutreffend sei.
Zur Begründung seiner dagegen zum Sozialgericht (SG) Augsburg erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, die Gründe, auf die das Arbeitsamt seine Entscheidung stütze, seien nicht haltbar, da er im Grunde wegen Problemen mit seiner Ex-Ehefrau (mehrere Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse) in einer schwierigen Situation sei. Hingewiesen hat er erneut auf die beiden Strafprozesse, die die Beklagte in Gang gesetzt habe. Er sei weiterhin in der Lage, im Rahmen seiner früheren Tätigkeit eine Führungsposition zu bekleiden. Im Übrigen hat er auf ein Attest von Dr.G. vom 16.10.2000 verwiesen, wonach es sich bei ihm um sich bessernde reaktiv-depressive Zustände handele und die allgemeine psychophysische Belastbarkeit besser geworden sei.
Mit Urteil vom 14.08.2001 hat das SG die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 28.09.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.11.2000 verurteilt, dem Kläger ab 22.09.2000 weiterhin Alhi im gesetzlichen Umfang aus einem Bemessungsentgelt von DM 1.980,-- zu gewähren. Aus den arbeitsamtsärztlichen Gutachten würden sich keine maßgeblichen Leistungsbeeinträchtigungen ergeben, auf die sich eine Herabstufung stützen könne, erst recht nicht die Herabstufung auf Gehaltsgruppe II des Tarifvertrages für die Bayerische Metall- und Elektroindustrie.
Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte vor, das SG hätte bei der Überprüfung der von ihr getroffenen Regelung zur Herabsetzung der Leistungshöhe neben gesundheitlichen Gründen auch sonstige Gesichtspunkte miteinbeziehen müssen, die gegen eine Weitergewährung der Alhi in der vormals zuerkannten Höhe sprechen würden. Insoweit werde auf die rechtskräftige Verurteilung des Klägers wegen versuchten Betruges verwiesen. Es müsse sich konsquenterweise die Frage aufdrängen, ob insbesondere durch eine rechtskräftige Verurteilung wegen eines Vermögensdelikts die Vermittelbarkeit in eine Tätigkeit im Bankbereich ausgeschlossen werde. Das SG wäre daher zur Überprüfung der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen auch unter diesem Aspekt verpflichtet gewesen, zumal diese noch zu einem Zeitpunkt ergangen seien, als die Rechtskraft des Strafurteils noch nicht bekannt gewesen sei. Leztlich könne dem SG auch nicht gefolgt werden, soweit es dem Gutachten von Dr.B. die Feststellung entnehme, der Kläger entspreche ohne Einschränkung aktuell und fortlaufend dem für Führungstätigkeiten insbesondere im Bankbereich erforderlichen Leistungsprofil. Im Übrigen werde auf die Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes vom 02.11.2001 verwiesen. Danach stehe fest, dass der Kläger aus arbeitsmedizinisch-sozialmedizinischer Sicht nicht mehr in der Lage sei, eine Tätigkeit als Abteilungsleiter in einer Bank oder Sparkasse auszuüben.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 04.04.2001 erklärten die Beteiligten übereinstimmend, dass Gegenstand dieses Verfahrens nur der Bescheid vom 28.09.2000 in der Gestalt des Widerbescheides vom 10.11.2000 ist. Der Kläger erklärte, dass er die Klage, soweit Alhi nach einem höheren Bemessungsentgelt als DM 1.930,-- beantragt wurde, zurücknimmt.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14.08.2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er vertritt weiterhin die Auffassung, in der Lage zu sein, eine Führungsposition im Rahmen seiner früheren Tätigkeit bekleiden zu können.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge, insbesondere auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 04.04.2003 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.
Nachdem der Kläger seine Klage, soweit Alhi nach einem höheren Bemessungsentgelt als DM 1.930,-- beantragt wurde, zurückgenommen hat, erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet.
Denn beim Kläger liegen keine personengebundenen Gründe vor, die eine Herabsetzung des maßgeblichen Bemessungsentgelts von DM 1.930,-- auf ein Bemessungsentgelt von DM 870,-- rechtfertigen.
Die Alhi beträgt für Arbeitslose, die den Anspruch auf den erhöhten Leisstungssatz erfüllen, 57 % des Leistungsentgelts (§ 195 Satz 1 3.Buch Sozialgesetzbuch - SGB III -). Leistungsentgelt ist das pauschalierte Nettoentgelt, das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat - Bemessungsentgelt - (§§ 198 Satz 2 Nr.4, 129 SGB III). Für die Arbeitslosenhilfe ist im Regelfall das Bemessungsentgelt maßgebend, nach dem das Alg zuletzt bemessen worden ist (§ 200 Abs.1 Satz 1 SGB III); dieses beträgt im vorliegenden Fall DM 1.930,-- und ist für die Bewilligung der Alhi ab 22.09.2000 zugrunde zu legen. Dagegen liegen die Voraussetzungen für eine Herabbemessung nach § 200 Abs.2 S.1 SGB III nicht vor.
Solange der Arbeitslose aus Gründen, die in seiner Person liegen, nicht mehr das maßgebliche Bemessungsentgelt erzielen kann, ist Bemessungsentgelt das tarifliche Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung, auf die das Arbeitsamt die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken hat, wobei alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind (§ 200 Abs.2 Satz 1 SGB III). Gründe, die in der Person liegen, können Leistungseinschränkungen seien, die auf individuell gesundheitlichen Beeinträchtigungen beruhen (Niesel, Kommentar SGB III, § 200 Rdrn.14). Maßgeblich sind nur solche Gründe, die den konkreten Alhi-Bezieher aus einer Gruppe anderer Arbeitsloser, die ihm hinsichtlich beruflicher Qualifikation, Alter, Dauer der Arbeitslosigkeit und anderer Gesichtspunkte vergleichbar sind, individuell herausheben (Niesel, a.a.O., Rdnr.13). Derartige Gründe liegen aber weder unter gesundheitlichen noch unter allgemeinen Gesichtspunkten beim Kläger vor.
Insbesondere ergibt sich eine gesundheitliche Einschränkung des Klägers nicht aus der arbeitsamtsärztlichen Stellungnahme vom 02.11.2001. Diese ist lediglich nach Aktenlage erstellt worden, wohingegen sowohl Dr.B. als auch Dr.B. den Kläger zeitnah untersucht haben. Nach dem Gutachten von Dr.B. war weder die psychische Leistungsfähigkeit noch die sonstige Belastbarkeit nachweisbar vermindert. Entsprechendes gilt für das Gutachten von Frau Dr.B. , die ebenfalls zu dem Ergebnis kam, dass die bisherige (zuletzt ausgeübte) Tätigkeit weiterhin möglich ist und der Kläger bei guter Umfeldkonstellation durchaus stresstolerant ist. Auch wurde in der arbeitsamtsärztlichen Stellungnahme vom 02.11.2001 nicht gewürdigt, dass der den Kläger seit Jahren behandelnde Arzt Dr.G. bereits am 16.10.2000 bestätigte, dass sich die allgemeine psychophysische Belastbarkeit gebessert habe. Auch hatte Dr.G. in seinem Attest vom 13.07.2000 "lediglich" darauf hingewiesen, dass eine volle Belastbarkeit "aktuell" nicht gegeben sei. Ob Frau Dr.B. in ihrem Gutachten vom 12.09.2000 zu Recht die Auffassung vertrat, die Teilnahme an der Qualifizierungsmaßnahme sei eine zu große nervlich-psychische Belastung kann dahinstehen, denn auch sie hat lediglich "derzeit" eine entsprechende Belastbarkeit verneint. Dafür, dass es sich hierbei um einen länger andauernden Zustand gehandelt hat, liegen keine Anhaltspunkte vor, die eine Abweichung von der Regelbemessung des § 200 Abs.1 SGB III rechtfertigen würden. Deshalb kann auch dahinstehen, ob es sich bei der vom Kläger ausgeübten Tätigkeit des Organisationsleiters um eine permanent stressbelastete Arbeit handelt. Auch der zuständige Arbeitsvermittler hat bei der Eröffnung des ärztlichen Gutachtens am 22.09.2000 darauf hingewiesen, dass das bisherige Arbeitsentgelt aus gesundheitlichen Gründen "derzeit" nicht mehr erzielt werden könne.
Auch die von der Beklagen gerügte Nichtberücksichtigung von "allgemeinen Gesichtspunken" ist nicht geeignet, eine andere Entscheidung herbeizuführen. Die rechtskräftige Verurteilung des Klägers führt gemäß § 32 Abs.2 Nr.5 a Bundeszentralregistergesetz nicht zu einem Eintrag in das Führungszeugnis, da sie eine Geldstrafe von weniger als 90 Tagessätzen beinhaltete. Der in dieser gesetzlichen Bestimmung zum Ausdruck kommende Wille des Bundesgesetzgebers, dass Verurteilungen unter dieser Grenze nicht zu einer Beeinträchtigung des beruflichen Werdeganges führen sollen, ist auch im Rahmen des § 200 Abs.2 S.1 SGB III zu berücksichtigen.
Der Senat folgt im Übrigen den Ausführungen des SG in den Entscheidungen des angefochtenen Urteils und sieht gemäß § 153 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Somit war die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Augsburg vom 14.08.2001 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
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