L 19 RJ 196/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 17 RJ 1150/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 RJ 196/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 02.03.1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung einer Beschäftigungszeit und die Bewertung von in Polen zurückgelegten Beitragszeiten.

Die am 1939 geborene Klägerin ist am 13.02.1989 aus Polen in die Bundesrepublik eingereist und Inhaberin des Bundesvertriebenenausweises A. Nach einem vor dem Bayer. Landessozialgericht am 11.10.2000 geschlossenen Vergleich (L 19 RJ 184/99) bezog sie ab 01.03.1997 Rente wegen Berufsunfähigkeit; ab 01.08.1999 bezieht sie Altersrente.

Die Klägerin besuchte von 1953 bis 1957 ein Bergbautechnikum (Kohlebetrieb), von 1957 bis 1961 ein ökonomisches Technikum im Fernunterricht und legte im Jahr 1961 das Abitur ab. Von 1962 bis 1966 besuchte sie eine ökonomische Hochschule und legte im Jahr 1968 die Magisterprüfung ab (in Deutschland entspricht diese Ausbildung einem Hochschulstudium). Versicherungspflichtig gearbeitet hat die Klägerin ab 19.12.1962 bis 31.05.1967 als ökonomische Sachbearbeiterin, vom 01.08.1967 bis 01.09.1975 als Leiterin eines Agenturbetriebes, vom 01.09.1975 bis 31.08.1984 als Betriebsleiterin eines Cafés und von 1984 bis 1989 als Inhaberin eines Gastronomiebetriebes.

Im (zweiten) Kontenklärungsverfahren 1991 machte die Klägerin erstmals geltend, sie sei vom 15.08.1960 bis 19.11.1962 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen als Buchhalterin beim Verband der Dorfjugend. Die damals zuständige BfA holte eine Auskunft des polnischen Rentenversicherungsträgers ein.

Der polnische Rentenversicherungsträger teilte unter dem 14.09.1995 mit, dass Unterlagen über eine Beschäftigung von 1960 bis 1962 nicht vorhanden seien, diese Zeit fehle im Archiv. Mit Bescheiden vom 21.08.1996, 28.05.1997 und 30.10.1998 sowie hierzu ergangenem Widerspruchsbescheid vom 03.12.1998 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Beschäftigungszeit von 1960 bis 1962 ab (dieser Zeitraum wurde als Hochschulausbildung vorgemerkt) und ordnete die Zeit vom 19.12.1962 bis 31.05.1967 und die Zeit vom 01.08.1967 bis 31.01.1989 der Qualifikationsgruppe 4 der Anlage 14 zum Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) zu.

Mit Urteil vom 02.03.1999 verurteilte das Sozialgericht Nürnberg (SG) die Beklagte, die Beitragszeit vom 30.05.1968 bis 31.01.1989 mit der Qualifikationsgruppe 2 im Versicherungsverlauf der Klägerin zu berücksichtigen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die geltend gemachte Beschäftigungszeit vom 15.08.1960 bis 19.11.1962 sei vom polnischen Rentenversicherungsträger nicht bestätigt. Es seien auch weder weitere Unterlagen vorgelegt worden noch seien solche für das SG beiziehbar. Die Eingruppierung in die Qualifikationsgruppe 2 für die Zeit von 1962 bis 1967 sei nicht gerechtfertigt; die Ausbildung der Klägerin entspreche in Deutschland nach dem Bescheid der Industrie- und Handelskammer Nürnberg über die Anerkennung einer Prüfung vom 16.10.1989 lediglich dem beruflichen Abschluss "Bürokaufmann". Die Beklagte habe die von der Klägerin in diesem Zeitraum ausgeübte Tätigkeit zu Recht der Qualifikationsgruppe 4 zugeordnet. In der Zeit von 1967 bis 1989 habe die Klägerin nicht die Voraussetzungen der Qualifikationsgruppe 1 erfüllt, da sie nicht eine entsprechende Tätigkeit dieser Qualifikationsgruppe ausgeübt habe.

Mit ihrer Berufung macht die Klägerin weiterhin geltend, sie habe von 1960 bis 1962 als Buchhalterin gearbeitet und zwar 46 Stunden in der Woche; sie habe Lohn erhalten und somit hätte nach dem am 01.03.1957 geltenden Bundesrecht Versicherungspflicht bestanden. Von 1962 bis 1967 habe sie in einem Betrieb gearbeitet, der die Planung und Ausrüstung der Kohleindustrie bewerkstelligte. Sie sei bei der Wirtschaftsplanung für Kohleanlagen tätig gewesen, die letzten zwei Jahre als Referentin. Da sie eine Ausbildung als Technikerin gehabt habe und als Technikerin bzw. als Referentin eingesetzt gewesen sei, sei ihr hierfür die Qualifikationsgruppe 2 zu gewähren. Von 1967 bis 1989 habe sie in der Gastronomie gearbeitet und sei Leiterin von verschiedenen Betrieben gewesen. Da sie 1966 das Studium abgechlossen und 1968 das Prüfungszeugnis erhalten habe, sei die Beitragszeit vom 01.08.1967 an in die Qualifikationsgruppe 1 einzuordnen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des SG Nürnberg vom 02.03.1999 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 21.04.1999, 19.05.1999, 01.12.2000 und 21.12.2000 zu verurteilen, bei der Berechnung der Renten die in Polen vom 15.08.1960 bis 19.11.1962 zurückgelegte Zeit als Beschäftigungszeit zu berücksichtigen und die Zeit vom 19.12.1962 bis 31.05.1967 in der Qualifikationsgruppe 2 und die Zeit vom 01.08.1967 bis 31.01.1989 in der Qualifikationsgruppe 1 zu berücksichtigen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, die Angaben der Klägerin zur Beschäftigungszeit von 1960 bis 1962 seien widersprüchlich. Unter Berücksichtigung des beruflichen Werdeganges der Klägerin und der tatsächlich verrichteten Tätigkeit sei davon auszugehen, dass sie keine berufliche Stellung eingenommen hat, die den beispielhaft aufgezeigten Personengruppen entsprach. Die Zuordnung zu höheren Qualifikationsgruppen scheide daher aus.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge, die Unterlagen der Beklagten und die vom Senat beigezogenen Leistungsakten des Arbeitsamtes Nürnberg Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft; sie ist form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 SGG) und auch im Übrigen zulässig.

Das Rechtsmittel der Klägerin erweist sich aber als nicht begründet. Das SG hat im angefochtenen Urteil zutreffend entschieden, dass der Klägerin höhere Rentenleistungen nicht zustehen. Denn eine weitere Beschäftigungszeit kann nicht berücksichtigt werden und die Zuordnung zu höheren Qualifikationsgruppen ist nicht gerechtfertigt.

Eine Beschäftigungszeit vom 15.08.1960 bis 19.11.1962 kann nicht berücksichtigt werden. Nach § 16 Abs 1 Fremdrentengesetz (FRG) in der ab 01.01.1997 geltenden Fassung steht eine nach vollendetem 17. Lebensjahr vor der Vertreibung u.a. in Polen verrichtete Beschäftigung, soweit sie nicht in Gebieten zurückgelegt wurde, in denen zu dieser Zeit die Sozialversicherung nach den Vorschriften der Reichsversicherungsgesetze durchgeführt wurde, einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland, für die Beiträge entrichtet sind, gleich, wenn sie nicht mit einer Beitragszeit zusammenfällt. Diese Voraussetzungen sind zur Überzeugung des Senats im Fall der Klägerin nicht erfüllt.

Bezüglich des von der Klägerin behaupteten Beschäftigungsverhältnisses vom 15.08.1960 bis 19.11.1962 sind schon die Angaben der Klägerin selbst hierzu widersprüchlich. So hat sie anlässlich des ersten Kontenklärungsantrags gegenüber der BfA angegeben, erstmalig am 19.12.1962 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen zu sein. Für den streitigen Zeitraum gab sie an, von Februar 1961 bis 18.12.1962 gelegentlich - ohne Versicherung - im elterlichen Geschäft beschäftigt gewesen zu sein. Demgegenüber gab sie erstmalig anlässlich des zweiten Kontenklärungsantrags vom 03.06.1992 an, im streitigen Zeitraum beim Verband der Dorfjugend der Wojewodschaft in K. beschäftigt gewesen zu sein. Ergänzend hierzu hat sie mit Schriftsatz vom 31.07.1995 vorgetragen, sie sei als Buchhalterin beschäftigt gewesen und zwar 46 Stunden pro Woche. Diese Angaben hält der Senat aber nicht für glaubwürdig. Dabei konnte nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Klägerin auch zum Umfang der behaupteten Tätigkeit widersprüchliche Angaben gemacht hat. Denn im Bogen über Angaben über Zeiten einer Schul-, Fachschul-, Fachhochschul- oder Hochschulausbildung hat sich die Klägerin dahingehend festgelegt, dass sie bis Dezember 1960 wöchentlich 24 Stunden an der Ausbildungsstätte anwesend war, sich zehn Stunden häuslich vorbereitet hat und vier Stunden für den Schulweg aufgewendet hat. Für die Zeit ab 1961 war sie nach ihren Angaben 22 Stunden an der Ausbildungsstätte anwesend, bereitete sich zu Hause 15 Stunden vor und musste wiederum vier Stunden für den Schulweg aufwenden. Dies ergibt für 1960 eine Ausbildungszeit von wöchentlich 38 und für die Zeit ab 1961 von 41 Stunden pro Woche. Dies lässt sich aber mit den Angaben der Klägerin, sie sei von 1960 bis 1962 in Vollzeit beschäftigt gewesen, nicht vereinbaren. Auch durch die von der Klägerin vorgelegte Bescheinigung des Verbandes der Dorfjugend der Wojewodschaft in K. vom 07.12.1962 lässt sich ein Beschäftigungsverhältnis als Buchhalterin im streitigen Zeitraum nicht begründen. Denn aus dieser geht nicht hervor, in welcher Form die Klägerin (zB ehrenamtlich) für den Verband gearbeitet hat. Die wesentliche Aussage, die sich dieser Bescheinigung entnehmen lässt, ist lediglich die, dass das ihr vertraute Vermögen abgerechnet wurde und sie keine Schulden beim Verband hat.

Ausschlaggebend für die Entscheidung des Senats war schließlich, dass der polnische Rentenversicherungsträger eine Beschäftigung der Klägerin in der Zeit vom 15.08.1960 bis 19.11.1962 nicht mitteilen konnte. Denn hierzu waren keine Angaben im Archiv zu erhalten. Da somit objektive Angaben zu dem von der Klägerin behaupteten Beschäftigungsverhältnis fehlen, das nach dem am 01.03.1957 geltenden Bundesrecht Versicherungspflicht in den gesetzlichen Rentenversicherungen begründet hätte und ein solches Beschäftigungsverhältnis den eigenen Angaben der Klägerin widerspricht, sah der Senat keine Möglichkeit, die Zeit vom 15.08.1960 bis 19.11.1962 als Beschäftigungszeit anzuerkennen.

Soweit die Klägerin begehrt, die Zeit vom 19.12.1962 bis 31.05.1967 der Qualifikationsgruppe 2 und die Zeit vom 01.08.1967 bis 31.01.1989 der Qualifikationsgruppe 1 der Anlage 13 zum SGB VI zuzuordnen, schließt sich der Senat in vol- lem Umfang der zutreffenden Begründung im angefochtenen Urteil des SG an und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs 2 SGG). Aus den genannten Gründen blieb die Berufung ohne Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved